TE Lvwg Beschluss 2020/8/30 VGW-031/068/7051/2020-30

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Veröffentlicht am 30.08.2020
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Entscheidungsdatum

30.08.2020

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

B-VG Art. 139
StVO 1960 §43 Abs1 litc
Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, MA 46-DEF/21733/2013 Punkt 6.9
Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, MA 46-DEF/21733/2013 Punkt 6.10

Text

Das Verwaltungsgericht Wien stellt durch sein Mitglied Mag. Hohenegger im Verfahren über die Beschwerde des Herrn Dr. A. B., gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 19.5.2020, Zl. MA67/.../2020, an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 139 Abs. 4 B-VG den höflichen

ANTRAG,

der Verfassungsgerichtshof möge

die Wortfolge „, 6.9“ der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, MA 46, vom 8.8.2013, MA 46 – DEF/21733/2013, kundgemacht am 3.9.2013, als gesetzwidrig aufheben,

in eventu

die Wortfolge „, 6.10“ der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, MA 46, vom 8.8.2013, MA 46 – DEF/21733/2013, kundgemacht am 3.9.2013, als gesetzwidrig aufheben,

in eventu

aussprechen, dass die Wortfolge „, 6.9“ der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, MA 46, vom 8.8.2013, MA 46-DEF/21733/2013, kundgemacht am 3.9.2013, gesetzwidrig war,

in eventu

aussprechen, dass die Wortfolge „, 6.10“ der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien, MA 46, vom 8.8.2013, MA 46-DEF/21733/2013, kundgemacht am 3.9.2013, gesetzwidrig war.

BEGRÜNDUNG

I.       Anlassfall

1.       Das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, MA 67 (im Folgenden: belangte Behörde), vom 19.5.2020, Zl. MA67/.../2020, hat auszugsweise folgenden Spruch:

„1. Datum/Zeit:                   25.01.2020, 19:33 Uhr

Ort:                                         Wien, C.-Straße 28

Betroffenes Fahrzeug:          Kennzeichen W-… (A)

Sie haben das angeführte Fahrzeug im Bereich des Vorschriftzeichens „HALTEN UND PARKEN VERBOTEN“ mit dem Zusatz „ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen“ abgestellt. Während der angeführten Zeit wurde keine Ladetätigkeit durchgeführt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

Verwaltungsübertretung(en) nach

1. § 24 Abs. 1 lit. a StVO“

2.       Über den Zulassungsbesitzer, Herrn Dr. A. B., geb. 1942 (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF), wurde eine Geldstrafe von € 78,00 bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO verhängt. Auch die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 10,00 wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.       Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Der Beschwerdeführer begründete seine Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die der Bestrafung zugrunde liegende Verordnung gesetzwidrig sei. Insbesondere führte der Beschwerdeführer aus, dass eine Ladezone den Zeitraum der bewilligten Ladetätigkeit zu bezeichnen habe, was nicht geschehen sei, die jüngste Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (V 74/2019) nicht berücksichtigt worden sei, weil Gründe für unbeschränktes Halte- und Parkverbot nicht angeführt seien und auch nicht bestehen, augenscheinlich eine ordnungsgemäße Prüfung der lokalen und zeitlichen Gegebenheiten bzw. Erfordernissen nicht stattgefunden habe und der gegenständliche Bescheid nicht im gebotenen Ausmaß auf die einzelnen Beschwerdepunkte im Vorbringen eingehe.

II. Rechtslage

1.       § 43 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960, idF BGBl. I Nr. 77/2019, lautet:

„§ 43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a)

wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, die zum Schutze der Straßenbenützer oder zur Verkehrsabwicklung erforderlichen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu erlassen;

b)

wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1.

dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2.

den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

c)

wenn ein erhebliches wirtschaftliches Interesse von einem oder von mehreren umliegenden Unternehmungen vorliegt, Straßenstellen für die unbedingt notwendige Zeit und Strecke für Ladetätigkeiten durch Parkverbote, wenn jedoch eine Ladetätigkeit unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Abstellflächen und deren beste Ausnützung erfahrungsgemäß durch ein Parkverbot nicht gewährleistet ist, durch Halteverbote freizuhalten (Ladezonen);

d)

für Menschen mit Behinderungen, die wegen ihrer Behinderung darauf angewiesen sind, das von ihnen selbst gelenkte Kraftfahrzeug oder ein Kraftfahrzeug, das sie als Mitfahrer benützen, in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstätte oder in unmittelbarer Nähe von Gebäuden, die von solchen Personen in der Regel häufig besucht werden, wie etwa Invalidenämter, bestimmte Krankenhäuser oder Ambulatorien, Sozialversicherungseinrichtungen u. dgl., oder in unmittelbarer Nähe einer Fußgängerzone abstellen zu können, Straßenstellen für die unbedingt notwendige Zeit und Strecke zum Abstellen der betreffenden Kraftfahrzeuge durch ein Halteverbot freizuhalten.“

2.       Die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom 8.8.2013, MA 46 – DEF/21733/2013, lautet (VGW – AS 389):

Die Verordnung wurde am 3.9.2013 durch die Aufstellung von Verkehrszeichen an der Örtlichkeit C.-Straße ONr. 28 kundgemacht (VGW – AS 215, 219, 381).

3.       Der – gegenständlich maßgebliche – Punkt 6.9. (unter der Überschrift „6. Ergebnis“) der Niederschrift vom 2.8.2013, MA 46 – DEF/21733/2013, lautet:

6. Ergebnis

[…]

6.9. In Wien, C.-Straße ONr. 28 ist im Bereich des gepflasterten Gehsteig (ab der Gehsteigauf- und -überfahrt das Halten und Parken mit Fahrzeugen aller Art von verboten, ausgenommen ist die Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen.

III. Zur Zulässigkeit des Antrags

1.   Anfechtungsumfang

1.1.    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Antrag iSd Art. 139 Abs. 1 Z 1 B-VG bzw. des Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückzuweisen, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. zuletzt VfGH 12.12.2018, V 16/2018).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa VfGH 14.6.2018, V 11/2018), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf. Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre, der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde, oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde.

1.2.    Die angefochtene Verordnungsbestimmung 6.9 bildet eine der Rechtsgrundlagen für das beim Verwaltungsgericht Wien angefochtene Straferkenntnis; das Verwaltungsgericht hat sie bei seiner Entscheidung über die Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis anzuwenden.

2.       Haupt- und Eventualanträge

2.1.    Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien ist der angefochtene Punkt 6.9 von den übrigen Verordnungsbestimmungen trennbar. Bei einer Aufhebung dieser Wortfolge würden Punkt 6.10 nach wie vor in Kraft stehen und damit ein Halte- und Parkverbot in Anschluss an die aufgehobene Ladezone bis D.-gasse weiterhin verordnet bleiben. Es fiele lediglich das Halte- und Parkverbot im Bereich des gepflasterten Gehsteigs vor ONr. 28 weg und stünde einer Neuregelung (oder Nichtregelung) offen. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof jedoch einen untrennbaren Zusammenhang zwischen den Punkten 6.9 und 6.10 der Verordnung sieht, da dieser Regelungskomplex in seiner Gesamtheit einer Neuregelung zugeführt werden müsste, wird auch diese Bestimmung in eventu angefochten.

Die Anträge gründen auf der vom Verordnungsgeber gewählten Regelungstechnik der Verweisung auf die Niederschrift zur Verhandlung. Die Eventualanträge betreffend die Feststellung, dass näher bezeichnete Wortfolgen gesetzwidrig waren, werden für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof zur Auffassung gelangen sollte, dass die angefochtene Verordnung bzw. die relevanten Teile nicht mehr in Geltung steht/stehen.

3.       Auswirkungen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes auf die anhängige Rechtssache

Sollte der Verfassungsgerichtshof antragsgemäß die angefochtene(n) Wortfolge(n) aufheben bzw. aussprechen, dass die angefochtene(n) Wortfolge(n) gesetzwidrig war(en), hätte das Verwaltungsgericht Wien mangels Strafbarkeit des dem Beschwerdeführer angelasteten Verhaltens zum Tatzeitpunkt das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Daher ist die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung im Sinne des § 57 Abs. 2 VfGG eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Verwaltungsgericht Wien anhängigen Rechtssache.

IV. Bedenken

1. Die angefochtene Bestimmung stützt sich auf § 43 Abs. 1 StVO, welcher mehrere Tatbestände zur Erlassung von Verkehrsverboten und Verkehrsbeschränkungen nennt. Die gegenständlich angefochtene Bestimmung kann sich nach Auffassung des antragstellenden Gerichts denkbar ausschließlich auf § 43 Abs. 1 lit. c StVO stützen, da für das vorliegende Halte- und Parkverbot mit Zusatztafel eine Ausnahme für Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen verordnet worden war und die Intention des Verordnungsgebers, eine Ladezone zu schaffen für in der Umgebung gelegene Gewerbetreibende als Ausgleich für im Zuge einer Neugestaltung verloren gegangene Parkplätze, von einem informierten Vertreter des Magistrats in der mündlichen Verhandlung dargelegt wurde.

2. Das Verwaltungsgericht Wien hegt das Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung nicht gesetzmäßig ist, da sie entgegen § 43 Abs. 1 lit. c StVO verordnet wurde. Die im Zuge der Verordnungserlassung dokumentierten wirtschaftlichen Interessen, erfordert es nicht, an gegenständlicher Stelle ein in keinster Weise zeitlich eingeschränktes Halte- und Parkverbot zu verhängen, um 24h jeden Wochentag - inkl. Sonn- und feiertags - diesen Bereich für Ladetätigkeiten freizuhalten.

3. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss ein „erhebliches wirtschaftliches Interesse“ von einem oder mehreren umliegenden Unternehmungen vorliegen, um Straßenstellen für die „unbedingt notwendige Zeit und Strecke für Ladetätigkeiten“ durch Halteverbote als Ladezonen freizuhalten.

Das wirtschaftliche Interesse muss sich auf die Abwicklung einer Ladetätigkeit richten. Es ist daher unzulässig, Straßenstellen deshalb zu einer Ladezone zu erklären, damit dort Fahrzeuge eines Unternehmens bereitgehalten werden

4.       Betreffend die gegenständliche Verordnung der MA 46, fand am 3.7.2013 eine Projekts-und Einbauten Besprechung bei der MA 28 statt, bei der die MA 46 zu gegenständlicher Ladezone Folgendes ausführte (VGW – AS 155):

„[…] Die Ausführung des Parkstreifens vor ONr. 24-28 in Breite von 2,0m wie von der BV gewünscht (zu Gunsten des FußgängerInnenverkehrs 2,5m) wird zur Kenntnis genommen. Nachdem davon ausgegangen wird, dass an der Örtlichkeit wieder eine Ladezone eingerichtet werden muss, ist mit temporären Einengungen für den Radverkehr zu rechnen. […]“

Die Wr. Linien erhoben jedoch in weiterer Folge Einspruch gegen den Erhalt des Längsparkstreifens in der C.-Straße ONr. 24 – 28 (VGW – AS 158).

Die Wirtschaftskammer Wien brachte wie folgt zur ggstdl. Ladezone vor (VGW – AS 158):

„Der Rückbau des Gehsteiges vor C.-Straße 24-28 ist nicht nachvollziehbar, da es sich bei der C.-Straße um eine Geschäftsstraße mit hoher Fußgängerfrequenz handelt. Eine Parkspur mit 2,0 m Breite wären diesen Abschnitt ausreichend. Im Bedarfsfall könnte eine temporäre Ladezone verordnet werden.

Die bereits jetzt bestehende Querung- und Zufahrtsrelation vor Nummer 28 zum bestehenden Betrieb muss von beiden Fahrtrichtungen aus erhalten bleiben. Auch der Kurvenradius für die Zufahrt von LKWs ist zu berücksichtigen.

Die Parkspur vor 28-30 ist unbedingt zu erhalten, da die Be- und Entladetätigkeit von großen LKWs für den dort ansässigen Betrieb nur in der C.-Straße möglich ist, und die Einfahrt in den Ladehof nicht möglich ist. Dazu muss der LKW waren nach der Einfahrt des Betriebes halten können, um dort in den Hof an zu liefern.

Am 17. Juli 2013 wurde eine Ortsverhandlung in der C.-Straße ONr. 28 durchgeführt. Aus dem zugehörigen Aktenvermerk vom 26.7.2013 ergibt sich Folgendes (VGW – AS 193):

Besprechungsteilnehmer (ohne Titel): Herr E. BV, Herr F. WKW, Atelier G.,

Besprechungsleiterin: H. K.

In der C.-Straße Fahrtrichtung stadtauswärts soll einerseits ein Mehrzweckstreifen für RadfahrerInnen eingerichtet werden und andererseits getrachtet werden, dass der MIV so lange wie möglich neben dem Gleis der Wiener Linien vor dem Stauraum L.-gasse fährt.

Vorgesehen war die Parkspur bereits am Ende der Liegenschaft C.-Straße 26 enden zu lassen, da sich jedoch im Haus C.-Straße ON 28 das Atelier G. befindet und dort ein Bedarf einer Ladezone besteht, wurde im Rahmen der Ortsverhandlung folgendes festgelegt:

Zwischen den beiden Hauseinfahrten C.-Straße ON 28 wird eine Ladezone auf Gehsteigniveau mit einer Absatzhöhe zur Fahrbahn mit 3 cm vorgesehen. Die Festlegung der Dauer der Ladezone erfolgt durch die MA 46.

Mit dem Besprechungsergebnis sind alle Teilnehmer einverstanden.“

Am 2.8.2013 fand eine Ortsverhandlung unter Leitung der MA 46 statt, an welcher der Bezirksvorsteher …, die Polizeidirektion VA, SPK …, MA 28, MA 33, MA 18, MA 48, die Wiener Stadtwerke - Wiener Linien GmbH und Co. KG, die Wirtschaftskammer Wien und MA 42 teilnahmen. Der darüber verfassten Niederschrift ist auszugsweise Folgendes zu entnehmen (VGW – AS 198 ff.):

„5. Sachverhalt:

[…] Die Situierung der Ladezone in C.-Straße in Höhe ONr. 28, die Aufhebung der Spitzenzeiten Halteverbote in Höhe ONr. 24 bis ONr. 30 für den Straßenbahnbetrieb, […] wurde bereits zwischen den Fachdienststellen und der MD-BD Gruppe Tiefbau im Vorfeld der gegenständlichen Ortsverhandlung abgeklärt. […]“

Nach Aufnahme der erforderlichen Stellungnahmen wurde folgendes Ergebnis im Sinne der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs einhellig erzielt.

6. Ergebnis:

[…]

6.9. In Wien, C.-Straße ONr. 28 ist im Bereich des gepflasterten Gehsteig (ab der Gehsteigauf- und -überfahrt das Halten und Parken mit Fahrzeugen aller Art von verboten, ausgenommen ist die Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen.

6.10. In Wien, C.-Straße von ONr. 28 ist im Anschluss an die unter Punkt 6.9. verordnete Ladezone bis D.-gasse das Halten und Parken mit Fahrzeugen aller Art von verboten.

5.       Das bisherige Beschwerdeverfahren hat unter Einbeziehung des Verordnungsaktes und der Einvernahme eines informierten Vertreters der MA 46 sowie weiterer Zeugen ergeben, dass gegenständliche Ladezone in erster Linie aufgrund der Notwendigkeit von Ladetätigkeiten des bei Antragstellung dort situierten Ateliers G. verordnet worden war. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Aktenvermerk vom 26.7.2013, wo nur dieses Atelier für den Bedarf einer Ladezone genannt wird, dem Vorbringen der Wirtschaftskammer Wien, welche noch den Erhalt der Parkspur vor ONr. 28 forderte, um die Be- und Entladetätigkeit von großen Lkw für den dort ansässigen Betrieb – nämlich das Atelier - zu ermöglichen und dem Umstand, dass das Atelier als Antragsteller auch die Kosten tragen musste, wie dies vom Zeugen M. P., einem Eigentümer dieser Firma in der mündlichen Verhandlung ausgesagt wurde (VGW – AS 325). Das Verwaltungsgericht geht angesichts der Aussagen dieses Zeugen, dass die Ladezone vornehmlich für Heizöllieferungen, welche meistens um 6:00 Uhr in der Früh stattfanden und für tägliche Holzlieferungen der Firma R., welche zwischen 6:00 Uhr bis spätestens 18:30 Uhr abends eintrafen, benötigt wurden, davon aus, dass bereits bei Erlassung der Verordnung diese grob überschießend war, weil unter Zugrundelegung dieser Fakten kein erhebliches wirtschaftliches Interesse für ein Halte- und Parkverbot außerhalb dieser Lieferzeiten bestand. Auch gestand der Zeuge zu, dass die Betriebszeiten lediglich Montag bis Freitag waren und ausnahmsweise übers Wochenende ein Container abgestellt war, der dann geladen wurde. Für solche Containerabstellungen, sind jedoch nach Meinung des Gerichtes im Sinne einer Interessenabwägung zwischen dem wirtschaftlichen Interesse des Betriebes und jenem der übrigen Straßenbenützer am Vorhandensein von Parkraum von der Firma temporäre Genehmigungen für die Dauer der Abstellungen einzuholen und nicht eine permanente Ladezone inkl. Samstag, Sonn- & feiertags zu verordnen. Selbst wenn der informierte Vertreter der MA 46 geltend macht, dass zum Zeitpunkt der Kundmachung dieser Verordnung das erhebliche wirtschaftliche Interesse von anderen umliegenden Unternehmungen mitberücksichtigt wurde, so ist einerseits festzuhalten, dass dieses im Verordnungsakt in keinster Weise dokumentiert wurde und andererseits auch in diesen Fällen es zweifelhaft wäre, dass diese nicht genannten Unternehmungen ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an einer permanenten Ladezone, welche auch die Nachtstunden, Samstage und Sonn- und Feiertage umfasst, hätten belegen können. Auch lässt der letzte Satz des Aktenvermerks der MA 28 vom 26.7.2013 (VGW – AS 193) – „Die Festlegung der Dauer der Ladezone erfolgt durch die MA 46.“ - vermuten, dass von Behördenseite zu diesem Zeitpunkt noch sehr wohl von einer beschränkten Dauer des Halte- und Parkverbots ausgegangen wurde.

6.       Hinzu tritt nun der Umstand, dass das Atelier G. nach Aussage des zeugenschaftlich einvernommenen Eigentümers bereits 2017 den Standort C.-Straße aufgegeben hatte und nach dem Tod der Mutter des Zeugen amtswegig aufgelöst wurde, weshalb zum Zeitpunkt der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Abstellung am 25.1.2020 gegen 19:33 Uhr ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Antragstellers an der Aufrechterhaltung der Ladezone in mehrfacher Hinsicht nicht gegeben sein konnte.

7.       Das Verwaltungsgericht Wien hat auch Ermittlungen dahingehend angestellt, ob in jüngerer Zeit hinzutretende umliegende Unternehmungen jene überschießende verordneten Zeiträume in der Nacht und Samstag, Sonn- und feiertags unbedingt benötigen würden und hat hierfür Vertreter des Hotelbauvorhabens (S. GMBH), welches die Liegenschaft von der Fa. G. übernommen hat und der anrainenden Firma T. (ONr. 26) zeugenschaftlich einvernommen. Aufgrund der Bauarbeiten am Hotel argumentierte der Vertreter von S., dass überbreite Baumaschinen nur in den Nachtstunden mit Sondergenehmigungen zu Baustelle gebracht werden dürfen. Auch dieses Vorbringen rechtfertigt jedoch nicht die durchgehende Ladezone, weil für Baumaschinen, die in der Regel einmalig angeliefert werden und Baustelleneinrichtungen temporäre Abstellgenehmigungen einzuholen sind und diese daher ein durchgehendes Halte- und Parkverbot für Ladetätigkeiten nicht zu rechtfertigen vermögen. Außerdem muss das wirtschaftliche Interesse sich auf die Abwicklung einer Ladetätigkeit richten. Es ist daher unzulässig, Straßenstellen deshalb zu einer Ladezone zu erklären, damit dort Baufahrzeuge einmalig abgeladen, bereitgehalten oder betrieben werden (vgl. Pürstl, StVO13 (2011) § 43 Anm 10).

8.        Ebenso wenig konnte der Vertreter der Firma T. ein erhebliches wirtschaftliches Interesse darlegen, wenn er behauptete, dass die Firma für exklusive Kunden auch des nächtens und Sonn- und feiertags Sondertermine vereinbare, bei denen sie Wertgegenstände vom Depot abholen bzw. hinbringen lasse und dafür aus Sicherheitsgründen permanent eine freie Ladezone für die Panzerwägen benötigen würde, weil selbst die Existenz einer Ladezone garantiert nicht, dass diese immer frei ist, weil auch andere dort einen Ladetätigkeit nachgehen dürfen und nach Meinung des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei der Gewährung von Sonderterminen für exklusive Kunden, welche auch des nächtens und an Sonn- und Feiertagen auf Wunsch durchgeführt werden, keinesfalls um ein erhebliches wirtschaftliches Interesse der Firma T., sondern um gelegentliche Gefälligkeiten bestimmten Kunden gegenüber.

9.       In der mündlichen Verhandlung führte der informierte Vertreter der MA 46 ins Treffen, dass die Firma G. für die Heizölabschlauchung ohnehin nur temporäre Genehmigungen erhalten hätte und nur aufgrund des Umstandes, dass sie die nunmehrige Ladezone mit anderen Gewerbetreibenden mitnutze und sich bereit erklärt habe die Kosten zu tragen, namentlich im Verordnungsakt aufscheine (VGW – AS 321). Auch diese Aussage belegt, dass die zu prüfende Verordnung bereits vor Absiedelung der Fa. G. überschießend war.

Wenn der informierte Vertreter der MA 46 in der hg. mündlichen Verhandlung behauptet, dass es die Aufgabe der Wirtschaftskammer war, im Verordnungserlassungsverfahren den Ladebedarf der im Nahebereich befindlichen Unternehmungen darzulegen, ist daraus für den Standpunkt der MA 46 nichts zu gewinnen, weil die Wirtschaftskammer Wien nachweislich nur den Ladebedarf der Firma G. geltend gemacht hatte und zudem die Verordnung einer lediglich temporären Ladezone im Bedarfsfall anregt (VGW – AS 158 f.).

Wenn der informierte Vertreter der MA 46 in der hg. mündlichen Verhandlung behauptet, dass aufgrund der Umgestaltung der C.-Straße bei der Verordnung der Ladezone weggefallene Lademöglichkeiten von umliegenden Gewerbetreibenden mitabgedeckt würden und deren Wirtschaftlichkeit und Erforderlichkeit im Vorgängerakt mit der Aktenzahl V9/3117/1987 geprüft worden wäre, so ist dazu festzuhalten, dass die MA 46 diesen Akt dem Verwaltungsgericht Wien vorgelegt hat und aufgrund der Einsichtnahme feststeht, dass bspw. die im Vorakt aufscheinenden Spitzenhalteverbote im Bereich der C.-Straße ONr. 2-4, 6-8 und 24-30 zeitlich stark eingeschränkt waren auf werktags von 7.00 - 19.00 Uhr, ausgenommen Zustelldienste von 9.00–16.00 Uhr (MA 46 – V 9/3117/87 – AS 1). Auch in der Niederschrift vom 30.11.1987 finden sich für die fraglichen Bereiche Halteverbote mit temporären Einschränkungen Mo-Fr (wt) von 7.00–19.00 Uhr, ausgen. Zustelldienste v. 9.00-15.00 Uhr (MA 46 – V 9/3117/87 – AS 8). Eine allfällige Mitberücksichtigung der dahinterstehenden wirtschaftlichen Interessen, kann somit undenkbar eine Ausdehnung des Halte- & Parkverbots ausgenommen Ladetätigkeiten auf Sonn- & Feiertage bzw. auf die Nachtstunden begründen.

10.      Es ist unzulässig, ohne zwingenden Grund einen ganzen Straßenzug zur Ladezone zu erklären oder eine Straßenstelle ganztägig für Ladetätigkeiten freizuhalten (Pürstl, StVO13 (2011) § 43 Anm 11). Die mit der angefochtenen Verordnungsbestimmung erlassene Verkehrsmaßnahme hält jedoch ohne zwingenden Grund eine Straßenstelle ganztägig für Ladetätigkeiten frei. Sie ist nach Auffassung des antragstellenden Verwaltungsgerichts nicht in § 43 Abs. 1 lit. c StVO entsprechender Weise erforderlich und daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Schlagworte

Ladezone; Ladetätigkeiten mit Lastfahrzeugen; Halte- und Parkverbot; erhebliches wirtschaftliches Interesse; unbedingt notwendige Zeit und Strecke für Ladetätigkeiten; Interessensabwägung; Verkehrsverbot; Verkehrsbeschränkung;

Anmerkung

VfGH v. 1.3.2022, V 239/2021; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.068.7051.2020.30

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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