TE Vwgh Erkenntnis 1951/3/14 2701/50

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Veröffentlicht am 14.03.1951
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §243
BAO §251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Heiterer-Schaller und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Porias und Dr. Vejborny als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Eichler als Schriftführer, über die Beschwerde der Republik Österreich (Bundesministerium für Verkehr und Verstaatlichte Betriebe, Generaldirektion der Oesterreichischen Bundesbahnen) gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission für Wien vom 12. Oktober 1950, Zl. Mag. Abt. 4 Ref. 3 - Oe 17/50, betreffend Grundsteuerveranlagungsart, nach durchgeführter öffentlicher Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters, sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Bundesbahnzentralinspektor Dr. EP und des Vertreters der belangten Behörde, Obermagistratrat Dr. AP, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Wien IV., W-Strasse 6 - E.Z. 1380 K.G. W -, auf dem sich ein im Zuge der Kriegshandlungen beschädigtet Gebäude von untergeordneter Bedeutung befindet. Im Wege einer Nachfeststellung, die infolge Wegfalles der Befreiung von der Grundsteuer ab 1. Jänner 1947 und der sich deshalb ergebenden Notwendigkeit, den Steuermessbetrag zu ändern, erforderlich geworden war, wurde durch das Finanzamt für den IV./V. und X. Bezirk mit Bescheid vom 10. Juni 1947, EWA 11 II 1146, der Einheitswert für das genannte Grundstück zum 1. Jänner 1947 auf S 305.700,-- neu festgestellt und der Steuermessbetrag auf S 3.057,-- neu festgesetzt. Der Wiener Magistrat, Mag. Abt. 4. Ref. 5, setzte daraufhin mit Bescheid vom 21. Oktober 1947

