TE Lvwg Erkenntnis 2021/8/24 LVwG-2021/25/2190-1

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Veröffentlicht am 24.08.2021
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Entscheidungsdatum

24.08.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb am xx.xx.xxxx, wohnhaft Adresse 1, **** Z, vertreten durch die Anwaltssocietät BB, Adresse 2, **** Y, vom 13.08.2021, gegen den Zurückweisungsbescheid der Landespolizeidirektion Tirol vom 16.07.2021, GZ: ***, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Die Erstbehörde hat gemäß § 49 Abs 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Strafverfügung vom 25.05.2021 wurde AA folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über sie verhängt:

„1.                                 Datum/Zeit: 20.05.2021, 20:58 Uhr

Ort:                               **** Z, Adresse 3

Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: xx-xxxxx (D)

Sie haben als Benutzer eines Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen dieses länger als 1 Monat nach der erstmaligen Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich verwendet, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG ist nur während eines Monats ab ihrer erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Das KFZ wurde am - im Oktober 2020 - erstmalig in Österreich eingebracht. Sie haben Ihren Hauptwohnsitz in Österreich und haben das KFZ zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort verwendet.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 82 Abs. 8 2ter Satz KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

 

Geldstrafe von

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

Vormerksdelikt

1.

200,00

1 Tage(n) 16 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz (KFG) idgF

Nein

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt nach Berücksichtigung bereits

geleisteter Zahlungen daher

€ 200,00“

Dieses Schriftstück wurde Frau A durch Hinterlegung zugestellt. Dagegen richtet sich der Einspruch der Rechtsvertretung der Beschuldigten, der mit 15.06.2021 datiert ist und am 15.06.2021 per E-Mail und am 16.06.2021 per eingeschriebenem Brief an die Erstbehörde übermittelt wurde. In der Erwiderung der Rechtsvertretung zum behördlichen Verspätungsvorhalt wird ausgeführt, dass die Abholfrist nicht am 01.06.2021, sondern am 02.06.2021 begonnen hätte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom 16.07.2021 wird der Einspruch vom 16.06.2021, übermittelt am 15.06.2021 um 16:52 Uhr per E-Mail, gegen die Strafverfügung vom 25.05.2021 gemäß § 49 Abs 1 VStG als verspätet zurückgewiesen. Begründet wird diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Strafverfügung laut Zustellnachweis und Aufzeichnungen der Post am 01.06.2021 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, womit die Abholfrist ab diesem Tag begonnen hätte. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe deshalb an diesem Tag begonnen und am 15.06.2021 geendet. Der Einspruch sei jedoch erst am 16.06.2021 eingebracht worden und damit verspätet gewesen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde von AA, in welcher diese Aktenwidrigkeit der bekämpften Entscheidung vorbringt und den Bescheid in seinem gesamten Umfang anficht. Sie führt aus, sie habe am 04.06.2021 die hinterlegte Strafverfügung übernommen. Auf dem RSa-Brief sei der Beginn der Abholfrist handschriftlich mit 02.06.2021 datiert worden. Der Einspruch gegen die Strafverfügung sei am 15.07.2021 per E-Mail und am 16.07.2021 per eingeschriebenem Brief erfolgt. Entgegen der von der belangten Behörde vertretene Meinung, dass die Strafverfügung am 01.06.2021 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, weil laut der vorliegenden Dokumentation des Zustelldienstes das Schriftstück ab 01.06.2021 zur Abholung bereitgehalten worden wäre, sei auf dem RSa-Brief der Beginn der Abholfrist eindeutig mit 02.06.2021 vermerkt. Dies ergäbe sich aus dem schriftlich Vergleich zu anderen Feldern, in denen die Zahl 2 geschrieben ist. Die Schreibweise der Zahl 1 des Postboten beschränke sich auf einen einfachen Strich, die Zahl 2 sei klar an der geschwungenen Form zu erkennen. Wenn am Rückscheinbrief der 02.06.2021 als Beginn der Abholfrist vermerkt sei, habe es die Beschwerdeführerin genauso verstehen dürfen. Eine womöglich fehlerhafte Notierung der Abholfrist durch den Postboten könne nicht zu ihren Lasten gehen. Es werde deshalb Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt, in eventu Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in eventu Abänderung des Straferkennntnisses durch Absehen der Verhängung einer Strafe und Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Änderung des Straferkenntnisses durch Herabsetzung der verhängten Strafe.

