TE Vwgh Erkenntnis 1951/5/4 1046/48

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Veröffentlicht am 04.05.1951
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Index

yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen sind
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §138 Abs1
EStG 1939 §6 Abs2
KStG 1966 §8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Vejborny und Dr. Schirmer als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Eichler als Schriftführer, über die Beschwerde der Stadtwerke X in Y gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 28. Mai 1948, Zl. S 29 A - 143 - 1948, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1945, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Betrieb gewerblicher Art der Stadtgemeinde Y, der im Jahr 1945 von der Bilanzierung nach Wirtschaftsjahren vom 1. April bis zum 31. März zu der nach Kalenderjahren übergegangen ist, haben in der Erfolgsrechnung für die Zeit vom 1. April 1944 bis 31. März 1945 Kriegssachschäden von 281.332.28 RM = S als Verlust ausgewiesen und dafür in der Zwischenbilanz zum 31. März 1945 unter die Aktiven eine Forderung aus Kriegssachschäden von 281.332.28 S aufgenommen. Auf der Passivseite dieser Bilanz scheint eine Post „Rückstellung für Ersatznachschaffung“ in Höhe von 240.000 S auf. Diese ist unter einem mit der Textierung „Abschreibung bis auf die Kosten der provisorischen Ersatzanlage“ auf 120.000 S abgeschrieben und in der Erfolgsrechnung gewinnerhöhend aufgelöst. In der Bilanz vom 31. Dezember 1945 scheint unter den Aktiven dieselbe Kriegssachschädenforderung, unter den Passiven eine Rückstellung für Zahlungsausfälle von 288.239.66 S auf. Das Finanzamt hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Mai 1947 zur Aufklärung dieser Buchungen aufgefordert. Gleichzeitig hat es ihm vorgehalten, daß er zu Lasten der Erfolgsrechnung zum 31. März 1945 „ausserordentliche Abschreibungen“ für unterbliebene Instandsetzungen von 5.931.10 S und zu Lasten der Erfolgsrechnung vom 31. Dezember 1945 aus dem gleichen Titel solche von 4.537.02 S ausgewiesen habe, wobei zu vermuten sei, daß es sich hier um nachgeholte Absetzungen für Abnutzung handle. In der Vorhaltsbeantwortung vom 13. Juni 1947 führte der Beschwereführer aus, daß seine Wehranlage in K bei Y infolge der kriegerischen Ereignisse des Jahres 1945 zur Gänze vernichtet worden sei. Der entstandene Schaden betrage

 

281.332.28 S

der Restbuchwert des alten Wehrteiles habe

41.332.28 S

betragen, so daß eine Ersatznachschaffungsreserve von

240.000,-- S

gebildet worden sei. Die Kriegssachschadens-Forderung sei als dubios in voller Höhe über Erfolgsrechnung abgeschrieben worden, hingegen teile die gebildete Ersatzbeschaffungsreserve nicht das Schicksal dieser Forderung, da die Stadtwerke als ordentliche Kaufleute für dringend notwendige Errichtung einer Behelfsanlage eine „Vorsorge“ von 120.000 S zu bilden hatten, die bilanzmässig auch zum 31. Dezember 1945 noch bestehe. Hinsichtlich der „ausserordentlichen Abschreibungen“ wird darauf verwiesen, daß in den Wirtschaftsjahren 1942/43 und 1943/44 ein Instandhaltungsaufwand von

 

74.629.55 S

notwendig gewesen sei, während im Wirtschaftsjahr 1944/45 und im Rumpfwirtschaftsjahr 1945 kriegsbedingterweise nur

41.956,-- S

hätten aufgewendet werden können. Diese verminderte Instandsetzung in Höhe von

32.719.99 S

(richtig: 32.673.55 S) habe im Jahre 1945 „selbstverständlich“ eine Wertverminderung durch außerordentliche Abnützung aus Katastrophengründen zur Folge gehabt, die mit den erhöhten Abschreibungen an Anlagevermögen von zusammen 10.468.12 S berücksichtigt worden seien. Das Finanzamt hat nunmehr mit Körperschaftsteuerbescheid vom 1. August 1947 dem für 1945 bilanzmässig ausgewiesenen Gewinn von

 

4.187,-- S

die Ersatzbeschaffungsreserve von

120.000,-- S

mit dem Hinweis, daß diese das Schicksal der Kriegsschadens-Forderung teile, und die beanspruchten außerordentlichen Absetzungen von

10.468,-- S

mit der Begründung, daß es sich dabei um eine nachgeholte, daher steuerlich unzulässige „Afa“ (Absätzung für Abnutzung) handle, zugeschlagen, somit der Bemessung einen Gewinn von

134.655,--S

zugrundegelegt. Die gegen die Veranlagung erhobene Anfechtung die geltend machte, daß die Ersatzbeschaffungsreserve „Kapitalcharakter“ trage und daher nicht steuerlich wirksam aufgelöst werden könne, und daß nach einem RdF-Erlaß vom 15. Februar 1941 RStBl. S 137, P.3 erhöhte Abschreibungen wegen versäumter Instandhaltung abzugsfähig seien, wurde mit der vorliegend in Beschwerde gezogenen Anfechtungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark abgewiesen. Die Abweisung erscheint im wesentlichen damit begründet, daß die Ersatzbeschaffungsrücklage bloß die Verhinderung der Besteuerung der stillen Reserven bei Entschädigung zufolge Vernichtung eines Wirtschaftsgutes durch höhere Gewalt bezwecken solle und folglich an das Bestehen des betreffenden Entschädigungsanspruches gebunden sei. Ein Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 8. April 1947, Zl. 13232-9/47, folgere daher, daß bei Untergehen des Entschädigungsanspruches auch die Ersatzbeschaffungsrücklage gewinnerhöhend aufzulösen sei. Daß dieser nicht Kapitalcharakter zukomme, ergebe sich schon daraus, daß sie mit Untergang des entsprechenden Entschädigungsanspruches wirtschaftlich wertlos geworden sei. Anlangend die Absetzungen habe das Unternehmen trotz Vorhalt den Nachweis unterlassen, daß diese tatsächlich durch unterbliebene Instandhaltung begründet gewesen seien. Die Notwendigkeit einer Abschreibung sei auch nicht anzunehmen, denn der Buchwert der Anlage per Ende 1945 liege jedenfalls unter den Wiederbeschaffungskosten.

Über die Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Die gesetzliche Grundlage für die Beurteilung der vorliegenden, die sogenannte Ersatzbeschaffungsrücklage betreffende Streitfrage bilden im Sinne des § 6 KStG die Bewertungsvorschriften des § 6 EStG. Diese Bewertungsvorschriften führen dazu, daß der Wertansatz einzelner Wirtschaftsgüter in der Bilanz stille Rücklagen enthalten kann. Derartige stille Rücklagen gelangen in der Regel dadurch zur Auflösung und Versteuerung, daß bei einer späteren Veräusserung des ganzen Betriebes, eines Teilbetriebes (§ 16 EStG) oder des einzelnen Wirtschaftsgutes an Stelle des niedrigeren Buchwertes des ausscheidenden Gutes der höhere Barerlös bzw. die höhere Forderung an den Erwerber tritt. Ebenso müßten diese stillen Rücklagen auf Grund der angeführten Gesetzesbestimmung aber auch dann zur Auflösung und Versteuerung kommen, wenn das in Betracht kommende Wirtschaftsgut im Laufe eines Wirtschaftsjahres infolge höherer Gewalt (Brand, Blitzschlag, Kriegsschaden u.dgl.) oder behördlichen Eingriffes aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und an seine Stelle eines den Buchwert übersteigende Versicherungssumme, Ersatzforderung oder dgl. tritt. In Fällen dieser Art würde aber die Auflösung der stillen Rücklage für den Steuerpflichtigen eine unbillige Härte bedeuten und um dem zu begegnen, hat P. 31 der Einkommensteuerrichtlinien 1941, RStBl. S. 98, die Möglichkeit der Übertragung solcher stiller Rücklagen auf die Ersatzbeschaffung vorgesehen und die bilanzmässige Bildung sogenannter „Rücklagen für Ersatzbeschaffung“ gestattet. Solche Rücklagen für Ersatzbeschaffung können nach Abs. 9 des P. 31 der erwähnten Verwaltungsanweisung in Höhe des Unterschiedes zwischen dem Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes in der dem Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen vorangegangenen Hauptabschlußbilanz und dem Entgelt (bezw. der Ersatzforderung) gebildet werden. Sie sind gesondert auszuweisen und im Zeitpunkte der Beschaffung des Ersatzes für das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgut „zu Gunsten des Gewinnes aufzulösen“. Hat der Steuerpflichtige aber ein Ersatzgut beschafft, dann darf er es nach P. 2 der Richtlinien „mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich des Betrages“ ansetzen, „um den die Entschädigung den Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes der letzten Hauptabschlußbilanz vor dem Ausscheiden übersteigt“. Das bedeutet im Endergebnis, daß der Steuerpflichtige die Rücklage für Ersatzbeschaffung bei der Anschaffung des Ersatzgutes auf dieses Ersatzgut übertragen darf. Da nun bei solchen durch höhere Gewalt oder behördlichen Eingriff veranlaßten Vorgängen ein Gewinn nach der für die Auslegung dieses Begriffes im Bereich des Steuerrechtes maßgebenden Verkehrsauffassung wirtschaftlich betrachtet nicht realisiert wird, entspricht diese Regelung der Einkommensteuerrichtlinien dem Buchführungsgrundsatz, daß nicht verwirklichte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürfen, und damit stellt sie auch eine angemessene Auslegung der Bestimmung der §§ 4 - 6 EStG dar.

Die Zulassung der Rücklage für Ersatzbeschaffung dient also nicht - wie der Beschwerdeführer seinen Beschwerdeausführungen über den Kapitalscharakter der Rücklage zufolge anzunehmen scheint - dazu, dem Steuerpflichtige eine steuerfreie Kapitalsansammlung zu ermöglichen, ihr Zweck beschränkt sich vielmehr darauf, jenen steuerpflichtigen Gewinn auszugleichen, der dadurch entstehen müßte, daß an Stelle eines durch höhere Gewalt oder behördlichen Eingriff aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen zulässigerweise unterbewerteten Wirtschaftsgutes eine höherwertige Ersatzforderung in die Bilanz aufgenommen werden müßte. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung verliert mithin ihren Rechtfertigungsgrund und muß daher gewinnbildend aufgelöst werden, sobald diese Ersatzforderung wegfällt. Wird an Stelle der Ersatzforderung ein anderes Ersatzgut in das Betriebsvermögen aufgenommen, dann bleibt dem Steuerpflichtigen allerdings die Möglichkeit gewahrt, den mit der Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung verbundenen Gewinn durch die entsprechende Unterbewertung des Ersatzgutes auszugleichen und so die Versteuerung der hiemit auf das Ersatzgut übertragenen stillen Rücklage noch hinauszuschieben; muß die Ersatzforderung aber als uneinbringlich abgeschrieben werden, dann entfällt jede Möglichkeit aber auch jeder hinreichende Grund, die Rücklage in geänderter Form weiter beizubehalten; denn, da der steuerliche Erfolg der Rücklage für Ersatzbeschaffung darin besteht, daß ein Teil der Ersatzforderung von der Besteuerung ausgenommen wird, mit der Abschreibung der Ersatzforderung aber bereits deren voller Wert aus der Besteuerung ausscheidet, würde die Beibehaltung der Rücklage für Ersatzbeschaffung letzten Endes dazu führen, daß ein Teil des mit der Entwertung der Ersatzforderung eingetretenen Verlustes doppelt in Rechnung gestellt würde. Der angefochtene Bescheid entspricht sohin, soweit er die umstrittene restliche „Ersatzbeschaffungsrücklage“ von 120.000 S gewinnerhöhend aufgelöst hat, dem Sinne des Gesetzes.

Soweit die Beschwerde sich gegen die Verweigerung der geltend gemachten außerordentlichen Absetzungen für Abnutzung in Höhe von zusammen 10.468 S richtet, ist die Bestimmung des § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG Grundlage für die rechtliche Beurteilung. Danach sind Absetzungen für aussergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung grundsätzlich zulässig. Im Wesen der Absetzung für Abnutzung, die eine gleichmässige steuerliche Verteilung der Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auf die Gesamtdauer ihrer Verwendung oder Nutzung gewährleisten soll, liegt es jedoch, daß die Höhe der Absetzung nicht willkürlich gewechselt werden darf. Wird daher z.B., wie vorliegend, die Absetzung für eine außergewöhnliche, erhöhte Abnutzung wegen kriegsbedingten Unterbleibens notwendiger Instandsetzungsarbeiten beansprucht, so obliegt es dem Steuerpflichtigen im Sinne der ihm im § 204 Abs. 2 der Abgabenordnung auferlegten Pflicht zur Mitwirkung an der Ermittlung des Sachverhaltes, sein Begehren entsprechend zu begründen und die Voraussetzungen hiefür, z.B. die Ablehnung von konkreten Instandsetzungsaufträgen seitens des Beauftragten, die Unmöglichkeit der Materialbeschaffung u.s.w. darzutun (siehe auch Blümich „Einkommensteuergesetz“, 5. Auflage, S. 336 ff, ferner Pkt. 22 der Einkommensteuerrichtlinien 1943, RStBl. S. 86/1944 und Pkt. 103 der Einkommensteuerrichtlinien 1941 RstBl. S. 136/1942). Der Beschwerdeführer hat sich aber über Vorhalt des Finanzamtes, daß nach dem Instandhaltungsaufwand der letzten vier Wirtschaftsperioden nur 1944 wesentlich höhere Instandhaltungskosten als 1945 aufgewendet wurden, demnach die Vermutung naheliege, daß es sich bloß um nachgeholte Absetzungen für Abnutzung handle, und über ein daran geknüpftes ausdrückliches Ersuchen um entsprechende Erläuterungen hinsichtlich der strittigen Post damit begnügt, darauf zu verweisen, daß in den Wirtschaftsjahren 1942/1943 und 1943/1944 ein Instandhaltungsaufwand von 74.629 S notwendig gewesen sei, während der entsprechende Aufwand im Steuerbemessungszeitraum 1945 (21 Monate) nur 41.956 S betragen habe und daß es danach „selbstverständlich“ sei, daß diese verminderten Instandsetzungskosten die gelten gemachten Wertverminderung durch außerordentliche Abnutzung zur Folge hatten. Er hat es aber unterlassen, seine Behauptungen durch bestimmte Tatsachen zu belegen und so muß er sich damit abefinden, daß sein Begehren mangels Glaubhaftmachung der für dessen Berücksichtigung erforderlichen Voraussetzungen abgewiesen wurde. Wenn die belangte Behörde noch darauf verweist, daß die beanspruchte außerordentliche „Abschreibung“ auch auf Grund der Bestimmungen des § 6 EStG über die Möglichkeit der Bewertung mit dem niedrigeren Teilwert hier nicht zulässig sei, weil die in Betracht kommenden Anlagegüter infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse der Nachkriegszeit notorisch mit geringeren Werten als dem Teilwert zu Buche stünden, liegt auch darin kein Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG BGBl. Nr. 208/1945 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 4. Mai 1951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1951:1948001046.X00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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