TE Vfgh Erkenntnis 1995/3/2 G272/94

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Veröffentlicht am 02.03.1995
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art140 Abs3 erster Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GewO 1994 §28 Abs1
GewO 1994 §28 Abs3

Leitsatz

Aufhebung einer die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis regelnden Bestimmung der GewO 1994 wegen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit; Nachweis der vollen Befähigung auch bei angestrebter Gewerbeberechtigung nur für eine bestimmte Teiltätigkeit eines Gewerbes keine adäquate Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

1. In §28 Abs3 der Gewerbeordnung 1994, Anlage zur Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Gewerbeordnung 1973 wiederverlautbart wird, BGBl. Nr. 194/1994, wird die Wendung "Z2" als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

2. Im übrigen wird das Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Gewerbeordnung sieht als Voraussetzung für die zulässige Gewerbeausübung in einer Reihe von Fällen vor, daß der Gewerbeberechtigte (oder in bestimmten Fällen auch ein gewerberechtlicher Geschäftsführer) den Nachweis der Befähigung zur Ausübung des Gewerbes erbringt. Unter den in §28 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 (Anlage zur Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Gewerbeordung 1973 wiederverlautbart wird, BGBl. 194/1994) genannten Gründen ist eine Nachsicht vom vorgesehenen Befähigungsnachweis zu erteilen.

2. a) Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängig, mit dem dem Beschwerdeführer die beantragte Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Immobilienverwalter, eingeschränkt auf die Verwaltung von Immobilien, die einer bestimmten Unternehmung als Werkswohnungen dienen, verweigert wurde.

b) Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Bescheid an jener Fassung des §28 der Gewerbeordnung zu messen, die diese Bestimmung durch ArtI Z46 und 48 der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. 29/1993, und ArtXI Z2 des Gesellschaftsrechtsänderungsgesetzes 1993, BGBl. 458/1993, erhalten hat und die nunmehr wortgleich in wiederverlautbarter Form als §28 GewO 1994 in Geltung steht. Dementsprechend nahm der Gerichtshof an, daß er bei Behandlung der - anscheinend zulässigen - Beschwerde §28 GewO 1994 in dieser wiederverlautbarten Fassung (vgl. VfSlg. 6775/1972, 12282/1990) anzuwenden hätte.

Bei der Beratung dieser Beschwerde entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit einzelner Wendungen in Abs1 und 3 des §28 GewO 1994. Mit Beschluß vom 3. Oktober 1994, B1783/93-9, leitete der Gerichtshof daher gemäß Art140 Abs1 erster Satz B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Wendungen ein.

c) §28 GewO 1994 findet sich in dem mit "Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben" überschriebenen fünften Teil des I. Hauptstückes der Gewerbeordung und lautet (die in Prüfung stehenden Wendungen sind hervorgehoben):

"(1) Sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß §20 Abs4 oder §22 Abs4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlußgründe gemäß §13 vorliegen oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlußgründe gemäß §13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

(2) Die Nachsicht gemäß Abs1 Z1 darf nur für einen Teil des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises erteilt werden, sofern der Bildungsgang und die bisherige Tätigkeit des Nachsichtswerbers lediglich diesen Teil der Berufsausbildung zu ersetzen vermögen.

(3) Die Nachsicht gemäß Abs1 Z2 kann auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

(4) Die Nachsicht gemäß Abs1 Z2 darf nur mit der Beschränkung auf den Betrieb des Gewerbes in einem bestimmten Standort erteilt werden, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs1 Z2 litb nur für den gewählten Standort gegeben sind.

(5) Die Nachsicht gemäß Abs1 Z1 ist unbefristet zu erteilen. Ebenso ist die Nachsicht gemäß Abs1 Z2 unbefristet zu erteilen, es sei denn, daß durch die Nachsichtserteilung die Fortführung eines bestehenden Betriebes, auch wenn für diesen keine entsprechende Gewerbeberechtigung mehr besteht, ermöglicht werden soll.

(6) Die Nachsicht von den Voraussetzungen für die Zulassung zur Meisterprüfung oder zu einer Prüfung im Sinne des §22 Abs1 Z3 ist zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers eine erfolgreiche Ablegung der Prüfung erwartet werden kann.

