TE Vwgh Beschluss 2021/9/22 Ro 2019/15/0013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.09.2021
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs2
VwGG §45
VwGG §45 Abs2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über den Antrag der T GmbH in Zell am See, vertreten durch die Mag. Kurt Caspari Steuerberatungs KG in 5771 Leogang, Hirnreit 173, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 18. Dezember 2019, Ro 2019/15/0013-4, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiederaufnahme wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, Ro 2019/15/0013-4, wurde der Revision des Finanzamts gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 30. Jänner 2019, Zl. RV/6100612/2017, betreffend Energieabgabenvergütung für das Jahr 2013 Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahin abgeändert, dass es lautet: „Der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 14. Dezember 2015 auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2013 wird abgewiesen.“

2        Begründend verwies der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom selben Tag, Ro 2016/15/0041, worin er - nach Befassung des EuGH im Vorabentscheidungsweg und Ergehen des Urteils vom 14. November 2019, Dilly's Wellnesshotel (II), C-585/17 - zum Ergebnis gekommen ist, dass die mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierten Änderungen des EAVG mit 1. Februar 2011 in Kraft getreten sind. Der Antrag der antragstellenden Partei als unstrittigen Dienstleistungsbetrieb auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2013 war daher abzuweisen.

3        Mit dem vorliegenden Antrag begehrt die antragstellende Partei die Wiederaufnahme des angeführten Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 45 Abs. 4 VwGG iVm § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, in eventu gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, in eventu gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG. Sie bringt dazu vor, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis „auf das fragwürdige Erkenntnis des VwGH“ vom 18. Dezember 2019, Ro 2016/15/0041, stütze und in der Sache selbst entschieden habe. In diesem Falle komme „§ 45 Abs. 4 VwGG iVm § 69 AVG mit Zweiwochenfrist und Einbringung bei der ersten Instanz“ zur Anwendung.

4        Als wesentliche neue Tatsachen, die eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG rechtfertigten, bringt die antragstellende Partei insbesondere die „Anwendung einer AGVO“, den angenommenen Inkrafttretensstichtag 1. Februar 2011 und das Hervorkommen eines Briefs der Kommission vom 21. Februar 2017 vor und trägt rechtliche Kritikpunkte am Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vor.

5        Gestützt auf den Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG bringt die antragstellende Partei zudem vor, das BMF habe die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union nach der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) aufgrund der offenkundigen Fehlerhaftigkeit seiner Mitteilung erschlichen, indem es diese ohne Erfüllung aller Voraussetzungen der AGVO an die Kommission gesendet habe. Darüber hinaus sei es aufgrund der von der antragstellenden Partei aufgezeigten rechtlichen „Problematiken“, auf die der Verwaltungsgerichtshof sein Erkenntnis stütze, nicht denkunmöglich, dass auch dessen Erkenntnis unter einen Erschleichungstatbestand subsumiert werden könne.

6        In eventu werde der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemacht, weil der antragstellenden Partei im Verfahren Ro 2019/15/0013 die beantragte mündliche Verhandlung „verweigert“ worden sei.

7        Zur Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrags bringt die antragstellende Partei - in Übereinstimmung mit dem hg. Rückschein - vor, das Erkennntnis vom 18. Dezember 2019, Ro 2019/15/0013, sei [bei ihrer Rechtsvertretung, der KC Steuerberatungs KG] am 24. Jänner 2020 eingelangt. Dieses Erkenntnis berufe sich in seiner Begründung auf „das fragwürdige Erkenntnis des VwGH“ vom 18. Dezember 2019, Ro 2016/15/0041. Die antragstellende Partei habe ihre Rechtsvertretung, die KC Steuerberatungs KG, „am 09.03.2020 beauftragt, den Sachverhalt zu prüfen und hat deren Stellungnahme samt einer wesentlichen Artikelsammlung, auf die wir uns hiermit beziehen, am 18.03.2020 (siehe Beilage l) nachweislich zugestellt bekommen. Aufgrund dieser Stellungnahme sowie folgenden Telefonaten und Emailverkehr wurden Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 45 VwGG iVm § 69 AVG erkannt. So wurde entschieden die [Rechtsvertretung] mit der Ausarbeitung der nötigen Schriftsätze zu beauftragen.“ Die Anträge seien „unter diesem Hintergrund fristgerecht bei der ersten Instanz innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis der Wiederaufnahmegründe (am 18.03.2020)“ erfolgt.

8        Der gegenständliche Antrag erweist sich als verspätet.

9        Gemäß § 45 Abs. 2 VwGG ist ein Antrag auf Wiederaufnahme beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen von dem Tag, an dem die antragstellende Partei von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

10       Gemäß § 45 Abs. 4 VwGG gilt für die Wiederaufnahme, wenn der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entschieden hatte, § 69 AVG sinngemäß.

11       Gemäß § 69 Abs. 2 AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

12       Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit eines Antrages auf Wiederaufnahme trägt die antragstellende Partei; diese muss schon im Antrag angeben, wann sie vom Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes Kenntnis erlangt hat (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2018/02/0068, mwN).

13       Bei vertretenen Parteien kommt es in Ansehung der Rechtzeitigkeit eines Wiederaufnahmeantrages auf die Kenntnis des Vertreters vom Wiederaufnahmegrund an (vgl. VwGH 26.6.2019, Ra 2018/02/0068, mwN; zu § 69 AVG vgl. VwGH 29.3.2012, 2008/12/0096).

14       Soweit die antragstellende Partei mit ihrem Wiederaufnahmeantrag auf Umstände oder „Problematiken“ verweist, auf die sich der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung seines Erkenntnisses bzw. in der Begründung des dort verwiesenen Erkenntnisses vom selben Tag stützt, und darin einen Wiederaufnahmegrund erblicken möchte, hätte der Vertreter der antragstellenden Partei spätestens durch die Zustellung des hg. Erkenntnisses Kenntnis davon erlangt. Die zweiwöchige Frist des § 69 Abs. 2 AVG begann demnach spätestens am 24. Jänner 2020 mit der Zustellung des Erkenntnisses an den Revisionsvertreter zu laufen.

15       Das Gleiche gilt für den unter Berufung auf § 45 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend gemachten Wiederaufnahmegrund, wonach der antragstellenden Partei die beantragte mündliche Verhandlung im hg. Revisionsverfahren zu Unrecht verweigert worden sei. Auch für die Geltendmachung dieses Wiederaufnahmegrundes begann die zweiwöchige Frist des § 45 Abs. 2 VwGG bereits mit der Zustellung des Erkenntnisses am 24. Jänner 2020 zu laufen.

16       Damit ist die zweiwöchige Frist zur Stellung des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrags jedoch sowohl nach § 69 Abs. 2 AVG als auch nach § 45 Abs. 2 VwGG am 7. Februar 2020 abgelaufen. Wenn die antragstellende Partei stattdessen auf einen Auftrag an ihren Rechtsvertreter zur Prüfung des Erkenntnisses und den nachfolgenden Erhalt des Ergebnisses dieser Prüfung am 18. März 2020 verweist, lässt sie außer Acht, dass ihr nach der oben zitierten hg. Rechtsprechung der Kenntnisstand ihres Vertreters zuzurechnen ist. Es kommt nicht darauf an, welchen Auftrag die antragstellende Partei ihrem Vertreter erteilt hat (vgl. nochmals VwGH 29.3.2012, 2008/12/0096, sowie VwGH 26.6.2019, Ra 2018/02/0068, mwN).

17       Der Wiederaufnahmeantrag erweist sich daher als verspätet.

18       Darüber hinaus verkennt die antragstellende Partei mit ihren weitwendigen rechtlichen Ausführungen, mit denen sie der vorangegangenen Rechtsfindung des Verwaltungsgerichtshofs entgegentritt, auch das Institut der Wiederaufnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

19       Die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist gemäß § 45 VwGG nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich und dient nicht der allgemeinen Überprüfung abgeschlossener Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof oder einer Korrektur seiner Entscheidungen. Eine Wiederaufnahme eines Verfahrens nach § 45 VwGG bietet somit insbesondere keine Handhabe dafür, eine in einem abgeschlossenen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu bekämpfen (vgl. etwa VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0089, mwN).

20       Da sich der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme somit nach dem Gesagten bereits als verspätet erweist, war er in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. September 2021

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019150013.J00

Im RIS seit

18.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten