TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/8 Ra 2019/04/0079

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Veröffentlicht am 08.09.2021
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Index

L72003 Beschaffung Vergabe Niederösterreich
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

ABGB §1175
ABGB §1210 idF 1983/136
ABGB §1215
ABGB §1215 Abs1
ABGB §1503 Abs5 Z2
ABGB §819
AVG §8
AVG §9
BVergG 2006 §2 Z14
BVergG 2006 §20 Abs2
BVergG 2006 §320
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §16 Abs9
LVergabenachprüfungsG NÖ 2003 §6 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision der B GmbH in B, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4320 Perg, Herrenstraße 3, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 18. April 2019, Zl. LVwG-AV-745/009-2015, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Igesellschaft mbH in T, und 2. Marktgemeinde W in W, vertreten durch die Estermann Pock Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Rennweg 17/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird in seinem Spruchpunkt 1. im Umfang der Zurückweisung des Antrags der revisionswerbenden Partei vom 8. Oktober 2018 auf Berichtigung der Parteienbezeichnung sowie in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Dem vorliegenden Revisionsfall liegt das Vergabeverfahren „Donau-Hochwasserschutz in der MG Z, Mobilschutz“ der zweitmitbeteiligten Partei als öffentliche Auftraggeberin (im Folgenden: Auftraggeberin) zu Grunde, an dem sich unter anderem die Bietergemeinschaft (im Folgenden: BIEGE) bestehend aus 1. der revisionswerbenden Partei und 2. der A GmbH in Y (Deutschland) beteiligt hat.

2        Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2011, 2008/04/0083, die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juli 2014, Ro 2014/04/0055-5, und vom 17. September 2014, Ro 2014/04/0055-8, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 2016, Ra 2016/04/0052, und vom 8. August 2018, Ra 2017/04/0112, verwiesen.

3        Soweit im vorliegenden Revisionsverfahren wesentlich gab die Auftraggeberin mit Schreiben vom 8. Februar 2008 der BIEGE bekannt, dass ihr Angebot ausgeschieden werde, und teilte unter einem die Zuschlagsentscheidung zugunsten der erstmitbeteiligten Partei mit.

4        Mit Bescheid vom 29. April 2008 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS) den Nachprüfungsantrag der BIEGE, die Ausscheidensentscheidung vom 8. Februar 2008 für nichtig zu erklären, ab. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21. März 2011, 2008/04/0083, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

5        Daraufhin brachte die BIEGE mit Schriftsatz vom 21. April 2011 einen auf § 16 Abs. 9 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz idF LGBl. 7200-2 gestützten Fortsetzungsantrag ein und begehrte die Feststellung, dass a) die Ausscheidensentscheidung vom 8. Februar 2008, „b) die Zuschlagsentscheidung vom 8. Februar 2008“, sowie drei weitere Festlegungen der Auftraggeberin lit. c bis lit. e, rechtswidrig seien.

6        Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (UVS) dem Feststellungsantrag der BIEGE, die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin vom 8. Februar 2008 für rechtswidrig zu erklären, statt. Die dagegen erhobene Revision der Auftraggeberin wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Juli 2014, Ro 2014/04/0055, zurück.

7        In der Folge ergingen im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit im zugrundeliegenden Feststellungsverfahren noch Anträge - konkret der Antrag lit. b betreffend die Zuschlagserteilung sowie die Anträge lit. c bis lit. e betreffend drei weitere Festlegungen der Auftraggeberin - unerledigt seien, zwei weitere Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (siehe VwGH 14.10.2015, Ra 2015/04/0074; 12.9.2016, Ra 2016/04/0052).

8        Mit Erkenntnis vom 24. Juli 2017 wies das zuständig gewordene Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) den Feststellungsantrag der BIEGE vom 21. April 2011 im Umfang seiner lit. b bis lit. e neuerlich zurück.

9        Mit Erkenntnis vom 8. August 2018, Ra 2017/04/0112, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts im Umfang der Zurückweisung des Feststellungsantrags der BIEGE zu lit. b wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und wies im Übrigen die Revision der BIEGE in Bezug auf die Zurückweisung deren Feststellungsantrags zu lit. c bis lit. e zurück.

10       Mit Schriftsatz vom 27. August 2018 stellte die BIEGE wiederum einen Fortsetzungsantrag entsprechend der obigen Antragspunkte lit. b bis lit. e. Mit weiterem Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 nahm die BIEGE Stellung zu einer Eingabe der Auftraggeberin, wonach die A GmbH am 4. November 2013 aus dem Firmenbuch gelöscht worden sei und die BIEGE daher nicht mehr existiere und beantragte für den Fall, dass die A GmbH tatsächlich rechtlich nicht mehr existent sei, die Berichtigung der Antragstellerin auf die revisionswerbende Partei als Gesamtrechtsnachfolgerin der BIEGE.

11       Mit Note vom 29. November 2018 brachte das Verwaltungsgericht der BIEGE zur Kenntnis, dass laut eingeholtem Auszug aus dem Handelsregister B des Amtsgerichtes Köln vom 8. November 2018 die A GmbH aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen per 27. April 2015 aufgelöst worden sei. Im Schriftsatz vom 13. Dezember 2018 führte die revisionswerbende Partei dazu aus, sofern die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich korrekt seien, werde die Bezeichnung der Antragstellerin in B GmbH (revisionswerbende Partei) als Gesamtrechtsnachfolgerin der BIEGE bestehend aus der B GmbH und der A GmbH berichtigt und der Fortsetzungsantrag aufrechterhalten.

12       Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht den Antrag der revisionswerbenden Partei vom 8. Oktober 2018 auf Berichtigung der Parteienbezeichnung auf „B GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der Bietergemeinschaft B GmbH/A GmbH“ sowie den Antrag vom 27. August 2018 auf Entscheidung über die lit. c bis lit. e des Fortsetzungsantrages vom 21. April 2011 jeweils zurück (Spruchpunkt 1.), stellte das verwaltungsgerichtliche Verfahren im Umfang der lit. b des Fortsetzungsantrages vom 21. April 2011 (wiederholt mit Antrag vom 27. August 2018) ein (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

13       Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Berichtigungsantrag sei unter einer unzulässigen Bedingung eingebracht worden, weshalb die Bedingung als nicht beigefügt anzusehen sei. Für die Genehmigung der Berichtigung einer Parteienbezeichnung im Wege eines Nachprüfungsverfahrens durch das Verwaltungsgericht und eine spruchgemäße Anerkennung einer Gesamtrechtsnachfolge fehle etwa im Vergaberecht, dem VwGVG und dem gemäß § 4 Abs. 7 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz anwendbaren AVG eine Rechtsgrundlage.

Über den Fortsetzungsantrag vom 21. April 2011 im Umfang der lit. c bis lit. e sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 24. Juli 2017 iVm dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. August 2018, Ra 2017/04/0112, rechtskräftig entschieden worden, weshalb die Wiederholung dieser Anträge wegen entschiedener Sache unzulässig sei. Im Übrigen seien diese Anträge der revisionswerbenden Partei und nicht der nicht mehr existierenden BIEGE zuzurechnen.

Die BIEGE, Bieterin und Feststellungswerberin im gegenständlichen Verfahren, sei aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH (nach Umfirmierung in X & Y H GmbH und Sitzverlegung nach Z) per 27. April 2015 aufgelöst worden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BIEGE als Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbst unabhängig vom Einzelvermögen der beiden Gesellschafter über Vermögen verfügt hätte bzw. ein Vermögensübergang oder eine Rechtsnachfolge von der BIEGE auf die revisionswerbende Partei stattgefunden hätte.

Nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handle es sich bei einer Bietergemeinschaft iSd § 2 Z 14 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR), der grundsätzlich zwar nicht die Eigenschaft einer juristischen Person, jedoch soweit Parteifähigkeit zukomme, als § 20 BVergG 2006 einer Bietergemeinschaft eine selbständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechtsstellung einräume. Nach dieser Bestimmung könnten sich Gesellschaften bürgerlichen Rechts als einheitliche Bieter am Vergabeverfahren beteiligen. Demnach sei nur die Bietergemeinschaft als solche zur Antragstellung berechtigt, nicht hingegen einzelne ihrer Mitglieder.

Gemäß § 1208 ABGB in der seit 1. Jänner 2015 geltenden Fassung werde eine GesbR durch die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters, sofern sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergibt, aufgelöst. Verbleibe - wie hier - bei einer Zwei-Personen-Gesellschaft nur ein Gesellschafter, erlösche die GesbR gemäß § 1215 ABGB ohne Liquidation und gehe das der GesbR gewidmete Vermögen „im Weg der Gesamtrechtsnachfolge“ auf diesen über. Demnach existiere die BIEGE seit 27. April 2015 rechtlich nicht mehr.

