TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/24 LVwG-2021/27/0611-1

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Veröffentlicht am 24.09.2021
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Entscheidungsdatum

24.09.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §9

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die Beschwerde der Frau AA, vertreten durch BB, Rechtsanwalt, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Y vom 05.01.2021, Zl ***, betreffend Absonderung nach dem Epidemiegesetz,

zu Recht

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung betreffend Herrn CC, geb am **.**.****, vertreten durch seine gesetzliche Vertreterin Frau AA, wiederum vertreten durch RA BB vom 13.12.2020 zurückgewiesen. Begründen führte die belangte Behörde aus, dass die Zurückweisung sich auf der vollständigen, sachlichen Unzuständigkeitsgründe, da gegen Mandatsbescheide ein Instanzenzug an das Bezirksgericht vorgesehen sei.

Dieser Bescheid ist an Frau AA zu Handen des rechtsfreundlichen Vertreters erlassen worden.

Frau AA hat dagegen durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und darin unteranderem darauf hingewiesen, dass bereits im Mandatsbescheid ein zulässiger Bescheidadressat angeführt gewesen sei.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt und den Akt des Landesverwaltungsgerichtes.

II.      Feststellungen:

Mit Mandatsbescheid des Bürgermeisters der Stadt Y vom 11.12.2020, *** wurde betreffend CC, geb am **.**.**** mit sofortiger Wirkung bis 19.12.2020, 24.00 Uhr, die Anordnung der Absonderung in der Unterkunft (derzeitiger Aufenthaltsort) Adresse 2, **** X unter Vorschreibung diverser Anordnungen bzw Verkehrsbeschränkungen verfügt.

Als Adressat weist dieser Bescheid CC, geb am **.**.****, derzeit aufhältig in: Adresse 2, **** X (Zustellung per RSa) auf.

In der Zustellverfügung ist unter 1. ausgeführt, dass der Bescheid an CC, geb am **.**.****, derzeitig aufhältig in: Adresse 2, **** X, Zustellung per RSa, ergeht und 2. im Fall einer länger als 10 Tage andauernden Anhaltung gemäß § 7 Abs 1a Epidemiegesetz 1950 an das Bezirksgericht X zuzustellen ist.

Entgegen der Zustellverfügung wurde jedoch der Bescheid nicht per RSa, sondern per E-Mail an Frau AA, Mutter des CC, zugestellt.

In weiterer Folge hat CC, vertreten durch die Kindesmutter, diese wiederum vertreten durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 11.12.2020, ***, erhoben, welche Vorstellung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 05.01.2021, ***, zurückgewiesen wurde.

III.     Beweiswürdigung:

Die vorerwähnten Feststellungen konnten in unbedenklicher Weise aufgrund des behördlichen Akteninhaltes getroffen werden. Im behördlichen Akt ist der Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 11.12.2020, ***, enthalten und ergibt sich aus der Adressierung und auch aus der Zustellverfügung dieses Schriftstückes, dass CC, geb am **.**.**** als Empfänger genannt wird. Ein Hinweis auf eine vertretungsbefugte Person ist dem gesamten Schriftstück nicht zu entnehmen.

Auch die Tatsache, dass anstelle der von der Behörde verfügten Zustellung per RSa eine Zustellung per E-Mail an die Mutter des CC vorgenommen wurde, ergibt sich aus dem insoweit unbedenklichen Akteninhalt.

IV.      Rechtslage:

Die wesentlichen Bestimmungen des AVG, BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, lauten:

㤠9.

Rechts- und Handlungsfähigkeit

Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.“

Die wesentlichen Bestimmungen des ABGB, JGS Nr 946/1811, idF BGBl I Nr 121/2021, lauten:

㤠21.

I. Personenrechte der Minderjährigen und sonstiger schutzberechtigter Personen

(1) Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen, stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze. Sie heißen schutzberechtigte Personen.

(2) Minderjährige sind Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig.“

Die wesentlichen Bestimmungen des Zustellgesetzes, BGBl Nr 200/1982, idF BGBl I Nr 52/2020, lauten:

㤠2.

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:

1.       „Empfänger“: die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5) namentlich als solcher bezeichnete Person;

§ 5.

Zustellverfügung

Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.“

V.       Erwägungen:

Aus den Feststellungen ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall als Empfänger des Mandatsbescheids der belangten Behörde vom 11.12.2020, *** CC, geb am **.**.**** genannt wurde.

Bei CC handelt es sich um einen Unmündigen

Sowohl als Adressat als auch in der Zustellverfügung hat die belangte Behörde CC angeführt. Ein Hinweis auf eine Vertreterin oder einen Vertreter wurde nirgends aufgenommen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Empfänger nicht die Person, für die das Dokument inhaltlich bestimmt ist, sondern die Person, an die es die Behörde gerichtet hat (vgl VwGH 25.02.2019, Ra 2017/19/0316 ua). Wer Empfänger eines Schriftstückes im Sinn des Zustellgesetzes ist, hängt von der Zustellverfügung ab (vgl VwGH 22.08.2019, Ra 2018/16/0136 ua).

Es ergibt sich sohin, dass im vorliegenden Fall CC seitens der Behörde eindeutig als Empfänger des Schriftstückes genannt ist.

Für die Beantwortung der Frage, wer Empfänger eines Schriftstückes sein soll, ist allein der in einer bestimmten Weise (etwa durch Anführung des Adressaten oder durch Zustellverfügung) geäußerte Wille der Behörde maßgebend, mit dem sie zum Ausdruck bringt, für wem das zuzustellende Schriftstück bestimmt ist (vgl VwGH 28.04.2011, 2010/07/0059 ua).

Im vorliegenden Fall hat die Behörde damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass Empfänger des Schriftstückes ein Unmündiger sein soll.

Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Gemäß § 21 Abs 2 ABGB ist CC ein Unmündiger.

Die Frage der Partei- und Prozessfähigkeit hat die Behörde zu beurteilen und einen diesbezüglichen Mangel in jeder Lage des Verfahrens von Amtswegen wahrzunehmen (vgl VwGH 16.11.2012, 2012/02/0198 ua).

Wird ein Bescheid nicht gegenüber dem gesetzlichen Vertreter, sondern gegenüber einem nicht Handlungsfähigen erlassen, wird dieser Bescheid von vornherein der Partei gegenüber nicht wirksam (vgl VwGH 21.01.2010, 2008/20/0042 ua).

Nach § 9 AVG sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeit der am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist. Zum Zeitpunkt der beabsichtigten Zustellung des Bescheides war CC unmündig.

Die Geschäftsfähigkeit eines Menschen bestimmt sich primär nach seinem Alter. Minderjährige, also Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs 2 ABGB), stehen unter dem besonderen Schutz der Gesetze und können daher an sich ohne ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des gesetzlichen Vertreters rechtsgeschäftlich weder verfügen noch sich verpflichten. Sie sind also grundsätzlich geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig (vgl VwGH 18.10.2017, Ra 2016/19/0351 ua).

Da die Behörde einen Mangel der Prozessfähigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amtswegen wahrzunehmen hat, und es einem Adressaten der Verfahrenshandlung in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit mangelt, geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet und die Behörde diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen kann (vgl VwGH 25.02.2019, Ra 2017/19/0361).

Da im vorliegenden Fall sohin eine Zustellung an einen Unmündigen verfügt wurde, konnte der Bescheid diesem gegenüber keine Rechtswirkung auslösen.

Der gegenständliche Mangel ist aber auch einer Heilung nach § 7 Zustellgesetz nicht zugänglich. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung nicht heilen (vgl VwGH 14.12.2011, 2009/01/0049 ua).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde in weiterer Folge die Vorstellung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, wenn gleich die Begründung für die Zurückweisung bereist darin hätte liegen müssen, dass ein Mandatsbescheid nicht gesetzeskonform erlassen wurde, weshalb ein Rechtsmittel dagegen nicht in Frage kam.

Das Landesverwaltungsgericht kann diesbezüglich die Begründung des angefochtenen Bescheides abändern. Da lediglich der Spruch eines Bescheides Rechtskraft fähig ist, und dieser Spruch jedoch rechtskonform die Vorstellung zurückwies, war der nunmehr erhobenen Beschwerde ein Erfolg versagt, weshalb diese abzuweisen war. Die Zurückweisung durch die Behörde ist – wenn gleich aus anderen Gründen – zu Recht erfolgt.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen wird auf die vorzitierte Rechtsprechung verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Rosenkranz

(Richter)

Schlagworte

Prozessfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.27.0611.1

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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