TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/15 W225 2209709-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.2020
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Entscheidungsdatum

15.12.2020

Norm

AWG 2002 §38
AWG 2002 §43
B-VG Art133 Abs4
IG-L §20 Abs1
IG-L §20 Abs2
IG-L §20 Abs3
NÖ NSchG 2000 §7 Abs2
NÖ NSchG 2000 §8
UVP-G 2000 §17 Abs1
UVP-G 2000 §17 Abs2
UVP-G 2000 §17 Abs3
UVP-G 2000 §17 Abs4
UVP-G 2000 §17 Abs5
UVP-G 2000 §19 Abs10
UVP-G 2000 §19 Abs3
UVP-G 2000 §19 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §5
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W225 2209709-1/140E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Barbara Weiß, LL.M. als Vorsitzende und die Richter Mag. Gernot Eckhardt und Vizepräsident Dr. Michael Sachs als Beisitzer über die Beschwerden

1.       der XXXX (im Folgenden: BF1),

2.       der Gemeinde XXXX , vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH (im Folgenden: BF2),

3.       der Bürgerinitiative XXXX , vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH (im Folgenden: BF3),

4.       der Umweltorganisation XXXX (im Folgenden: BF4),

gegen den Genehmigungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung als UVP-Behörde vom 18.09.2018, Zl. XXXX , mit dem der Zöchling Abfallverwertung GmbH (im Folgenden: Projektwerberin), vertreten durch SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte OG, die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Vorhabens „Sanierung Deponie Kleeblatt“ [bestehend aus den Vorhabensbestandteilen a) Sanierung der alten Deponie auf dem Abbaufeld „Kleeblatt“ und b) Errichtung und Betrieb einer Bodenaushub- und Baurestmassendeponie auf den Abbaufeldern mit den Grundstücksnummern XXXX und XXXX , alle KG XXXX inklusive aller damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen in der Standortgemeinde XXXX im Verwaltungsbezirk Gänserndorf] erteilt wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgrund der Beschwerden wie folgt abgeändert:

I.1. Die Auflage I.4.9.7 des angefochtenen Bescheides wird abgeändert und lautet wie folgt:

„I.4.9.7 Geschüttete Flächen und Böschungen sind zum vegetationstechnisch nächst-möglichen Zeitpunkt zu begrünen. Bis zu einer Begrünung sind diese Flächen nach Bedarf (bei trockenen Verhältnissen) feucht zu halten.“

I.2. Die Auflage I.4.9.8 des angefochtenen Bescheides entfällt.

I.3. Die Auflage I.4.9.11 des angefochtenen Bescheides wird abgeändert und lautet wie folgt:

„I.4.9.11 Dieselbetriebene Arbeitsmaschinen mit einer Leistung größer 18 kW dürfen nur verwendet werden, wenn sie zumindest der Stufe IV oder höher der Verordnung (EU) 2016/1628 entsprechen. Übergangsfristen sind zu berücksichtigen. Jedenfalls notwendig ist der verpflichtende Einsatz von einem funktionsfähigen Partikelfiltersystem, das den Bestimmungen der Anlage 1 der IG-L Offroad-VO entspricht. Für Arbeitsmaschinen mit einer Leistung größer 18 kW sind schriftliche Nachweise zu führen. Dies kann beispielsweise in Form eines Verzeichnisses erfolgen, in dem die Bezeichnung, Baujahr, Leistungsklasse, Kategorie nach Verordnung (EU) 2016/1628 bzw. EURO-Abgasklassen enthalten sind. Die Arbeitsmaschinen sind eindeutig zu bezeichnen, sodass eine klare Zuordnung zu den auf dem Gelände befindlichen Maschinen getroffen werden kann. Dieses Verzeichnis ist laufend zu ergänzen, falls sich im Zuge des Betriebs Änderungen ergeben. Das aktuelle Verzeichnis der verwendeten Baumaschinen ist vor Ort zur jederzeitigen Überprüfung durch die Organe der Behörde bereitzuhalten. Nachweise bezüglich des Datums des Inverkehrbringens und die Einhaltung der vorgesehenen Typengenehmigungsstufe sind auf Verlangen der Organe der Behörde binnen 14 Tagen vorzulegen.“

I.4. Die Auflagen I.4.9.14 bis I.4.9.16 des angefochtenen Bescheides werden abgeändert und lauten wie folgt:

„I.4.9.14 Erneuerung bzw. Verbesserung des Straßenzustandes der Umfahrungsstraße zw. Einbindung in die LH6 und dem Auersthaler Weg sowie regelmäßiges Kehren mit einer Nasskehrmaschine, wodurch mit keinem Schmutzaustrag auf die LH6 und den Auersthaler Weg zu rechnen ist. Maßnahmenwirksamkeit: Reduktion der Staubbeladung auf normal verschmutzten Straßenabschnitten um 50 %.

I.4.9.15 Regelmäßiges Kehren (1x werktäglich) mit einer Nasskehrmaschine in den Straßen-abschnitten in XXXX (LH6, Auersthaler Weg, LH11: rote Linien in Abbildung 2). Maßnahmenwirksamkeit: Staubreduktion 50%. gemäß den in Abbildung 2 in rot dargestellten Bereichen.

XXXX

Quelle: Fachbereich Luft und Klima, Kumulierende Wirkungen Luft, Ergänzende Darstellung zur Maßnahmenwirksamkeit, Bearbeitung: Prof. Erich Mursch-Radlgruber, Fa. METEOSCIENCE, Auftraggeber: ARGE Projektierung Marchfeldkogel, Wien, Dezember 2017

I.4.9.16 Regelmäßiges Kehren (1x pro Woche) mit einer Nasskehrmaschine auf der LH6 in Deutsch-Wagram (von der Ortstafel bis zur Kreuzung mit der B8, gelbstrichlierte Linie in Abbildung 2), solange die Verkehrsfreigabe der S8 Marchfeldschnellstraße noch nicht erfolgte und auf der LH6 in Parbasdorf, auf dem Abschnitt, auf dem die 70 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung gilt (gelbe Linie in Abbildung 2). Maßnahmenwirkung: Staubreduktion 15%. Bei Trockenheit (= kein Niederschlag innerhalb der letzten 48 Stunden) ist die Kehrung zu wiederholen.

Die Eignung der gemäß Auflagen I.4.9.14 bis I.4.9.16 zu verwendenden Nasskehrmaschine ist durch einen geeigneten Nachweis (z. B. Prüfnachweis nach ÖNORM EN 15429-3: 2015) zu dokumentieren und vor Ort zur jederzeitigen Überprüfung durch die Organe der Behörde bereitzuhalten.“

I.5. Nach der Auflage I.4.9.17 des angefochtenen Bescheides wird folgende neue Auflage I.4.9.18 eingefügt:

„I.4.9.18 Über den Zeitraum eines Kalenderjahres ist ein tagesaktueller Nachweis über die Anzahl der erfolgten LKW-Fuhren zu erstellen und vor Ort zur jederzeitigen Überprüfung durch die Organe der Behörde bereitzuhalten. Werden die täglichen oder jährlichen Höchstmengen an LKW-Fuhren (konsolidierter Technischer Bericht - PORR, 2018) überschritten, sind überzählige LKW-Fuhren abzuweisen.“

I.6. Nach der Auflage I.4.11.2. werden folgende neue Auflagen I.4.11.3 bis I.4.11.8 eingefügt:

„I.4.11.3. Bau-, Deponierungs- und Rekultivierungsphase: Auch die nördliche und südliche Böschung des Deponiekörpers ist zu begrünen, um bei den Sichtbeziehungen von Norden und Süden her eine bessere Einbindung bzw. Verringerung der Sichtbarkeit zu bewirken. Die Bepflanzung der Böschungen ist wie folgt vorzunehmen:

-        Lückige Bepflanzung der Böschungen im Westen und Norden, wobei die Bepflanzung in Richtung Deponiekörper bzw. Böschungsoberkante hin stark aufgelockert zu sein hat (Pflanzabstände mind. 5 m). Die Bepflanzungsdichte auf der südlichen Böschung kann dichter sein (Pflanzabstände mind. 4 m).

-        Die Wuchshöhe der Gebüsche darf zu keiner nennenswerten Horizontüberhöhung führen, die zu einer relevanten Sichtbeeinträchtigung führen könnte. D.h. je weiter oben in Richtung Böschungsoberkante sind von Grund auf niederwüchsige Gehölzarten für die Bepflanzung auszuwählen (z.B. Zwergmandel - Prunus tenella, Bibernellrose - Rosa pimpinellifolia).

-        Um eine Horizontüberhöhung dauerhaft zu vermeiden, sind für die gesamte Betriebsphase entsprechende Gehölzpflegemaßnahmen durchzuführen. Die Gebüschränder sind in ihrer Form unregelmäßig auszugestalten.

-        Die Bepflanzung hat mit standortgerechten und einheimischen Arten zu erfolgen.

-        Die östliche Böschung hat frei von Gehölzen zu verbleiben.

-        Ein detaillierter Bepflanzungs- und Pflegeplan ist spätestens drei Monate vor der Errichtung der abschließenden Rekultivierung der zuständigen Behörde vorzulegen und mit dieser abzustimmen (vgl. Auflage I.4.10.5 lt. Genehmigungsbescheid XXXX ).

I.4.11.4. Bau-, Deponierungs- und Rekultivierungsphase: Durch die Artenwahl ist in Verbindung mit dem Standort und den Pflegemaßnahmen sicherzustellen, dass die Wuchshöhen der Gehölze mit zunehmender Höhe des Pflanzstandortes abnehmen, sodass die Geländeform der Hügeldeponie kaschiert wird.

I.4.11.5. Bau-, Deponierungs- und Rekultivierungsphase: Die vollständige Rekultivierung ist so bald wie möglich, spätestens 2 Jahre nach Ende der Ablagerungen fertig zu stellen.

I.4.11.6. Bau-, Deponierungs- und Rekultivierungsphase: Durch Variation der Humusauflage sind fließende Übergänge zwischen den unterschiedlichen Böschungsneigungen herzustellen. Harte, geradlinige bzw. streng geometrische Kanten sind zu vermeiden.

I.4.11.7. Folgenutzungsphase: Der Gehölzgürtel, der als Sichtschutz dient, ist auf Dauer der Deponie zu erhalten und rechtzeitig zu verjüngen, Ausfälle sind nachzupflanzen. Eine flächige Schlägerung der Gehölze ist nicht gestattet.

I.4.11.8 Die Maßnahmen sind durch eine ökologische Bauaufsicht zu begleiten, die während der Deponierungsphase und Rekultivierungsphase 2-mal jährlich und während der Folgenutzungsphase alle 5 Jahre Kontrollen durchführt und der Behörde einen Bericht über die Erfüllung der Auflagen erstattet.“

II.     Im Übrigen werden die Beschwerden abgewiesen.

III. Die von der Projektwerberin während des Beschwerdeverfahrens eingereichten ergänzenden Unterlagen

?        Verkehrstechnischer Bericht zur Beurteilung der kumulierten Wirkungen Verkehr vom 13.03.2020 (OZ 81),

?        „Aktualisierung“ Verkehrstechnischer Bericht der kumulierten Wirkungen Verkehr vom 15.05.2020 (OZ 98), und

?        Ergänzende Luftreinhaltetechnische Untersuchung vom 15.05.2020 (OZ 98)

bilden einen untrennbaren Bestandteil dieses Erkenntnisses. Die Genehmigung des Vorhabens erfolgt auf Grundlage dieser Projektunterlagen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Behördliches Verfahren:

Mit Schreiben vom 14.11.2014, bei der belangten Behörde eingelangt am 25.11.2014, brachte die Projektwerberin den Antrag auf Durchführung eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens und Erteilung einer Genehmigung gemäß § 17 UVP-G 2000 für das Vorhaben „Sanierung Deponie Kleeblatt“ in der KG XXXX ein. Dem Antrag waren die nach den Verwaltungsvorschriften für die Genehmigung des Vorhabens erforderlichen Unterlagen und die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) angeschlossen.

Nach öffentlicher Auflage der Vorhabensunterlagen gemäß § 44a AVG mit der Möglichkeit, zum Vorhaben Stellung zu nehmen, und der Erstellung von Teilgutachten durch damit beauftragte Sachverständige und einer zusammenfassenden Bewertung der Umweltauswirkungen wurde am 23. und 24.05.2018 von der belangten Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit Edikt, das am 27.09.2018 im Amtsblatt der Wiener Zeitung und weiteren Zeitungen veröffentlicht wurde, erfolgte die Erlassung des mit 18.09.2018 zur Zahl XXXX datierten Bescheides der belangten Behörde, mit dem die Genehmigung für die Errichtung und Betrieb des Vorhabens „Sanierung Deponie Kleeblatt“ erteilt wurde (im Folgenden: „angefochtener Bescheid“).

2. Beschwerden:

Gegen den angefochtenen Bescheid wurden durch die BF1 mit Schreiben vom 24.10.2018 und die BF2 bis BF4 jeweils mit Schreiben vom 08.11.2018 rechtzeitig Beschwerden bei der belangten Behörde eingebracht, in denen im Wesentlichen geltend gemacht wurde (Anm.: in Klammer findet sich die jeweils einwendende Partei):

Zum behördlichen Verfahren:

–        Es sei entgegen den gesetzlichen Vorschriften keine Naturverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden (BF2);

–        die Bescheidbegründung sei mangelhaft und setze sich nicht mit den Einwendungen auseinander (BF2);

–        die im Verfahren vorgenommene Kundmachung des Vorhabens sei fehlerhaft erfolgt (BF3, BF4);

–        die lange Dauer zwischen Einbringung und Vollständigkeitsprüfung der Projektunterlagen sowie die große Abweichung vom kundgemachten Zeitplan bedeute eine Verfahrensverschleppung; es mangle an der Begründung für die Nichteinhaltung des Zeitplans und sei der Genehmigungsantrag zurückzuweisen gewesen (BF4).

Themenbereich Abfallchemie:

–        Mit dem angefochtenen Bescheid seien „bedenkliche“ Abfallarten genehmigt worden; die belangte Behörde habe dem gebotenen Umweltvorsorgeprinzip dabei nicht ausreichend Rechnung getragen (BF3, BF4).

Themenbereich Luftschadstoffe:

–        Die Vorbelastung sei falsch angenommen worden und die dafür herangezogenen Ergebnisse von Luftgütemessstellen seien nicht repräsentativ (BF2);

–        Ultrafeinstaub PM0,1 sei zu Unrecht nicht betrachtet worden (BF2);

–        die Überschreitung von Luftreinhaltegrenzwerten könne (in Anbetracht der Kumulierung mit weiteren Vorhaben) nicht ausgeschlossen werden, und es werde eine falsche Irrelevanzschwelle angewendet (BF2, BF3, BF4);

–        für die Prognosen fehlten entsprechende Konfidenzintervalle (BF2);

–        die berücksichtigten Maßnahmen zur Staubreduktion seien nicht Stand der Technik (BF2);

–        es fehle eine Obergrenze für den von allen im räumlichen Zusammenhang zu kumulierenden Vorhaben verursachten Verkehr (BF3; BF4);

–        Beweissicherungs- und Monitoringmaßnahmen seien vom Umfang nicht ausreichend und für die gesamte Betriebszeit vorzuschreiben (BF4);

–        § 20 IG-L sei nicht verfassungskonform, ein entsprechender Antrag beim VfGH werde angeregt (BF4).

Themenbereich Lärm:

–        Verkehrslärm sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden (BF2);

–        es fehle eine Obergrenze für den von allen im räumlichen Zusammenhang zu kumulierenden Vorhaben verursachten Verkehr (BF3; BF4).

Themenbereich Humanmedizin:

–        Die Zumutbarkeit der Lärmbelastung sei nicht bewertet, sondern nur auf gesundheitsgefährliche Wirkungen des Lärms Bedacht genommen worden (BF2);

–        Verkehrslärm sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden (BF2, BF3, BF4).

Themenbereich Landschaft und Natur:

–        Das Landschaftsbild werde durch die Höhe des aufzuschüttenden Hügels untragbar beeinträchtigt (BF1, BF2, BF3, BF4);

–        die Auflagen der Fachbereiche Forst und Landschaft zur Bepflanzung widersprächen sich (BF1, BF3, BF4);

–        kumulative Auswirkungen auf die Landschaft in Verbindung mit benachbarten Vorhaben seien nicht betrachtet worden (BF1, BF3, BF4);

–        die Maßnahmen zum Schutz der Landschaft widersprächen dem Schutzerfordernis des

Triel (BF1, BF3, BF4);

–        die Naturverträglichkeitsprüfung fehle (BF2).

Es wurden die Anträge gestellt,

-        an den Verfassungsgerichtshof den Antrag zu stellen, § 20 IG-L als gesetzwidrig aufzuheben (BF4),

-        eine mündliche Verhandlung durchzuführen (BF1, BF2) und neue Sachverständige zu bestellen (BF3, BF4),

-        den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der verfahrenseinleitende Antrag ab- bzw. zurückgewiesen wird (BF1, BF2, BF3, BF4),

-        in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen (BF1, BF2, BF3, BF4).

3. Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bis zur mündlichen Verhandlung:

Das Bundesverwaltungsgericht zog dem Verfahren eine Sachverständige für UVP-Koordination bei und beauftragte nichtamtliche Sachverständige aus den Bereichen Landschaftsbild und Erholungsnutzen, Naturschutz und Ornithologie, Lärmschutz sowie Luftreinhaltetechnik mit der Erstellung von Gutachten zu den Beschwerdevorbringen, soweit diese dem Gericht rechtlich relevant erschienen. Weiters wurden Sachverständige aus den Fachbereichen Verkehrstechnik, Forsttechnik, Abfallchemie sowie Humanmedizin bestellt, die z. T. als amtliche, z. T. als nichtamtliche Sachverständige bereits im behördlichen Verfahren mit der Erstellung von Gutachten für die Behörde betraut waren. Diese Sachverständigen gaben im Lauf des Beschwerdeverfahrens gutachterliche Äußerungen ab und ergänzten damit ihre im behördlichen Verfahren erstellten Gutachten.

Mit Schreiben vom 13.03.2020, neuerlich überarbeitet mit Schreiben vom 15.05.2020, übermittelte die Projektwerberin ergänzende Unterlagen (Verkehrs- und Luftreinhaltetechnischer Bericht zu den kumulierenden Auswirkungen).

Auf Grundlage der zwischenzeitlich von der Projektwerberin vorgelegten Unterlagen übermittelten in der Folge die Sachverständigen für Verkehrstechnik, Lärmtechnik, Luftreinhaltetechnik und Humanmedizin aktualisierte Gutachten, die den Parteien rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung übermittelt wurden. Die BF1, BF2 und die Projektwerberin übermittelten daraufhin Stellungnahmen. Die weiteren im Verfahren erstatteten Gutachten wurden den Parteien bereits zu einem früheren Zeitpunkt übermittelt.

Auch die BF4 nahm zu den übermittelten Gutachten Stellung und brachte einen Tag vor der mündlichen Verhandlung zwei fachliche Stellungnahmen zu den erstatteten Gutachten der Fachbereiche Landschaftsbild und Erholungsnutzen sowie Naturschutz und Ornithologie in Vorlage.

4. Mündliche Verhandlung:

Von 27. bis 29.7.2020 wurde am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Am Schluss der mündlichen Verhandlung wurde von der Verhandlungsleiterin der Schluss des Ermittlungsverfahrens (§ 16 Abs. 3 iVm § 40 Abs. 5 UVP-G 2000) verkündet.

5. Stellungnahmen nach der mündlichen Verhandlung:

Mit Schreiben vom 02.09.2020 brachten die BF2 und BF3 eine ergänzende Stellungnahme samt  Gutachten (vom 27.08.2020) zum Fachbereich Luftreinhaltung ein. Hierbei wurde insbesondere angeführt, sie habe zu bestimmten in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Themen noch keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zum Beurteilungsgegenstand:

1.1.1. Das Vorhaben:

Die Projektwerberin beabsichtigt die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens „Sanierung Deponie Kleeblatt“ bestehend aus den Vorhabensbestandteilen

a) Sanierung der alten Deponie auf dem Abbaufeld „KLEEBLATT“ und

b) Errichtung und Betrieb einer Bodenaushub- und Baurestmassendeponie auf den Abbaufeldern „KOLLER V“, „JOHANN I“, „KOLLER II“, „KOLLER II Nachtrag“, „KLEEBLATT“, „KOLLER I“ auf den Grundstücksnummern XXXX und XXXX , alle KG XXXX ;

inklusive aller damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen in der Standortgemeinde XXXX im Verwaltungsbezirk Gänserndorf.

Sämtliche betroffene Grundstücke befinden sich im Eigentum der Projektwerberin.

Abbaufeld „KOLLER I“:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Abbaufeld „GST. XXXX und XXXX “:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Abbaufeld „KLEEBLATT“:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Abbaufeld „KOLLER II Nachtrag“:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Abbaufeld „KOLLER II“:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Abbaufeld „JOHANN I“:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Abbaufeld „KOLLER V“:

Gst. Nr. XXXX , KG XXXX

EZ: XXXX

Das Projektgebiet liegt zwischen XXXX und Strasshof in der Gänserndorfer Schotterflur, rd. 1,5 km nördlich von XXXX und rd. 1,6 km südlich bzw. südöstlich vom Siedlungsgebiet Strasshof an der Nordbahn. Die durchschnittliche Geländehöhe beträgt im Norden ca. 163,2 m ü. A. und im Süden ca. 164,6 m ü. A.

Das Projektareal umfasst Großteils schon ausgekieste Flächen bzw. Bereiche, die bereits wiederverfüllt oder in denen bereits mit der Deponierung begonnen wurde.

Das Vorhaben liegt in einem bergbaulich intensiv genutzten Gebiet. Es liegt innerhalb der Eignungszone 13 für die Gewinnung von Sand und Kies der "Verordnung über ein regionales Raumordnungsprogramm Nördliches Wiener Umland" (LGBl. 8000/86-1).

Das betroffene Areal liegt innerhalb der wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung für das Marchfeld, BGBl. 32/1964 vom 06.03.1964, jedoch außerhalb des Schongebietes.

Es liegt nicht innerhalb eines besonders ausgewiesenen Gefährdungsbereiches.

Das betroffene Projektgebiet befindet sich innerhalb des Vogelschutzgebietes „Sandboden und Praterterrasse“ und somit innerhalb eines schutzwürdigen Gebietes der Kategorie A gemäß Anhang 2 zum UVP-G 2000. In der Verordnung über die Europaschutzgebiete, LGBl. 5500/6, werden die Vogelschutzgebiete gemäß der Vogelschutzrichtlinie im Bundesland Niederösterreich verordnet. Schutzgegenstand des Vogelschutzgebietes Sandboden und Praterterrasse sind ua. die Vogelarten Triel (Burhinus oedicnemus) und Brachpieper (Anthus campestris) und ihre Lebensräume.

Deponieeinrichtung:

Baurestmassenkompartiment

Das projektgegenständliche Baurestmassenkompartiment überdeckt vollflächig die alte Deponie „KLEEBLATT“, welche dadurch im Rahmen der Sanierung eine dichte Oberflächenabdeckung nach dem Stand der Technik erhält.

Die Gesamtfläche des Baurestmassenkompartiments beträgt rund 311.000 m², die Verfüllkubatur rund 2,948.000 m³. Die durchschnittliche Abfallschütthöhe beträgt ca. 9,5 m. Mit Ausnahme der südlichen Teile des Abbaufelds „KOLLER I“ umfasst das Baurestmassenkompartiment das gesamte Projektareal. Errichtung und Betrieb erfolgen nach den Bestimmungen der Deponieverordnung 2008.

Bodenaushubkompartiment

Das Bodenaushubkompartiment dient einerseits zur Profilierung des Deponierohplanums des Baurestmassenkompartiments und andererseits zur harmonischen Gestaltung der Deponieoberfläche zur besseren Eingliederung in das Landschaftsbild (Geländeanpassung im südlichen Bereich des Abbaufeldes „KOLLER I“, Überschüttung der Sickerwasserkanäle im Westen und Osten des Baurestmassenkompartiments).

Das Verfüllvolumen des Bodenaushubkompartiments beträgt in Summe rd. 1,065.000 m³.

Die Oberflächenabdeckung des Baurestmassenkompartiments wird entsprechend den Bestimmungen der Deponieverordnung 2008 mit folgendem Aufbau hergestellt (von oben nach unten):

–        50 cm bewuchsfähiges Material

–        Trennvlies

–        50 cm Flächenfilter aus Drainagekies oder qualitätsgesicherten Recyclingbaustoffen

–        2 x 20 cm mineralische Dichtschicht

–        50 cm Ausgleichsschicht

–        Abfälle (Baurestmassenqualität)

Die Oberflächenabdeckung des Bodenaushubkompartiments wird entsprechend den Bestimmungen der Deponieverordnung 2008 mit folgendem Aufbau hergestellt (von oben nach unten):

–        50 cm bewuchsfähiges Material

–        50 cm Ausgleichsschicht

–        Abfälle (Bodenaushub)

Davon ausgenommen sind die Bodenaushubabschnitte, welche das Planum für die darüber liegende Basisdichtung des Baurestmassenkompartiments bilden. Bei diesen Abschnitten erfolgt die Rekultivierung an der Oberfläche des darüber liegenden Baurestmassen-kompartiments.

