TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/22 96/12/0123

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Veröffentlicht am 22.01.1997
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;

Norm

DO Wr 1994 §54a Abs1;
DO Wr 1994 §72 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 27. Februar 1996, Zl. MA 2/19/95, betreffend Kündigung während der Probezeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1958 geborene Beschwerdeführer stand nach der Aktenlage seit 1. April 1991 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides als Verwaltungsoffizial in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien; seine Dienststelle war das Sozialmedizinische Zentrum Ost, wo er im Bereich der EDV tätig war.

Mit Bescheid vom 21. Februar 1995 sprach der Magistrat der Stadt Wien (MA 2-Personalamt) aus, das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers werde gemäß § 72 Abs. 1 und Abs. 5 der Dienstordnung 1994 mit Ablauf von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides gekündigt. Gemäß § 41 Abs. 1 der Besoldungsordnung 1994 gebühre dem Beschwerdeführer eine Abfertigung im Ausmaß des Zweifachen des Monatsbezuges, der seiner besoldungsrechtlichen Stellung beim Enden des Dienstverhältnisses entspreche. Einer allfälligen Berufung werde gemäß § 12 Abs. 2 DVG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wies die Dienstbehörde auf die "Krankentage" des Beschwerdeführers (1993: 35, 1994: 207 und bis 19. Februar 1995: 50) und auf die Nichtablegung der Dienstprüfung nach dem Nichtbestehen am 27. September 1993 hin und kam daraus - nachdem der Beschwerdeführer im Parteiengehör keine Stellungnahme abgegeben hatte - zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer die erforderliche Eignung für seinen Dienst nicht aufweise.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 6. März 1995 brachte der Beschwerdeführer vor, nach seinem ersten Krankenhausaufenthalt habe ihn seine Lebensgefährtin verlassen; dann sei völlig unerwartet seine Mutter verstorben. Alle therapeutischen Versuche zur Behebung seiner Erkrankung in Kalksburg hätten nichts geholfen. Erst die letzte, noch laufende Therapie im AKH zeige Erfolge, sodaß er am 6. März 1995 von der Amtsärztin für dienstfähig erklärt worden sei. Als Beilage legte der Beschwerdeführer mehrere Aufenthaltsbestätigungen von Krankenanstalten (Rudolfsstiftung, Anton Proksch-Institut Kalksburg, Psychiatrisches Krankenhaus Baumgartner Höhe) und eine Seite eines Obduktionsbefundes vor, der offenbar seine verstorbene Mutter betraf.

Bei den Akten befindet sich dann ein Amtsvermerk vom 24. März 1995, nachdem am 23. März 1995 beim Beschwerdeführer eine "erneute Krankenkontrolle" durchgeführt worden sei. Diese habe - nachdem niemand die Tür geöffnet habe - zu einer telefonischen Verständigung durch den Vater des Beschwerdeführers geführt, nach der dieser die Tür habe öffnen lassen und seinen Sohn nicht ansprechbar im Bett liegend vorgefunden habe. Er habe dann die Rettung verständigt, die den Beschwerdeführer aber - weil es sich nicht um einen Notfall gehandelt habe - nicht mitgenommen habe.

Daraufhin wurde ein weiteres ärztliches Gutachten über die Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers am 4. April 1995 eingeholt, aus dem sich ergibt, daß sich der Beschwerdeführer seit 15. März 1995 neuerlich im "Krankenstand" befunden habe. Vom 1. bis 3. April 1995 habe er sich wegen chronischen Alkoholismus und Tegretol-Überdosierung stationär im Krankenhaus aufgehalten. Der "Krankenstand" sei seit 15. März 1995 daher gerechtfertigt; mit einer ersprießlichen Dienstleistung sei künftig nicht mehr zu rechnen.

Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht; er gab am 20. April 1995 eine Stellungnahme ab, in der er im wesentlichen ausführte, seine Therapeutin im AKH, die seinen Gesundheitszustand besser kenne, habe die Diagnose nicht für zutreffend gefunden und ihn für voll arbeitsfähig bezeichnet. Ein Gutachten zur Untermauerung dieser Aussage wurde nicht vorgelegt.

Auf Grund dieser Einwendungen wurde seitens der Behörde neuerlich ein amtsärztliches Gutachten (vom 12. Mai 1995) eingeholt, in dem im wesentlichen ausgeführt wurde, beim Beschwerdeführer zeige sich trotz glaubhafter Arbeitsmotivation das Bild einer Alkoholrückfälligkeit mit Selbstüberschätzung und fehlender Krankheitseinsicht. Trotz mehrmaliger seinem Arbeitswunsch entsprechender Arbeitsversuche habe keine kontinuierliche Dienstleistung erzielt werden können. Auf Grund des bisherigen Krankheitsverlaufes im Beobachtungszeitraum seit August 1994 bestehe der Eindruck einer schweren Alkoholabhängigkeit, verbunden mit fehlender Krankheitseinsicht und mangelnder Kooperationsfähigkeit. Weiters wurde die Nichteinhaltung von vereinbarten Terminen aufgezeigt und die Aussage getroffen, daß eine ersprießliche Dienstleistung nicht mehr zu erwarten sei.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer vor, er habe lediglich einen Termin wegen eines Spitalsaufenthaltes nicht wahrnehmen können und sich ohnehin wegen seiner "Depressionen" behandeln lassen. Dank dieser Therapie sei er nun voll wiederhergestellt, was auch sein Hausarzt bestätigt habe. Eine ärztliche Bestätigung dieser Behauptung wurde aber nicht vorgelegt.

Nach Abklärung der Frage der versäumten Termine erging schließlich der angefochtene Bescheid, mit dem wie folgt entschieden wurde:

"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl. Nr. 51/91) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen, aber der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, daß der 2. Absatz des Spruches wie folgt zu lauten hat:

Gemäß § 41 Abs. 1 der Besoldungsordnung 1994 gebührt Ihnen eine Abfertigung im Ausmaß des Dreifachen des Monatsbezuges, der Ihrer besoldungsrechtlichen Stellung beim Enden des Dienstverhältnisses entspricht."

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der Rechtslage und Darstellung des Verfahrensablaufes unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung letztlich zusammenfassend ausgeführt, der Mangel der körperlichen oder geistigen Eignung eines provisorischen Beamten müsse nicht ein dauernder oder gar unbehebbarer sein. Die Möglichkeit oder selbst die Wahrscheinlichkeit, mit der Ursache werde in einem in der Zukunft liegenden, aber noch ungewissen und jedenfalls nicht mit Sicherheit unmittelbar bevorstehenden Zeitpunkt auch der Mangel wegfallen, beseitige den notwendigerweise auf den Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung zu projizierenden Kündigungsgrund nicht. Da beim Beschwerdeführer nicht nur kurzfristige, einzelne Tage dauernde, sondern längerfristige, über Monate dauernde Dienstverhinderungen vorgelegen seien und auf Grund der amtsärztlichen Gutachten feststehe, daß mit einer ersprießlichen Dienstleistung durch den Beschwerdeführer nicht zu rechnen sei, habe die belangte Behörde - wie schon die erstinstanzliche Behörde - die mangelnde Eignung des Beschwerdeführers für seinen Dienst als gegeben erachtet. Die Spruchänderung sei notwendig gewesen, weil infolge des Berufungsverfahrens ein weiteres Dienstjahr gemäß § 41 Abs. 1 der Besoldungsordnung 1994 als vollstreckt gelte, wodurch sich das Ausmaß der Abfertigung um einen Monatsbezug erhöht habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 72 Abs. 1 und Abs. 5 der Dienstordnung 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG seine Berufung vom 6. März 1995 als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt habe, mit dem sein Dienstverhältnis mit Ablauf von zwei Monaten ab Zustellung des Bescheides gekündigt worden sei.

    Gemäß § 72 Abs. 1 der Dienstordnung 1994, LGBl.

Nr. 56/1994, kann die Gemeinde Wien durch Kündigung das

Dienstverhältnis während der Probedienstzeit auflösen. Nach

Abs. 5 der genannten Bestimmung beträgt die Kündigungsfrist

nach einer bei Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides

erreichten Probedienstzeit von

    weniger als einem Jahr                zwei Wochen,

    einem Jahr                            einen Monat,

    drei Jahren                           zwei Monate,

    fünf Jahren                           drei Monate.

Gemäß § 41 Abs. 1 der Besoldungsordnung 1994, LGBl. Nr. 55/1994, gebührt dem Beamten, dessen Dienstverhältnis durch Kündigung gemäß § 72 der Dienstordnung 1994 aufgelöst wird, eine Abfertigung, wenn ihn an der Kündigung kein Verschulden trifft. Die Abfertigung beträgt für jedes tatsächlich zurückgelegte Dienstjahr das Einfache des Monatsbezuges, der der besoldungsrechtlichen Stellung des Beamten beim Enden des Dienstverhältnisses entspricht.

Da sich der Beschwerdeführer nach dem ausdrücklich formulierten Beschwerdepunkt nur in seinem Recht nach § 72 Abs. 1 und Abs. 5 der Dienstordnung 1994 verletzt sieht, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage seiner Abfertigung.

§ 72 Abs. 1 der Dienstordnung 1994 entspricht dem § 54a der Dienstordnung 1966 und stellt die Kündigung des Dienstverhältnisses während der Probedienstzeit in das Ermessen der Dienstbehörde, normiert aber - anders als z.B. § 10 BDG 1979 für eine Kündigung nach Ablauf der Probezeit - keine Kündigungsgründe.

Der für die Ermessensübung maßgebende "Sinn des Gesetzes" besteht - entsprechend dem Zweck der Einrichtung der Probedienstzeit bzw. des provisorischen Dienstverhältnisses - darin, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen, und nur die provisorischen Beamten in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Damit sollen alle sich nicht voll bewährenden Beamten noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden (vgl. ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere das Erkenntnis vom 24. April 1996, Zl. 93/12/0248, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Auf Grund der vom Beschwerdeführer zurückgelegten Probedienstzeit war sein Dienstverhältnis zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides gemäß § 16 Abs. 1 in Verbindung mit § 72 Abs. 1 der Dienstordnung 1994 jedenfalls noch kündbar.

Der Beschwerdeführer bringt als Rechtswidrigkeit im wesentlichen vor, die belangte Behörde stütze ihre Entscheidung auf die beiden amtsärztlichen Gutachten vom 4. April und vom 11. Mai 1995. Er habe aber im Rahmen des Parteiengehörs substantiiert und unter Vorlage geeigneter medizinischer Urkunden vorgebracht, vollkommen wiederhergestellt und somit dienstfähig zu sein. Dieses Vorbringen sei medizinisch unwiderlegt geblieben. Der angefochtene Bescheid stütze sich daher auf überholte amtsärztliche Gutachten, die darüberhinaus unschlüssig seien. Die Behörde habe auch die sie treffende Anleitungspflicht dem Beschwerdeführer gegenüber gröblich verletzt. Die vorübergehend "aufgetretenen Krankentage" seien durch außerordentliche Ereignisse bedingt gewesen. Diese Ereignisse hätte der Beschwerdeführer nun mit ärztlicher Hilfe vollständig verarbeiten können, sodaß er seine uneingeschränkte Dienst- und Arbeitsfähigkeit im vollen Ausmaß wieder habe erlangen können. Seinen Behauptungen, welche überdies durch medizinische Unterlagen unterstützt gewesen seien, stünden keine wie immer gearteten anderslautenden Beweisergebnisse entgegen.

Dem ist primär entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer im Verfahren zwar verschiedene Stellungnahmen abgegeben, mit diesen aber keine medizinischen Gutachten oder dgl. übermittelt hat. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten verschiedenen Bescheinigungen über Krankenhausaufenthalte geben keinen Aufschluß über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Er ist daher den nicht unschlüssigen von der Behörde eingeholten ärztlichen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Weiters verkennt der Beschwerdeführer offenbar, daß die im Rahmen eines solchen Kündigungsverfahrens zu klärende Frage nicht die seiner Dienstfähigkeit, sondern die Frage seiner vollen Eignung vor der bzw. für die Erlangung eines unkündbaren öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ist. Der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der angeblichen Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit kann daher schon deshalb für das Kündigungsverfahren nicht die entscheidende Bedeutung zukommen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die von der Behörde erster Instanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen (unverhältnismäßig lange Krankenstände, Nichtablegung der Dienstprüfung) vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurden, sondern nur versucht wurde, dafür Entschuldigungsgründe vorzubringen, worauf es im Beschwerdefall aber gar nicht ankommt.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung der Anleitungspflicht sieht der Verwaltungsgerichtshof nicht gegeben, weil sich diese nicht auf eine Rechtsbelehrung in der anhängigen Sache selbst (materielles Recht) bezieht, sondern auf bloße verfahrensrechtliche Angelegenheiten beschränkt ist (vgl. auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 163 f).

Im Rahmen des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerdepunktes war daher vom Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit zu erkennen; die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996120123.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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