(7) Wenn eine Nachsicht gemäß Abs1 bis 5 auf Grund dieses Bundesgesetzes oder eine Verordnung gemäß §22 Abs4 nicht erteilt werden darf und der Nachsichtswerber das vorgeschriebene Zeugnis nicht vorlegen kann, jedoch nachweist, daß er dieses Zeugnis bereits erlangt hatte, so ist die Nachsicht von der Vorlage des vorgeschriebenen Zeugnisses zu erteilen."

II. 1. Im Einleitungsbeschluß wurden zunächst die Ansichten der Prozeßparteien wie folgt referiert:

a) "Seine verfassungsrechtlichen sub titulo Gleichheitsgrundsatz und Erwerbsausübungsfreiheit vorgetragenen Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragende gesetzliche Grundlage begründet der Beschwerdeführer vor allem damit, daß es auf Grund der durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. 29/1993, neu gefaßten Abs1 und 3 des §28 GewO 1973 nunmehr nicht mehr möglich sei, eine Nachsicht gemäß §28 Abs1 GewO 1973 zu erhalten, wenn das Nachsichtsansuchen auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes eingeschränkt werde. 'Darin liegt eine ganz eklatante Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Es ist nunmehr schwerer, eine Nachsicht für eine Teiltätigkeit des Gewerbes zu erlangen, als für das gesamte Gewerbe.' Die Einschränkung des §28 Abs3 GewO 1973 in der zitierten Fassung, wonach für Teiltätigkeiten eines Gewerbes keine Nachsicht gemäß §28 Abs1 Z1 GewO 1973 zu gewähren sei, entspreche keinesfalls dem öffentlichen Interesse. Die fehlende Adäquanz und sachliche Rechtfertigung der genannten Neuregelung ergebe sich weiters aus dem Umstand, daß für die uneingeschränkte Ausübung des Gewerbes bei gleicher Qualifikation sehr wohl die Nachsicht erteilt werden könne, nicht aber für die auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes eingeschränkte Gewerbeausübung. Damit sei es nicht möglich, 'den Befähigungsstandard und somit den Befähigungsnachweis für eine Teiltätigkeit des Gewerbes anders zu erbringen als für die volle Ausübung des Gewerbes'."

b) "Der belangte Bundesminister nimmt zu diesen Ausführungen folgendermaßen Stellung:

'Der Gesetzgeber hat durch die Neufassung des §28 Abs1 GewO 1973 zwei Arten der Nachsicht vom Befähigungsnachweis eingeführt. Die Bestimmung des §28 Abs1 Z.1 GewO 1973 läßt es nach wie vor nicht zu, daß der Nachsichtswerber vom Besitz der (materiellen) Befähigung dispensiert wird. Es handelt sich vielmehr um eine Nachsicht vom formellen Befähigungsnachweis. Im Fall der Erteilung der Nachsicht gemäß §28 Abs1 Z.1 GewO 1973 muß nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden können, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt. Bei der Auslegung dieser Regelung wird die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Prüfungsmaßstab für das Vorliegen der vollen Befähigung der jeweils durch Rechtsvorschriften vorgeschriebene Befähigungsnachweis ist, weiterhin als maßgebend anzusehen sein (vgl. zB VwGH Slg NF 10151/A). In der vorliegenden Beschwerdesache ist Prüfungsmaßstab die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 1.2.1982 über den Befähigungsnachweis für die konzessionierten Gewerbe der Immobilienmakler und der Immobilienverwaltung, BGBl. Nr. 72. Die das Gewerbe der Immobilienverwalter regelnden Bestimmungen dieser Verordnung enthalten keine Regelung über einen Befähigungsnachweis für die eingeschränkte Ausübung des Immobilienverwaltergewerbes. Ist in einer Verordnung über den Befähigungsnachweis in Ausschöpfung der diesbezüglichen Verordnungsermächtigung im §22 Abs3 GewO 1973 festgelegt, daß der Befähigungsnachweis auch für die eingeschränkte Ausübung eines Gewerbes erbracht werden kann, wird gleichsam ein Teilgewerbe geschaffen, für das eine eigene Befähigungsnachweisregelung existiert. Beispiele hiefür finden sich etwa in der Reisebüro-Befähigungsnachweisverordnung, BGBl. Nr. 129/1989, oder in der Verordnung über den Befähigungsnachweis für das Gewerbe des Großhandels mit Drogen und Pharmazeutika. In diesen Fällen, in denen die Befähigungsnachweisverordnung eine abgrenzbare Regelung für die eingeschränkte Ausübung eines Gewerbes enthält, ist nach wie vor (auch) §28 Abs1 Z.1 GewO 1973 anwendbar, weil die Nachsichtsbehörde durch einen Vergleich des für das Teilgebiet des Gewerbes vorgeschriebenen Befähigungsnachweises mit der Befähigung des Nachsichtswerbers beurteilen kann, ob der Nachsichtswerber hinsichtlich des Teilgebietes des Gewerbes die volle Befähigung besitzt. Wird der Befähigungsnachweis durch eine Verordnung einheitlich für die unbeschränkte Ausübung des Gewerbes festgelegt, würde es für die Beurteilung, ob der Nachsichtswerber die volle Befähigung für ein Teilgebiet des Gewerbes besitzt, an einem geeigneten Prüfungsmaßstab fehlen.

Anders verhält es sich mit der im §28 Abs1 Z.2 GewO 1973 geregelten hinreichenden tatsächlichen Befähigung. Diese Bestimmung ist ein Rückgriff auf die Regelung des §14c Abs1 der Gewerbeordnung (1859). Das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten geht davon aus, daß die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum seinerzeit geltenden §14c Abs1 GewO für die Auslegung dieser Bestimmung eine Richtschnur bildet. Nach den Ausführungen des Erkenntnisses VwGH Slg Nr. 4871(A)/1959 muß hiebei dargetan sein, daß 'der Nachsichtswerber nach seiner bisherigen Betätigung immerhin über so viel Kenntnis und Erfahrungen verfüge, als erforderlich sind, um Leistungen zu erbringen, die in der Regel von Inhabern des Dachdeckergewerbes verlangt werden'. Hier bildet also nicht eine Rechtsvorschrift, sondern es bilden bestimmte tatsächliche Verhältnisse das Beurteilungsmaß. In diesem Fall kann auch geprüft werden, ob die hinreichende tatsächliche Befähigung für die eingeschränkte Ausübung eines Gewerbes gegeben ist.

Ein weiterer Grund, aus dem §28 Abs3 GewO 1973 nur auf die zweite Alternative des §28 Abs1 GewO 1973 Bezug nimmt, ist der Umstand, daß §28 Abs1 Z.1 GewO 1973 die volle Befähigung zur Voraussetzung einer Nachsichtserteilung macht. Der Begriff der vollen Befähigung geht in zwei Richtungen. Es müssen alle für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vorhanden sein und der Nachsichtswerber muß im Besitz der für die unbeschränkte Ausübung des Gewerbes erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen sein. Es würde den Intentionen des §28 Abs1 Z.1 GewO 1973 - von den erwähnten Ausnahmen abgesehen - völlig widersprechen, wenn ein Nachsichtswerber behaupten könnte, er besitze die 'volle' Befähigung für ein wenn auch noch so geringfügiges Teilgebiet eines Gewerbes. Bringt ein Nachsichtswerber nur in einem Teilbereich des Gewerbes die erforderliche Ausbildung mit, fällt der Vergleich mit einer Person, die den formellen Befähigungsnachweis für die unbeschränkte Ausübung des Gewerbes erbracht hat, stets zuungunsten des Nachsichtswerbers aus, weil der Umfang der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen der Person, die den formellen Befähigungsnachweis erbracht hat, immer größer ist als der Kenntnisstand eines solchen Nachsichtswerbers.

Im vorliegenden Fall ist noch eine weitere Unterscheidung von Bedeutung. Es gibt zwei Arten der Nachsicht vom Befähigungsnachweis. Es sind Nachsichten denkbar, die eine Einschränkung aufweisen, ohne daß dies Rückwirkungen auf den Umfang der nachzuweisenden Befähigung haben müßte. Es kann aber auch Nachsichten geben, die auf eine Teiltätigkeit eingeschränkt sind, für die die Befähigung nur in einem kleineren Umfang gegeben sein muß. Nur auf den zuletzt genannten Fall ist §28 Abs3 GewO 1973 sinnvoll anwendbar. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Nachsicht vom Befähigungsnachweis für die Immobilienverwaltung eingeschränkt auf die Verwaltung von Immobilien, die als Werkswohnungen der Perlmooser Zementwerke AG dienen, eine Auswirkung auf den Umfang der nachzuweisenden Befähigung haben könnte. Die Probleme, die ein Immobilienverwalter gegenüber einem Auftraggeber zu lösen hat, können genau die gleichen sein wie die Aufgaben, die er bei der Verwaltung von Immobilien für eine Vielzahl von Auftraggebern zu bewältigen hat.'"

c) "In einer über Einladung des Verfassungsgerichtshofes abgegebenen Stellungnahme zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wiederholte das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst die Ausführungen der Gegenschrift des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten."

2. Seine Bedenken führte der Verfassungsgerichtshof im zitierten Beschluß folgendermaßen aus:

"In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in Prüfung genommenen Wendungen aus folgenden Gründen dem Gleichheitsgrundsatz und dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit widersprechen:

a) Der Verfassungsgerichtshof geht mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vorläufig davon aus, daß durch die Neufassung des §28 Abs1 GewO 1973 im Zuge der Gewerberechtsnovelle 1992 zwei Arten der Nachsicht vom

Befähigungsnachweis eingeführt wurden: Nach der Bestimmung des §28 Abs1 Z1 handelt es sich um eine Nachsicht vom formellen

Befähigungsnachweis: Nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers muß angenommen werden können, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze. Ausdrücklich stellt hiebei das Gesetz auf die 'volle Befähigung' ab. Daneben steht die Möglichkeit der Nachsichtserteilung aus dem in §28 Abs1 Z2 genannten Grund der hinreichenden tatsächlichen Befähigung. Hiebei muß dargetan sein, daß - worauf der Bundesminister unter Verweis auf die zur Vorgängerbestimmung des §14c Abs1 GewO 1859 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwSlg. 4871(A)/1959) hinweist - 'der Nachsichtswerber nach seiner bisherigen Betätigung immerhin über so viel Kenntnis und Erfahrungen verfüge, als erforderlich sind, um Leistungen zu erbringen, die in der Regel von Inhabern des (entsprechenden) Gewerbes verlangt werden'.

Eine Nachsicht infolge Annahme hinreichender tatsächlicher Befähigung (Z2), nicht aber eine Nachsicht infolge Annahme einer durch Bildungsgang und bisherige Tätigkeit erworbenen Befähigung (Z1) scheint auch mit Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden zu können. Dies dürfte durch die in Prüfung genommenen Wendungen, und zwar zum einen durch den Klammerausdruck 'volle Befähigung' in §28 Abs1 Z1 und zum anderen dadurch bewirkt werden, daß gemäß §28 Abs3 bloß die Nachsicht nach Abs1 Z2 'auch mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden' kann, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist.

b) Diese restriktive Regelung der Erteilung der Nachsicht nach Z1 für den Fall der Beschränkung des Antrages bloß auf Teiltätigkeiten des Gewerbes scheint - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig meint - mit dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit nicht vereinbar zu sein, und die durch die Regelung insgesamt bewirkte Differenzierung dürfte dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen:

Im Einklang mit seiner Entscheidung VfSlg. 13094/1992 (zur Vorgängerbestimmung des derzeit geltenden §28 Abs1 GewO 1994) geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß eine Bestimmung, die die Erteilung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis an bestimmte Voraussetzungen bindet, nur dann verfassungsmäßig ist, wenn die vom Gesetzgeber normierten Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis durch ein öffentliches Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Im genannten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof die angesichts der standardisierten Ausbildungsgänge und Prüfungsanforderungen gegebene Bedeutung der Einrichtung der Nachsichtsmöglichkeiten betont, aber auch dargelegt, daß es im öffentlichen Interesse liegt, einen gewissen Standard fachlicher Leistungen zu sichern und zu diesem Zweck den Nachweis entsprechender Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu verlangen. Der Verfassungsgerichtshof vermag aber vorläufig nicht einzusehen, wieso es erforderlich sein sollte, auch dann den Nachweis sämtlicher für eine Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, also einer vollen Befähigung zu verlangen, wenn sich die angestrebte Gewerbeberechtigung bloß auf eine - an sich zulässige - Teiltätigkeit des Gewerbes erstrecken soll. Insoweit die in Prüfung genommenen Wendungen dies bewirken, dürfte es sich um eine inadäquate, durch das öffentliche Interesse an der Sicherung des Standards fachlicher Leistungen nicht mehr gerechtfertigte Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit handeln.

Andererseits scheint es dem Verfassungsgerichtshof auch sachlich nicht gerechtfertigt zu sein, daß zwar die Nachsicht auf Grund der Annahme hinreichender tatsächlicher Befähigung des Nachsichtswerbers mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden darf, nicht aber die Nachsicht auf Grund der Annahme von nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen. Wieso gerade diesfalls nur der Nachweis der vollen Befähigung für eine Nachsicht auch bloß für Teiltätigkeiten des Gewerbes erforderlich sein soll, ist jedenfalls vorläufig nicht einsichtig, weshalb die diese Folge bewirkenden Teile der gesetzlichen Regelung auch dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen dürften.

c) Diese Bedenken des Verfassungsgerichtshofes werden auch durch die Entstehungsgeschichte der derzeit geltenden Regelung unterstrichen. In der Regierungsvorlage zur GewO-Novelle 1992 (635 BlgNR, 18.GP) war - in §28 Abs1 - vorgesehen, daß unter bestimmten (freilich - wie sich aus der bereits zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 13094/1992 ergibt - verfassungsrechtlich bedenklichen) zusätzlichen Voraussetzungen 'die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen (ist), wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt'. Der Hinweis auf eine diesfalls geforderte 'volle Befähigung' war im Entwurf nicht enthalten. Überdies beantragte die Vorlage keine Änderung des damals geltenden Abs3 des §28 GewO 1973, in dem vorgesehen war, daß 'die Nachsicht gemäß Abs1' nur mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt werden darf, wenn die Befähigung lediglich in diesem Umfang gegeben ist. Die von der Regierungsvorlage ins Auge gefaßte Regelung sah also die Beschränkung der Nachsicht auf Teiltätigkeiten des Gewerbes auch für den Fall vor, für den sie nunmehr nicht vorgesehen ist. (Dem Ausschußbericht (876 BlgNR, 18.GP) ist nicht zu entnehmen, weshalb sich der Ausschuß zu der - dann beschlossenen - Formulierung der Abs1 und 3 des §28 entschieden hat, durch die die Möglichkeit der Erbringung des Befähigungsnachweises für Teiltätigkeiten von Gewerben zwar bei Annahme hinreichender tatsächlicher Befähigung, nicht aber bei Annahme einer Befähigung durch einen alternativen Bildungsgang und die bisherige Tätigkeit des Nachsichtswerbers möglich sein soll.)

d) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten meint, daß im Fall der Nachsichtserteilung auf Grund der Annahme hinreichender tatsächlicher Befähigung 'bestimmte tatsächliche Verhältnisse das Beurteilungsmaß' bilden. In diesem Fall könne auch geprüft werden, ob die hinreichende tatsächliche Befähigung für die eingeschränkte Ausübung eines Gewerbes gegeben ist. Wieso das im Fall der Annahme der erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen auf Grund eines entsprechenden Bildungsganges und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers aber nicht möglich sein soll, wird nicht dargetan."

Angesichts dessen hatte der Verfassungsgerichtshof beschlossen, die in der Wiedergabe des §28 GewO 1994 hervorgehobenen Wendungen in Prüfung zu nehmen. Dies - wie im Prüfungsbeschluß ebenfalls betont wurde - angesichts der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ungeachtet der Frage, ob und wie sich eine allfällige Aufhebung der Bestimmungen im Anlaßfall auswirken würde.

3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie der Annahme der Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht entgegentrat und in der Sache zunächst ausführt:

"Die Gewerbeordnung sieht als besondere Voraussetzung für die Ausübung von Handwerken und von gebundenen Gewerben den Nachweis der Befähigung vor. Die Befähigung für Handwerke ist durch die in §18 Abs1 Z1-5 GewO aufgelisteten Zeugnisse nachzuweisen. Der Befähigungsnachweis für gebundene Gewerbe ist durch die in §22 Abs1 Z1-6 genannten Belege zu erbringen. Durch Verordnung gemäß §22 Abs3 GewO ist festzulegen, durch welche Belege der Befähigungsnachweis für gebundene Gewerbe, gegebenenfalls nur für deren eingeschränkte Ausübung, nachzuweisen ist.

§28 GewO, der die Möglichkeiten der Erteilung einer Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis regelt, ist im Verhältnis zu den vorgenannten Bestimmungen als Ausnahmeregelung konzipiert, die es erlaubt, daß auch andere als die im Gesetz und den darauf beruhenden Verordnungen vorgesehenen Ausbildungswege zur Berechtigung einer Gewerbeausübung führen. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 13094/1992 (zur Vorgängerbestimmung des derzeit geltenden §28 Abs1 GewO 1994) ausgeführt hat, greift die Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung eines Nachsichtswerbers gemäß Art6 StGG ein.

§28 GewO, der die gesetzlichen Voraussetzungen statuiert, deren Erfüllung erst den Erwerbsantritt eines Nachsichtswerbers ermöglicht, ist somit im Lichte des Art6 StGG nur dann verfassungsmäßig, wenn die vom Gesetzgeber normierten Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind. Aus dem genannten Erkenntnis ist ferner abzuleiten, daß dann, wenn der Gesetzgeber die Erteilung einer Nachsicht grundsätzlich für möglich hält, der Nachweis der vollen Befähigung ausreichend ist und die Nachsichtserteilung nicht an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden darf."

Sodann werden zur Rechtfertigung der Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung genommenen Wendungen die Argumente - größtenteils wörtlich übereinstimmend - wiederholt, die sich bereits in der im Anlaßverfahren vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erstatteten Gegenschrift finden (vgl. Pkt. II/1/b), die folgendermaßen ergänzt werden:

"... Da der Beurteilungsmaßstab in den beiden Alternativen des §28 Abs1 GewO verschieden ist, ist auch der vom Gesetz verlangte Standard, der einerseits der vollen Befähigung und andererseits der hinreichenden tatsächlichen Befähigung entspricht, unterschiedlich. Der Nachsichtswerber, bei dem das Vorliegen einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung angenommen werden kann, muß über ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, um die Erwartungen der Konsumenten nicht zu enttäuschen und um einen Schutz der Mitbewerber vor unqualifizierter Konkurrenz zu gewährleisten. Durch §28 Abs1 Z2 GewO wird daher nicht ein mit dem formellen Befähigungsnachweis gleichwertiger Grad der Befähigung, sondern eine Ausnahme von der vollen Befähigung festgelegt. Es erscheint daher auch im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 13094/1992 gerechtfertigt, diesen Nachsichtstatbestand an Ausnahmegründe zu knüpfen, da es sich dabei nicht um einen Fall handelt, in dem zusätzlich zur vollen Befähigung weitere Voraussetzungen gefordert werden."

Schließlich meint die Bundesregierung:

"Im vorliegenden Fall ist noch eine weitere Unterscheidung von

Bedeutung: Es sind Nachsichten denkbar, die eine Einschränkung aufweisen, ohne daß dies Rückwirkungen auf den Umfang der nachzuweisenden Befähigung haben müßte. Es kann aber auch Nachsichten geben, die auf eine Teiltätigkeit eingeschränkt sind, für die die Befähigung nur in einem kleineren Umfang gegeben sein muß. Nur auf den zuletzt genannten Fall ist §28 Abs3 sinnvoll anwendbar.

Nach Ansicht der Bundesregierung zeigt gerade der dem Verfahren im Anlaßfall zugrundeliegende Sachverhalt, daß es gerechtfertigt ist, den Nachweis der vollen Befähigung auch für eine Teiltätigkeit eines Gewerbes zu verlangen und daß die in Rede stehende Regelung zur Zielerreichung geeignet und adäquat erscheint. Im Anlaßfall ist nämlich nicht ersichtlich, inwiefern die Einschränkung auf die Verwaltung von Immobilien, die als Werkswohnungen der Perlmooser Zementwerke AG dienen, eine Auswirkung auf den Umfang der nachzuweisenden Befähigung haben könnte. Die Probleme, die ein Immobilienverwalter gegenüber einem Auftraggeber zu lösen hat, können genau die gleichen sein wie die Aufgaben, die er bei der Verwaltung von Immobilien für eine Vielzahl von Auftraggebern zu bewältigen hat.

Weiters ist zu beachten, daß das durch §28 GewO geschaffene Regelwerk eine Nachsichterteilung in bezug auf die volle Befähigung auch für den Fall gestattet, daß der Bildungsgang und die bisherige Tätigkeit des Nachsichtswerbers lediglich einen Teil der Berufsausbildung zu ersetzen vermögen. In diesem Fall darf gemäß §28 Abs2 GewO die Nachsicht von der vollen Befähigung nur für einen Teil des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises erteilt werden. Es wäre daher auch für den Fall, daß die Nachsicht gemäß §28 Abs1 Z. 2 GewO betreffend die hinreichende tatsächliche Befähigung, die aufgrund des §28 Abs3 GewO mit der Beschränkung auf eine Teiltätigkeit des Gewerbes erteilt wird, denkbar, daß auch für Teile des vollen Befähigungsnachweises Nachsicht gemäß §28 Abs2 erteilt wird. Die Nachsicht von der vollen Befähigung für die Ausübung bloß einer Teiltätigkeit des Gewerbes ist aber im Hinblick darauf, daß die volle Befähigung - wie bereits dargelegt - den durch Rechtsvorschriften verlangten Standard umschreibt, nicht möglich. Das Zugrundelegen eines objektiven Prüfmaßstabes für die Beurteilung des Vorliegens des formellen Befähigungsnachweises ist jedenfalls im öffentlichen Interesse der Sicherung des Standards fachlicher Leistungen sowie des Interesses von Mitbewerbern und von Konsumenten gelegen und erscheint wegen der damit verbundenen Rechtssicherheit darüberhinaus auch sachlich gerechtfertigt."

In bezug auf die Einbeziehung auch des Klammerausdruckes "(volle Befähigung)" in §28 Abs1 Z1 GewO 1994 in den Prüfungsbeschluß meint die Bundesregierung:

"... Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß dem Klammerausdruck 'volle Befähigung' selbst keine normative Wirkung zukommt. Der Umstand, daß durch die Wendung 'erforderliche(n) Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen' die volle Befähigung beschrieben wird, folgt bereits aus §16 Abs2 GewO, in dem der Befähigungsnachweis definiert wird. Der Nachsichtswerber muß jenen Grad der Befähigung besitzen, der von einer Person, die den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erbringt, erwartet werden muß."

Demgemäß vertritt die Bundesregierung insgesamt die Auffassung, daß die in §28 GewO 1994 getroffene Regelung der Nachsichtserteilung im Lichte des Grundrechts auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und des Gleichheitsgrundsatzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, und stellt den Antrag, die in Prüfung genommenen Teile des §28 Abs1 und 3 GewO 1994 nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Zweifel an diesbezüglichen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes im Prüfungsbeschluß sind nicht hervorgekommen.

2. a) Schon in seiner Entscheidung VfSlg. 13094/1992 hat der Verfassungsgerichtshof mit eingehender Begründung und unter Bezugnahme auf die einschlägige Judikatur zur Erwerbsausübungsfreiheit erkannt, daß die Bestimmungen über die Erteilung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis aus dem Blickwinkel des Art6 StGG nur dann verfassungsmäßig sind, wenn die vom Gesetzgeber normierten Voraussetzungen für die Gewährung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof dargetan, daß es im öffentlichen Interesse liegt, einen gewissen Standard fachlicher Leistungen zu sichern und zu diesem Zweck den Nachweis entsprechender Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu verlangen. Er hat dabei die Zulässigkeit der Standardisierung von Ausbildungsgängen und Prüfungsanforderungen, die das Befähigungsnachweissystem des Gewerberechtes insgesamt prägt, nicht in Zweifel gezogen, jedoch betont, daß angesichts dieser Standardisierung Nachsichtsregelungen vorhanden sein müssen, die die Ausübung eines Gewerbes auch dann ermöglichen, wenn zwar der standardisierte Befähigungsnachweis nicht erbracht wird, aber auf andere Weise sichergestellt ist, daß die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für die Gewerbeausübung vorhanden sind.

b) Nach der Gewerbeordnung besteht die Möglichkeit, eine Gewerbeberechtigung auch nur für eine Teiltätigkeit eines Gewerbes anzustreben. Daß in einem derartigen Fall die Erteilung einer Nachsicht vom vorgesehenen Befähigungsnachweis davon abhängig gemacht wird, daß vom Nachsichtswerber nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung im beantragten Umfang erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, hält der Verfassungsgerichtshof für erforderlich, um das öffentliche Interesse der Sicherung eines entsprechenden Standards fachlicher Leistungen zu erreichen. Es kann aber nicht mehr als erforderlich angesehen werden, wenn auch für den Fall, daß die Gewerbeberechtigung nur für eine bestimmte Teiltätigkeit eines Gewerbes angestrebt wird, vom Nachsichtswerber verlangt wird, daß er nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit über die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt, die in einem für die Ausübung des Gewerbes insgesamt berechtigenden Befähigungsnachweis vorgeschrieben sind und über die für die Ausübung der jeweiligen Teiltätigkeit notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen hinausgehen. Eine gesetzliche Bestimmung, die derartiges verlangt, ist als eine nicht mehr adäquate Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit anzusehen.

Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, daß es nicht erforderlich sei, auch dann den Nachweis sämtlicher für eine Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, also einer vollen Befähigung zu verlangen, wenn sich die angestrebte Gewerbeberechtigung bloß auf eine - an sich zulässige - Teiltätigkeit des Gewerbes erstrecken soll, hat sich somit als zutreffend erwiesen.

c) Entgegen der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes kann jedoch diese Verfassungswidrigkeit allein durch die Aufhebung der Wendung "Z2" in §28 Abs3 GewO 1994 beseitigt werden. Denn der Klammerausdruck "(volle Befähigung)" in §28 Abs1 Z1 GewO 1994 hat für sich - worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist - keine eigene normative Bedeutung. Er ist vielmehr nur als Kurzbezeichnung für die an sich nicht bedenkliche Regelung zu verstehen, daß ein Nachsichtswerber über sämtliche für die angestrebte Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu verfügen hat, was ja immer dann, wenn die Ausübung des Gewerbes insgesamt angestrebt wird, nach dem Dargelegten verfassungsrechtlich auch nicht bedenklich ist. Erst aus der Regelung des Abs3 des §28 GewO 1994 ergibt sich, daß die volle Befähigung im Sinne des §28 Abs1 Z1 GewO 1994 auch gefordert wird, wenn bloß die Ausübung eines Teilbereiches des Gewerbes angestrebt wird, und nur dies widerspricht dem Grundrecht der Erwerbsausübungsfreiheit.

Es ist daher die Wendung "Z2" in §28 Abs3 GewO 1994 aufzuheben; hinsichtlich der Wendung "(volle Befähigung)" ist das Gesetzesprüfungsverfahren demnach einzustellen.

Bei diesem Ergebnis brauchte auf das sub titulo Gleichheitsgrundsatz aufgeworfene Bedenken nicht mehr eingegangen zu werden.

3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle - eine solche wurde von der Bundesregierung auch nicht beantragt - war angesichts der besonderen Konstellation des Regelungszusammenhanges nicht erforderlich.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung des die Aufhebung betreffenden Spruchteiles erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz und Abs6 letzter Satz B-VG und aus §64 Abs2 VerfGG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, Befähigungsnachweis, Nachsicht (vom Befähigungsnachweis), VfGH / Verwerfungsumfang, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G272.1994

Dokumentnummer

JFT_10049698_94G00272_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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