Das AVG enthalte - anders als beispielsweise die BAO oder die ZPO - keine Bestimmungen über die Rechtsnachfolge in die Parteistellung. Ob im Zuge eines Verwaltungsverfahrens ein Wechsel in der Person einer Partei eintreten könne, sei daher nach den Verwaltungsvorschriften zu beurteilen (vgl. § 8 AVG). Das NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz regle in § 7 Abs. 4 zwar, dass der Antragsteller, der Auftraggeber und ein allfälliger Zuschlagsempfänger Parteien des Feststellungsverfahrens seien, aber nicht, ob es eine Rechtsnachfolge in diese Parteistellung gebe. Das BVergG 2006 regle den Fall des Erlöschens einer Bietergemeinschaft und eine allfällige Rechtsnachfolge ebenso nicht, sondern räume Bietergemeinschaften Parteifähigkeit nur „zur Geltendmachung der ihnen durch dieses Bundesgesetz eingeräumten Rechte“ ein. Das Recht einen Nachprüfungsantrag zu stellen, komme nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur einem Unternehmer zu, der sich am Vergabeverfahren beteiligt habe oder dessen Interessen am Vertragsabschluss aus anderen Gründen zu bejahen seien. Eine Übertragung dieses Rechts komme nur bei Universalsukzession in Betracht. Dass die revisionswerbende Partei die A GmbH zur Gänze übernommen habe oder dass ein Aktivvermögen der BIEGE bestanden habe bzw. ein solches, falls vorhanden, auf die revisionswerbende Partei übergegangen sei, sei weder behauptet worden, noch könne dies festgestellt werden. Aus § 1215 zweiter Satz ABGB ergebe sich keine verwaltungsrechtlich relevante Rechtsnachfolge der revisionswerbenden Partei in die Parteistellung der BIEGE, zumal damit keine öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse übertragen werden. Dass bei Erlöschen einer Bietergemeinschaft eine Nachfolge des verbleibenden Gesellschafters auch in öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse, vorliegend in die durch das BVergG eingeräumten Rechte stattfinden solle, widerspräche dem (rein vergaberechtsspezifischen) Zweck der GesbR der gemeinsamen Angebotslegung (die bei Zuschlagserteilung in die gemeinsame Vertragserfüllung münde). Die Bietergemeinschaft habe lediglich einen Rechtsanspruch auf eine Entscheidung durch das Verwaltungsgericht über den Feststellungsantrag erlangt. Dieses Recht auf Entscheidung stelle aber keinen selbständigen Vermögenswert dar. Wenn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich die Bietergemeinschaft in ihrer Gesamtheit für die Geltendmachung ihrer Rechte zuständig sei und einzelnen Gesellschaftern keine Parteifähigkeit zukomme (und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein Nichtigerklärungs- oder Feststellungsverfahren handle), könne bei Erlöschen einer Bietergemeinschaft durch Untergang eines Gesellschafters deren verbleibendem Rest keine Parteistellung durch Rechtsnachfolge im Nachprüfungsverfahren zukommen, weil es sich dabei um eine unzulässige Änderung deren Zusammensetzung handle. Weil keine Parteienidentität vorliege, sei die Parteienbezeichnung nicht berichtigungsfähig.

Darüber hinaus sei durch den Untergang der A GmbH die ursprüngliche Bietergemeinschaft untergegangen. Damit wäre eine Teilnahme an einem Vergabeverfahren und an einem Nachprüfungsverfahren (vor Zuschlagserteilung z.B.: Antrag auf Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung) jedenfalls nicht möglich, weil dies zwingend die Möglichkeit einer Zuschlagserteilung voraussetze. Im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren nach Zuschlagserteilung (Feststellungsverfahren) hätte die gegenteilige Rechtsansicht der revisionswerbenden Partei zur Folge, dass bei Untergang der Bietergemeinschaft (aus welchem Grund auch immer) der verbleibende Gesellschafter der ursprünglichen GesbR bessergestellt wäre als in einem Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagsentscheidung (Verfahren auf Nichtigerklärung). Für eine derartige Ungleichbehandlung liege nicht die geringste Rechtfertigung vor.

Auf Grund des Untergangs der antragstellenden Bietergemeinschaft als Hauptpartei und des Nichtvorliegens einer Rechtsnachfolge sei das anhängige Verfahren einzustellen.

14       Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

15       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit Ausnahme der Zurückweisung des Antrags vom 27. August 2018 auf Entscheidung über die lit. c bis lit. e des Fortsetzungsantrags vom 21. April 2011. Die zweitmitbeteiligte Partei beantragte in ihrer nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung in eventu Abweisung gegen Aufwandersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

16       Die revisionswerbende Partei begründet die Zulässigkeit der Revision zusammengefasst mit fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Folgen einer Beendigung einer Bietergemeinschaft in Folge Insolvenz eines Mitglieds auf das vergaberechtliche Feststellungsverfahren.

Ebenso fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtsfrage, ob Schadenersatzansprüche iSd §§ 369 und 373 BVergG 2018 ein Vermögen einer Bietergemeinschaft darstellen, das vorliegend im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die revisionswerbende Partei übergehe. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei die Antragslegitimation zur Führung eines Feststellungsverfahrens zum Schadenersatzanspruch akzessorisch.

Der angefochtene Beschluss weiche überdies von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach zusammengefasst ein Übergang persönlicher öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen - etwa im Falle gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge - auch ohne sondergesetzliche Regelung möglich sei. Nach näher genannter Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stelle die Kompetenz der Feststellung, ob der Zuschlag dem Bestbieter erteilt worden sei oder nicht, nach den Vergabegesetzen systematisch gesehen nur ein Element einer schadenersatzrechtlichen Sanktion für Fehlverhalten öffentlicher Auftraggeber bei der Zuschlagserteilung dar. Wegen dieser systematischen Einordnung des Feststellungsverfahrens in den privatrechtlichen Rechtsraum (Schadenersatzrecht), und zwar auf Grund der Entscheidung des Gesetzgebers einerseits vor Verwaltungsgerichten (Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung), andererseits vor den Zivilgerichten (Schadenersatzforderung nach Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung), spreche systematisch nichts gegen die Berichtigung der Parteibezeichnung bei Gesamtrechtsnachfolge.

Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtsfrage, ob im Feststellungsverfahren (nach Zuschlagserteilung) wie auch im Nachprüfungsverfahren (vor Zuschlagserteilung) der Antrag von allen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft gemeinsam einzubringen sei, obwohl die Zielrichtung des Feststellungsantrags nicht mehr die Erlangung des Auftrags, sondern die Vorbereitung einer Grundlage für die zivilrechtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sei.

17       Die Revision ist im Hinblick auf ihr zusammengefasst wiedergegebenes Zulässigkeitsvorbringen zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtslage

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 41 VwGG die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung zu prüfen (vgl. etwa VwGH 2.7.2020, Ra 2020/20/0212, Rn. 15, mwN).

19       § 16 Abs. 9 und 10 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz (NÖ VNG) in der gemäß § 21 NÖ VNG maßgeblichen Fassung LGBl. 7200-2 lauten auszugsweise:

§ 16

Feststellung von Rechtsverstößen, Nichtigerklärung des Vertrages und Verhängung von Sanktionen

...

(9) Wird ein Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufgehoben und wurde vor der Entscheidung des Verfassungs- oder des Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen, so hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag des Unternehmers, der den Nachprüfungsantrag gestellt hat, unter Zugrundelegung der festgestellten Rechtsanschauung festzustellen, ob die angefochtene Entscheidung des Auftraggebers rechtswidrig war. ...

(10) Wird während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen, ist das Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat auf Antrag des Unternehmers, der den Nachprüfungsantrag gestellt hat, als Feststellungsverfahren weiterzuführen. Bis zur Stellung eines entsprechenden Antrages ruht das Verfahren. ...“

20       § 337 Abs. 1 und 3 sowie § 341 Abs. 1 und 2 Z 1 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006), in der gemäß § 376 Abs. 4 BVergG 2018 vorliegend maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 10/2012, lauten auszugsweise:

Schadenersatzansprüche

§ 337. (1) Bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen dieses Bundesgesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle hat ein übergangener Bewerber oder Bieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren.

...

(3) Alternativ zu dem in Abs. 1 genannten Anspruch hat der übergangene Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen dieses Bundesgesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses.

...

Zuständigkeit und Verfahren

§ 341. (1) Zur Entscheidung über Ansprüche gemäß den §§ 337 bis 339 ist ohne Rücksicht auf den Streitwert in erster Instanz der mit der Ausübung der allgemeinen Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Gerichtshof ausschließlich zuständig, in dessen Sprengel der Auftraggeber seinen Sitz hat. ...

(2) Eine Schadenersatzklage ist nur zulässig, wenn zuvor eine Feststellung der jeweils zuständigen Vergabekontrollbehörde erfolgt ist, dass

1.   der Zuschlag wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, ...“

21       § 1210 ABGB idF BGBl. Nr. 136/1983, § 1215 Abs. 1 sowie § 1503 Abs. 5 ABGB idF BGBl. I Nr. 83/2014 lauten:

§ 1210. Wenn ein Mitglied die wesentlichen Bedingungen des Vertrages nicht erfüllet; wenn es in Concurs verfällt; wenn es durch eine oder mehrere gerichtlich strafbare Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, das Vertrauen verliert; so kann es vor Verlauf der Zeit von der Gesellschaft ausgeschlossen werden.

...

Übergang des Gesellschaftsvermögens

§ 1215. (1) Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über. Bücherliche Rechte sind nach den dafür geltenden Vorschriften zu übertragen.

...

Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen ab 1. Februar 2013

§ 1503. ....

(5) Für das Inkrafttreten des GesbR-Reformgesetzes, BGB. I Nr. 83/2014, gilt Folgendes:

1.   § 826 und die §§ 1175 bis 1216e in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes treten mit 1. Jänner 2015 in Kraft. Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, sind auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, die bisher geltenden Bestimmungen des 27. Hauptstücks des zweiten Teils weiter anzuwenden.

2.   Unbeschadet des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen (§ 1181 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes) gelten die §§ 1182 bis 1196, die §§ 1203 bis 1205, die §§ 1208 bis 1211, § 1213 und § 1214 Abs. 1 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes ab 1. Juli 2016 für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die vor dem 1. Jänner 2015 gebildet wurden, wenn bis zum Ablauf des 30. Juni 2016 keiner der Gesellschafter gegenüber den übrigen Gesellschaftern erklärt, die Anwendung des zuvor geltenden Rechts beibehalten zu wollen.

3.   Ab 1. Jänner 2022 gelten die §§ 1182 bis 1196, die §§ 1203 bis 1205, die §§ 1208 bis 1211, § 1213 und § 1214 Abs. 1 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes unbeschadet des Vorrangs gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen (§ 1181 in der Fassung des GesbR-Reformgesetzes) jedenfalls auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die vor dem 1. Jänner 2015 gebildet wurden.“

Antragslegitimation der BIEGE nach § 16 Abs. 9 NÖ VNG

22       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei einer Bietergemeinschaft im Sinn von § 2 Z 14 BVergG 2006 um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der grundsätzlich die Eigenschaft einer juristischen Person nicht zukommt. Ihr kommt jedoch soweit Parteifähigkeit zu, als das zu Grunde liegende Materiengesetz einer solchen Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechte oder Verfahrensrechte einräumt. Die - auch für die Vergabekontrolle im Landesbereich wie vorliegend maßgebliche - Bestimmung des § 20 Abs. 2 BVergG 2006 räumt einer Bietergemeinschaft eine derartige selbständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechtsstellung ein. Nach dieser Bestimmung können Bietergemeinschaften Angebote einreichen und sind nicht verpflichtet, dazu eine bestimmte Rechtsform anzunehmen (anderes gilt nach Erteilung des Zuschlages an die Arbeits- oder Bietergemeinschaft). Damit ist klargestellt, dass sich auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts als einheitlicher Bieter am Vergabeverfahren beteiligen können. Demnach ist, wenn eine Arbeits- oder Bietergemeinschaft ein Angebot gelegt hat und sich in weiterer Folge die Notwendigkeit ergibt, einen Nachprüfungsantrag zu stellen, nur die Arbeits- oder Bietergemeinschaft als solche zur Antragstellung berechtigt, nicht hingegen einzelne ihrer Mitglieder. Nach § 20 Abs. 2 fünfter Satz BVerG 2006 sind Arbeitsgemeinschaften und Bietergemeinschaften auch als solche parteifähig zur Geltendmachung der ihnen durch das BVergG 2006 eingeräumten Rechte (vgl. VwGH 8.8.2018, Ro 2015/04/0028, Rn. 25, mwN).

