TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/6 W108 2203548-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W108 2203546-1/20E
W108 2203548-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: beide Iran, 2. vertreten durch 1., gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 10.07.2018, Zlen. 1. 1190159305-180437217, 2. 1190100210-180437225, wegen insbesondere § 3 AsylG nach mündlicher Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 AsylG (iVm § 34 Abs. 2 AsylG und § 34 Abs. 4 AsylG) der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Die beschwerdeführenden Parteien sind iranische Staatsangehörige. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen ledigen Zweitbeschwerdeführerin. Verfahrensgegenständlich sind deren Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) beide vom 05.05.2018.

Die Erstbeschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung am 07.05.2018 am Flughafen zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz an: Sie sei von ihrem Wohnort XXXX aus mit ihrer Tochter und ihrem Ehemann mit einem Flugzeug legal in die Türkei geflogen, wo sie eine Woche Urlaub hätten machen wollen. Sie hätten in einem Hotel in Istanbul gewohnt. Dort habe sie eine SMS von ihrer Mutter bekommen, dass sie nicht mehr zurückkommen solle, weil der iranische Geheimdienst sie suche. Ein Schlepper habe daraufhin ihre Ausreise von der Türkei nach Österreich organisiert, sie seien mit gefälschten bulgarischen Reisepässen geflogen, die sie auf Anweisung des Schleppers hin im Flugzeug entsorgt habe. Ihren iranischen Reisepass habe ihr der Schlepper abgenommen.

Sie sei vor etwa fünf bis sechs Wochen zum Christentum konvertiert, in dieser Zeit habe sie regelmäßig christliche Hauskirchen besucht. Sie habe in einem Fitnessstudio gearbeitet, wo sie für das Christentum geworben hätte. Der Direktor des Fitnessstudios habe das mitbekommen und sie beim Geheimdienst angezeigt, als sie gerade mit ihrem Mann und ihrer Tochter in der Türkei auf Urlaub gewesen sei. Aus diesem Grund sei sie mit ihrer Tochter aus der Türkei nach Österreich geflüchtet, für ihren Mann habe das Geld leider nicht gereicht und er sei in der Türkei zurückgeblieben. Bei einer Rückkehr in den Iran befürchte sie die Todesstrafe.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (der belangten Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) am 14.05.2018, die ebenfalls am Flughafen Wien-Schwechat stattfand, brachten die Erstbeschwerdeführerin mehrere Urkunden in Vorlage, darunter ihre Geburtsurkunde, ihren Personalausweis, ihren Nationalen Identitätsausweis und ihr Maturazeugnis.

Sie brachte vor, sie habe vor ihrer Ausreise im Iran in einer Wohnung in XXXX gelebt, die im Eigentum ihres Ehemannes stehe. Sie habe zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen. Sie hätte ein gutes Einkommen gehabt, sie wäre Zahnarztassistentin gewesen und ihr Ehemann habe in einer Kfz-Werkstatt gearbeitet und habe Autos restauriert. Sie habe in Iran noch ihre Eltern, einen Bruder und sechs Schwestern. Zu zwei ihrer Schwestern habe sie Kontakt, diese hätten ihr auch ihre Dokumente via Whatsapp geschickt. Sie habe keine Verwandten oder Bekannten in Österreich oder woanders in Europa. Bei der Ausreise aus dem Iran hätte es keine Probleme gegeben, da sie in der Türkei auf Urlaub gewesen sei. Sie habe geplant, eine Woche dort zu bleiben. Sie seien mit dem Flugzeug vom Flughafen XXXX in XXXX nach Istanbul geflogen, das Hotel aber erst über der Grenze aufgesucht. Am Montag oder Dienstag (nach etwa zwei Tagen Aufenthalt) habe ihre Mutter ihrem Mann eine Whatsapp-Nachricht geschickt, dass der Besitzer des Fitnessstudios verraten habe, dass sie Werbung für das Christentum gemacht habe. Der Geheimdienst sei zuerst in ihrer Wohnung gewesen und habe die Türe aufgebrochen. Auf diese Information hin habe ihr Mann sofort einen Schlepper organisiert, den sein Bruder für sie gefunden habe. Da sie sich lediglich die Ausreise für sie und ihre Tochter hätten finanzieren können, sei der Mann in der Türkei verblieben. Zu diesem habe sie keinen Kontakt, da er noch nicht in den Iran zurückgekommen sei. Das wisse sie von ihrer Schwester.

Seit ihrem neunten Lebensjahr sei ihr gesagt worden, dass sie in die Hölle komme, wenn sie sich nicht ordnungsgemäß kleide und nicht mache, was von ihr verlangt werde. In ihrem neunten Lebensjahr wäre sie gezwungen worden, stundenlang im Sommer die Fastenzeit einzuhalten. Das beträfe alle Neunjährigen, auch müssten sie einen Tschador tragen. Auch ihre Tochter habe bereits die Vorbereitungsphase begonnen und müsste ebenso bereits einen Tschador tragen. Mit 13 oder 14 habe sie zwangsweise an Gebeten in der Schule teilnehmen müssen, da sie ansonsten suspendiert worden wäre. Im Grunde sei in ihr die Vorstellung gewachsen, dass Gott nur darauf warte, die Menschen zu bestrafen und dass alles Schlechte, was ihr widerfahren sei, eine Bestrafung Gottes sei. Je älter sie geworden sei, desto mehr habe sie gemerkt, dass sie ihre Meinung, insbesondere über Religion nicht frei äußern könne. Sie wolle einer Religion angehören, in der es um Liebe und Vergebung gehe. Dazu sei sie von einer Freundin, XXXX , im Fitnessstudio angesprochen worden. Diese habe ihr vor etwa sechs Monaten erzählt, dass sie eine neue Religion kennen gelernt hätte. Sie hätte gesagt, dass sie eine christliche Hauskirche besuchen würde und dass die Erstbeschwerdeführerin sie begleiten solle. Sie habe sie darauf hingewiesen, dass sie vorsichtig sein müsse. Ihr Mann habe dazu gesagt, es sei ihre Entscheidung. Das erste Treffen habe in einer Wohnung am XXXX Platz stattgefunden, in der Wohnung eines Lehrers. Dort habe es Gespräche über die Unterschiede zwischen Islam und Christentum gegeben. So würde über Liebe im Islam gesprochen, aber nie angewendet. Dies erkenne sie am Verhalten der Islamisten, die niemanden seiner selbst wegen lieben und lügen würden, wenn sie sagten, dass sie jemanden liebten. In den zehn Tagen ihres Aufenthaltes in Österreich habe sie hingegen so viel Liebe erfahren. Sie sei drei Mal persönlich bei den stattfindenden Treffen gewesen, da diese häufig aus Sicherheitsgründen abgesagt würden. Dort wären etwa acht bis zehn Personen gewesen. Es sei gebetet, gesungen und über die Vorteile des Christentums gesprochen worden. Das Ganze habe etwa eineinhalb Stunden gedauert. Sie habe gelernt, dass Jesus für die Sünden der Menschen am Kreuz gestorben sei. Das heiße, dass mit dem Tod Christi ihre Sünden begraben würden und mit der Auferstehung der Glaube lebe. Im Islam hingegen müsse man für seine Sünden bezahlen. Sie habe über die drei christlichen Feste gelernt, Pfingsten, die Auferstehung und Weihnachten, wobei die Auferstehung das Wichtigste sei, und über einen Jünger Christi, Johannes. Vorher habe sie sich nicht mit dem Christentum beschäftigt, alles was sie wisse, wüsste sie aus den Gesprächen mit der Freundin. Alles über die Treffen sei im Fitnessstudio besprochen worden. Nach ihrer Ausreise habe sie keinen Kontakt mehr zu der Freundin gehabt, davor habe sie sie zuletzt eine Woche zuvor gesehen. Sie wolle nicht mehr dem Islam angehören.

3. Mit den vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG erteilte die belangte Behörde den beschwerdeführenden Parteien keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (jeweils Spruchpunkt III.), erließ gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) (jeweils Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Iran gemäß 46 FPG zulässig sei (jeweils Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise (jeweils Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen (wobei hinsichtlich der zweitbeschwerdeführenden Parteien auf die diesbezüglichen Feststellungen im Bescheid der Erstbeschwerdeführerin verwiesen wurde) fest, dass die Identität der beschwerdeführenden Parteien nicht festgestellt werden könne. Diese würde an keinen lebensbedrohlichen oder sonstigen schwerwiegenden psychischen oder physischen Krankheiten leiden. Die vorgebrachten Fluchtgründe wurden als absolut unglaubwürdig gewertet. Die belangte Behörde ging auch nicht davon aus, dass die beschwerdeführenden Parteien tatsächlich überzeugte Christen sind. Bei deren Konversion handle es sich – so die belangte Behörde - jeweils um eine Scheinkonversion. Sie verfüge im Iran über umfassende familiäre Bezugspunkte (ihre Eltern und Geschwister) und habe ihr gesamtes Leben im Iran verbracht. Sie sei arbeitsfähig und auch berufsfähig sowie wirtschaftlich ausreichend abgesichert. In Österreich hätten sie keine Familienangehörigen oder Verwandten, seien davor noch nie in Österreich gewesen und hätten daher keine Anknüpfungspunkte zu Österreich. Auch sprächen sie die deutsche Sprache nicht. Es könne nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien aufgrund ihrer religiösen Gesinnung staatlicher Verfolgung ausgesetzt gewesen wären oder eine solche bei Rückkehr drohe.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Identität nicht mit ausreichender Sicherheit feststehe, da die beschwerdeführenden Parteien weder iranische Reisepässe noch andere Dokumente bei sich führten. Die übermittelten Kopien seien zwar leserlich und wiesen augenscheinlich ein Lichtbild von der Erstbeschwerdeführerin auf, jedoch sei dies als Bescheinigungsmittel nicht ausreichend. Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin bezüglich ihrer behaupteten Konversion zum Christentum im Iran seien standardisiert, großteils vage und detailarm, und insgesamt nicht nachvollziehbar gewesen. Im Zuge der Einvernahme zu den Fluchtgründen habe die Erstbeschwerdeführerin ein Standardvorbringen erstattet, wobei ihr Wissen über das Christentum rudimentär sei. Insgesamt sei nicht der Eindruck entstanden, als hätte sie sich selbstständig über das Christentum informiert und abgesehen von den drei Hauskirchenbesuchen und Gesprächen mit der Freundin der Erstbeschwerdeführerin näher damit beschäftigt. Die Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin sei jedenfalls nicht dazu geeignet gewesen, darzutun, dass sie vor fünf bis sechs Wochen zum Christentum konvertiert sei.

4. Gegen diese Bescheide erhoben die beschwerdeführenden Parteien fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht, mit welcher unter anderem eine Kopie der Geburtsurkunde der Erstbeschwerdeführerin, eine Bestätigung der Ichthys Gemeinde über die regelmäßige Teilnahme der beiden beschwerdeführenden Parteien an den Sonntagsgottesdiensten und eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses durch die Erstbeschwerdeführerin sowie eine E-Mail des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin an die Rechtsberatung der beschwerdeführenden Parteien in Österreich, dass er während des Aufenthaltes der Familie in der Türkei eine Nachricht von der Mutter seiner Ehefrau über die Verfolgung seiner Frau erhalten habe, vorgelegt wurden.

In der Beschwerde wurde vorgebracht: Die Erstbeschwerdeführerin habe sich bereits im Iran dem christlichen Glauben zugewandt und sei aufgrund ihrer religiösen Ansichten einer Verfolgung durch den iranischen Staat ausgesetzt. So sei ihr Ehemann, zum Zeitpunkt als die Beschwerdeführer bereits in Österreich aufhältig gewesen seien, vom iranischen Geheimdienst verhört und erst freigelassen worden, als er aussagte, über die religiösen Aktivitäten seiner Frau nicht im Bilde zu sein. Die beschwerdeführenden Parteien besuchten seit ihrer Ankunft in Österreich regelmäßig die Veranstaltungen der Ichthys Gemeinde XXXX , die Teil der Freikirchen in Österreich sei. Während die Erstbeschwerdeführerin die Intention habe, sich taufen zu lassen, zeige die Zweitbeschwerdeführerin bereits großes Interesse am christlichen Glauben. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Sie habe sich unzureichend mit der Identität der beschwerdeführenden Parteien auseinandergesetzt. Sie hätte dazu auffordern müssen, Identitätsnachweise nachzureichen. Zum Beweis der Identität der Erstbeschwerdeführerin werde nun eine Geburtsurkunde vorgelegt. Zudem habe die Behörde es unterlassen, für den gegenständlichen Sachverhalt relevante Länderberichte einzuholen. Die herangezogenen Länderberichte seien teilweise veraltet und nur unvollständig ausgewertet worden, der belangten Behörde sei eine ungenaue Vorgehensweise vorzuwerfen. Selbst die veralteten Berichte ginge hervor, dass die iranische Regierung eine Konversion vom Islam immer als Apostasie erachte, die mit Todesstrafe bestraft würden, ein Nicht-Muslim seinen Glauben in keiner Weise öffentlich ausdrücken dürfe, da dies als Missionierung ebenso unter Todesstrafe stehe, und Verfolgungshandlungen gegenüber Konvertiten auch im Ausland vom iranischen Geheimdienst fortgesetzt würden. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien stehe im Einklang mit den aktuellen Länderberichten zum Iran, ihnen drohe im Falle einer Rückkehr asylrelevante Verfolgung und eine Verletzung in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK. Die belangte Behörde habe zudem eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen, sie verkenne, dass es im Asylverfahren für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einer Konversion nicht auf die Dauer bzw. das Wissen über eine Religion ankomme, sondern primär auf die innere Überzeugung abzustellen sei. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde dahingehend, dass die beschwerdeführenden Parteien eine Religionszugehörigkeit zum Christentum nicht hätten glaubhaft machen können, sei keinesfalls nachvollziehbar. Ein Abgleich mit einschlägigen Länderberichten sei der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde ebenfalls nicht zu entnehmen, weshalb keine Aussagen über die Plausibilität des Vorbringens getroffen hätten werden können. Auch wenn für die Türkei keine Visumspflicht bestehe, würden die Daten einer legalen Ausreise sehr wohl von den iranischen Behörden registriert. Es sei daher völlig plausibel, dass der Geheimdienst über den Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in der Türkei hätte Kenntnis erlangen können. Zudem sei der Behörde eine falsche rechtliche Beurteilung der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens vorzuwerfen. Diese gründe sich auf einen unzureichend erhobenen Sachverhalt, mangelnde Ermittlungstätigkeit sowie mangelnde Beweiswürdigung.

5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerden samt den bezughabenden Akten der Verwaltungsverfahren zur Entscheidung vor.

6. In der Folge wurde Schulbesuchsbestätigungen der Zweitbeschwerdeführerin, Teilnahmebestätigungen der Erstbeschwerdeführerin an Werte- und Orientierungskursen und an Deutschkursen und Unterstützungsschreiben für die beiden beschwerdeführenden Parteien nachgereicht.

Weiters wurden die Taufurkunde der Erstbeschwerdeführerin, ausgestellt von der Ichthys Gemeinde XXXX am 22.09.2019, eine Unterstützungserklärung der Bibellehrerin der Erstbeschwerdeführerin bei den Zeugen Jehovas XXXX vom 23.01.2020 in Vorlage gebracht und die zeugenschaftliche Einvernahme dieser Bibellehrerin und einer ebenfalls in der Kirchengemeinde engagierten Freundin XXXX als Beweis für ihre Konversion zum Christentum aus tiefer innerer Überzeugung beantragt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der beschwerdeführenden Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die beschwerdeführenden Parteien persönlich beteiligten.

In der Verhandlung wurden Länderberichte zur Situation im Iran erörtert, denen die beschwerdeführenden Parteien nicht entgegentraten.

Weiters wurde in der Beschwerdeverhandlung der Sachverhalt in Bezug auf die Integration der beschwerdeführenden Parteien und ihre Glaubensüberzeugung und ihre Glaubensaktivitäten erhoben. Dazu wurden von den beschwerdeführenden Parteien Unterstützungsschreiben sowie Integrationsunterlagen aus dem Jahr 2020 in Vorlage gebracht.

Bei der Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Glauben und zu ihrem Glaubensleben etwa an, dass sie von ihrer Taufkirche zu den Zeugen Jehovas gewechselt sei, da sie dort Antworten auf die von ihr gestellten Fragen erhielte, insbesondere zur Dreifaltigkeit. Dazu verwies sie auf die Auslegung von Bibelstellen. Sie praktiziere ihren Glauben, indem sie die Kirche mit der Zweitbeschwerdeführerin besuche, die Bibel studiere, an einer Bibelgruppe teilnehme und Kurse zur Vorbereitung auf die Missionierung besuche. Sie sei noch kein offizielles Mitglied der Zeugen Jehovas, da sie dort noch nicht getauft worden sei. Dies habe den Grund, dass sie aufgrund der aktuellen pandemiebedingten Situation nicht in der Öffentlichkeit predigen könne, was Voraussetzung bei den Zeugen Jehovas sei. Sie habe einen ungefähren Tauftermin erhalten, der voraussichtlich im Frühjahr stattfinden könne. Sie spreche aber mit ihren Freunden über Gott. Sie könne nicht in den Iran zurückkehren und ihren Glauben widerrufen, da sie von Herzen an ihre Religion glaube und diese dort nicht leben könne, indem sie ihre Bibel lese und in der Öffentlichkeit missioniere.

In der mündlichen Verhandlung wurde XXXX als Zeuge (im Folgenden Zeuge E.) einvernommen. Er gab an, Pastor der Ichthys Gemeinde zu sein und die Erstbeschwerdeführerin durch den Gottesdienst und ein Taufvorbereitungsgespräch zu kennen. Die Taufvorbereitung habe durch seine Mitarbeiterin XXXX stattgefunden, die ihm eine klare Empfehlung für die Taufe der Erstbeschwerdeführerin gegeben hätte. Er selbst habe einige kürzere Gespräche mit der Erstbeschwerdeführerin geführt. Sie habe regelmäßig an Veranstaltungen der Gemeinde teilgenommen und mehr als andere in der Bibel gelesen. In seiner Kirche würden keine Taufen durchgeführt, wenn der Taufwerber nicht innerlich überzeugt sei. Nach seiner Information wäre der Wechsel zu den Zeugen Jehovas nicht darin begründet, dass sie ihren christlichen Glauben aufgegeben habe, sondern in der unterschiedlichen Auslegung der Bibel.

8. Nachträglich vorgelegt wurden eine beglaubigte Übersetzung des Personalausweises/Geburtsurkunde der Erstbeschwerdeführerin vom 06.10.2020 und eine Kopie dessen (eingelangt am 08.10.2020). Weiters wurden Fotos vom Aufenthalt in der Türkei und einen Screenshot der vom Ehegatten an das Tablet der Tochter über Telegram gesendeten Fotos sowie ein Nachweis der Ausreise des Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin von der Türkei in den Iran am 08.05.2018 beigelegt.

9. Mit Schreiben vom 09.10.2020 nahmen die beschwerdeführenden Parteien durch ihre rechtsfreundliche Vertretung zu den Länderfeststellungen Iran Stellung und legten zusätzliche Unterlagen bei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Hinsichtlich der Lage im Iran:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.

Selbst anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden also diskriminiert. Vertreter dieser religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten vorbehalten. Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regierung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach. Wichtige politische Ämter stehen ausschließlich schiitischen Muslimen offen.

Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Baha’i, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt.

Schiitische Religionsführer welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt. Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ befanden sich 2019 mindestens 109 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion in Haft.

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).

Situation für Konvertiten/Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“.

Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden auch 2018 und 2019 viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt.

Die Versammlung in – meist evangelischen – Hauskirchen oder Hausgemeinden wird laut Behörden „kontrolliert“, de facto aber untersagt, weshalb die einzelnen Gemeinden meist klein bleiben und ständig den Standort wechseln, um Razzien auszuweichen. Dennoch sind Hauskirchen inzwischen relativ weit verbreitet. Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es ist jedoch unklar, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen. Allerdings wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen, und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet.

Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen. Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden, bzw. um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen.

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen in dem Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein kann. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt, Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Gleichzeitig ist bekannt, dass ein Projekt seitens der Erschad-Ministeriums zur Übersetzung der „Katholischen Jerusalem Bibel“ in Farsi genehmigt und durchgeführt wurde. Auch die Universität für Religion und Bekenntnis im Qom, die Religionsstudien betreibt, übersetze noch im Jahr 2015 den „Katechismus der Katholischen Kirche“ in Farsi. Beide Produkte sind heute noch ohne Probleme in Büchergeschäften erhältlich (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).

Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen. Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: „...tötet den, der seine Religion wechselt“ und „Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende. Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2020 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber – unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden. Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen" und „Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden

Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird immer wieder berichtet. Im Frühling und Sommer 2017 wurden mehrere evangelikale und assyrische Christen verhaftet und wegen „illegaler Kirchenaktivität“ zu langen Haftstrafen verurteilt. Nach 16 festgenommenen Christen im Jahr 2017, stieg diese Zahl im Jahr 2018 dramatisch. Im November und Dezember 2018 wurden ca. 150 Christen – die meisten kurzzeitig – festgenommen und anschließend angewiesen, sich von anderen Christen fernzuhalten. Über die genauen Zahlen der Verhaftungen/Verurteilungen gibt es keine detaillierten Informationen. Fakt ist aber, dass die Zahl der Verhaftung von Konvertierten seit einer Ansprache des obersten Führers vor einigen Jahren, als er vor der steigenden Zahl der sogenannten häuslichen Kirchen gewarnt hatte, extrem angestiegen ist. Allein im August 2020 sind 35 neu Konvertierte verhaftet worden, und im selben Monat sind vier weitere Konvertierte wegen Anschuldigungen, wie „Teilnahme an Versammlungen der häuslichen Kirchen“, „Verbreitung vom zionistischen Christentum“ und „Gefährdung der inneren Sicherheit“ zu insgesamt 13 Jahren Haft verurteilt worden. Einem Bericht der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge haben Beamte des Geheimdienstministeriums im Juli 2019 das Haus einer christlichen Familie in der Stadt Bushehr im Süden Irans gestürmt und viele Angehörige dieser Familie verhaftet (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).

Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.

Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Anzahl verhafteter Konvertierter

Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Familienangehörige Konvertierter

Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).

Soziale Folgen einer Konversion

Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des „Herasat“ (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des „Herasat“ dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.

Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Rückkehr von Konvertiten

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.

Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.

Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine „copy/paste“-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. Wenn ein Konvertit den Behörden auch zuvor nicht bekannt war, dann ist eine Rückkehr nach Iran weitgehend problemlos. Auch konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, kann sich die Situation anders darstellen. Auch Konvertiten, die ihre Konversion öffentlich machen, können sich womöglich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen berichtet, besteht die Möglichkeit, dass die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang hängt davon ab, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“- Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist eine harsche Strafe eher unwahrscheinlich. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein führt zumeist nicht zu einer Verfolgung, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird diese aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das aber durchaus zu Problemen führen. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben). (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).

Menschenrechtslage / Sanktionen

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Der iranische Staat verstößt regelmäßig gegen die Menschenrechte nach westlicher Definition, jedoch auch immer wieder gegen die islamisch definierten. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters gibt es unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets - einschließlich Gewalt, Androhung von Gewalt sowie ungerechtfertigter Festnahmen und Strafverfolgung gegen Journalisten, Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet.

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden. Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge. Auch Umweltaktivisten müssen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran).

Rechtsschutz / Justizwesen

Wenn sich Gesetze nicht mit einer spezifischen Rechtssituation befassen, dann dürfen Richter ihrem Wissen und ihrer Auslegung der Scharia Vorrang einräumen. Nach dieser Methode können Richter eine Person aufgrund ihres eigenen „göttlichen Wissens“ [divine knowledge] für schuldig befinden.

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die “Sondergerichte für die Geistlichkeit“ sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt.

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

-        Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

-        Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

-        Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

-        Spionage für fremde Mächte;

-        Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

-        Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen.

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten.

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt.

Im iranischen Strafrecht sind körperliche Strafen wie die Amputation von Fingern, Händen und Füßen vorgesehen. Berichte über erfolgte Amputationen dringen selten an die Öffentlichkeit. Wie hoch die Zahl der durchgeführten Amputationen ist, kann nicht geschätzt werden. Die Amputation z.B. eines Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen (Qisas), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Bei derartigen Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes (Diya) auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen. Durch Erhalt einer Kompensationszahlung (Diya) kann also der ursprünglich Verletzte auf die Anwendung einer Blendung verzichten. Derzeit ist bei Ehebruch noch die Strafe der Steinigung vorgesehen. Auch auf diese kann vom „Geschädigten“ gegen Diya verzichtet werden. Im Jahr 2002 wurde ein Moratorium für die Verhängung der Steinigungsstrafe erlassen, seit 2009 sind keine Fälle von Steinigungen belegbar. Zudem sieht das iranische Strafrecht bei bestimmten Vergehen wie zum Beispiel Alkoholgenuss, Missachten des Fastengebots oder außerehelichem Geschlechtsverkehr auch Auspeitschung vor. Regelmäßig besteht aber auch hier die Möglichkeit, diese durch Geldzahlung abzuwenden.

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da sich diese durch Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Bei bestimmten Anklagepunkten – wie z.B. Gefährdung der nationalen Sicherheit – dürfen Angeklagte zudem nur aus einer Liste von zwanzig vom Staat zugelassenen Anwälten auswählen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch, besonders deutlich wird dies bei Verurteilungen wegen Äußerungen in sozialen Medien oder Engagement gegen die Hijab-Pflicht.

Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon einige Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat.

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen.

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran; Auswärtiges Amt: Bericht über die Lage in der Islamischen Republik Iran).

1.2. In Bezug auf den Verfahrensgang (das Verwaltungsgeschehen) wird von den Ausführungen oben unter Punkt I. ausgegangen.

Zu den beschwerdeführenden Parteien und zu ihrem Vorbringen wird festgestellt:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen ledigen Zweitbeschwerdeführerin. Sie sind beide Staatsangehörige des Iran, wo sie in XXXX lebten.

Sie tragen jeweils die im Spruch angeführten Namen und sind an den jeweiligen im Spruch angeführten Daten geboren. Sie sind beide strafrechtlich unbescholten.

Sie reisten über die Türkei illegal nach Österreich, wo beide am 05.05.2018 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweitbeschwerdeführerin lebt im Iran. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich von ihm getrennt, die Zweitbeschwerdeführerin hat Kontakt mit ihrem Vater im Iran.

Die Erstbeschwerdeführerin war im Iran, aufgrund ihrer Abstammung, zunächst eine (nicht gläubige) Muslimin und bekennt sich nun zum christlichen (protestantischen) Glauben. Sie will nicht mehr dem Islam angehören und hat sich vollständig und endgültig vom Islam abgelöst. Sie ist ernsthaft aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert.

Die Erstbeschwerdeführerin lehnte den Islam, dessen Glaubenslehre sowie die sich daraus ergebenden kulturellen traditionellen Verhaltensregeln und Einschränkungen (für Frauen) im Iran bereits im Iran ab. Schon im Iran beschäftigte sie sich mit der christlichen Glaubenslehre und wollte dem Christentum angehören. In Österreich schloss sie sich zunächst der christlichen Freikirche der Ichthy

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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