II.      Sachverhalt:

Die Strafverfügung der belangten Behörde vom 25.05.2021 wurde AA durch Hinterlegung zugestellt. Da der Zustellversuch am 01.06.2021 erfolglos blieb, kam es zu einer Hinterlegung des Dokuments bei der Postgeschäftsstelle **** Z, Adresse 4. Dort wurde es von der Empfängerin am 04.06.2021 behoben. In der in die Abgabeeinrichtung eingelegten Hinterlegungsanzeige wird die Abholfrist mit 01.06.2021 bis 21.06.2021 angeführt. Auf dem der Beschwerdeführerin ausgefolgten Schriftstück ist handschriftlich der Beginn der Abholfrist mit 02.06.2021 eingetragen. Gegen diese Strafverfügung richtet sich der mit 15.06.2021 datierte Einspruch, welcher von der Rechtsvertretung von Frau A am 15.06.2021 um 16:52 Uhr an die belangte Behörde per E-Mail gesendet und am 16.06.2021 per eingeschriebenem Brief übermittelt wurde.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Landespolizeidirektion Tirol. Die in diesem Verfahren aufgeworfene Frage besteht darin, ob die Abholfrist für die hinterlegte Strafverfügung vom 25.05.2021 am 01. oder 02.06.2021 zu laufen begonnen hat. In der in der Abgabeeinrichtung hinterlegten Hinterlegungsanzeige ist die Abholfrist mit 01.06. bis 21.06.2021 angeführt. Daraus ergibt sich weiters, dass am 01.06.2021 die Verständigung in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde. Wenn dies so der Fall war und am selben Tag das Schriftstück bereits abholbereit gewesen wäre, hätte naheliegender Weise angekreuzt werden müssen, dass dieses „heute ab 16.30 Uhr“ abholbereit wäre. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, sondern in der bereits vorgedruckten Verständigung die Abholfrist mit 01.06. bis 21.06.2021 angeführt. Am hinterlegten Schriftstück ist für einen unbefangenen Leser die Handschrift des Postboten so zu lesen, dass der Beginn der Abholfrist mit 02.06.2021 beginnt, was auch schlüssig dahingehend ist, nachdem das Schriftstück nicht ab 16.30 Uhr des 01.06.2021 abholbereit war. Die Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich der handschriftlichen Schreibweise des Postboten ist nachvollziehbar; der Postbote schreibt die Zahl 1 mit einem senkrechten Strich ohne irgendeine Schwingung (2021) und beim Tag des Monats Juni ist eine geschwungene Form zu erkennen, die sich klar von der Zahl 1 der Jahreszahl unterscheidet. Es war deshalb festzustellen, dass auf dem hinterlegten Schriftstück der Beginn der Abholfrist mit 02.06.2021 eingetragen war.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes maßgeblich:

„§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“

V.       Erwägungen:

Im gegenständlichen Fall ergibt sich in der Dokumentation bezüglich des Beginnes der Abholfrist eine Divergenz zwischen der Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments und der Eintragung am hinterlegten und der Empfängerin ausgefolgten Dokument. Die Hinterlegungsanzeige führt den 01.06.2021 als Beginn der Abholfrist an, das hinterlegte Schriftstück den 02.06.2021. Mit der Abholung des Dokuments gab die Empfängerin die Verständigung über die Hinterlegung bei der Postfiliale ab und erhielt dafür das hinterlegte behördliche Schriftstück. Für Berechnung der Einspruchsfrist verfügte sie sodann nur mehr über das Kuvert der Strafverfügung, auf dem der Beginn der Abholfrist mit 02.06.2021 eingetragen war. Beizupflichten ist der Beschwerdeargumentation, dass die Beschuldigte diese Eintragung des Zustellorganes als maßgeblich erachten durfte und der Fall einer fehlerhaften Notierung durch das Zustellorgan nicht zu ihren Lasten gehen kann.

Nachdem Frau A die Strafverfügung durch Hinterlegung am Mittwoch, den 02.06.2021 zugestellt wurde, endete die zweiwöchige Einspruchsfrist am Mittwoch, den 16.06.2021, 24:00 Uhr. Da – wie die belangte Behörde in ihrem Spruch selbst ausführt – der Einspruch gegen die Strafverfügung am 15.06.2021 um 16:52 Uhr per E-Mail übermittelt wurde, ist dieser jedenfalls fristgerecht eingebracht worden, womit die Rechtsfolgen des § 49 Abs 2 VStG eingetreten sind und deshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.2190.1

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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