TE Vwgh Beschluss 2021/9/14 Ra 2021/06/0117

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2021
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/06/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache 1. des P P und 2. der K K, beide vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 10. Mai 2021, LVwG-318-101/2020-R19, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Bludenz; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: F GmbH in B), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt B. vom 28. Oktober 2020, mit dem der Mitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Veranstaltungs- und Seminarraumes in einem bestehenden Gebäude in B. nach dem Vorarlberger Baugesetz (BauG) erteilt worden war, keine Folge und bestätigte den Bescheid mit der Maßgabe einer ergänzenden Auflage betreffend die aktive Pegelbegrenzeranlage der Musikanlage im Veranstaltungssaal. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, der lärmtechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom 27. März 2021 und in der Verhandlung am 1. April 2021 ausgeführt, das verfahrensgegenständliche Grundstück mit der Widmung „Baufläche-Betriebsgebiet der Kategorie I“ sei aufgrund des Verkehrslärms der K-Straße und den Einwirkungen der benachbarten Betriebsgebiete vorbelastet. Die festgelegten Planungsrichtwerte von 55 dB am Tag, 50 dB am Abend und 45 dB in der Nacht würden bei Verwirklichung des gegenständlichen Bauvorhabens nicht überschritten und die bestehende schalltechnische Situation werde durch den Veranstaltungs- und Seminarraum nicht verändert; es komme zu keiner Erhöhung der bestehenden schalltechnischen Situation. Dem seien die revisionswerbenden Parteien nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Einholung eines medizinischen Gutachtens sei mangels einer Erhöhung der bestehenden schalltechnischen Situation nicht notwendig gewesen.

Zur behaupteten Unzuständigkeit des Bürgermeisters der Stadt B. verwies das LVwG auf die Verordnung der Landesregierung zur Übertragung von Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaften Bludenz, Bregenz und Feldkirch (kurz: Übertragungsverordnung), LGBl. Nr. 11/2004 idF LGBl. Nr. 44/2018, aus der sich keine Übertragung der Zuständigkeit für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben auf die Bezirkshauptmannschaft ergebe. Selbst wenn für den Veranstaltungs- und Seminarraum eine Betriebsanlagengenehmigung nach der Gewerbeordnung erforderlich sein sollte, ergäbe sich daraus nicht, dass bis zum Vorliegen einer solchen keine Baubewilligung erteilt werden dürfte.

5        In der Zulässigkeitsbegründung rügen die revisionswerbenden Parteien zunächst ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 14.9.2005, 2001/04/0051), weil kein medizinisches Gutachten eingeholt worden sei. Darüber hinaus habe der lärmtechnische Amtssachverständige keine Messungen durchgeführt, sondern sich auf Berechnungen verlassen (Hinweis auf VwGH 18.5.2016, Ra 2015/04/0053).

Nach ständiger hg. Rechtsprechung zu § 52 Abs. 1 AVG ist die Aufnahme eines Sachverständigenbeweises erforderlich, wenn zum Zwecke der Ermittlung des beweisbedürftigen und maßgeblichen Sachverhaltes Fragen zu klären sind, deren Beantwortung nur aufgrund besonderer Fachkenntnisse und Erfahrungen möglich ist (vgl. dazu die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 52, Rz. 9, zitierte Rechtsprechung). Das LVwG verneinte die Notwendigkeit der Einholung eines medizinischen Gutachtens damit, dass es zu keiner Erhöhung der bestehenden schalltechnischen Situation komme. Dem treten die revisionswerbenden Parteien nicht entgegen und zeigen auch die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht auf (vgl. zur Erfordernis, die Relevanz eines Verfahrensmangels bereits in der Zulässigkeitsbegründung aufzuzeigen, etwa VwGH 23.12.2020, Ra 2020/06/0305, Rn. 8, mwN).

Der Hinweis auf VwGH 2001/04/0051 ist schon deshalb nicht zielführend, weil sich der diesem Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt vom dem vorliegend zu beurteilenden wesentlich unterscheidet, wurde doch in dem zitierten Verfahren ein medizinisches Gutachten eingeholt, dieses jedoch als mangelhaft beurteilt.

Darüber hinaus trifft der Vorwurf, der lärmtechnische Amtssachverständige habe keine Messungen durchgeführt, sondern sich lediglich auf Berechnungen verlassen, nicht zu. Einerseits lagen dem von der Mitbeteiligten im Rahmen der Antragstellung vorgelegten „Technischen Bericht Lärmschutz Nachbarschaft“ des Büros Dr. W. vom 10. Oktober 2019, der vom lärmtechnischen Amtssachverständigen als fachlich richtig, nachvollziehbar und dem Stand der Technik entsprechend beurteilt wurde, Messungen vom 14. bis 15. Mai 2019 und vom 16. bis 17. Mai 2019 zugrunde, andererseits führte der lärmtechnische Amtssachverständige vom 25. bis 26. März 2021 und vom 29. bis 30. März 2021 eigene Messungen durch, wodurch die Messungen des Büros Dr. W. verifiziert worden seien. Dass die erst Ende März 2021 durchgeführten Messungen nicht repräsentativ wären, legt die Revision nicht dar.

6        Zu dem behaupteten Verfahrensmangel in Zusammenhang mit der Schalldämmung des Veranstaltungssaales wird auf die vom LVwG ergänzend vorgeschriebene Auflage hingewiesen. Demnach ist die aktive Pegelbegrenzeranlage der Musikanlage im Veranstaltungssaal auf den auf die Umfassungsbauteile abgestimmten Wert einzustellen, zu plombieren und dies der Behörde auf Verlagen mittels Attest eines Schalltechnikers nachzuweisen. Dazu führte der lärmtechnische Amtssachverständige in der Verhandlung aus, sollte sich herausstellen, dass die Außenbauteile bei Inbetriebnahme zu wenig wären, müsste der Innenpegel und somit die Immission der Musikanlage reduziert werden. Darauf geht die Revision mit keinem Wort ein und legt die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels auch nicht dar.

7        Schließlich wird - wie bereits in der Beschwerde - neuerlich die Unzuständigkeit des Bürgermeisters der Stadt B. als Baubehörde gerügt, ohne jedoch auf die Begründung des LVwG zur Übertragungsverordnung einzugehen und ohne darzulegen, aufgrund welcher Rechtsgrundlage eine Bewilligung nach dem BauG erst nach Vorliegen einer allenfalls erforderlichen gewerberechtlichen Genehmigung erteilt werden dürfte. Das LVwG führte zutreffend aus, dass die Verordnung der Landesregierung zur Übertragung von Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die Bezirkshauptmannschaften Bludenz, Bregenz und Feldkirch, LGBl. Nr. 11/2004 idF LGBl. Nr. 44/2018, keine Übertragung des gegenständlichen Bauverfahrens vom Bürgermeister der Stadt B. auf eine Bezirkshauptmannschaft vorsieht, und das BauG auch keine Bestimmung enthält, die der Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung im gegenständlichen Fall entgegensteht, zumal § 1 Abs. 1 lit. j Vlbg BauG nur für „Anlagen für die Durchführung einzelner Veranstaltungen“ gilt.

8        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

9        In Hinblick darauf erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Revision verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 14. September 2021

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060117.L00

Im RIS seit

08.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten