TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/7 Ra 2018/11/0012

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Veröffentlicht am 07.09.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
60/02 Arbeitnehmerschutz
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AÜG §17 Abs2
AÜG §22 Abs1 Z2
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des J H in W, vertreten durch Mag. Jürgen Zahradnik, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Leitenstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 30. Oktober 2017, Zl. KLVwG-320/16/2017, betreffend Übertretung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. Dezember 2016 ergangenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer der GIH (eines ungarischen Transportunternehmens) und damit als deren gemäß § 9 Abs. 1 VStG nach außen vertretendes Organ zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Überlasser die bei einer Kontrolle am 24. März 2016 festgestellte grenzüberschreitende Überlassung eines namentlich angeführten LKW-Fahrers nach Österreich nicht der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung des Bundesministeriums für Finanzen gemeldet habe. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 17 Abs. 2 iVm. § 22 Abs. 1 Z 2 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) begangen, weshalb eine Geldstrafe in Höhe von € 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 23 Stunden) verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben wurde. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zugrunde, dass die GIH - eine 100-prozentige Tochter der österreichischen GKG mit Sitz in Ungarn und ebenso wie die GKG im Transportgewerbe tätig - ihre ungarischen Fahrer der GKG iSd. AÜG überlassen habe.

Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter dem Blickwinkel des § 4 Abs. 2 AÜG überwögen die Merkmale, die auf eine Arbeitskräfteüberlassung hindeuteten. Eine solche liege auch bei unionsrechtskonformer Auslegung der österreichischen Gesetze im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Hinweis auf EuGH 20.2.2011, C-307-309/09, Vicoplus, und EuGH 18.6.2015, C-586/13, Martin Meat) vor.

2        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

3        Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG), BGBl. Nr. 196/1988, lautet in der vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 94/2014 (auszugsweise):

„Meldepflichten

§ 17. (1) ...

(2) Der Überlasser hat bei bewilligungsfreier Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich die grenzüberschreitende Überlassung der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung (nach dem AuslBG und dem AVRAG) des Bundesministeriums für Finanzen zu melden. Die Meldung ist jeweils spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme in Österreich zu erstatten; in Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen genügt die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme. Änderungen der gemeldeten Daten sind unverzüglich zu erstatten. Die Übermittlung der Meldungen hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen.

...

Strafbestimmungen

§ 22. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

1.   ...

2.   mit Geldstrafe von 500 € bis zu 5 000 €, im Wiederholungsfall von 1 000 € bis zu 10 000 €, wer die Meldungen gemäß § 17 Abs. 2 nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht vollständig oder wissentlich unrichtig erstattet oder die erforderlichen Unterlagen entgegen § 17 Abs. 7 nicht zur Überprüfung bereithält oder nicht zugänglich macht;

...“

4        Dem den handelsrechtlichen Geschäftsführer der GKG (der Muttergesellschaft der GIH) betreffenden hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2017/11/0154, lag zugrunde, dass dieser für schuldig erkannt worden war, er habe zu verantworten, dass die GKG näher bezeichnete ungarische Arbeitnehmer der GIH als LKW-Fahrer beschäftigt habe, ohne Unterlagen für die Anmeldung der Arbeitskraft zur Sozialversicherung sowie eine Abschrift der Meldung gemäß § 17 Abs. 2 und Abs. 3 AÜG bereitzuhalten. Das Verwaltungsgericht war davon ausgegangen, die ungarische GIH habe ihre LKW-Fahrer an die GKG iSd. AÜG überlassen, weshalb die GKG als Beschäftiger anzusehen sei. Aufgrund des Revisionsvorbringens hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Werkvertrag vorgelegen war oder ob die GIH ihre Fahrer an die GKG - iSd. Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) - überlassen hatte.

5        Von diesem Fall unterscheidet sich der Revisionsfall nur dadurch, dass der Revisionswerber als Geschäftsführer der GIH wegen Nichtmeldung einer Überlassung und nicht wegen geltender Bereithaltung der in § 17 Abs. 7 AÜG genannten Unterlagen bestraft wurde. Die Revisionen sind größtenteils wortident. In den entscheidungswesentlichen Punkten gleicht der Revisionsfall jenem, der dem zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag zugrunde lag, da es auch dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis noch an den für eine abschließende Beurteilung nötigen (im Erkenntnis Ra 2017/11/0154 näher dargelegten) Feststellungen mangelt. Auf die Begründung des genannten hg. Erkenntnisses - auch zur verhängten Ersatzfreiheitsstrafe - wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

6        Das angefochtene Erkenntnis war aus den dort genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

7        Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018110012.L00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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