Die Rekultivierung erfolgt für die geplante landwirtschaftliche Nachnutzung an der Deponieoberfläche durch Aufbringen des vor dem Kiesabbau abgeschobenen bewuchsfähigen Materials in einer Stärke von 0,5 m (entspricht der ursprünglich vorhandenen Humusstärke).

Als Maßnahme für den Triel werden auf rd. 5 % der Gesamtfläche, aufgeteilt auf Einzelflächen, so genannte „Brutflächen für den Triel“ angelegt, auf welchen nicht eine Humusschicht, sondern eine mindestens 20 cm starke sandig-schottrige Materialschicht aufgebracht wird. Eine regelmäßige Entfernung der Vegetation an diesen Stellen bzw. ein generelles Niedrighalten der Vegetation ist in den Folgejahren erforderlich.

Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der restlichen Fläche beginnt jeweils kurzfristig nach dem Aufbringen des bewuchsfähigen Materials, um Erosionsschäden möglichst zu verhindern. Die Lage der sandig-schottrigen Flächen wird erst kurz vor der Rekultivierung mit dem Artenschutzbeauftragten anhand der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gesamtsituation für den Triel im Raum XXXX abgestimmt.

Die Außenböschungen der Deponie (Bodenaushubkompartiment) werden zur besseren Eingliederung in das Landschaftsbild mit standortgemäßen, heimischen Sträuchern bepflanzt.

1.1.2. Vorhaben, deren Genehmigung in engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang erfolgt:

Im Abbaugebiet der Gemeinde XXXX sind derzeit mehrere Vorhaben zur Deponierung von Bodenaushub und/oder Baurestmassen allenfalls in Kombination mit Abbauvorhaben geplant, die sich in einem räumlichen Zusammenhang befinden und für die auch bereits Genehmigungsanträge nach dem UVP-G 2000 eingebracht wurden. Neben dem ggstl. Vorhaben handelt es sich dabei um folgende Vorhaben:

–        Trockenbaggerung auf dem Abbaufeld „KOLLER X“, Bodenaushubdeponie auf den Abbaufeldern „KOLLER X“ und „ALICE I“, KOLLER Transporte-Kies-Erdbau GmbH;

–        Baurestmassen- und Bodenaushubdeponie auf dem Abbaufeld „KIES IV“, Rohrdorfer Baustoffe Austria GmbH

Der sachverständigen Beurteilung und Entscheidung des behördlichen Verfahrens wurde jedenfalls auch der Prognoseplanfall 2025 mit den vorliegenden neuen Deponieprojekten und ohne Marchfeldschnellstraße S8, aber mit Teilrealisierung der S1 Wiener Außenring (S1 VA1) Schnellstraße von Groß-Enzersdorf bis Süßenbrunn sowie der Prognoseplanfall 2025 mit den vorliegenden neuen Deponieprojekten und mit S8 sowie mit Teilrealisierung der S1 Wiener Außenring Schnellstraße von Groß-Enzersdorf bis Süßenbrunn zu Grunde gelegt, wobei auch die Prognose der UVE der S8 mit Teilausbau der S1 mit den zusätzlichen Verkehrsbelastungen der neuen Deponien überlagert wurde.

Der sachverständigen Beurteilung im Beschwerdeverfahren wurde aufgrund von der Projektwerberin in Vorlage gebrachten ergänzten Unterlagen zudem auch der Prognoseplanfall 2025 mit den vorliegenden neuen Deponieprojekten und ohne Marchfeldschnellstraße S8 und ohne Teilrealisierung der S1 Wiener Außenring (S1 VA1) Schnellstraße von Groß-Enzersdorf bis Süßenbrunn zu Grunde gelegt (vgl. dazu auch die Feststellung zu 1.2.5.)

1.1.3. Sonstige Vorhaben:

In einem räumlichen Zusammenhang um das Vorhaben existieren eine Reihe weiterer bereits genehmigter Abbau- und/oder Deponievorhaben, die einen Einfluss auf die Umweltsituation im Vorhabensgebiet haben.

Herzer XIII Bodenaushubdeponie: genehmigt im Mai 2019, Kiesabbau laufend; die Deponie folgt der Deponie am Abbaufeld Herzer X, welche fertig verfüllt und vor kurzem abgeschlossen wurde.

Herzer XIV: Kiesabbau und Bodenaushubdeponie: Genehmigungsverfahren im Laufen; ersetzt vorherige Abbaue und Bodenaushubdeponie auf dem Abbaufeld Herzer XIII.

Kies III: Bodenaushubdeponie und Zwickelverfüllung: genehmigt im Mai 2019; ersetzt Deponie auf Abbaufeld Schreiner I.

Koller III und zusammenhängende Baurestmassendeponie: genehmigt im September 2009; noch in Betrieb.

Es handelt sich durchwegs um Projekte, die im selben Raum fertig ausgebeutete bzw. fertig beschüttete Gruben/Deponien ersetzen. Der Sache nach sind diese Teil eines „wandernden“ Abbau- und Verfüllbetriebes, der in der erhobenen Vorbelastung berücksichtigt wurde. Diese werden keine Änderung der bestehenden Vorbelastung durch den Lkw-Verkehr gegenüber dem Ist-Zustand bewirken, zumal sich die Anzahl der eingesetzten Lkw gegenüber den dadurch „ersetzten“ Projekten nicht ändern wird.

1.2. Auswirkungsbeurteilung:

1.2.1. Landschaftsbild und Erholungswert:

1.2.1.1. Landschaftsbild:

Es wird festgestellt, dass das Vorhaben für die Bau-, Deponierungs- und Rekultivierungsphase sowie für die Folgenutzungsphase unter Berücksichtigung bereits im Projekt gesetzter Maßnahmen mit geringfügigen Belastungen des Schutzgutes Landschaftsbild verbunden ist. Das bedeutet, die Auswirkungen des Vorhabens bedingen derart geringe nachteilige Veränderungen im Vergleich zur Prognose ohne Realisierung des Vorhabens (Null-Variante), dass diese nicht erheblich sind.

1.2.1.2. Erholungswert der Landschaft

Das Vorhaben ist für die Bau-, Deponierungs- und Rekultivierungsphase sowie für die Folgenutzungsphase unter Berücksichtigung bereits im Projekt gesetzter Maßnahmen mit geringfügigen Belastungen des Erholungswertes der Landschaft verbunden.

1.2.1.3. Gestaltungs- und Minderungsmaßnahmen/Nebenbestimmungen:

Es wird festgestellt, dass die im Projekt enthaltenen Maßnahmen projektimmanenten Maßnahmen (UVE Fachbeitrag Landschaftsbild 2014, Sanierung Deponie „Kleeblatt“, Lacon, Ransmayr, Vondruska und Wanninger OG im Kap. 2.63 „Rekultivierungsphase“ und Kap. 2.6.4. „Folgenutzungsphase“) sowie die im Bescheid vom 18.9.2018 vorgeschriebenen Auflagen (Pkt. I.4.11.1 und Pkt. I.4.11.2) aus fachlicher Sicht nicht ausreichend sind, um die projektbedingten (geringfügigen) Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes weiter auf ein geringstmögliches Maß zu minimieren.

Die im Spruchpunkt I.6. dieses Erkenntnisses – zusätzlich zu den projektierten und den im Bescheid vorgesehenen Maßnahmen – vorgeschriebenen Auflagen (Auflagen I.4.11.3 bis I.4.11.8), sind aus fachlicher Sicht notwendig, um negative Wirkungen auf das Landschaftsbild infolge der Projektrealisierung soweit als möglich zu reduzieren und den Fortbestand der projektimmanenten sowie der per Bescheid vorgeschriebenen Maßnahmen zu sichern.

1.2.2. Naturschutz/Ornithologie:

Es wird festgestellt: Unter Berücksichtigung der bekannten Habitatansprüche des Triels (Burhinus oedicnemus) und unter besonderer Beachtung des aktuellen Vorkommens im Natura-2000-Schutzgebiet „Sandboden und Praterterrasse“ steht aus fachlicher Sicht eine Bepflanzung der westlichen, südlichen und nördlichen Böschungen des Vorhabens nicht im Widerspruch zu den Schutzbemühungen dieser Art bzw. verhindern diese Bepflanzungsmaßnahmen nicht eine mögliche Besiedelung der geplanten Maßnahmenflächen zum Schutz des Triels auf der Deponieoberfläche, sofern die aus fachlicher Sicht angeführten Bepflanzungsbedingungen (Spruchpunkt I.6., Auflage I.4.11.3 dieses Erkenntnisses) umgesetzt werden.

Unabhängig vom Triel bieten derartige Gehölzpflanzungen weiteren naturschutzfachlich relevanten Vogelarten wie beispielsweise Schwarzkehlchen, Dorngrasmücke, Neuntöter oder dem Grauammer einen geeigneten Lebensraum und profitieren diese damit von den geplanten Maßnahmen.

1.2.3. Forsttechnik:

Durch das gegenständliche Vorhaben sind keine Waldflächen betroffen. Es ergeben sich keine Änderungen am Gutachten des Behördenverfahrens.

Das Vorhaben hat bei konsensgemäßer Realisierung keine negativen Auswirkungen auf die aus jagd- und forstfachlicher Sicht zu beurteilenden Schutzgüter.

1.2.4. Abfallwirtschaft:

Das im Behördenverfahren zum Fachbereich Abfallchemie erstattete Gutachten entspricht dem Stand der Technik. Änderungen zu den fachbezogenen Beurteilungen ergeben sich aus fachlicher Sicht nicht.

In der gegenständlichen Boden- und Baurestmassendeponie werden ausschließlich nicht gefährliche Abfälle, auch ausgestuft, abgelagert. Die Vorgaben und die Darstellungen des Projektes insgesamt entsprechen dem Stand der Technik, insbesondere den Regelungen der DVO 2008.

1.2.5. Verkehr:

Die Angaben für den prognostizierten Verkehr auf öffentlichen Straßen aus dem Bericht „Kumulierte Wirkung im Verkehr“, der im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgelegt wurde, für das Prognoseszenario 2025 ohne S1, ohne S8 und mit den kumulierten Deponieprojekten sind schlüssig und plausibel; darin sind ua. angegeben: 34.200 Kfz im Zentrum Deutsch-Wagram (B8), 14.500 Kfz im Zentrum XXXX (LH6) und 6.700 Kfz östlich des Kieswerks auf der LH11.

1.2.6. Luftschadstoffe und Klima:

1.2.6.1. Vorbelastung:

Die Bandbreite für die ländliche Hintergrundbelastung für Feinstaub kann aufgrund der in der Nähe gelegenen Luftgütemessstellen und einer temporären Luftgütemessung in der Standortgemeinde XXXX in den Jahren 2015 und 2016 zwischen 12 und 22 µg/m³ Jahresmittelwert (JMW) PM10 angenommen werden. Aufgrund der Messergebnisse der letzten sechs Jahre und unter Berücksichtigung des zukünftig weiter fallenden Emissions- und Immissionsniveaus im Untersuchungsraum ist für den Sockel der Hintergrundbelastung der Wert 17 µg/m³ für den PM10 JMW für die weitere Beurteilung heranzuziehen. Aufgrund der Entfernung des Ortsgebiets von Deutsch-Wagram von den Abbau- und Deponieflächen und der meteorologischen Verhältnisse im Untersuchungsraum ist für die Beurteilungspunkte in Deutsch-Wagram (AP 21 bis AP 26) eine Hintergrundbelastung von 17 µg/m³ festzulegen. Für die Beurteilungspunkte im Ortsgebiet von Parbasdorf (AP 04) ist noch ein verminderter Einfluss durch die Abbau- und Deponieflächen anzunehmen und somit eine Hintergrundbelastung von 18 µg/m³ festzulegen. Für die übrigen Beurteilungspunkte im Ortsgebiet von XXXX ist der volle Einfluss durch die Abbau- und Deponieflächen anzunehmen und somit die Hintergrundbelastung in voller Höhe von 19 µg/m³ festzulegen.

Die auf diese Weise festgelegte Hintergrundbelastung ist als ausreichend vorsichtig zu bewerten, da auch in den nächsten Jahren eine weitere Abnahme der Feinstaubbelastung in Ostösterreich sowie dem Untersuchungsraum zu erwarten ist. Dies ergibt sich u.a. aus rechtlichen Verpflichtungen der Republik Österreich und jener Mitgliedstaaten, die im Norden und Osten an Österreich angrenzen.

Die Vorbelastung lässt sich in weiterer Folge für verkehrsnahe Immissionspunkte synthetisch als Summe aus Hintergrundbelastung und der verkehrsbedingten Vorbelastung darstellen. Diese verwendete Methode ist plausibel und schlüssig sowie erfahrungsgemäß wesentlich genauer als die alleinige Verwendung von Messergebnissen von repräsentativen Vergleichsmessstellen.

Die Grenzwerte inkl. Toleranzmargen gemäß IG-L werden im gesamten Untersuchungsraum in Hinblick auf die Vorbelastung eingehalten.

1.2.6.2. Emissions- und Immissionsmodellierung:

Die motorbedingten Emissionen wurden mit dem Handbuch der Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs in der Version 3.2 und der Version 4.1 sowie den zugrundeliegenden technischen Berichten für das Vorhaben ermittelt. Stand der Technik war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 29.08.2018 das Handbuch der Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs in der Version 3.3. Trotz der höheren Emissionsfaktoren im Vergleich zur Version 3.2 sind die daraus resultierenden Abweichungen für die weitergehende Beurteilung der Auswirkungen vernachlässigbar, da die motorbedingten Emissionen des Vorhabens nur einen untergeordneten Einfluss auf die Immissionssituation im Untersuchungsraum haben. Die diffusen Emissionen wurden mit Hilfe der technischen Grundlage zur Beurteilung diffuser Staubemissionen (BMWFJ, 2013) ermittelt. Die gewählten Ansätze sind insgesamt schlüssig, nachvollziehbar und entsprechen dem Stand der Technik. Die dargestellten Werte sind mit Ausnahme der Staubbeladungsklassen im Fachbeitrag zum Fachbereich Luft und Klima (Meteoscience, 2015) aus fachlicher Sicht plausibel.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vom Stand der Technik abweichenden Teile der Emissionsermittlung - auch bei Anpassung durch den gerichtlich bestellten luftreinhaltetechnischen Sachverständigen - keinen relevanten (negativen) Einfluss auf die abschließende Beurteilung der Auswirkungen haben.

Die Modellierung der Immissionen in der UVE ist schlüssig, nachvollziehbar und entspricht dem Stand der Technik. Die Eingangsdaten für die Ausbreitungsrechnung sind als repräsentativ anzusehen. Die Ergebnisse der Immissionsberechnungen sind – mit Ausnahme der Anzahl der zusätzlichen Überschreitungen des Tagesmittelwerts (TMW) für PM10 – schlüssig, nachvollziehbar und aus fachlicher Sicht plausibel.

Um eine vertretbare Übereinstimmung mit den Verhältnissen im Untersuchungsraum zu erzielen, wurde im luftreinhaltetechnischen Gerichtsgutachten der empirische Zusammenhang zwischen Jahresmittelwert und Anzahl von Überschreitungen des TMW auf Basis der Messergebnisse PM10 JMW über 18 ?g/m³ aller Messstellen in Österreich aus den Jahren 2006 bis 2016 für die weitere Bewertung der Auswirkungen berücksichtigt. Dieser Zusammenhang beruht auf der Auswertung von über 1600 Datensätzen. Die Anwendung dieses Zusammenhangs hat sich in der Praxis bewährt, führt zu validen Ergebnissen und ist Stand der Technik (siehe RVS 04.02.12 - Entwurf, 2020). Danach entsprechen 35 jährliche Überschreitungstage einem Jahresmittelwert von ca. 27,4 µg/m³ und 25 jährliche Überschreitungstage einem Jahresmittelwert von 25 µg/m³.

1.2.6.3. Auswirkungen des Vorhabens mit den kumulierten Vorhaben:

1.2.6.3.1. Auswirkungen des Vorhabens gemeinsam mit den kumulierten Vorhaben und ohne Realisierung der S1 VA1 und S8:

Die Gesamtbelastung für den PM10 JMW liegt im Bezugsjahr 2020 nach den Rundungsregeln des IG-L bei 25 ?g/m³ am meistbelasteten Beurteilungspunkt, womit der in § 20 Abs. 3 IG-L festgelegte Immissionsgrenzwert von 40 ?g/m³ in jedem Fall eingehalten wird. Die Zusatzbelastungen zum PM10 JMW liegen bei maximal 0,2 ?g/m³. Aufgrund des empirischen Zusammenhangs der Überschreitungshäufigkeit des PM10 TMW mit dem PM10 JMW ist mit bis zu 25 Überschreitungstagen zu rechnen. Die Differenz der Überschreitungstage zeigt am meistbelasteten Beurteilungspunkt eine Zunahme von einem Überschreitungstag gegenüber dem Nullplanfall. Eine Einhaltung der in § 20 Abs. 3 IG-L festgelegten höchstzulässigen Anzahl von 35 Überschreitungstagen ist auch in den nächsten Jahren vor dem Hintergrund des fallenden Trends der PM10-Immissionen sehr wahrscheinlich.

Die Zusatzbelastungen zum NO2 JMW liegen bei maximal 0,2 ?g/m³ am meistbelasteten Beurteilungspunkt, womit aufgrund der Vorbelastung der in § 20 Abs. 3 IG-L festgelegte Immissionsgrenzwert von 40 ?g/m³ in jedem Fall eingehalten wird.

Die Zusatzbelastungen zum NO2 HMW liegen bei maximal 5 ?g/m³, womit aufgrund der Vorbelastung der in § 20 Abs. 3 IG-L festgelegte Immissionsgrenzwert von 200 ?g/m³ in jedem Fall eingehalten wird.

Die Zusatzbelastungen zum PM2,5 JMW liegen bei maximal 0,06 ?g/m am meistbelasteten Beurteilungspunkt, womit aufgrund der Vorbelastung der in § 20 Abs. 3 IG-L festgelegte Immissionsgrenzwert von 25 ?g/m³ in jedem Fall eingehalten wird.

Die Zusatzbelastungen für die Staubdeposition liegen bei maximal 4 mg/m³d am meistbelasteten Beurteilungspunkt, womit aufgrund der Vorbelastung der in § 20 Abs. 3 IG-L festgelegte Immissionsgrenzwert von 210 mg/m³d in jedem Fall eingehalten wird.

Die berechneten kumulierten Schadstoffeinträge unterschreiten die Immissionsgrenzwerte der Deposition zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit gemäß IG-L bzw. liegen bei rund einem Prozent, der in ÖNORM L 1075 festgelegten nutzungsspezifischen Richtwerte. Da die zugrundeliegenden Berechnungen auf den höchstzulässigen Gesamtgehalten in Baurestmassen gemäß DVO 2008 beruhen, sind die ausgewiesenen Schadstoffeinträge überschätzend.

1.2.6.3.2. Anwendung eines Konfidenzintervalls:

Im Verfahren wurde von den BF (insb. BF2 und BF3) vehement eingefordert, die Einhaltung der zulässigen Überschreitungstage müsse durch eine statistisch ausdrückbare Wahrscheinlichkeit dargestellt werden und in der Folge müsse von Grenzwerten ausgegangen werden, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschritten werden.

Hierzu wird festgestellt, dass die Verwendung des Erwartungswertes den Stand der Technik in der Luftreinhaltetechnik darstellt.

1.2.6.3.3. Ultrafeinstaub:

Ultrafeine Partikel der Fraktionen PM1,0 und PM0,1 wurden im gegenständlichen Verfahren nicht gesondert berücksichtigt. Die Fraktionsgrößen PM1,0 und PM0,1 sind nach gängiger Mengenlehre in PM2,5 enthalten. Ein Monitoring von PM1,0 und PM0,1 entspricht aus fachlicher Sicht weder dem Stand der Wissenschaft, noch dem Stand der Technik.

1.2.6.4. Nebenbestimmungen:

Zur Auflage I.4.9.7 des angefochtenen Bescheides:

Die Ergänzung dieser Auflage um eine bedarfsorientierte Befeuchtung dient dazu, den emissionsrelevanten Zeitraum zwischen den Vegetationsperioden sachbezogen zu verkürzen.

Zur Auflage I.4.9.8 des angefochtenen Bescheides:

Diese Maßnahme ist bereits Bestandteil des Vorhabens und stellt die Begründung für die Wahl eines verminderten Gewichtungsfaktors bei der Ermittlung diffuser Staubemissionen dar.

Zur Auflage I.4.9.11 des angefochtenen Bescheides:

Die in dieser Auflage genannte EURO-Abgasklasse (Emissionsstandard III/a nach MOT-V) entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Die Anpassung dieser Auflage beseitigt diesen Mangel.

Zu den Auflagen I.4.9.14 bis I.4.9.16 des angefochtenen Bescheides:

Die im angefochtenen Bescheid vorgesehenen Maßnahmen (Ertüchtigung der Umfahrungsstraße und Einsatz von Kehrmaschinen) bewirken, dass die Zusatzimmissionen durch den Nullplanfall (Bestandsverkehr) sowie die Zusatzimmissionen durch die berücksichtigten Vorhaben infolge Staubaufwirbelung im öffentlichen Straßennetz verringert werden. Die Beibehaltung dieser Maßnahmen trägt zu einer Verbesserung des Schutzniveaus für die Umwelt in ihrer Gesamtheit bei, da in jedem Fall eine Kehrwirkung eintritt, bei der nicht nur Feinanteile von der Straße entfernt werden, sondern auch Grobanteile (die bei ständiger Verkehrsbelastung zerrieben und zermahlen werden und somit weiter in feinere Staubfraktionen übergehen).

Die Ergänzung dieser Auflagen dient der Sicherstellung der Eignung der einzusetzenden Kehrmaschinen.

Zur neuen Auflage:

Die im Spruchpunkt I.5. dieses Erkenntnisses (ergänzend zu den projektierten, im Bescheid vorgesehenen bzw. durch dieses Erkenntnis abgeänderte Maßnahmen) vorgeschriebene Auflage (Auflagen I.4.9.18), dient zur Kontrolle der Einhaltung der Anzahl der beantragten täglichen und jährlichen LKW-Fuhren, die bei der Emissionsermittlung als maßgebende Aktivitätszahl berücksichtigt wurden. Sie ist aus fachlicher Sicht zum Schutz der jeweils spezifisch geschützten Interessen notwendig. Sie trägt daher zu einem allgemein hohen Schutzniveau für die Umwelt bei.

1.2.7. Lärm:

Das im Behördenverfahren erstellte Gutachten zum Fachbereich Lärmschutz ist schlüssig und plausibel.

Bei der Ermittlung der Lärmbelastung wurde auch die kumulative Wirkung von genehmigten oder in Genehmigung befindlichen Projekten in einem räumlichen Zusammenhang berücksichtigt.

Bezüglich der Auswirkungsbetrachtung der Anlagengeräusche ergeben sich im Bereich Auersthalweg in XXXX die höchsten Immissionseinträge. Sie erhöhen unter dem Ansatz einer Gleichzeitigkeit der jeweils lautesten Betriebsfälle gemeinsam die ortsübliche Lärmsituation im Ausmaß von maximal 1,8 dB. In Summe mit der Umgebungslärmsituation ergibt sich eine Gesamtlärmsituation von gerundet 52 dB. Der Teileintrag durch das Betriebsgeräusch aus dem gegenständlichen Vorhaben liegt bei ca. 40 dB und ist dabei zu vernachlässigen. Die Gesamtlärmsituation von 52 dB, welche die Summe der lautesten Betriebslärmszenarien aller Projekte enthält, liegt unter dem laut NÖ ROG, LGBL. 8000-4/0, zulässigen Höchstwert für den energieäquivalenten Dauerschallpegel von 55 dB bei Tagzeit im Bauland-Wohngebiet. In der ÖAL 3/1 – Beurteilung von Schallimmissionen in der Nachbarschaft – wird unter Punkt 4.2.6 ausgeführt, dass eine schrittweise Anhebung in Gebieten mit geringer Vorbelastung von 3 dB als vertretbar angesehen werden kann. Diese tolerierbare Anhebung wird nicht erreicht. Eine schwerwiegende Umweltbelastung im Sinne von bedeutend nachteiligen Auswirkungen aufgrund der kumulativen Schallimmissionen ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben. In allen anderen Nachbarschaftslagen liegen auch die kumulierten Betriebslärmimmissionen weit unter der Relevanzschwelle.

Bezüglich der Auswirkungen des induzierten Verkehrs zeigen die Analysen, dass es durch den projektspezifischen Verkehr aller zu betrachtenden Projekte unter Einbeziehung der aktuellen Verkehrsprognose zu einer Anhebung der Verkehrslärmemissionen von maximal +0,5 dB kommt. Der kumulative Einfluss der Projekte auf die Nullsituation liegt daher deutlich unter der Relevanzschwelle von 1 dB und führt zu keiner signifikanten Veränderung. Das gegenüber dem ursprünglichen Gutachten (vom 28.02.2020) deutlich positivere Ergebnis des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist in der Selbstbeschränkung der Projektwerberin des Vorhabens Kies IV und in der Verschiebung des

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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