TE Vwgh Beschluss 2021/9/23 Ra 2019/16/0152

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2021
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

BAO §167 Abs2
KFG 1967 §40 Abs1
KFG 1967 §82 Abs8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und den Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des damaligen Finanzamts Braunau Ried Schärding (nunmehr Finanzamt Österreich) gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. Mai 2019, Zl. RV/5100392/2019, betreffend Normverbrauchsabgabe 6/2014 und Kraftfahrzeugsteuer 4-12/2014 (mitbeteiligte Partei: A S in F), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheiden vom 27. Oktober 2015 setzte das Finanzamt gegenüber der Mitbeteiligten Normverbrauchsabgabe für 6/2014 für ein näher bezeichnetes Fahrzeug sowie einen Verspätungszuschlag fest. Mit Bescheid vom gleichen Tag schrieb das Finanzamt der Mitbeteiligten für dieses Fahrzeug Kraftfahrzeugsteuer für 4-12/2014 vor.

2        Der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 16. Juli 2018 Folge und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, aufgrund der beruflichen und privaten Verhaltensweisen der Mitbeteiligten sei davon auszugehen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nie länger als einen Monat ununterbrochen in Österreich verblieben sei. Da der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass die in § 82 Abs. 8 KFG 1967 normierte Monatsfrist unterbrechbar sei und mit jeder Wiedereinbringung des Fahrzeugs in das Bundesgebiet neu zu laufen beginne, seien die angefochtenen Bescheide bereits aus diesem Grund aufzuheben gewesen.

3        Diese Entscheidung des Bundesfinanzgerichts hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Februar 2019, Ra 2018/16/0190, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, wobei er unter Verweis auf seine Rechtsprechung ausführte, dass die in § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 normierte Monatsfrist beim Verbringen des betreffenden Fahrzeugs ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeugs in das Bundesgebiet mit der neuerlichen Einbringung neu zu laufen beginne. Der Gesetzgeber habe jedoch aufgrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes § 82 Abs. 8 KFG 1967 dahingehend geändert, dass eine vorübergehende Verbringung des Fahrzeugs aus dem Bundesgebiet die fragliche Monatsfrist nicht mehr unterbreche. § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 26/2014 sei (nach Aufhebung der rückwirkenden Inkrafttretensbestimmung des § 135 Abs. 27 KFG 1967 durch VfGH 2.10.2014, G 72/2014, VfSlg. 19.920) mit Ablauf des 23. April 2014 in Kraft getreten. Vor diesem Hintergrund hätte das Bundesfinanzgericht Feststellungen zum Zeitpunkt der erstmaligen Einbringung des Fahrzeugs in das Bundesgebiet treffen müssen und hätte sich nicht allein auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des 2. AbgÄG 2002 stützen dürfen.

4        Im fortgesetzten Verfahren gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten neuerlich Folge und hob die angefochtenen Bescheide ersatzlos auf. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

5        In der Begründung wurde ausgeführt, die Mitbeteiligte sei deutsche Staatsbürgerin und habe ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Die Mitbeteiligte und ihr Ehegatte seien in Deutschland nichtselbständig tätig; die Kinder studierten in Deutschland. Weiters betreibe die Mitbeteiligte gemeinsam mit ihrem Ehegatten in Deutschland eine Hausverwaltung. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei seit dem 5. Juni 2014 „auf diese Hausverwaltungsfirma in Deutschland zugelassen“. Die erstmalige Einbringung des Fahrzeugs nach Österreich sei unmittelbar nach der Zulassung im Juni 2014 erfolgt. Auf die Mitbeteiligte seien im streitgegenständlichen Zeitraum auch zwei „Klein-PKW“ in Österreich zugelassen.

6        Nach § 40 Abs. 1 KFG 1967 gelte als dauernder Standort eines Fahrzeugs der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über das Fahrzeug verfüge. § 82 Abs. 8 KFG 1967 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 26/2014 bestimme - als lex specialis zu § 40 Abs. 1 leg. cit. -, dass Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit Hauptwohnsitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet würden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeuge mit dauerndem Standort im Inland anzusehen seien. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 sei nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig, wobei eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbreche.

7        Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, den Gegenbeweis für die Standortvermutung als erbracht angesehen, weil ein betrieblich genutztes Fahrzeug nahezu ausschließlich in Deutschland verwendet, die Wartung und Reparaturen dort erfolgt und der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland durchgeführt worden seien.

8        Die Mitbeteiligte habe das streitgegenständliche Fahrzeug nach dem Akteninhalt sowohl in Österreich als auch in Deutschland verwendet, wobei über einem Zeitraum von 14 Monaten ca. 14.450 km in diesen beiden Ländern zurückgelegt worden seien. Auf Österreich seien dabei ca. 2.883 km entfallen, was einen Anteil von knapp unter 20% bedeute. Daraus könne geschlossen werden, dass das Fahrzeug im streitgegenständlichen Zeitraum weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet worden sei. Im Übrigen seien laut Fahrtenbuch nur 19 Fahrten dem Betrieb der Hausverwaltung zuzuordnen, sodass auch der überwiegende Teil der Privatfahrten in Deutschland erfolgt sei. Die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 sei als widerlegt anzusehen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Widerlegung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 bei einer weitaus überwiegenden privaten Verwendung eines bei einem ausländischen Einzelunternehmen im Betriebsvermögen stehenden Kraftfahrzeugs. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, betreffe den Fall einer weitaus überwiegenden betrieblichen Verwendung, sodass Judikatur zum Fall einer weitaus überwiegenden privaten Verwendung fehle.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür gemäß § 28 Abs. 3 VwGG in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

12       Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, ausgesprochen hat, folgt aus der Formulierung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967, wonach „Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden,“ bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind, dass diese Standortvermutung sowohl auf von Privatpersonen verwendete Fahrzeuge, als auch auf von Unternehmungen verwendete Fahrzeuge anzuwenden ist (vgl. auch VwGH 30.1.2020, Ra 2019/16/0215). § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 ist danach als lex specialis zu § 40 Abs. 1 leg. cit. anzusehen, der hinsichtlich des dauernden Standorts eines Fahrzeugs den Grundsatz normiert „als dauernder Standort eines Fahrzeuges gilt der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt“. Damit kommt eine Widerlegung der Standortvermutung des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 aber gleichermaßen und unabhängig davon in Betracht, ob das Fahrzeug überwiegend betrieblich oder privat verwendet wird.

13       Ob der Gegenbeweis im Sinne des § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 als erbracht anzusehen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (vgl. nochmals VwGH 28.10.2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F), zu deren Überprüfung im Einzelfall der Verwaltungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. etwa VwGH 29.9.2020, Ra 2020/16/0134 und VwGH 15.9.2020, Ra 2020/16/0133, jeweils mwN). Dass das Bundesfinanzgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, zeigt das revisionswerbende Finanzamt im Zulässigkeitsvorbringen nicht auf.

14       Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28. Oktober 2009, 2008/15/0276, VwSlg 8485/F, ausgeführt, dass der Gegenbeweis iSd § 82 Abs. 8 erster Satz KFG 1967 (jedenfalls) als erbracht anzusehen ist, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (vgl. auch VwGH 16.6.2021, Ra 2018/16/0171). Warum das Bundesfinanzgericht daher ausgehend von der Feststellung, wonach lediglich knapp unter 20% der insgesamt gefahrenen Kilometer im Inland zurückgelegt worden seien (wobei sich dieser Prozentsatz bei einer Berücksichtigung der Urlaubsfahrten nach Montenegro und Spanien, wie vom revisionswerbenden Finanzamt gefordert, sogar noch vermindern würde) nicht von einem tauglichen Gegenbeweis hätte ausgehen dürfen, macht die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht einsichtig.

15       In der Revision werden keinen Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 23. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019160152.L00

Im RIS seit

14.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten