TE Vwgh Erkenntnis 1956/3/28 1182/54

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Veröffentlicht am 28.03.1956
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken

Norm

BAO §23 Abs4
GebG 1957 §15 Abs1
GebG 1957 §33 TP5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Porias, Dr. Schirmer, Dr. Dorazil und Dr. Naderer als Richter im Beisein des Ministeralsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des AK und des OK in W, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. April 1954, Zl. VIII - 589/3 - 1954, betreffend Gebühr von einem Pachtvertrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer haben am 1. Juni 1948 mit der USIA-Verwaltung für Land- und Forstwirtschaft einen Pachtvertrag über mehrere Gutsbetriebe für die Zeit vom 20. Februar 1948 bis 30. September 1949 abgeschlossen. Sie haben weiter am 25. Juli 1949 abermals einen Pachtvertrag mit derselben USIA-Verwaltung (mit Nachtrag vom 1. Mai 1950) über im wesentlichen dieselben Gutskomplexe für die Zeit vom 1. Oktober 1949 bis 30. September 1955 abgeschlossen. Das Finanzamt schrieb ihnen mit zwei Gebührenbescheiden vom 18. November 1953 unter Berufung auf § 33 TP 5 des Gebührengesetzes (BGBl. Nr. 184/1946, GG) von den Pachtschillingen samt Nebenleistungen je eine 1 %ige Gebühr vor, und zwar für den Vertrag vom 1. Juni 1948 unter Bemessungsausweispost (BAP) 53/67.937 und für den Vertrag vom 25. Juli 1949 unter BAP 53/67.938.

Die Beschwerdeführer beriefen gegen beide Bescheide und führten aus, die Rechtsgeschäfte, die der Gebührenbemessung zugrundegelegt wurden, seien nicht zustandegekommen. Grundbücherlicher Eigentümer der verpachteten Liegenschaft sei Prinz PJ von S. Dieser habe mit den Beschwerdeführern einen bis zum 30. September 1958 laufenden Pachtvertrag abgeschlossen. Die Besatzungsmacht habe ohne jegliche Rechtsgrunde das Eigentum des Verpächters beschlagnahmt und erklärt, an den Pachtvertrag, obwohl die Pachtrechte der Beschwerdeführer im Grundbuch einverleibt waren, nicht gebunden zu sein. Da die Besatzungsmacht auch gedroht habe, das auf dem Pachtgut befindliche Inventar der Beschwerdeführer in Beschlag zu nehmen, seien diese gezwungen gewesen, zur Rettung ihrer Existenz die ihnen von der Besatzungsmacht vorgelegten sogenannten Pachtverträge zu unterschreiben. Die Beschwerdeführer seien also durch ungerechte und gegründete Furcht zur Unterschrift veranlaßt worden. Die Verpachtung durch die USIA, die nicht Eigentümerin der Liegenschaft sei, sei eine unmögliche Leistung und könne schon aus diesem Grund nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages sein. Außerdem seien die Beschwerdeführer auf Grund ihres Pachtvertrages mit dem Prinzen verpflichtet, diesem den Pachtzins zu leisten, und von dieser Verpflichtung seien sie durch die Verträge mit der USIA nicht befreit worden. Den Verträgen mangelten die Voraussetzungen der §§ 869, 870, 878 und 879 ABGB und das Fehlen einer dieser Voraussetzungen genüge, um das beurkundete Rechtsgeschäft als nichtig erscheinen zu lassen „und damit der Vergebührung die Grundlage zu entziehen“.

Mit Bescheid vom 13. April 1954 wies die Finanzlandesdirektion die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 18. November 1953, BAP 53/67.938, als unbegründet ab. In der Darstellung des Sachverhaltes führte sie aus, die Beschwerdeführer hätten am 1. Juni 1948 mit der USIA-Gutsverwaltung einen Pachtvertrag abgeschlossen. Von diesem beurkundeten Pachtvertrag habe das Finanzamt mit dem durch die Berufung bekämpften Bescheid die Gebühr vorgeschrieben. In den Entscheidungsgründen wurde ausgeführt, „die gegenständliche Schrift“ stelle ihrem Inhalte nach die Beurkundung eines Vertrages, in dem jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache gegen Entgelt gegen einen bestimmten Preis erhält, also einen Pachtvertrag im Sinne des § 1090 ABGB und des § 33 TP 5 GG dar. Aus der Urkunde selbst seien keine Umstände zu entnehmen, die das Entstehen der Gebührenschuld ausschließen würden. Der vorgebrachte weitere Sachverhalt liege außerhalb des Urkundeninhaltes und sei deshalb grundsätzlich unbeachtlich. Auch den Ausführungen, daß ein dem Inhalt der Urkunde entsprechendes Rechtsgeschäft überhaupt nicht abgeschlossen worden sei, könne nicht gefolgt werden. Wohl sei, wie erhoben wurde, Prinz PJ Eigentümer der betreffenden Liegenschaften, doch seien seine Eigentumsrechte infolge der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht unter dem Titel des deutschen Eigentums weitgehend beschränkt. Anordnungen einer Besatzungsmacht bildeten, auch wenn sie in den österreichischen Rechtsvorschriften keine Grundlage finden, zwingendes Recht, das seinen Grund in der Tatsache der Besetzung finde. Durch das Kontrollabkommen aus dem Jahre 1946 seien den österreichischen Behörden alle Verfügungen untersagt, die mit einer von den Besatzungsmacht getroffenen Entscheidung, wonach ein bestimmtes Wirtschaftsgut als deutsches Eigentum zu gelten habe, in Widerspruch stehen. Diese Behörden seien bei all ihren Entscheidungen an derartige Feststellungen einer Besatzungsmacht gebunden. Daher seien auch aus einer Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht sich ergebenden Eigentumsbeschränkungen als den gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen gleichwertig anzusehen. Der USIA-Gutsverwaltung könne daher nicht das Recht abgesprochen werden, über das als deutsches Eigentum beschlagnahmte Vermögen durch Verpachtung zu verfügen. Der Zwang wirtschaftlicher Notwendigkeiten zum Abschluß eines Vertrages stelle nicht das Fehlen wahrer Einwilligung im Sinne der §§ 869 - 877 ABGB dar. „Selbst diese Mängel würden keine grundsätzliche Nichtigkeit des Vertrages und Wegfall der Gebührenpflicht darstellen.“

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde, die die Beschwerdeführer bei ihm gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion erhoben haben, erwogen:

Die Beschwerdeführer haben mit der USIA-Gutsverwaltung nacheinander zwei Pachtverträge abgeschlossen und von jedem dieser beiden Verträge wurde gesondert eine Gebühr vorgeschrieben. Die Gebührenbescheide wurden allerdings am gleichen Tage ausgefertigt. Die Beschwerdeführer haben beide Bescheide in einem einheitlichen Schriftsatz angefochten. Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die Finanzlandesdirektion nur über die Berufung gegen den einen Bescheid (BAP 53/67.938) entschieden und dieser Bescheid betraf den späteren Vertrag vom 25. Juli 1949. Somit ist über die Berufung gegen den anderen Gebührenbescheid (BAP 53/67.937), der die Gebühr vom ersten Pachtvertrag (1. Juni 1948) betraf, noch nicht - wenigstens nicht mit dem angefochtenen Bescheid - entschieden worden. Daran ändert es nichts, daß in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die einer Rechtskraft nicht fähig ist, irrtümlicherweise der andere Gebührenbescheid als angefochten bezeichnet wurde. Da aber der maßgebende Sachverhalt und die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwände in beiden Berufungsfällen die gleichen sind, ist der aufgezeigte Mangel ohne Einfluß auf das Ergebnis des Verfahrens.

Gegenstand einer Rechtsgeschäftsgebühr sind gemäß § 15 GG Rechtsgeschäfte, nicht Urkunden. Fehlt es an einem gültigen Rechtsgeschäft, dann kann eine Beurkundung auch keine Gebührenpflicht auslösen. Soweit sind die Beschwerdeführer grundsätzlich im Recht. Sie übersehen jedoch, daß das Steuerrecht und auch das Recht der Rechtsgeschäftsgebühren wirtschaftliche Vorgänge zur Grundlage hat und aus diesem Gesichtspunkt ergeben sich für diese Rechtsgebiete Abweichungen von den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes, die in den Steuergesetzen selbst durch ausdrückliche Bestimmungen niedergelegt sind. Derartige Vorschriften sind vor allem in den §§ 5 und 6 des Steueranpassungsgesetzes enthalten.

Die Beschwerdeführer behaupten, sie seien durch ungerechte und gegründete Furcht von der USIA-Gutsverwaltung zum Vertragsabschluß genötigt worden, der Vertrag habe eine unmögliche Leistung zum Gegenstande und er verstoße gegen die guten Sitten. Gemäß § 878 ABGB kann aber nur das, was „geradezu unmöglich ist“, nicht zum Gegenstand eines gültigen Vertrags gemacht werden, z. B. die Leistung eines Gegenstandes, den es überhaupt nicht gibt. Daß aber die Verpachtung der im Pachtvertrag angeführten Liegenschaften unmöglich sei, kann nicht ernstlich behauptet werden. Daraus aber, daß die Gutsverwaltung der USIA etwa über den Pachtgegenstand nicht verfügungsberechtigt gewesen sei, kann nicht eine Ungültigkeit des schuldrechtlichen Verhältnissen zwischen der USIA und den Beschwerdeführern abgeleitet werden. Auf die Frage, ob der Vertrag gegen die guten Sitten verstößt, ist nicht weiter einzugehen, denn nach § 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes wird die Besteuerung nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Verhalten (ein Tun oder ein Unterlassen), das den steuerpflichtigen Tatbestand erfüllt oder einen Teil dieses Tatbestandes bildet, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Aber auch die behauptete ungerechtfertigte Nötigung der Beschwerdeführer zum Vertragsabschluß kann die Gebührenpflicht nicht zu Fall bringen. Eine ungerechtfertigte Bedrohung berechtigt den Bedrohten allerdings gemäß § 870 ABGB zur Anfechtung des Rechtsgeschäftes, das unter Zwang abgeschlossen wurde. Die Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäftes ist aber gemäß § 5 Abs. 4 des StAnpG für die Besteuerung soweit und solange ohne Bedeutung, als nicht die Anfechtung mit Erfolg durchgeführt wird. Daß aber die Beschwerdeführer den mit der USIA abgeschlossenen Pachtvertrag angefochten haben und daß ihre Anfechtung Erfolg gehabt habe, haben sie selbst nicht behauptet. Da eine solche Anfechtung nach Lage der tatsächlichen Verhältnisse auch nicht zu vermuten war, hatte die belangte Behörde keinen Anlaß, von sich aus Ermittlungen in dieser Richtung anzustellen oder die Beschwerdeführer zur Ergänzung ihres Vorbringens aufzufordern. Sie konnte es vielmehr ihnen überlassen, die Anfechtung zu behaupten und nachzuweisen. Der angefochtene Bescheid läßt somit, wenn auch seine Begründung sich zum Teil nicht als stichhältig erweist, eine Rechtswidrigkeit nicht erkennen und die dagegen gerichtete Beschwerde mußte als unbegründet abgewiesen werden.

Wien, am 28. März 1956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1956:1954001182.X00

Im RIS seit

06.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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