TE Lvwg Erkenntnis 2021/9/1 LVwG-2021/23/1781-2

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Veröffentlicht am 01.09.2021
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Entscheidungsdatum

01.09.2021

Index

82/05 Lebensmittelrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

LMSVG 2006 §5 Abs1
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z1
LMSVG 2006 §93
VStG §9 Abs1
VStG §9 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Vizepräsidenten Dr. Larcher über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 17.05.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG),

I.

zu Recht erkannt:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

II.

den Beschluss gefasst:

Die für den 03.09.2021 anberaumte mündliche Verhandlung wird abberaumt.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 17.05.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:

„AA, geb. am **.**.****, hat es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 Abs. 1 VStG des Unternehmens „Der CC GmbH“, mit dem Sitz in **** Y, Adresse 2 zu verantworten, dass die im Zuge einer Lebensmittelkontrolle am 02.12.2020 um 09:25 Uhr in der Filiale der CC GmbH in **** X, Adresse 3 vom Lebensmittelorgan CC entnommene Probe des Lebensmittels „Cremeschnitte, externe Probenkennung: ***“, welches zum Zeitpunkt der Kontrolle im oben genannten Betrieb für Verkaufszwecke bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht wurde, entnommen und von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Lebensmittelsicherheit W, **** W, Adresse 4 wie folgt bewertet wurde:

Die vorliegende Probe wies einen Gehalt an Enerobacteriaceae von > 150.000 KBE/g und einen Gehalt an präsumtive Bacillus cereus von 15.000 KBE/g auf. Der DGHM-Warnwert für Enterobacteriaceae war um mehr als das 15-fache bzw der Richtwert um mehr als das 150-fache überschritten. Zudem war der DGHM-Warnwert für präsumtive Bacillus cereus um das 15-fache bzw der Richtwert um das 150-fache überschritten. Die Probe wies auf Grund der beiden Warnwertüberschreitungen eine nicht akzeptable Kontamination an Enterobacteriaceae und präsumtive Bacillus cereus auf, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit der Probe nicht gewährleistet war.

Die Probe entsprach daher nicht den Bestimmungen des LMSVG, da sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet war.“

Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 5 Abs 5 Ziffer 2 in Verbindung mit (iVm) § 5 Abs 1 Ziffer 1 des Bundesgesetzes über die Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG), BGBL I Nr 13/2006, idgF verstoßen.

Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 90 Abs 1 Ziffer 1 LMSVG in Anwendung des § 40 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, idgF eine Geldstrafe in Höhe von Euro 200,00, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Stunden verhängt. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs 2 VStG 1991, BGBl Nr 52/1991, idgF, in Höhe von Euro 20,00 vorgeschrieben.

Zusätzlich wurde dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Gebührennote der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Adresse 4, **** W, gemäß § 71 Abs 3 LMSVG der Ersatz der Kosten für die Untersuchung zur U-Zahl *** in Höhe von Euro 93,50 aufgetragen. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) wurde daher mit Euro 313,50 festgelegt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Z, mit Schriftsatz vom 27.05.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben und zusammengefasst ausgeführt wie folgt:

Im Straferkenntnis werde dem Beschuldigten vorgeworfen, ein Lebensmittel in **** X in Verkehr gebracht zu haben. Der Tatort sei der Ort, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde, das sei X, damit sei die BH Z nicht zuständig. Aus der Formulierung im Straferkenntnis sei von einem Begehungsdelikt und von keinem Unterlassungsdelikt auszugehen. Daher ergäbe sich keine Zuständigkeit der BH Z, auch wenn der Beschwerdeführer nach außen vertretungsbefugtes Organ wäre.

Die bisherigen Verfolgungshandlungen und der Spruch des Straferkenntnisses entsprächen nicht dem Konkretisierungsgebot, insbesondere deswegen, da der Tatbestand nur dann erfüllt sei, wenn die „bestimmungsgemäße Verwendbarkeit“ nicht gewährleistet sei.

Im Unternehmen „Der CC GmbH“ sei ein Kontrollsystem eingerichtet, um die Einhaltung der Vorschriften, insbesondere nach dem LMSVG bestmöglich sicherzustellen und Übertretungen auszuschließen.

Bei Übernahme der Lebensmittel vom jeweiligen Hersteller erfolge eine Überprüfung und Kontrolle durch geeignete, qualifizierte und laufend geschulte Mitarbeiter. Weiters wurde ausgeführt, die Herstellung der Cremeschnitte sei nicht im Betrieb des Beschuldigten erfolgt, sondern sei von einem anderen Betrieb zugekauft worden. Im Herstellerbetrieb gäbe es ebenfalls ein wirksames Kontroll- und Überwachungssystem mit laufenden Kontrollen, Evaluierungen etc.

Für die verantwortlichen Mitarbeiter in der Filiale in X sei die Nichtgeeignetheit des Produktes weder visuell, noch durch Geschmackstests zu erkennen gewesen. Es könne nicht verlangt werden, dass jede einzeln gelieferte Cremeschnitte einer lebensmitteltechnischen Probe unterzogen wird.

Abschließend führte der Beschwerdeführer aus, er habe die behauptete Verwaltungsübertretung nicht verhindern können. Der Beschwerdeführer beantragte daher, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid (gemeint: Straferkenntnis) zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes vom 09.08.2021, Zl LVwG-***, erfolgte die Anberaumung der mündlichen Verhandlung für 03.09.2021.

Mit Schriftsatz vom 25.08.2021 erstattete der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer weiteres Vorbringen und Urkundenvorlage und brachte darin zusammengefasst vor, es sei bereits am 01.07.2019 für die Filiale in X vom Betrieb des Beschuldigten EE als „Verantwortlicher“ gemäß § 9 VStG bestellt worden, dieser habe die Bestellung auch angenommen. Im Wirkungs- und Kontrollbereich des EE läge insbesondere die Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes. Zudem sei EE auch die Anordnungsbefugnis zugekommen. Auf die Bestellungsurkunde vom 01.07.2019 wurde verwiesen. Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wurde beantragt.

II.      Sachverhalt:

In der Filiale der CC GmbH in **** X, Adresse 3, hat durch ein Lebensmittelaufsichtsorgan am 02.12.2020 um 09:25 Uhr, eine Lebensmittelkontrolle stattgefunden. Die Probe des untersuchten Lebensmittels „Cremeschnitte“ mit der externen Probenkennung ***, wies einen Gehalt an Enerobacteriaceae von > 150.000  KBE/g und einen Gehalt an präsumtive Bacillus cereus von 15.000 KBE/g auf. Die DGHM-Warnwerte für Enterobacteriaceae und für präsumtive Bacillus cereus waren jeweils um mehr als das 15-fache bzw der Richtwert um mehr als das 150-fache überschritten.

Das untersuchte Lebensmittel entsprach daher nicht den Bestimmungen des LMSVG und war für den menschlichen Verzehr ungeeignet.

Aufgrund der entsprechenden Strafanzeige vom 29.12.2020 der Lebensmittelaufsicht für den Bezirk V, leitete die Bezirkshauptmannschaft Z ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer des Unternehmens „Der CC GmbH“ ein. Der Beschwerdeführer scheint im Unternehmensregisterauszug, abgefragt am 29.01.2021, als handelsrechtlicher Geschäftsführer auf.

Für die Filiale in **** X, Adresse 3, in welcher die Probenentnahme erfolgte, wurde EE mit Vereinbarung vom 01.07.2019 zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt. Diese Bestellungsvereinbarung wurde dem Landesverwaltungsgericht mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 25.08.2021 vorgelegt und weist folgenden Inhalt auf:

Bild 1 im Original ersichtlich

III.     Beweiswürdigung:

Der gegenständliche Sachverhalt betreffend die Feststellungen zur erfolgten Lebensmittelkontrolle und dem Ergebnis der Probennahme ergeben sich aufgrund des behördlichen Aktes und dabei insbesondere aus der Strafanzeige der Lebensmittelaufsicht für den Bezirk V vom 29.12.2020, des amtlichen Untersuchungszeugnisses der AGES Agentur für Lebensmittelsicherheit Z vom 22.12.2020, Auftragsnummer ***, sowie aus dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 17.05.2021, Zl ***.

Die Feststellung wonach der Beschwerdeführer als Geschäftsführer des Unternehmens „Der CC GmbH“ fungiert, ergibt sich aus dem Akteninhalt und insbesondere aus dem vorliegenden Unternehmensregisterauszug vom 29.01.2021.

Die Bestellung des EE zum gemäß § 9 VStG verantwortlichen Beauftragten, stützt sich auf das ergänzende Vorbringen des Beschwerdeführes in dessen Schriftsatz vom 25.08.2021 sowie auf die vorgelegte Bestellungsvereinbarung vom 01.07.2019.

IV.      Rechtslage:

1. Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG), BGBl I Nr 13/2006 in der Fassung BGBl II Nr 401/2019, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Allgemeine Anforderungen

§ 5 (1) Es ist verboten, Lebensmittel, die

1.   nicht sicher gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind, d.h.

gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind, oder

2.   verfälscht oder wertgemindert sind, ohne dass dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist, oder

3.   den nach den § 4 Abs. 3, §§ 6 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnungen nicht entsprechen,

in Verkehr zu bringen.“

„Tatbestände

§ 90 (1) Wer

1.   Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung,

[…]

in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtwidrigkeit des Handelns begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro festzusetzen. Im Fall der Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

„Verantwortlichkeit

§ 93 Die Verantwortlichkeit bestimmt sich nach § 9 VStG.“

2. Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991 in der Fassung BGBl Nr 58/1991, lauten samt Überschriften wie folgt:

„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit

§ 9 (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

[…]

(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

[…]“

„§ 45 (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

[…]

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

[…]“

V.       Erwägungen:

Im Zentrum des gegenständlichen Verfahrens steht die Frage, ob die dem Straferkenntnis zugrundeliegende Verwaltungsübertretung im Verantwortlichkeitsbereich des Beschwerdeführers liegt, oder die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers trotz seiner Eigenschaft als statutarisches Vertretungsorgan im konkreten Fall nicht gegeben ist.

Dazu hat das Landesverwaltungsgericht erwogen wie folgt:

Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Bei dem Unternehmen „Der CC GmbH“ handelt es sich um eine GmbH, welche durch die Geschäftsführer nach außen vertreten wird. Gemäß § 9 Abs 1 VStG sind sohin jene handelsrechtlichen Geschäftsführer verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, welche im Zeitpunkt der Tatbegehung die betreffende Funktion innehatten, sofern nicht wirksam verantwortliche Beauftragte bestellt worden sind (vgl Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6, zu Rz 509).

§ 9 Abs 2 VStG ermöglicht die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten eingeschränkt auf bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche. Im Umfang dieser Bestellung kommt es zu einer echten Verantwortlichkeitsübertragung, verbunden wiederum mit einer entsprechenden Verantwortlichkeitsreduktion auf Seiten der bestellenden Organe. Die Bestellung verantwortlicher Beauftragter erfordert in allen Fällen eine entsprechende Vereinbarung, also eine übereinstimmende Willenserklärung von Beauftragendem und Beauftragtem. Erst mit Zustimmung des Beauftragten wird die Bestellung rechtswirksam. Die wirksame Bestellung führt nach Maßgabe ihres sachlichen Umfanges und ihrer zeitlichen Dauer zu einer entsprechenden Änderung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit. (vgl dazu Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 zu § 9 Rz 23-26)

Mit Straferkenntnis vom 17.05.2021, Zl ***, wurde zunächst der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Befugter in Verantwortung genommen.

Im weiteren Verfahren wurde dem Landesverwaltungsgericht jedoch eine Vereinbarung über eine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG vorgelegt. Dieser Vereinbarung vom 01.07.2019 ist zu entnehmen, das für die Filiale in **** X, Adresse 3, in welcher die Probenentnahme erfolgt ist, EE zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG bestellt wurde.

Wie bereits ausgeführt, bedarf es zum Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung übereinstimmende Willenserklärungen von Beauftragendem und Beauftragtem. Im gegenständlichen Fall hat EE seiner Bestellung zugestimmt, die Unterschrift ist auf der Vereinbarung zu entnehmen. Neben der Unterschrift des Beauftragten ist auch die Unterschrift des Beauftragenden ersichtlich. Eine Befristung der Bestellung des EE ergibt sich aus der vorliegenden Bestellungsvereinbarung nicht.

Die Bestellungsvereinbarung ist sohin rechtswirksam und ergibt sich aus dieser, dass EE in der Funktion als Gebietsverkaufsleiter für die Einhaltung aller Verwaltungsvorschriften verantwortlich ist.

Gemäß der Bestellungsvereinbarung ist unter anderem auch die „Einhaltung der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes und aller hierzu erlassenen Verordnungen (z.B. Kennzeichnung- und Hygieneverordnung)“ im Verantwortungsbereich des EE gelegen.

Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers als handelsrechtlichem Geschäftsführer für die Einhaltung der Bestimmungen des LMSVG (vgl. die Bezeichnung in der Bestellungsvereinbarung mit „Lebensmittelgesetz“) ist sohin auf EE als gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellten verantwortlichen Beauftragten übergegangen.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde Folge zu geben und das Straferkenntnis zu beheben.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Im hier vorliegenden Sachverhalt war lediglich entscheidungsrelevant, wer als verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufen ist und wem daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Larcher

(Vizepräsident)

Schlagworte

Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.23.1781.2

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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