TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/26 W203 2245220-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.08.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.08.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §1 Abs1
SchPflG 1985 §11
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §3
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §42 Abs6

Spruch


W203 2245220-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde der mj. XXXX als Erstbeschwerdeführerin, vertreten durch ihre erziehungsberechtigten Eltern XXXX und XXXX als Zweitbeschwerdeführer, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Vorarlberg vom 27.07.2021, GZ. 804.1120/0001-BD-VBG/2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides um folgenden Satz zu ergänzen ist:

„ XXXX hat im Schuljahr 2021/2022 die Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen. “

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Erstbeschwerdeführerin absolvierte im Schuljahr 2020/21 die 7. Schulstufe in der 3c-Klasse des XXXX in XXXX (im Folgenden: gegenständliche Schule). Im Jahreszeugnis wurde sie in acht von insgesamt zwölf Pflichtgegenständen nicht beurteilt.

2. Am 05.07.2021 entschied die Klassenkonferenz der 3c-Klasse der gegenständlichen Schule, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Aufsteigen in die nächst Schulstufe nicht berechtigt sei, weil diese in acht Pflichtgegenständen keine Beurteilung erhalten und somit die Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe. Die Entscheidung enthielt die Hinweise, dass die Erstbeschwerdeführerin zur Ablegung von höchstens zwei Wiederholungsprüfungen und zur Wiederholung der 3. Klasse (7. Schulstufe) berechtigt sei.

Diese Entscheidung der Klassenkonferenz blieb von den Beschwerdeführern unwidersprochen.

3. Am 09.07.2021 zeigten die Zweitbeschwerdeführer die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/22 an.

4. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Vorarlberg (im Folgenden: belangten Behörde) vom 27.07.2021, GZ. 804.1120/0001-BD-VBG/2021 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht gem. § 42 Abs. 6 SchUG untersagt.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin die letzte Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe und daher anzuordnen sei, dass diese im Schuljahr 2021/22 eine öffentliche Schule zu besuchen habe.

5. Am 31.07.2021 brachten die Zweitbeschwerdeführer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ein und begründete diese auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt:

Dass die Erstbeschwerdeführerin nicht beurteilt worden sei, sei in den meisten Fächern „nicht ganz gerecht“ gewesen. Dennoch sei dagegen kein Widerspruch erhoben worden, weil es ohnehin sinnvoller wäre, wenn die Erstbeschwerdeführerin das schwierige Schuljahr 2020/21 wiederhole.

Die Erstbeschwerdeführerin, die von klein auf an Haut- und Allergieerkrankungen leide, sehe nicht ein, warum sie sich den Testungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie unterziehen müsse.

Die Erstbeschwerdeführerin fühle sich in Kleingruppen viel wohler als in großen Klassengemeinschaften.

6.       Einlangend am 10.08.2021 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX .2008 geborene Erstbeschwerdeführerin hat das Schuljahr 2020/21 nicht erfolgreich absolviert. Sie unterliegt im Schuljahr 2021/22 der allgemeinen Schulpflicht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A) (Abweisung der Beschwerde)

3.2.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:

Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.

Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz 1985 dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.

Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz Schulunterrichtsgesetz (SchUG) ist eine Schulstufe erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.

Gemäß § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG darf der Prüfungskandidat zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten, wenn er vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen hat.

3.2.2. Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2020/21 die 7. Schulstufe absolviert und diese nicht erfolgreich abgeschlossen hat.

Dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat, ergibt sich – wie auch der Verwaltungsgerichtshof jüngste erkannt hat - aus folgenden Erwägungen:

Zum einen kommt schon gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG für den Fall, dass der zureichende Erfolg des Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht mehr in Betracht (vgl. VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).

Zum anderen unterliegt die in § 11 Abs. 4 SchPflG genannte Prüfung ohne Einschränkung dem Regelungsregime des § 42 SchUG („Externistenprüfungen“). Dessen Abs. 6 normiert, dass ein Prüfungskandidat, der vor dem Antritt zu einer Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen hat, zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten darf. Da diese Regelung auch für die im Falle des häuslichen Unterrichts angeordnete Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG anzuwenden ist, würde im Falle eines Schülers, der im Schuljahr 2020/21 eine bestimmte Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen hat, bei Wiederholung der selben Schulstufe im unmittelbar darauffolgenden Schuljahr 2021/22 in Form des häuslichen Unterrichts schon von vorneherein feststehen, dass eine rechtzeitige Ablegung der Prüfung vor Schulschuss nicht möglich wäre (vgl. dazu abermals VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).

Es ist somit keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid bei der gegenständlichen Ausgangslage die angezeigte Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/22 von vornherein als unzulässig erachtet und daher untersagt hat.

Da der in § 11 Abs. 4 SchPflG genannten Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht durch den Besuch einer in § 5 genannten Schule normativer Charakter zukommt, genügt es nicht, wenn darauf zwar im Begründungsteil des angefochtenen Bescheides eingegangen wird, sondern war selbige in dessen Spruch zu ergänzen.

3.2.3. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Dieser Sachverhaltsfeststellung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).

3.2.4. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision)

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die gegenständlich anzuwendenden gesetzlichen Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.

3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung häuslicher Unterricht öffentliche Schule Öffentlichkeitsrecht Spruchpunkt - Abänderung Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholen einer Schulstufe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2245220.1.00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten