TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/21 94/11/0401

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.1997
beobachten
merken

Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs1 lita;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. August 1994, Zl. MA 67-8/416/94, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und C gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 für die Dauer von 12 Monaten (ab Abnahme des Führerscheins am 3. Juli 1994) vorübergehend entzogen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegen bestimmte Tatsachen nach § 66 Abs. 2 lit. c und e KFG 1967 zugrunde. Zum einen beging der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960, indem er am 3. Juli 1994 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkte (Alkoholgehalt der Atemluft 0,75 mg/l; das diesbezügliche Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Ottakring, vom 21. Juli 1994 ist in Rechtskraft erwachsen). Die bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 erblickte die belangte Behöre darin, daß der Beschwerdeführer am 23. Juni 1991 das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB beging, indem er seine Ehefau durch Schläge mit der Hand vorsätzlich leicht verletzte (Schwellung und blauer Fleck an der linken Stirnseite, leichte Kratzer und Druckstellen am rechten Ellenbogen), und in weiterer Folge am 29. März 1993 das Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB beging, indem er zwei Sicherheitswachebeamte während der Vollziehung einer Amtshandlung vorsätzlich am Körper verletzte (einer der Beamten erlitt eine Schürfwunde am linken Schienbein, der andere vielfache Kratzwunden im Bereich der rechten Gesichtshälfte und der rechten Halsregion). Durch sein Verhalten vom 29. März 1993 verwirklichte der Beschwerdeführer außerdem das Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB. Der Beschwerdeführer wurde hiefür jeweils rechtskräftig bestraft (Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 8. Oktober 1991; Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12. Oktober 1993).

Der Beschwerdeführer stellt das geschilderte strafbare Verhalten mit Recht nicht in Abrede. Er meint, dieses Verhalten berechtige insgesamt nicht zum Schluß auf eine verkehrsgefährdende Sinnesart im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967. Jedenfalls verfehlt sei die Annahme der belangten Behörde betreffend die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit. Eine Körperverletzung, die unter Umständen begangen werde, die mit jenen im Straßenverkehr nicht vergleichbar seien, und die auch nicht auf ein erhöhtes "Rücksichtslosigkeitspotential" schließen lasse, sei nicht als eine die Verkehrsunzuverlässigkeit des Betreffenden indizierende Tatsache zu werten. Das von der belangten Behörde hervorgehobene Verhalten vom 29. März 1993 sei "eher auf einen unglücklichen Zufall zurückzuführen". Die belangte Behörde habe keine dem Gebot des § 66 Abs. 3 KFG 1967 entsprechende Wertung des strafbaren Verhaltens vorgenommen.

Als verkehrsunzuverlässig im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 ist unter anderem eine Person anzusehen, bei der auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muß, daß sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit gefährden wird. Für die Wertung strafbarer Handlungen sind nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 maßgebend ihre Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit.

Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie im Hinblick auf die hohe Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt ist, er sei verkehrsunzuverlässig und er werde seine Verkehrszuverlässigkeit nicht vor Ablauf der festgesetzten Zeit wiedererlangen. Diese hohe Verwerflichkeit manifestiert sich zunächst in der Tatsache des Vorliegens von zwei bestimmten Tatsachen nach § 66 Abs. 2 KFG 1967, die beide eine die Verkehrssicherheit im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 gefährdende Sinnesart des Beschwerdeführers erkennen lassen. Dies liegt in Ansehung des Alkoholdeliktes auf der Hand. Aber auch die Aggressionshandlungen des Beschwerdeführers lassen, auch wenn sie nicht im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen gesetzt wurden, den Schluß auf eine die Verkehrssicherheit durch aggressives Verhalten gefährdende Sinnesart des Beschwerdeführers zu, sei es unmittelbar durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, sei es mittelbar bei allfälligen Auseinandersetzungen auf Grund des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer. Insbesondere die wiederholte Begehung von Aggressionsdelikten läßt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sehr wohl auf ein erhöhtes "Rücksichtslosigkeitspotential" schließen. Im Hinblick darauf vermögen die Verfahrensrügen betreffend das Unterbleiben der Vernehmung der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Personen als Zeugen zum Beweis für das Fehlen eines Zusammenhanges seines Verhaltens mit dem Straßenverkehr keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Auch kann dahinstehen, inwiefern die Tat vom 29. März 1993 "auf einen unglücklichen Zufall zurückzuführen" sein soll. (Die Beschwerde enthält dazu kein konkretes Vorbringen. Nach dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften gerichtlichen Strafakt kam es zum Einschreiten der Sicherheitswacheorgane aufgrund des Hilfeersuchens der Ehefrau des Beschwerdeführers, die aus Angst vor seinem Verhalten mit den Kindern um ca. 1.30 Uhr nachts auf die Straße geflüchtet war. Laut der mit ihm aufgenommenen Niederschrift in der Bundespolizeidirektion Wien erklärte der Beschwerdeführer, "sehr viel Wein getrunken" zu haben, wegen der Weigerung seiner Ehefrau, ihn und weitere Gefährten zu bewirten, zornig geworden zu sein und ihr einen Faustschlag ins Gesicht versetzt zu haben.) Im übrigen kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht auf den Anlaß, sondern darauf an, wie sich der Beschwerdeführer in der Folge tatsächlich verhalten hat. Dieses Verhalten wird zusätzlich durch den Versuch der gewaltsamen Verhinderung einer Amtshandlung qualifiziert (vgl. zur Qualifizierung eines derartigen Verhaltens als bestimmte Tatsache iSd § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 das hg. Erkenntnis vom 18. September 1985, Zl. 84/11/0056). In Anbetracht der durch Zahl und Schwere der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers bedingten hohen Verwerflichkeit kommt dem Umstand, daß eine besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, nicht erkennbar sei, keine für den Beschwerdeführer ins Gewicht fallende Bedeutung zu. Die übrigen Kriterien des § 66 Abs. 3 KFG 1967 (seither verstrichene Zeit und Verhalten während dieser Zeit) können wegen der Kürze der Zeit zwischen der letzten bestimmten Tatsache und der Erlassung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides vom 19. Juli 1994 unberücksichtigt bleiben.

Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994110401.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten