TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/25 W159 2233822-1

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Veröffentlicht am 25.06.2021
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Entscheidungsdatum

25.06.2021

Norm

AsylG 2005 §56
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28

Spruch


W159 2233822-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.05.2021 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 56 AsylG wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß § 56 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile II. bis IV. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am 17.07.2018 beantragte der Beschwerdeführer persönlich erstmals eine Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG aufgrund der Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung. Er gab an, er sei am XXXX in XXXX , in Deutschland geboren worden, sei Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, halte sich seit September 2012 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf, wohne in XXXX und spreche Deutsch auf B2 Niveau. Er besitze eine umfassende, private Krankenversicherung bei XXXX auf unbestimmte Zeit und seine Sozialversicherungsnummer laute XXXX .

Der Beschwerdeführer brachte durch seine Rechtsanwältin - Vollmachtsbekanntgabe vom 17.07.2018 für XXXX - einen Antrag gem. § 56 AsylG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Er gab an, er halte sich seit September 2012, seit mehr als 5 ¾ Jahren, rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf. Er sei unbescholten, voll integriert und mit den sozialen, politischen und kulturellen Werten des Landes vertraut. Er erfülle die Integrationsvereinbarung Modul 2, beherrsche die deutsche Sprache auf B2 Niveau. Er spreche akzentfrei Deutsch, da er in Deutschland geboren worden sei und seine Kindheit in Deutschland verbracht habe. Der Beschwerdeführer sei bereits im September 2012 mit einer Aufenthaltsbewilligung-Studierender nach Österreich gekommen und habe das Studium der Pharmazie sofort begonnen. Diese sei viermal problemlos verlängert worden, er konnte stets den Erfolgsnachweis vorbringen. Der fünfte Verlängerungsantrag sei von der Stadt Wien, XXXX am 08.11.2017 mangels Erfolgsnachweis (ECTS Punkte) abgelehnt worden. Eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht blieb ebenfalls erfolglos, das Erkenntnis sei am 20.03.2018 zugestellt worden. Bereits im April 2013 habe der Beschwerdeführer neben dem Studium bei Catering Firmen im gesetzlich zulässigen Ausmaß zu arbeiten begonnen.

In Österreich habe der Beschwerdeführer ein großes soziales und familiäres Netzwerk. Seine Verwandten und sehr enge Freunde seiner Eltern seien alle österreichische Staatsbürger. Seine Cousine XXXX und ihr Gatte XXXX , welcher bei der MA 48 beschäftigt sei, wie auch die Familie XXXX und XXXX , würden sich um den Beschwerdeführer kümmern und ihn finanziell unterstützen. Alle seien österreichische Staatsbürger.

Es wurden die Geburtsurkunde, die Kopie des Reisepasses, die Kopie des Aufenthaltstitel-Studierender gültig bis 17.09.2017, der Meldezettel, ein Deutsch Sprachzertifikat Goethe Institut B2, eine Studienzeitbestätigung vom 16.07.2018, ein Lebenslauf, ein Nutzungsvertrag Studentenwohnheim für 2018/2019, ein Versicherungsdatenauszug, eine Versicherungsbestätigung, ein Empfehlungsschreiben, eine Einstellungszusage, ein Nachweis der finanziellen Unterstützung, ein Kontoauszug des Beschwerdeführers, ein Bescheid der XXXX vom 08.11.2017 sowie ein Erkenntnis der Verwaltungsgerichts Wien vom 12.03.2018 vorgelegt.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 21.02.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl war die rechtliche Vertreterin anwesend. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 17.07.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem § 56 Abs. 1 AsylG gestellt habe. Befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei im September 2012 in das österreichische Bundesgebiet eingereist, um Pharmazie zu studieren. Er habe seine Fachmatura in Serbien abgeschlossen. Er habe sich in Österreich mit einem Aufenthaltstitel für Studierende aufhalten. Dieser Aufenthaltstitel sei nicht verlängert worden, weil es auf der Universität verwaltungstechnische Probleme mit seinen Prüfungen und mit den ECTS Punkten gegeben hätte.

Nebenberuflich habe er als Kellner gearbeitet. Außerdem habe er hier Verwandte, welche ihn finanziell unterstützen würden. Seine Eltern würden ihm auch Geld aus Bosnien zukommen lassen. Es würden ihm etwa 900 € monatlich zur Verfügung stehen. Zurzeit würde er in einer Mietwohnung mit einem Freund wohnen. In Österreich würden sich zwei Großtanten sowie befreundete Familien aufhalten. Er sei ledig und habe keine Kinder. In Bosnien würden seine Eltern, seine Schwester sowie ein Onkel und entfernte Verwandte leben. Er stehe etwa viermal wöchentlich mit seiner Familie in Bosnien in Kontakt. Der Beschwerdeführer betonte, dass sein Lebensmittelpunkt hier in Österreich sei.

Befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei kein Mitglied in einem politischen, religiösen oder kulturellen Verein, er habe keine Probleme mit den Behörden in Bosnien. Auf den Vorschlag der Behörde auszureisen und wieder einzureisen und einen Neuantrag zu stellen, antwortete der Beschwerdeführer bei seinem Freund hätte solch ein Vorgehen nicht funktioniert.

Der Beschwerdeführer brachte eine Wohnrechtsvereinbarung, eine beglaubigte Übersetzung des Reifeprüfungszeugnisses der landwirtschaftlichen und medizinischen Schule in Bosnien und Herzegowina, Republik Srpska, sowie Lohn und Gehaltsabrechnungen von XXXX , XXXX und diverse Kontoauszüge sowie eine Patenschaftserklärung in Vorlage.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13.08.2019 durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Eltern im Zuge des Balkankrieges 1992 von XXXX (Republik Srpska) nach Deutschland geflüchtet seien. Der Beschwerdeführer sei in Deutschland geboren worden. Die Familie sei 1998 in ihre angestammte Heimat zurückgekehrt. Die Familie gehöre der Minderheitsgruppe der Bosniaken (bosnische Muslime) an, welche in Minderheitsgebiete zurückkehrte. Aus den Länderfeststellungen sei ersichtlich, dass es immer wieder zu Übergriffen auf Minderheiten kommen würde. Auch die Familie des Beschwerdeführers sei Opfer solcher Übergriffe geworden. Sie sei zweimal ausgeraubt, mehrfach schikaniert und angegriffen worden. Der Beschwerdeführer persönlich, hätte aufgrund von Diskriminierung seine Spieltätigkeit bei der Fußballmannschaft XXXX beenden müssen.

Der Beschwerdeführer habe nur einen kleinen Freundeskreis gehabt, weil er von der Mehrheit offen geächtet und nicht akzeptiert worden wäre und er befürchte bei einer Rückkehr wieder denselben körperlichen Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt zu sein.

Am 18.03.2020 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verständigt, dass es beabsichtigt sei den Antrag abzuweisen und eine Rückehrentscheidung zu erlassen. Dem Beschwerdeführer stehe es offen, eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Es wurde zu Bosnien-Herzegowina Auszüge aus dem LIB – Grundversorgung/Wirtschaft, medizinische Versorgung, Rückkehr - übermittelt.

In der durch die Rechtsvertretung eingebrachten Stellungnahme, beantwortete der Beschwerdeführer die vorgebrachten Fragen.

„Geben Sie an auf welcher rechtlichen Grundlage Sie einer Arbeit nachgehen?“ – Der Beschwerdeführer gehe seit der Nichtverlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung keiner Arbeit mehr nach, denn dies wäre auch rechtlich unzulässig und würde gesetzliche Verwaltungsstrafmaßnahmen mit sich ziehen. Die Feststellung der Behörde, der Beschwerdeführer würde seit der Antragstellung einer Arbeit nachgehen, sei eine unrichtige Tatsachenbehauptung von Seiten der Behörde. Der Beschwerdeführer würde von den finanziellen Zuwendungen seiner Familie leben.

„Geben Sie an, was gegen eine Rückkehr nach Bosnien spricht?“- Der Beschwerdeführer gehöre zur Volksgruppe der Bosniaken und habe vor seiner Ankunft in Österreich im Osten der Republik Srpska gelebt. Der Beschwerdeführer gelte als Rückkehrer in ein Minderheitengebiet. Nunmehr wurde auf die Seite 8 der Beweisverständigung der Behörde (Schlechterstellung von Rückkehrern, die einer Minderheit angehören, …) und auf die Stellungnahme vom 13.08.2019 verwiesen.

Es wurde des Weiteren angegeben, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland weder von den Behörden noch den staatlichen Institutionen verfolgt werde. Es sei jedoch bereits von der Behörde festgestellt worden, dass der polizeiliche Schutz für Rückkehrer vor den Angriffen (aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit, Rasse, Religionszugehörigkeit) unzureichend sei.

Zu seinem Privatleben gab der Beschwerdeführer an, dass er seit zwei Jahren eine Freundin habe, mit der er nunmehr zusammenziehen wolle, um mit ihr ein gemeinsames Leben aufzubauen. Die seit zwei Jahren bestehende Rechtsunsicherheit über seinen rechtlichen Status in Österreich, hindere ihn eine Ehe einzugehen. Der Beschwerdeführer sei als Mitglied beim XXXX für Freiwilligenarbeit angemeldet.

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2020, Zl XXXX wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen vom 17.07.2018 abgewiesen. Unter Spruchpunt II. wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, im Spruchpunkt III. festgestellt, dass die Abschiebung nach Bosnien zulässig sei und im Spruchpunkt IV eine 14 tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt.

Beweiswürdigend führte die Behörde u.a. aus, dass die Behauptungen zu den Übergriffen auf den Beschwerdeführer Schutzbehauptungen seien und dass die zitierten Passagen aus den LIB aus den Zusammenhang gerissen seien.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. angeführt, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen gewesen sei, da der Beschwerdeführer nicht seit fünf Jahren durchgehend im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Das würde aus den Sichtvermerken des Reisepasses hervorgehen. Der Beschwerdeführer sei unter dem Deckmantel des Studiums nach Österreich gekommen. Dieser Aufenthaltstitel sei leichter zu erwerben. In Anbetracht der persönlichen Situation müsse davon ausgegangen werden, dass die Erwerbsabsichten in Österreich größer oder zumindest gleichgroß waren wie die ursprünglichen Studienabsichten. Der Beschwerdeführer habe anscheinend den gewünschten Studienerfolg aufgrund seiner Arbeit nicht erzielen können.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine rechtliche Vertretung, am 05.08.2020, rechtzeitig Beschwerde wegen mangelhaften Verfahrens sowie unrichtiger Tatsachenfeststellung ein.

Es wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bereits in Bosnien eine landwirtschaftliche und medizinische Schule absolviert habe, die die Basis für sein Studium der Pharmazie in Österreich darstelle. Der Beschwerdeführer beabsichtige einen Beruf entsprechend seiner Ausbildung anzustreben. Zusätzlich wurde u.a. auf den legalen Aufenthalt in Österreich, entsprechend der Aufenthaltsbewilligung verwiesen. Er habe Österreich lediglich während der Ferienzeit seines Studiums verlassen, um Urlaub in Montenegro und Griechenland zu machen, was gesetzlich erlaubt sei.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 25.05.2021 an, zu der sich die belangte Behörde entschuldigen ließ. Der Beschwerdeführer sowie seine Rechtsvertreterin nahmen an der Beschwerdeverhandlung teil.

Es wurde zwei Studienerfolgsbestätigungen, eine Inskriptionsbestätigung und eine Mitgliedsbestätigung vom XXXX vorgelegt.

Die Rechtsvertreterin brachte einleitend vor, dass der Beschwerdeführer seriös seinem Studium nachgehe und innerhalb von zwei Jahren dieses Studium auch abgeschlossen haben werde. Außerdem bestünde nunmehr ein Privat- und Familienleben mit einer Lebensgefährtin.

Der Beschwerdeführer hielt seine Beschwerde und sein bisheriges Vorbringen aufrecht. Er brachte ergänzend vor, dass er noch vielmehr Familienangehörigen hier in Österreich habe, als im Bescheid dargestellt worden sei. Es wurde eine Liste mit der in Ost-Österreich befindlichen Verwandtschaft vorgelegt.

Befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina und sei Moslem, er habe sich zu seiner Religion aber nie geäußert. Er sei am XXXX in XXXX , Deutschland, in der Nähe von XXXX geboren worden. Seine Eltern 1992 seien im Zuge des Balkankrieges nach Deutschland gezogen. Die ersten sechs Jahre seines Lebens sei er in Deutschland gewesen. Er habe begonnen in Deutschland in den Kindergarten zu gehen. Dann sei er mit seinen Eltern nach Bosnien in die Stadt XXXX zurückgekehrt. Diese Stadt liege in der Republika Srpska. Er sei bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr dort aufgewachsen und sei dann nach Österreich gekommen Pharmazie zu studieren.

Befragt zu seiner schulischen oder universitären Ausbildung, gab der Beschwerdeführer an, er habe einen Maturaabschluss als pharmazeutischer Techniker aus Bosnien, das würde in Österreich als gleichwertig angesehen mit einer pharmazeutisch-kaufmännischen Ausbildung. Er habe auch schon in Bosnien begonnen Pharmazie zu studieren. Dann sei er nach Österreich gewechselt. Zuerst sei es das Diplomstudium Pharmazie gewesen, denn damals habe es noch kein Bachelor-Studium Pharmazie gegeben. Dann sei der Beschwerdeführer auf das Bachelor-Studium umgestiegen. Nunmehr studiere er Bio-Engineering an der XXXX .

Auf die Frage des Richters, warum er ursprünglich nicht den entsprechenden Studienerfolg nachweisen habe können, antwortete der Beschwerdeführer: „Wie vorhin schon erwähnt, gab es damals kein Bachelor-Studium Pharmazie. Das Diplom-Studium Pharmazie gab es nunmehr zwei Jahre danach. Ich musste zum Bachelor-Studium wechseln. Ich habe das sogleich gemacht. Ich glaube das Diplomstudium gibt es in dieser Form gar nicht mehr.“

Befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe B2 am Goethe-Institut in XXXX erworben, er habe sich seit September 2012 in der vorlesungsfreien Zeit auf Urlaub in Griechenland oder Montenegro, für etwa eine Woche und acht Tage, aufgehalten.

Er betonte er sei 2012 nach Österreich gekommen, um Pharmazie zu studieren. Er habe die Gelegenheit bekommen, in Österreich zu studieren, weil die medizinische Ausbildung in Österreich besser sei und er auch hier zahlreiche Familienangehörigen habe.

Er habe in Bosnien keine Probleme mit staatlichen Behördenorganen gehabt. Er habe in Bosnien-Herzegowina, mehrmals beim Fußballspielen Probleme mit Privatpersonen gehabt. In seiner Familie gäbe es eine starke fußballerische Tradition. Er hätte viele Probleme aufgrund seines Namens und Religion gehabt, weil er kein Serbe sei und einer Minderheit angehören würde. Er habe nicht versucht staatlichen Schutz zu erlangen. In Bosnien würden noch seine Eltern, seine Schwester und ein Onkel leben. Er stehe mit seiner Familie über das Telefon und Internet in Kontakt. Das letzte Mal sei er vor etwa vier Jahren in Bosnien gewesen. Er habe derzeit auch keinen Wunsch, nach Bosnien zu fahren.

Seine Eltern würden ein Haus in Bosnien besitzen, er hätte noch einen Freund aus seiner Schulzeit, mit welchem er losen Kontakt pflege. Der Beschwerdeführer verwies auf die Liste, welche er dem Gericht vorlegte, als er nach seinen Verwandten in Österreich befragt wurde. Die Familia XXXX (Tante und Onkel aus XXXX ), sie hätten auch die Patenschafts-erklärung abgegeben, würden den Beschwerdeführer hauptsächlich unterstützen. Er würde auch eine geringfügige Unterstützung von anderen Verwandten bekommen. Seine Verwandten würden keine Unterstützung benötigen, viele würden schon über 30 Jahre in Österreich wohnen. Sie hätten entweder eine Daueraufenthaltsbewilligung oder die österreichische Staatsbürgerschaft.

Der Beschwerdeführer gab weiters an, er würde in einer Lebensgemeinschaft mit XXXX wohnen. Sie hätte einen Daueraufenthalt und sei serbische Staatsangehörige. Sie habe als Sekretärin gearbeitet und sei derzeit auf Jobsuche. Weder der Beschwerdeführer noch seine Lebensgefährtin hätten Kinder.

Er habe drei bis vier Jahre in einer Catering-Firma und dann auch als Kellner in einem Cafe (Studentenjob) gearbeitet. Er studiere zurzeit in Österreich. Beim ersten Lockdown habe er zwei Monate beim XXXX gearbeitet. Derzeit sei er nicht beim XXXX aktiv, weil er sich auf das Studium konzentrieren würde. Er würde zurzeit von der Unterstützung seiner Familienangehörigen leben.

Er würde mit seiner Lebensgefährtin zusammen in einer 75 m2-Wohnung leben, sie sei die Hauptmieterin. Er verfüge nach wie vor auch über eine private Krankenversicherung.

Er beabsichtige sein Studium in zwei Jahren zu beenden und möchte danach in der pharmazeutischen Industrie arbeiten. Er habe auch schon Kontakte zu der XXXX geknüpft, durch den Sohn jener Familie, bei der er am Anfang wohnen hätte können.

Anmerkung: Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau.

Im aktuellen Strafregisterauszug des Beschwerdeführers scheint keine Verurteilung auf. Der Beschwerdeführer brachte die Versicherungsbestätigung der XXXX vom Juni 2021 zum Nachweis einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina und ist am XXXX in Deutschland geboren worden. Er führt den Namen XXXX und seine Identität ist bewiesen. Er reiste 2012 mit dem Aufenthaltstitel – Studierender ins Bundesgebiet ein und ist seither in Österreich aufhältig.

Aufgrund verwaltungstechnischer Schwierigkeiten bei dem Wechsel des Studiums von der Hauptuniversität zur Fachhochschule XXXX konnte er den erforderlichen Studiennachweis in ECTS-Punkten nicht nachweisen. Seine Aufenthaltserlaubnis wurde nicht mehr verlängert.

Daraufhin stellte der Beschwerdeführer mit Datum 17.07.2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 Abs. 1 AsylG. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschdiplome B2, eine Inskriptionsbestätigung sowie Studienerfolgsbestätigungen und eine private Krankenversicherung.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Lebensgefährtin in Wien. Er hat auch zahlreiche österreichische Freunde und Verwandte, mit welchen er regen Kontakt pflegt. Der Beschwerdeführer ist unbescholten und gesund. Der Beschwerdeführer hat in Österreich nebenberuflich in Studentenjobs, vor seinem Entzug der Aufenthaltsberechtigung mehrfach, gearbeitet.

In Anbetracht der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG ist es nicht erforderlich länderspezifische Feststellungen aufzunehmen.

Beweis wurde erhoben (im vorliegenden Verfahren) durch Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, am 21.02.2019 sowie durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 25.05.2021, weiters durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde zur Zahl XXXX , durch Vorlage der Kopie eines Reisepasses, einer Inskriptionsbestätigung sowie Studienerfolgsbestätigungen, einer Versicherungsbestätigung und schließlich durch Einsichtnahme in den Strafregister.

2. Beweiswürdigung:

Im Verwaltungsakt konnte in die Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers eingesehen werden. Es liegen ebenso diverse Zeugnisse im Verwaltungsakt auf. Der Beschwerdeführer hat eine Inskriptionsbestätigung sowie zwei Studienerfolgsbestätigungen vorgelegt und dadurch von sich aus die diesbezüglichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht.

Weiters konnte er durch einen Mietvertrag mit seiner Lebensgefährtin, eine Nutzungsvereinbarung nachweisen.

Er hat eine Liste seiner in Österreich lebenden Verwandten vorgelegt und auf das Ehepaar verwiesen, welches ihn finanziell beim Studium unterstützt. Dieses Ehepaar hat auch eine Patenschaftserklärung abgegeben.

Auch hat er nicht vorgebracht, dass er irgendwelche gesundheitlichen Probleme hätte.

Die Verhandlung konnte mit dem Beschwerdeführer ohne Beiziehung eines Dolmetschers problemlos durchgeführt werden und der Beschwerdeführer war in der Lage auf die gestellten Fragen zügig und in ausgezeichneten Deutsch (muttersprachliches Niveau) zu antworten, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer Deutschkenntnisse über das Niveau B2 aufweist.

Im Strafregisterauszug scheint keine Verurteilung des Beschwerdeführers auf.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Angaben und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen zu den obigen personenbezogenen Feststellungen gelangen konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A. I.

Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1.       zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2.       davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

Gemäß Abs. 2 ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen, wenn nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vorliegen.

Gemäß Abs. 3 hat die Behörde den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand.

Gemäß § 60 Abs. 2 AsylG dürfen Aufenthaltstitel gemäß § 56 einen Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1.       der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2.       Der Drittstaatsangehörige über eine alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3.       der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte.

Gemäß § 9 Integrationsgesetz, der wiederum auf § 11 Integrationsgesetz verweist, wird die Erfüllung des Moduls 1 bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab vom österreichischen Integrationsfonds durchgeführt.

Der Beschwerdeführer hat bereits der Behörde ein Sprachdiplom B2 von Goethe Institut in Serbien vorgelegt. Er ist seit 2012 in Österreich aufhältig und hatte bis September 2018 den Aufenthaltstitel Studierender. Die kurzen urlaubsbedingten Unterbrechungen des Aufenthaltes sind nicht relevant. Aufgrund eines Studienwechsels von der Hauptuniversität Wien zur XXXX konnte er den erforderlichen ECTS-Nachweis nicht vorlegen und verlor den Aufenthaltstitel.

Er studiert erfolgreich an der XXXX und konnte es durch Studienerfolgsnachweise belegen.

Die Familia XXXX (Tante und Onkel aus XXXX ), haben eine Patenschaftserklärung abgegeben. Sie unterstützen den Beschwerdeführer zurzeit finanziell während seines Studiums.

Der zuständige Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes konnte sich von den muttersprachlichen Deutschkenntnissen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vom 25.05.2021 dadurch überzeugen, dass der Beschwerdeführer die Verhandlung gänzlich ohne Dolmetscher bewältigen konnte und die gestellten Fragen zügig und in gutem Deutsch beantwortet hat.

Der Beschwerdeführer hat weiters nachgewiesen, dass er einen Anspruch auf eine Unterkunft aufweist, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für einen Zweipersonenhaushalt als ortsüblich anzusehen ist. In dieser lebt er mit seiner Lebensgefährtin.

Weiters besitzt der Beschwerdeführer eine private vollumfängliche Krankenversicherung, welche er dem Gericht vorgelegt hat.

Schließlich ist auch noch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist und auch keinerlei Hinweise darauf bestehen, dass der Beschwerdeführer irgendein Naheverhältnis zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen aufweist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 56 AsylG sind daher im gegenwärtigen Zeitpunkt mehr als erfüllt anzusehen, er hat sogar alternativ zu erbringende Voraussetzungen kumulativ erfüllt.

Es war dem Beschwerdeführer somit gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen.

Der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ berechtigt gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975. Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 sind Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 leg.cit. für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ auszufolgen (§ 58 Abs. 7 AsylG 2005).

Zu A. II.

Ersatzlose Behebung der Spruchteile II – IV.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rückkehrentscheidung die Abschiebung und die Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, waren die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH vom 13.09.2013, U 370/2012; VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr handelt es sich um einen konkreten individuell begründeten Einzelfall, wobei auch die bezughabende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurde.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse Integration Interessenabwägung Lebensgemeinschaft Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W159.2233822.1.00

Im RIS seit

20.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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