23       Vorliegend beantragte die BIEGE nach Aufhebung des über ihren Nachprüfungsantrag ergangenen Bescheides des UVS vom 29. April 2008 mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2011, 2008/04/0083, mit Schriftsatz vom 21. April 2011 gemäß § 16 Abs. 9 NÖ VNG unter anderem die noch maßgebliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung. Die in § 16 Abs. 9 NÖ VNG vorgesehene Möglichkeit eines Feststellungsantrags kommt nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung nur jenem Unternehmer zu, der den Nachprüfungsantrag gestellt hat (vgl. zur sinngemäßen Bestimmung des § 331 Abs. 4 BVergG 2006 VwGH 22.6.2011, 2011/04/0007; 8.11.2012, 2012/04/0097).

24       Da die BIEGE, die sich als Bieterin am Vergabeverfahren beteiligt hatte, den auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung gerichteten Nachprüfungsantrag einbrachte, kam nur dieser gemäß § 16 Abs. 9 NÖ VNG die Möglichkeit zu, die Fortsetzung des Verfahrens als Feststellungsverfahren zu beantragen.

25       Wie im Fall eines erst nach Zuschlagserteilung möglichen Antrags auf Feststellung einer Vergaberechtswidrigkeit gemäß § 6 Abs. 1 NÖ VNG kommt es auch bei einem auf Feststellung einer Vergaberechtswidrigkeit gerichteten Fortsetzungsantrag eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens nach § 16 Abs. 9 NÖ VNG nicht auf ein Interesse des Antragstellers am - auf Grund der bereits erfolgten Zuschlagserteilung gar nicht mehr möglichen - künftigen Vertragsabschluss, sondern darauf an, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung (an einen anderen Bieter) ein Interesse am Vertragsabschluss hatte und ihm durch die Nichterteilung des Zuschlags ein Schaden entstanden ist. Sind diese Voraussetzungen bei Zuschlagserteilung gegeben, so geht die Antragslegitimation nicht allein dadurch verloren, dass der Antragsteller nachträglich seine Befugnis, Leistungsfähigkeit oder Zuverlässlichkeit verliert (vgl. VwGH 26.9.2005, 2005/04/0021). Vielmehr greifen Feststellungsverfahren anders als Nachprüfungsverfahren nicht in laufende Vergabeverfahren ein, sondern setzen deren Beendigung durch Zuschlagserteilung oder Widerruf voraus (vgl. VwGH 1.2.2017, Ro 2014/04/0056, 0057, Rn. 25, mwN). Im Gegensatz zur Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ist eine erst nach Zuschlagserteilung eingetretene Unmöglichkeit der Beschaffung der ausgeschriebenen Leistungen nicht zwingend mit dem Verlust der Antragslegitimation verbunden.

Rechtsfolgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH auf das Bestehen der BIEGE

26       Das Verwaltungsgericht vertritt die Rechtsansicht, die BIEGE sei infolge der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH gemäß § 1208 ABGB aufgelöst und als Zwei-Personen-Gesellschaft gemäß § 1215 ABGB ohne Liquidation erloschen. Das der GesbR gewidmete Vermögen gehe an sich „im Weg der Gesamtrechtsnachfolge“ auf die verbliebene Gesellschafterin über. Die BIEGE existiere somit seit 27. April 2015 nicht mehr. Dass die BIEGE über ein Aktivvermögen verfügt habe und dieses auf die revisionswerbende Partei übergegangen sei, sei weder behauptet noch festgestellt worden. Aus § 1215 zweiter Satz ABGB idF des GesbR-Reformgesetzes - GesbR-RG ergebe sich keine verwaltungsrechtlich relevante Rechtsnachfolge der revisionswerbenden Partei in die Parteistellung der BIEGE, zumal keine öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse übertragen würden. Bei Erlöschen einer Bietergemeinschaft durch Untergang eines Gesellschafters komme deren verbleibendem Rest wegen unzulässiger Änderung deren Zusammensetzung keine Parteistellung durch Rechtsnachfolge im Nachprüfungsverfahren zu.

27       Die A GmbH ist laut Eintragung vom 27. April 2015 im Handelsregister des Amtsgerichtes Köln durch Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst (siehe vom Verwaltungsgericht betreffend die A GmbH eingeholter Handelsregisterauszug des Amtsgerichtes Köln vom 8. November 2018). Die rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH, als eine der beiden Gesellschafter der vor dem 1. Jänner 2015 als Bietergemeinschaft gebildeten GesbR, erfolgte somit jedenfalls vor dem 1. Juli 2016, weshalb entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes gemäß § 1503 Abs. 5 Z 2 ABGB auf diesen Sachverhalt hinsichtlich der Konsequenzen der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH die §§ 1208 und 1210 ABGB in der vor dem GesbR-RG geltenden Fassung anzuwenden sind. Demnach stellt die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH keinen Auflösungstatbestand (iSd § 1208 Z 3 nF), sondern gemäß § 1210 ABGB aF einen Ausschlusstatbestand dar.

28       Nach der Rechtslage vor dem GesbR-RG führt der Konkurs einzelner Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch nicht automatisch zur Beendigung der Mitgliedschaft zu dieser Gesellschaft, sondern lediglich zur Möglichkeit, das vom Konkurs betroffene Mitglied auszuschließen. Die Konkurseröffnung über ein Mitglied der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist demnach ein Ausschließungsgrund für das Mitglied, aber kein Auflösungsgrund für die Gesellschaft. Ob ein Mitglied der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausgeschlossen wird, hängt vom Willen der übrigen Mitglieder ab (vgl. VwGH 18.3.2009, 2007/04/0234, mwN).

29       Wesentlich ist daher, ob die revisionswerbende Partei aus Anlass der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH wirksam deren Ausschluss aus der BIEGE erklärt hat. Das Verwaltungsgericht hat dazu infolge Anwendung der unrichtigen Rechtslage keine Feststellungen getroffen.

30       Sollte die revisionswerbende Partei den Ausschluss der A GmbH infolge Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen nicht wirksam erklärt haben, bestünde die BIEGE weiterhin fort.

31       Im Fall einer wirksamen Ausschlusserklärung wäre die BIEGE hingegen als Zwei-Personen-Gesellschaft gemäß § 1215 erster Satz ABGB mit einer rechtswirksamen Ausschlusserklärung der revisionswerbenden Partei ohne Liquidation erloschen, weil die Regelungen der §§ 1215 ff ABGB über den Übergang des Gesellschaftsvermögens und die Liquidation nicht von § 1503 Abs. 5 Z 2 ABGB erfasst sind und somit bereits mit 1. Jänner 2015 in Kraft traten (vgl. zur alten zum selben Ergebnis führenden Rechtslage OGH 26.1.1989, 8 Ob 620/88; RIS-Justiz RS0022178, RS0022209). Das Aktivvermögen der Gesellschaft wäre demnach gemäß § 1215 Abs. 1 zweiter Satz ABGB im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die revisionswerbende Partei als verbleibende Gesellschafterin übergegangen. Der Begriff des Aktivvermögens ist weit zu verstehen und umfasst auch Forderungen der Gesellschaft, wie etwa Schadenersatzansprüche, sofern sie werthaltig und nicht uneinbringlich sind (vgl. OGH 28.2.2018, 6 Ob 28/18p; RIS-Justiz RS0060134, RS0021209 [T15]).

Schadenersatzansprüche nach § 337 BVergG 2006 als Gesellschaftsvermögen und Übergang auf die revisionswerbende Partei im Falle einer rechtswirksamen Ausschlusserklärung

32       Gemäß § 337 Abs. 1 BVergG 2006 hat ein übergangener Bewerber oder Bieter gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen dieses Bundesgesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle Anspruch auf Ersatz der Kosten der Angebotsstellung und der Kosten der Teilnahme am Vergabeverfahren. Alternativ zu dem in Abs. 1 genannten Anspruch hat der übergangene Bieter, auf dessen Angebot der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, bei hinreichend qualifiziertem Verstoß gegen dieses Bundesgesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen durch Organe des Auftraggebers oder einer vergebenden Stelle gegen den Auftraggeber, dem das Verhalten der Organe zuzurechnen ist, Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses (Abs. 3).

33       Gemäß § 341 Abs. 2 Z 1 BVergG 2006 setzt die Einklagung dieser Schadenersatzansprüche die von der BIEGE nach Zuschlagserteilung mit Schriftsatz vom 21. April 2011 gemäß § 16 Abs. 9 NÖ VNG begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung voraus.

34       Anhaltspunkte dafür, dass diese Schadenersatzansprüche nicht werthaltig oder uneinbringlich sind, liegen nicht vor und wurden weder von der Auftraggeberin noch vom Verwaltungsgericht begründend dargelegt. So wurde etwa rechtskräftig festgestellt, dass die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin vom 8. Februar 2008 rechtswidrig war.

35       Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts war die BIEGE zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH im Hinblick auf die dem hier noch gegenständlichen Feststellungsbegehren zugrundeliegenden Schadenersatzansprüche der BIEGE nicht vermögenslos. Für den Fall einer rechtswirksamen Ausschlusserklärung der revisionswerbenden Partei wäre das Vermögen der BIEGE somit auf die revisionswerbende Partei als einzig verbliebene Gesellschafterin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1215 Abs. 1 zweiter Satz ABGB übergegangen.

Übergang der Antragslegitimation bei Gesamtrechtsnachfolge

36       Bei der Gesamtrechtsnachfolge tritt der Gesamtrechtsnachfolger, wenn es sich bei dem relevanten Recht um ein solches handelt, das übertragen werden kann (also kein höchstpersönliches ist), auch verfahrensrechtlich in die Position ein, in der sich auch der Rechtsvorgänger befunden hat (vgl. VwGH 14.10.2013, 2012/12/0148, mwN). Eine gesellschaftsrechtliche Universalsukzession erfasst auch verwaltungsrechtlich verliehene Berechtigungen und führt zur Rechtsnachfolge in die Parteistellung der Vorgängergesellschaft, ohne dass es auf eine mit Grund und Boden verknüpfte Dinglichkeit des in der betroffenen Verwaltungsangelegenheit zu erlassenden oder erlassenen Entscheidungen ankäme (vgl. VwGH 26.5.1998, 97/07/0168; 25.7.2002, 98/07/0073; 22.3.2012, 2011/07/0221) oder es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfte und es sich nicht um Verwaltungssachen handelt, die - zumindest überwiegend - in persönlichen Eigenschaften des Berechtigten begründet sind (vgl. VwGH 28.4.2005, 2004/07/0196). Sollte die BIEGE infolge einer rechtswirksamen Ausschlusserklärung der revisionswerbenden Partei aus Anlass der rechtskräftigen Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH gemäß § 1210 ABGB aF nicht mehr bestehen und die revisionswerbende Partei als verbliebene Gesellschafterin das Vermögen der BIEGE im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen haben, kommt es - wie im Hinblick auf das Recht, einen Nachprüfungsantrag zu stellen (vgl. VwGH 26.9.2005, 2005/04/0021, mwN) - zur Übertragung des Rechts auf Einbringung eines Fortsetzungsantrags iSd § 16 Abs. 9 NÖ VNG, somit der Antragslegitimation, auf die revisionswerbende Partei.

Ergebnis

37       Indem das Verwaltungsgericht infolge Anwendung der unrichtigen Rechtslage von der Auflösung der BIEGE durch rechtskräftige Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der A GmbH gemäß § 1208 Z 3 ABGB idF des GesbR-RG statt von der Möglichkeit des Ausschlusses der A GmbH durch die revisionswerbende Partei gemäß § 1210 ABGB aF ausging, traf das Verwaltungsgericht keine hinreichenden Feststellungen darüber, ob die revisionswerbende Partei eine rechtswirksame Ausschlusserklärung abgegeben hat. Auf Basis dieser unzureichenden Sachverhaltsfeststellungen kann nicht abschließend geklärt werden, ob mangels rechtswirksamer Ausschlusserklärung die BIEGE noch aufrecht ist oder infolge rechtswirksamer Ausschlusserklärung nicht mehr besteht und das gesamte Vermögen der BIEGE, insbesondere die entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ein Aktivvermögen darstellenden Schadenersatzansprüche gegen die Auftraggeberin wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1215 zweiter Satz ABGB idF GesbR-RG samt Antragslegitimation von der BIEGE auf die revisionswerbende Partei überging.

38       Das Verwaltungsgericht hat insofern den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

39       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

40       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. September 2021

Schlagworte

Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019040079.L00

Im RIS seit

13.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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