TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/16 LVwG 43.19-2411/2020

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Veröffentlicht am 16.03.2021
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Entscheidungsdatum

16.03.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §360

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Schermann über die Beschwerde der A B GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. C D, Kgasse, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 10.08.2020, GZ: BHGU-168693/2019-44,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) iVm § 360 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 (im Folgenden GewO) wird der Beschwerde

Folge gegeben

und der bekämpfte Bescheid behoben.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Sachverhalt

1. Mit dem bekämpften Bescheid hat die belangte Behörde die A B GmbH verpflichtet, beim Betrieb des gewerberechtlich genehmigten Getreidesilos samt Mühle auf dem Standort R, Emgasse (GSt. Nr. ****, **** und ****, alle KG R) den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand dadurch herzustellen, dass nachstehende Anordnungen verpflichtend zu befolgen seien:

„1. Es ist unverzüglich jeglicher Betrieb der oben angeführten Betriebsanlage außerhalb der unter Punkt I beschriebenen Betriebszeiten zu unterlassen.

2. Es dürfen weder mehr als die genehmigten 14 LKW-Fahrbewegungen (je eine Zu- und Abfahrt = 28 Fahrbewegungen) zu der Betriebsanlage vorgenommen, noch solche außerhalb der jeweils genehmigten Betriebszeiten des Punktes I.3 mit Ausnahme der Zu- und Rückfahrten des Punktes I. 7. durchgeführt werden.“

Diese Anordnungen stützen sich auf § 333 und § 360 Abs 1 Gewerbeordnung. Anschließend an diese Anordnungen wurde von der belangten Behörde eine „Zusammenfassung des genehmigten Bestandes in Grundzügen“ unter I. 1. bis I.13. dargelegt. In der Begründung erfolgte eine Auflistung der für die gegenständliche Betriebsanlage vorliegenden gewerberechtlichen Genehmigungen, beginnend mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26.07.1960, GZ: 4Sch 80-2-1960, bis zum Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 25.05.2018, GZ: BHGU-119941/2017. Weiters wurde begründend ausgeführt, dass mit Eingaben vom 31.10.2019 und 23.01.2020 mehrere Anzeigen einer Nachbarin vorgebracht worden seien, dass durch den Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage Lärmimmissionen hervortreten würden und auch LKW-Manipulationen während der Nacht stattfänden. Es sei in der Folge ein schalltechnisches Gutachten eingeholt worden und in weiterer Folge gemäß § 360 Abs 1 GewO 1994 auf Grundlage des schalltechnischen Gutachtens am 03.04.2020 eine Verfahrensanordnung mit sinngemäßem Inhalt des Spruches erlassen und der A B GmbH nachweislich am 07.04.2020 zugestellt worden. Mit Anzeigen eines Nachbarn vom 28.07.2020 und 29.07.2020 sowie einer Nachbarin vom 30.07.2020, welche detaillierte Aufzeichnungen über Uhrzeit und Anzahl der durchgeführten Fahrbewegungen sowie eine Vielzahl an Lichtbildern enthalten hätte, sei der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht worden, dass die A B GmbH weder die unter Punkt I genehmigten Betriebszeiten, noch die Anzahl der genehmigten LKW-Fahrbewegungen einhalte. Aufgrund dieser Anzeigen habe festgestellt werden können, dass die A B GmbH der am 03.04.2020 verfügten Verfahrensanordnung nicht Folge geleistet habe. Die Ausweitung der Betriebszeiten und die Zunahme weiterer LKW-Fahrbewegungen sei geeignet, die Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO, insbesondere der Tatbestände nach Z 1 und Z 2 leg cit, zu beeinträchtigen und stellten daher diese Tätigkeiten eine genehmigungspflichtige Änderung gemäß § 81 Abs 1 GewO dar. Zudem sei auf den von den Nachbarn übermittelten Lichtbildern ersichtlich, dass in Folge der Hinzunahme von weiteren LKW-Fahrbewegungen stellenweise LKW, welche zur Betriebsanlage zufahren, auf der Landesstraße warten müssten und werde somit die Leichtigkeit und Flüssigkeit des öffentlichen Verkehrs beeinträchtigt. Es wurde weiters Bezug genommen auf ein anhängiges Betriebsanlagenänderungsverfahren zu GZ: BHGU-78841/2020, welches auf die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands abziele, jedoch im vorliegenden Fall die Vorschreibung der im Spruch angeführten Maßnahmen nicht hindere.

2. In der rechtzeitig gegen diese Entscheidung vorgebrachten Beschwerde wurde vorgebracht, dass die sich aus betrieblichen Erfordernissen ergebenden Zu- und Abfuhren von Getreide und Getreideprodukten mittels LKW sowohl hinsichtlich ihrer Anzahl, als auch hinsichtlich ihrer zeitlichen Durchführung bis heute rechtmäßig und konsensgemäß vorgenommen werde; es wurde im Konkreten auf die Bescheide vom 26.07.1960, 31.10.1968, 21.10.1987 und 21.10.1996 Bezug genommen. Weiters wurde ausgeführt, dass sich bescheidmäßige Einschränkungen der Betriebszeiten, das würde heißen entweder im Spruch des Bescheides oder in den Auflagen des jeweiligen Bescheides enthaltene Betriebszeiten aus den Bescheiden vom 07.10.2009, 01.04.2010 und 25.05.2011 ergäben; die sich daraus ergebenden Betriebszeiten der dort genannten Anlagenteile würden jedoch von der Beschwerdeführerin eingehalten. Eine Beschränkung der Anzahl von Fahrbewegungen fände sich in keinem einzigen Bescheid im Spruch oder in den Betriebsbeschreibungen sondern ausschließlich als Berechnungsgrundlage im Nachweis des Dr. E F vom 29.06.1987 im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu GZ: 4.1Sch 54-1987, welche in keinem Bescheid im Spruch eindeutig bezeichnet worden wäre. Unter der GZ: BHGU-78841/2020 sei seitens der Beschwerdeführerin bereits ein Genehmigungsverfahren anhängig gemacht worden, welches die zahlenmäßige Festsetzung der erlaubten Fahrbewegungen und eine Neufestsetzung der Betriebszeiten zum Ziel habe. Das Projekt enthalte eine Vielzahl von Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung von Lärmemissionen. Es wurde gerügt, dass der bekämpfte Bescheid nicht so klar gefasst sei, dass dieser dem Verpflichteten jederzeitig die Grenzen seines Verhaltens zweifelsfrei erkennen lasse. Die im Anordnungsbescheid verwendete Wortfolge „außerhalb der unter Punkt I beschriebenen Betriebszeiten“ sei zu unbestimmt, weil unter Punkt I des Bescheides nur eine Aneinanderreihung von Auszügen oder Zusammenfassungen von Vorbescheiden und die Wiedergabe von Berechnungsgrundlagen des Nachweises Dr. E F im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu GZ: 4.1Sch 54-1987 enthalten seien. Die Behörde selbst bezeichne den Inhalt des Punktes I. des Bescheides mit einer Zusammenfassung „in Grundzügen“. Der Bescheid sei daher formell rechtswidrig. Weiters wurde gerügt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe darzustellen, dass die am 28., 29. und 30.07.2020 angezeigten Fahrbewegungen auch tatsächlich stattgefunden hätten und sei die Bescheidbegründung auch in jenem Punkt unzureichend geblieben, in dem die Behörde bloß ausführe, dass Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der in § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen bestünden, ohne darzulegen, worin diese Bedenken bestünden. Die belangte Behörde begründe ihren Verdacht einer Übertretung des § 366 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 GewO mit der Anzeige der Nachbarin (Frau Esterl) von LKW-Fahrbewegungen „außerhalb der für LKW-Fahrbewegungen relevanten Betriebszeit“; damit rücke in den Mittelpunkt der Relevanzbetrachtung die Frage, was unter „für LKW-Fahrbewegungen relevanten Betriebszeit“ und unter „Überschreitung der genehmigten LKW-Fahrbewegungen“ zu verstehen sei. Im Ergebnis sei die Durchführung jeglichen Betriebs inklusive LKW-Fahrbewegungen einer genehmigten Betriebsanlage zu Betriebszeiten, die nicht ausdrücklich im Spruch als Auflage oder in einem Spruchbestandteil gewordenen Betriebsbeschreibung eines Bescheides eingeschränkt worden sei, zulässig und sei daher nicht geeignet, den Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 GewO zu rechtfertigen. Bestehe aber ein gerechtfertigter Verdacht der Übertretung des § 366 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 GewO nicht, so sei es rechtswidrig darauf aufbauend einen Bescheid nach § 360 Abs 1 GewO zu erlassen. Es wurde beantragt der Beschwerde Folge zu geben und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben.

3. Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes führte die belangte Behörde aus, dass das Änderungsgenehmigungsverfahren zu GZ: BHGU-78841/2020 noch nicht abgeschlossen ist und auch ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 366 Abs 1 Z 3 GewO noch anhängig ist.

4. Verfahrenswesentliche Feststellungen:

Die A B GmbH betreibt auf dem Standort R, Emgasse, GSt. Nr. ****, **** und ****, KG R, eine gewerbliche Betriebsanlage – Getreidemühle samt Silos. Für diese Anlage liegen zahlreiche gewerberechtliche Betriebsanlagenbescheide vor, die in der Begründung der bekämpften Entscheidung aufgelistet sind, beginnend mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 26.07.1960, GZ: 4Sch 80-2-1960, bis zum Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 25.05.2018, GZ: BHGU-119941/2017. Ein Änderungsgenehmigungsverfahren ist dzt. (noch) bei der belangten Behörde zu GZ: BHGU-78841/2020, das Fahrbewegungen und Betriebszeiten zum Gegenstand hat, anhängig.

Am 31.10.2019 und 23.01.2020 hat sich eine Nachbarin wegen unerträglichen Lärms ausgehend von dieser Betriebsanlage bei der belangten Behörde beschwert. Die Lärmimmissionen würden rund um die Uhr auftreten; bemerkt worden seien auch Geräusche durch Manipulationen („Abladen“) um 04.30 Uhr.

Die belangte Behörde hat den lärmtechnischen Amtssachverständigen beauftragt eine örtliche Erhebung und Schallpegelmessungen durchzuführen. Aus der lärmtechnischen Stellungnahme vom 18.03.2020 ergibt sich, dass der Mühlenbetrieb im nördlich der Betriebsanlage gelegenen Siedlungsgebiet Hstraße und beim östlich gelegenen Wohnhaus Bstraße wahrnehmbar ist und die örtlichen Verhältnisse im Bereich des Basispegels deutlich verändern. Es konnten auch Ladetätigkeiten, die im Nachtzeitraum stattfanden, festgestellt werden. Die belangte Behörde hat sodann mit Schreiben vom 03.04.2020 folgende Verfahrensanordnung erlassen:

„Da daher der Verdacht besteht, dass eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung geändert und nach der Änderung betrieben wird (§ 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994) ergeht nunmehr folgende

Verfahrensanordnung:

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 wird die A B beim Betrieb des Getreidesilos samt Mühle auf dem Standort Gst.Nr. ****, KG **** R (Adresse: R, Emgasse) aufgefordert, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand unverzüglich ab Zustellung dieser Verfahrensanordnung dadurch herzustellen, dass

?  jeglicher Betrieb außerhalb der unter Punkt I. beschriebenen Betriebszeiten einzustellen ist und

?  keine weiteren LKW-Fahrbewegungen mehr außerhalb der Betriebszeiten des Punkt I.3., mit Ausnahme der Rückfahrten des Punktes I. 7., zu der Betriebsanlage vorgenommen werden dürfen,

widrigenfalls die bescheidmäßige Anordnung geeigneter Maßnahmen verfügt wird.

Aus hieramtlicher Sicht bestehen Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen und bleibt daher die Bestimmung des § 360 Abs. 1a GewO 1994 unangewendet.“

Der Verfahrensanordnung vorangestellt war eine Auflistung der Betriebsanlagenbescheide für den verfahrensgegenständlichen Standort und unter Punkt I der „Genehmigter Bestand (Zusammenfassung der wichtigsten Genehmigungen in Grundzügen)“, mit den Unterpunkten 1. bis 13.. Diese Auflistung und Untergliederung entspricht jene unter Punkt I. im bekämpften Bescheid angeführten. Am 28.07.2020 beschwerte sich ein Nachbar wegen nicht konsensgemäßen Betriebes bei der Fmühle. Es seien bis 20.00 Uhr LKW entladen worden und seien heute bis 08.30 Uhr bereits 10 LKW abgefertigt worden. Am 29.07.2020 wurde diese Beschwerde konkretisiert und ausgeführt, dass die Betriebszeiten für die Entladung am 27.07.2020 bis kurz vor 20.00 Uhr angedauert hätten. Mit weiterer Eingabe vom 29.07.2020 führte derselbe beschwerdeführende Nachbar aus, dass die Betriebszeit in Bezug auf die Entladung am 28.07.2020 eingehalten worden seien und habe er im Zeitraum von 08.55 Uhr bis 09.31 Uhr Aufzeichnungen geführt, aus denen sich errechnen ließe, dass die Anzahl der dokumentierten LKW 38 betrage. Dieser Mitteilung waren 3 Fotos angeschlossen auf denen abgestellte LKW und ein abgestellter Traktor mit Anhänger ersichtlich sind. Am 30.07.2020 legte eine Nachbarin Aufzeichnungen inklusive Mediendateien bezüglich der Anzahl der Anlieferungen von 06.00 Uhr bis 11.15 Uhr am 30.07.2020 vor, einschließlich zahlreicher Fotos und ersuchte die konsenslose Nutzung einstellen zu lassen. Die belangte Behörde hat in der Folge den nunmehr bekämpften Bescheid erlassen.

Die Feststellungen gründen sich auf den von der belangten Behörde vorgetragenen Verfahrensakt, die sich deckenden Ausführungen der Beschwerdeführerin und den gerichtlichen Verfahrensakt.

II. Bei der Entscheidung, die gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlich, mündlichen Verhandlung getroffen werden kann, sind folgende Rechtsvorschriften maßgebend:

§ 360 Abs 1 GewO:

„(1) Besteht der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3, so hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 79c oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.“

§ 366 Abs 1 Z 3 GewO:

„(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht, wer

                           

      3. eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f);“

§ 74 Abs 2 GewO:

„(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

      1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

      2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

      3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

      4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

      5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.“

§ 81 Abs 1 GewO:

„(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.“

III. Rechtliche Beurteilung:

§ 360 Abs 1 GewO sieht ein stufenweises Vorgehen der Behörde vor: Bei Verdacht einer entsprechenden Verwaltungsübertretung ist ein Gewerbeausübender bzw. Anlageninhaber zunächst mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes aufzufordern (Satz 1); wird dieser Aufforderung nicht nachgekommen, sind mittels Bescheid die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung dieses Zustandes zu verfügen (Satz 2). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass „nach dem Wortlaut des § 360 Abs 1 GewO 1994 zwischen dem vom Anlageninhaber zu setzenden Verhalten und den von der Behörde zu verfügenden Maßnahmen zu unterscheiden ist. Sache des Anlageninhabers ist es, den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen und zwar auf die von ihm zu wählende Art und Weise, das heißt mit den von ihm zu wählenden Maßnahmen. Tut er dies nicht innerhalb der gesetzten Frist, so hat die Behörde die zur Erreichung des Sollzustandes notwendigen Maßnahmen (bescheidmäßig) zu verfügen. In der Verfahrensanordnung sind daher nicht bereits die Maßnahmen, wohl aber der Sollzustand und zwar so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat“ (siehe ua. VwGH 16.07.1996, 96/04/0062). Die Verfahrensanordnung gemäß § 360 Abs 1 GewO erschöpft sich daher in der Bekanntgabe der Rechtsansicht der Behörde über das rechtswidrige Verhalten des Anlageninhabers. Zwar hat die Behörde in diesem Verfahrensstadium noch keine konkrete Maßnahme zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes vorzuschreiben, doch muss der Verpflichtete der Verfahrensordnung unzweifelhaft entnehmen können, welcher Verwaltungsübertretung er verdächtigt wird und welches Ergebnis er innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist zu bewirken hat. Mit der Verfahrensanordnung ist sohin die Sollordnung klar und deutlich zu beschreiben. Dies bedeutet für den Fall einer Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, dass jedenfalls die Genehmigungsbescheide anzuführen sind und die konkreten Abweichungen vom Genehmigungsbescheid im Detail dargelegt werden sowie weiters, dass sich aus der Verfahrensanordnung ergibt, aus welchen Erwägungen heraus die konkreten Abweichungen überhaupt genehmigungspflichtig sind. Der Verfahrensanordnung muss auch weiters entnommen werden können, warum im konkreten Fall nicht § 360 Abs 1a GewO zur Anwendung kommt. Aufgrund der untrennbaren Verbindung mit der nachfolgenden bescheidmäßigen Anordnung konkreter Maßnahmen ziehen Mängel in der Verfahrensanordnung, deren Nichteinhaltung ja sonst nicht weiter sanktioniert ist, die Rechtswidrigkeit des Bescheides nach sich ziehen.

Die Verfahrensanordnung vom 03.04.2020 erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht. Die Verfahrensanordnung hätte jedenfalls die Abweichungen des Sollzustandes konkret darlegen müssen. Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, jene konkreten Abweichungen vom Genehmigungsbescheid im Detail darzulegen. Aus den von der belangten Behörde angeführten „in Grundzügen erfolgten Zusammenfassung der wichtigsten Genehmigungen“ ergibt sich, dass unterschiedliche Betriebszeiten für unterschiedliche Anlagenteile und Tätigkeiten vorgeschrieben sind. Die Behörde hätte daher darzulegen gehabt, welche konkreten Betriebszeiten welcher Anlagenteile und/oder welche Tätigkeiten nicht eingehalten wurden. Gleiches gilt für die LKW-Fahrbewegungen. Wie die belangte Behörde ausführte, ergibt sich aus dem lärmtechnischen Nachweis Dr. E F GmbH vom 27.07.1994, welcher laut Ausführungen der belangten Behörde Bestandteil des Spruches des Bescheides der belangten Behörde vom 21.10.1996, GZ: 4.1Sch 54-1987, ist, dass die genehmigten täglichen Fahrbewegungen verschiedenen Anlagenteilen zugeordnet sind. Es hätte daher einer konkreten Darlegung bedurft, welche Fahrbewegungen welcher Anlagenteile nicht konsensgemäß erfolgten und weiters, weshalb gerade diese Abweichung, welche konkreten Schutzinteressen des § 74 Abs 2 GewO zu gefährden oder beeinträchtigen geeignet ist. Es ist zusammenfassend daher nicht klar, welche Betriebszeiten welcher konkreten Anlagenteile bzw. Tätigkeiten, welche konkreten Fahrbewegungen welcher Anlagenteile nicht eingehalten worden seien; dieser Mangel in der Verfahrensanordnung setzt sich im angefochtenen Bescheid fort. Der normative Gehalt der verba legalia „der der Rechtsordnung entsprechende Zustand“ ist lediglich der „contrarius actus“ der festgestellten Zuwiderhandlung; es bedarf daher einer eindeutigen, klaren Feststellung des rechtswidrigen Verhaltens. Da die Verfahrensanordnung bereits mangelhaft ist, entsprechen die Vorschreibungen der Maßnahmen im angefochtenen Bescheid nicht den gesetzlichen Erfordernissen; es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verfahrensanordnung, Umschreibung, Änderung einer Betriebsanlage, Abweichungen vom Genehmigungsbescheid, Erwägungen der Behörde, untrennbare Verbindung zur bescheidmäßigen Anordnung, Mängel in der Verfahrensanordnung, Rechtswidrigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.43.19.2411.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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