die Grundsteuer für 1947 neu fest, wobei der Berechnung der Steuer nach dem neuen Grundsteuermessbetrag und Hebesatz vorgenommen wurde. Dieser Bescheid wurde mangels Ergreifung eines Rechtsmittels rechtskräftig. Mit dem Einheitswert- und Grundsteuerbescheid vom 11. April 1950 wurde der Einheitswert durch das Finanzamt für den IV./V. und X. Bezirk von Amts wegen auf S 298.400,-- zum 1. Jänner 1948 fortgeschrieben, weil das Gebäude im Zuge der Kriegshandlungen beschädigt und der Wert um 25% vermindert worden war. Auf Grund dieses Bescheides wurde die Grundsteuer für 1948 durch den Bescheid des Wiener Magistrates, Mag. Abt. 4, Ref. 5, vom 14. Juni 1950 neu festgesetzt, wobei abermals die Berechnung der Steuer nach Grundsteuermessbetrag und Hebesatz vorgenommen wurde. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Berufung, weil die Grundsteuer nicht gemäss § 2 der Dritten Verordnung zur Einführung des Grundsteuergesetzes in der Ostmark vom 19. November 1941, BGBl. I, S. 741, aus dem bisherigen Erstarrungsbetrag nach dem Verhältnis der Grundsteuermessbeträge berechnet wurde. Berufung wurde von der Abgabenberufungskommission des Wiener Magistrates zurückgewiesen, weil die Art der Veranlagung der Grundsteuer bereits durch den Grundsteuerbescheid für 1947, welcher in vollem Umfange Rechtskraft erlangt habe, endgültig festgestellt worden sei, wenn daher die Beschwerdeführerin eine nachträgliche Aenderung bloss des Einheitswertes und Grundsteuermessbetrages zum Anlass nehmen wolle, die Frage der Besteuerungsart aufzurollen, sei ihr das verwehrt (vgl. § 4 Abs. 2 Abgabenrechtsmittelgesetz, BGBl. Nr. 60/1949, Abg.R.G). Sie hätte dieses Begehren schon seinerzeit durch Bekämpfung des Grundsteuerbescheides vom 21. Oktober 1947 im Rechtsmittelweg stellen müssen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Gesetzwidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Um die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht zu stützen, bezieht sie sich auf § 7 Abs. 2 AbgRG., wonach die Anfechtung von (abändernden) Bescheiden, die an Stelle früherer Bescheide treten, nur soweit zulässig sei, als die Abänderung reiche. Im vorliegenden Fall seien nur die ziffernmässigen Grundlagen geändert worden; die unverändert gebliebene und daher rechtskräftige Steuerberechnungsart könne demnach nicht mehr bekämpft werden. Ein Rechtsmittel dagegen sei unzulässig.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Entscheidend für die Lösung des vorliegenden Rechtsfalles ist der Umfang der formellen und materiellen Rechtskraft eines Steuerbescheides, und zwar im vorliegenden Fall eines Grundsteuerbescheides. Durch einen solchen Bescheid werden gesetzliche oder in rechtskräftigen Bescheiden festgestellte Voraussetzungen zu einem bestimmten Steuerobjekt in den räumlichen und zeitlichen Umfang in rechtlicher Beziehung gebracht, der sich aus dem Steuerbescheid ergibt. Steuerbescheide gelten daher grundsätzlich, solange das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, nur für den Zeitraum, für den sie erlassen sind. Der Grundsteuerbescheid für den folgenden Zeitraum hat mangels besonderer gesetzlichen Anordnung selbständig auf den gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen aufzubauen. Es ergibt sich, dass schon die Behörde nicht an den Vorgang im vergangenen Zeitraum gebunden bleibt, sondern z.B. von einem Irrtum der Berechnungsart abgehen kann. Das gleiche muss aber auch für die betroffene Partei gelten, die also keineswegs auf die Anfechtung ziffernmässiger Fehler beschränkt bleibt. Diese Auffassung findet im Wortlaut des § 4 AbgRG seine volle Deckung. Der Abs. 1 dieses Paragraphen unterscheidet drei Gruppen von Bescheiden. Hievon finden sich Steuerbescheide unter Zif. 1, Feststellungs- und Steuermessbescheide unter Zif. 2. Der Abs. 2 desselben Paragraphen schränkt die Anfechtbarkeit eines Steuerbescheides oder eines Feststellungsbescheides nur bei Umständen ein, die in einem anderen Feststellungsbescheid oder in einem Steuermessbescheid festgestellt sind. Das Gesetz schliesst also die Anfechtbarkeit von Steuerbescheiden nur soweit aus, als ihnen in einem Feststellungs- oder Steuermessbescheid festgestellten Umstände zugrundeliegen. Ein Grundsteuerbescheid fällt aber nicht unter die in Zif. 2, sondern unter die in Zif. 1 des zitierten Paragraphen genannten Bescheide; er ist ein Steuerbescheid für den die Einschränkung des Abs. 2 nicht gilt.

Auch die Meinung der belangten Behörde, sich auf § 7 Abs. 2 AbgRG stützen zu können ist irrig. Mit „Bescheiden, die an Stelle eines früheren Bescheides treten“ sind nur Bescheide gemeint, die den früheren Bescheid ersetzen, nicht aber Bescheide, die den früheren Bescheid in einem Bestand nicht berühren, sondern sich ihm zeitlich anreihen. Der angefochtene Grundsteuerbescheid 1948 ist nicht „an Stelle“ des Grundsteuerbescheides 1947 getreten. Des zweitgenannten Bescheides Existenz im Rechtsleben, insbesonders als Vollstreckungstitel, ist unberührt geblieben; aber res judicata kann er nur für 1947, jedoch nicht für die kommende Steuerperiode schaffen.

Die belangte Behörde dürfte somit die Berufung nicht zurückweisen, sondern hatte in der Sache selbst zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhaltes gemäss § 42 Abs. 2 lit. a VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. März 1951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1951:1950002701.X00

Im RIS seit

11.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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