TE Bvwg Beschluss 2021/5/14 W139 2242101-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2021
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Entscheidungsdatum

14.05.2021

Norm

BVergG 2018 §141 Abs1 Z2
BVergG 2018 §2 Z15
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
BVergG 2018 §79
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W139 2242101-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über den Antrag der XXXX , vertreten durch Denkmair Hutterer Hüttner Waldl Rechtsanwälte GmbH, Blumauerstraße 3-5, 4020 Linz, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren „6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 8, Sicherheitszentrum Tirol – Sanierung und Erweiterung – Elektroinstallation Stark- und Schwachstrom“ der Auftraggeberin ARE Austrian Real Estate GmbH, Trabrennstraße 2b, 1020 Wien vertreten durch die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.:

A)

Dem Antrag, „das Bundesverwaltungsgericht möge durch einstweilige Verfügung als vorläufige Maßnahme der Auftraggeberin und der vergebenden Stelle für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren bei sonstiger Nichtigkeit und Exekution zu erteilen“, wird stattgegeben.

Der Auftraggeberin, der ARE Austrian Real Estate GmBH, wird für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, im Vergabeverfahren „6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 8, Sicherheitszentrum Tirol – Sanierung und Erweiterung – Elektroinstallation Stark- und Schwachstrom“ den Zuschlag zu erteilen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:

1. Am 03.05.2021 stellte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, verbunden mit einem Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung sowie der Zuschlagsentscheidung vom 23.04.2021, einem Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, auf Akteneinsicht bzw. auf Ausnahme von der Akteneinsicht sowie einem Antrag auf Gebührenersatz der für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühren.

Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Die Auftraggeberin habe die Vergabe der Leistungen „Elektroinstallation Stark- und Schwachstrom“ in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Auftrags- bzw. Leistungsgegenstand des Bauauftrags sei unter anderem die Errichtung einer Brandmeldeanlage. Die Antragstellerin habe binnen offener Angebotsfrist ein ausschreibungskonformes Angebot gelegt.

Im Zuge der Angebotsprüfung habe die Auftraggeberin im Rahmen eines Aufklärungsersuchens um Bestätigung ersucht, dass die Antragstellerin über eine gültige Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070 verfüge. Die Antragstellerin selbst habe bei Angebotsabgabe über keine Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070 verfügt, was aber nichts an deren Eignung bzw. am Vorliegen sämtlicher erforderlicher Eignungsanforderungen ändere.

Ungeachtet dessen habe die Auftraggeberin am 23.04.2021 die Zuschlagsentscheidung zugunsten des Angebotes der Bietergemeinschaft XXXX sowie das Ausscheiden des Angebotes der Antragstellerin mangels Eignung gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 bekannt gegeben. Tatsächlich wäre aber dem Angebot der Antragstellerin als technisch und wirtschaftlich günstigstem Angebot der Zuschlag zu erteilen.

Die Antragstellerin bezeichnete ihr Interesse am Vertragsabschluss, den ihr drohenden Schaden und die Rechte, in denen sie sich verletzt erachte.

Zur Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass sich die Auftraggeberin pauschal auf die fehlende Eignung berufe. Es gehe daraus aber nicht hervor, ob die Antragstellerin wegen – angeblich - fehlender Befugnis und/oder wegen – angeblich – fehlender finanzielle / wirtschaftliche / technische Leistungsfähigkeit ausgeschieden worden sei, weswegen die Ausscheidensentscheidung bereits an einem formalen Begründungsmangel leide.

Eine fehlende „Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070“ sei in der „Liste der einschlägigen Berufs- oder Handelsregister, Bescheinigungen oder Erklärungen“ im Anhang IX zum BVergG 2018 nicht angeführt und könne daher nicht als Nachweis für die berufliche Befugnis gelten. Ebensowenig könne eine fehlende „Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070“ im Hinblick auf die in den Anhängen zum BVergG 2018 vorgesehenen Nachweise ein Ausscheiden wegen fehlender beruflicher Zuverlässigkeit und/oder wegen fehlender finanzieller und wirtschaftlicher und technischer Leistungsfähigkeit rechtfertigen. Die Auftraggeberin habe als Nachweis für die technische Leistungsfähigkeit lediglich Nachweise zur Personalausstattung und Referenzen gefordert. Das Erfordernis des Nachweises einer „Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070“ als Eignungskriterium ergebe sich jedenfalls nicht in klarer und eindeutiger Weise aus den Festlegungen im Kapitel betreffend die „Eignungskriterien und deren Nachweise“. Tatsächlich finde sich in der Ausschreibungsunterlage und deren Beilagen kein einziger Hinweis auf die ÖNORM F 3070. Die Auftraggeberseite hätte das Erfordernis einer „Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070“ als Eignungskriterium/-nachweis schon in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen explizit anführen müssen und könne sich daher nicht auf eine „Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070“ als Eignungsnachweis/-kriterium berufen. Unklarheiten in der Ausschreibung würden zu Lasten der Auftraggeberseite gehen. Das von der Auftraggeberseite aus dem Leistungsverzeichnis und dem Baubescheid indirekt abgeleitete Erfordernis einer „Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070“ sei eine bloße Anforderung an die zu erbringende Leistung und keine Anforderung an die technische Leistungsfähigkeit der Bieter. Der Rechtsansicht in der von der Auftraggeberin zitierten Entscheidung des BVwG liege die alte Rechtslage nach dem am 21.08.2018 außer Kraft getretenen BVergG 2016 zu Grunde. Das Ausscheiden erweise sich daher im Ergebnis als unhaltbar und rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in den von ihr angeführten Rechten.

Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung führte die Antragstellerin aus, dass bei Zugrundelegung der festgelegten Zuschlagskriterien das Angebot der Antragstellerin mit dem niedrigsten bzw. günstigen Angebots-/Gesamtpreis beim Zuschlagskriterium „Gesamtpreis“ mit 92 Punkten, beim Zuschlagskriterium Gewährleistung mit 5 Punkten und beim Zuschlagskriterium Beweislastumkehr mit 3 Punkte, in Summe also mit 100 Punkten bewertet hätte werden müssen und diesem als technisch und wirtschaftlich günstigstem Angebot der Zuschlag erteilt werden müsste.

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Antragstellerin im Wesentlichen folgendes aus:

Einer einstweiligen Aussetzung des Vergabeverfahrens sowie einer Untersagung der Zuschlagserteilung würden keine vergleichbaren Interessen der Auftraggeberin, etwaiger sonstiger Bewerber bzw. Bieter und auch keine besonderen öffentlichen Interessen entgegenstehen. Der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes sei die Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren. Bei einer Fortführung des Vergabeverfahrens seien die Interessen der Antragstellerin wesentlich bedroht. Es würden ihr die aufgezeigten Schäden drohen. Die begehrte einstweilige Verfügung stelle auch die gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme dar.

Die Antragstellerin beantrage daher, das Bundesverwaltungsgericht möge durch einstweilige Verfügung der Auftraggeberin und der vergebenden Stelle für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren bei sonstiger Nichtigkeit und Exekution zu erteilen.

2. Am 05.05.2021 erteilte die Auftraggeberin, allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde kein Vorbringen erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Sachverhalt:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen sowie der Bezug nehmenden Beilagen und Unterlagen des Vergabeverfahrens wird vorerst im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Auftraggeberin ist die ARE Austrian Real Estate GmbH. Im Februar 2021 schrieb sie den verfahrensgegenständlichen Bauauftrag, „6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 8, Sicherheitszentrum Tirol – Sanierung und Erweiterung –Elektroinstallation Stark- und Schwachstrom“, in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip (Gesamtpreis 92%, angebotene Gewährleistungsfrist 2%, verlängerte Beweislastumkehr 6%) aus. Der geschätzte Auftragswert beträgt XXXX

Die Ausschreibung blieb unangefochten. Sowohl die Antragstellerin als auch die in Aussicht genommene Zuschlagsempfängerin beteiligten sich durch die Abgabe von Angeboten am Vergabeverfahren.

Mit Schreiben vom 23.04.2021 wurde der Antragstellerin von der Auftraggeberin bekannt gegeben, den Zuschlag der Bietergemeinschaft XXXX erteilen zu wollen sowie das Angebot der Antragstellerin gemäß § 141 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 ausscheiden zu müssen. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 79 Z 1 BVergG 2018 die Eignung bei einem offenen Verfahren im Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen müsse und dass dies beim Unternehmen der Antragstellerin nicht der Fall gewesen sei. Die Antragstellerin selbst besitze demnach die notwendige Zertifizierung gemäß ÖNORM F 3070 nicht und habe für die erforderliche Eignung auch keinen notwendigen Subunternehmer bekannt gegeben.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2021, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am selben Tag, brachte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gegen die Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung ein und beantragte die Untersagung der Zuschlagserteilung hinsichtlich des gegenständlichen Vergabeverfahrens für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens. Die Antragstellerin entrichtete nach Aufforderung zur Verbesserung die Pauschalgebühr in entsprechender Höhe.

Es wurde weder der Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.

2.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die ARE Austrian Real Estate GmbH. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018 (BVwG 29.01.2021, W273 2238848-1/3E mwN). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 5 BVergG 2018 um einen Bauauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG 2018, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und damit zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 350 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe bezahlt (§ 318 Abs 1 Z 1 und 4 BVergG 2018 iVm § 1 BVwG-PauschGebV Vergabe). Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die Ausscheidens- und die Zuschlagsentscheidung. Dabei handelt es sich um gesondert anfechtbare Entscheidungen gemäß § 2 Z 15 lit a sublit aa BVergG 2018.

2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Die Antragstellerin behauptet die Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin auszuscheiden und der Bietergemeinschaft XXXX den Zuschlag erteilen zu wollen.

Über die inhaltliche Begründetheit ist im Provisorialverfahren schon angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht abzusprechen (siehe etwa VwGH 04.11.2013, AW 2013/04/0045). Diese wird im Hauptverfahren durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein. Allerdings ist eine Berücksichtigung der Erfolgsaussichten nicht untersagt (EuGH 09.04.2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.

Da bei Zutreffen der Behauptung der Antragstellerin die Zuschlagserteilung an die präsumtive Zuschlagsempfängern rechtswidrig sin könnte und der Antragstellerin bei Fortführung des Vergabeverfahrens die Vereitelung einer Zuschlagschance mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht, ist es erforderlich, das Vergabeverfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand zu halten, der die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht ins Leere laufen lässt und der die grundsätzliche Möglichkeit der Auftragserteilung an die Antragstellerin im Rahmen eines vergaberechtskonformen Verfahrens wahrt (siehe zum Zweck einer einstweiligen Verfügung auch EBRV 69 BlgNr XXVI. GP 203).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ua auf finanzielle Einbußen, nämlich ua den Gewinnentgang und die frustrierten Kosten der Rechtsvertretung, sowie auf den Verlust eines wesentlichen Referenzprojektes verweist. Am Vorliegen dieses drohenden Schadens besteht dem Grunde nach kein Zweifel. Die entsprechende Behauptung ist plausibel. Ins Einzelne gehende (genaueste) Darlegungen sind nicht geboten (siehe VwGH 22.06.2011, 2009/04/0128; VwGH 24.02.2006, 2004/04/0127). Beim Verlust eines Referenzprojektes handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden (Vermögens)Nachteil (VwGH 14.04.2011, 2008/04/0065; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVA 21.02.2007, N/0012-BVA/07/2007-13; BVA 09.06.2010, N/0008-BVA/02/2010-7 uva).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Vorrangs des primären – durch Nichtigerklärung rechtswidriger Auftraggeberentscheidungen zu gewährleistenden – Rechtsschutzes (EuGH 28.10.1999, Rs C-81/98, Alcatel Austria AG ua; 18.06.2002, Rs C-92/00, Hospital Ingenieure Krankenhaustechnik Planungs-Gesellschaft mbH) sowie die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs Bedacht zu nehmen, wonach in der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter ein öffentliches Interesse liegt (VfGH 25.10.2002, B1369/01; siehe insb. bereits BVA 25.01.2002, N-128/01-45 uvm).

Die Auftraggeberin hat sich nicht gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung ausgesprochen. Sie hat keine gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen benannt und keine besondere Dringlichkeit der Vergabe ins Treffen geführt. Dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine möglicherweise geschädigten Interessen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bzw. sonstiger Bieter sowie sonstige besondere öffentliche Interessen, die gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechen würden, bekannt und wurden solche auch nicht von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bezeichnet.

Abgesehen davon hat ein gewissenhafter Auftraggeber nach ständiger Rechtsprechung die durch die Einleitung von Vergabekontrollverfahren allenfalls eintretenden zeitlichen Verzögerungen schon bei seiner Ablaufplanung einzukalkulieren und zu berücksichtigen (ua BVwG 16.11.2018, W139 2209121-1/9E; BVwG 30.05.2014, W139 2008219-1/10E; bereits BVA 09.01.2004, 10N-3/04-4; BVA 14.06.2010, N/0047-BVA/09/2010-14 uva).

Unter Zugrundelegung obiger Überlegungen ist ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 nicht anzunehmen, sondern vielmehr das Interesse der Antragstellerin an der Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Auftraggeberin als überwiegend anzusehen, weswegen die im Spruch ersichtliche Sicherungsmaßnahme als gelindeste noch zum Ziel führende Maßnahme iSd § 351 Abs 3 BVergG 2018 auszusprechen war, als damit die Schaffung von unumkehrbaren Tatsachen zum Nachteil der Wettbewerbsposition der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren vermieden wird.

Zur Dauer der Provisorialmaßnahme ist auszuführen, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 351 Abs 4 BVergG 2018 als hinreichend befristet zu bewerten ist (ua BVwG 10. 01. 2014, W187 2000170-1/11; BVwG 20.03.2014, W139 2003185-1/11E; BVwG 23.10.2014, W114 2013254-1/6E; BVA 10.02.2011, N/0011-BVA/10/2011-9, BVA 10.05.2011, N/0035-BVA/08/2011-12 mwN; siehe auch VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054). Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 06.11.2002, 2002/04/0138; 30.06.2004, 2004/04/0028; 01.02.2005, 2005/04/0004; 29.06.2005, 2005/04/0024; 24.02.2006, 2004/04/0127; 01.03.2007, 2005/04/0239; 27.06.2007, 2005/04/0254; 29.02.2008, 2008/04/0019; 14.01.2009, 2008/04/0143; 14.04.2011, 2008/04/0065; 22.06.2011, 2009/04/0128; 29.09.2011, 2011/04/0153; 10.12.2007, AW 2007/04/0054) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausscheidensentscheidung Bauauftrag der Oberschwelle Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen öffentlicher Auftraggeber Provisorialverfahren Schaden Untersagung der Zuschlagserteilung Vergabeverfahren Zuschlagsverbot für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W139.2242101.1.00

Im RIS seit

01.10.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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