TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/2 W251 2212121-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2021
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Entscheidungsdatum

02.07.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W251 2212121-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2018, Zl. 1111871100-160581542, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am 24.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am nächsten Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Dabei gab sie zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass in Somalia seit längerer Zeit Bürgerkrieg herrsche, weshalb sie mit ihren Eltern nach Äthiopien geflüchtet sei. Äthiopische Truppen haben ihren Vater entführt und umgebracht, sie sei ebenso bedroht worden. Auch ihr Bruder sei von den Truppen entführt worden, ob er noch lebe, wisse sie nicht.

3. Am 23.11.2018 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Dabei gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sich ihr Bruder in Äthiopien der Gruppe ONL angeschlossen habe. Eines Abends seien „Liu Polizisten“ zu ihnen nach Hause gekommen und haben ihren Bruder gesucht. Ihrem Vater sei eine Frist von drei Tagen eingeräumt worden, um den Aufenthaltsort des Bruders bekanntzugeben. Als die Frist vorbei gewesen sei, sei sein Vater entführt und umgebracht worden. Als sie um ihren Vater getrauert habe, sei die „Liu Police“ erneut gekommen und hätte sie geschlagen. Sie sei zu einem Arzt und anschließend ins Gefängnis gebracht worden. Dort sei sie schlecht behandelt und krank geworden. Daher sei sie erneut ins Krankenhaus gebracht worden, von wo sie habe flüchten können. Sie sei zu ihrer Großmutter gegangen, diese habe ihr etwas Geld für ihre Flucht gegeben.

4. Mit Schreiben ihrer damaligen Vertretung vom 27.11.2018 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr als Zugehörige einer bestimmten sozialen Gruppe (der Familie des Bruders und der alleinstehenden Frauen) Verfolgung drohe. Ihr drohe als unverheiratete Frau eine Zwangsverheiratung und geschlechtsspezifische Gewalt. Die Beschwerdeführerin verfüge über kein soziales Netzwerk in Somalia und drohe ihr daher eine Verletzung des Art. 3 EMRK.

5. Mit dem gegenständlichen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab und erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu. Ihr wurde eine Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.11.2019 erteilt.

Begründend führte das Bundesamt aus, dass das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin in Bezug auf Äthiopien – abgesehen von zahlreichen Unstimmigkeiten – nicht entscheidungserheblich sei, da sich die asylrechtlich relevante wohlbegründete Furcht auf den Herkunftsstaat Somalia zu beziehen habe.

Subsidiärer Schutz wurde der Beschwerdeführerin zuerkannt, da sie über kein familiäres Netzwerk mehr in Somalia verfüge und bei der Beschwerdeführerin als alleinstehende Frau eine besondere Vulnerabilität vorliege.

6. Die Beschwerdeführerin erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die belangte Behörde verabsäumt habe, ihrer Ermittlungspflicht nachzukommen. Die Beschwerdeführerin würde bei einer Rückkehr nach Somalia als junge, alleinstehende, unverheiratete Frau aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen verfolgt werden. Das Bundesamt habe das Alter der Beschwerdeführerin nicht ausreichend berücksichtigt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.04.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung durch.

8. Mit Schreiben ihrer Vertreterin vom 06.05.2021 brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ein. Vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei Verwandten- bzw. Clanschutz verfüge und eine alleinstehende Frau sei. Sie habe bereits im Kleinkindalter außerhalb von Somalia gelebt und sei mit der Kultur nicht vertraut. Es bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführer in ein IDP-Lager müsse und Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

1.1.1. Die Beschwerdeführerin führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Sie ist somalische Staatsangehörige, Angehörige des Clans der Sheikal, Sub-Clan XXXX und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Die Beschwerdeführerin ist ledig und kinderlos. Sie spricht Somali als Muttersprache (AS 1; Verhandlungsprotokoll vom 30.04.2021 = VP S. 5 f).

1.1.2. Die Beschwerdeführerin wurde in Mogadischu geboren und ist als Kleinkind mit ihren Eltern nach Äthiopien übersiedelt, wo sie bis zu ihrer Ausreise in einem Wellblechhaus gelebt hat. Die Mutter sowie ihre drei Schwestern und Brüder leben nach wie vor in Äthiopien. Ein Bruder der Beschwerdeführerin lebt in Deutschland. Der Vater der Beschwerdeführerin ist bereits verstorben (AS 1, 111, 117; VP S. 6 f).

1.1.3. Die Beschwerdeführerin besuchte vier Jahre lang eine somalische Schule in Äthiopien. Sie hat keine Berufsausbildung (AS 1, 113, VP S. 6).

1.1.4. Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2015 aus Äthiopien aus (AS 117). Die Beschwerdeführerin ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte am 24.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.5. Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten (VP S. 4). Sie gehört keiner COVID-19 Risikogruppe an und weißt diesbezüglich auch keine Dispositionen auf.

1.1.6. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Die Beschwerdeführerin wurde aufgrund der angeblichen Zugehörigkeit ihres Bruders zur ONLF in Äthiopien von Mitgliedern der „Liu Police“ nicht geschlagen, bedroht oder inhaftiert.

Die Beschwerdeführerin hat Somalia weder aus Furcht vor Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Im Falle der Rückkehr nach Somalia droht der Beschwerdeführerin weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in die körperliche Integrität durch Angehörige der ONLF, der „Liu Police“ oder anderen Personen.

1.2.2. Die Beschwerdeführerin ist in Somalia allein aufgrund ihres Geschlechts keiner Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.

Der Beschwerdeführerin droht keine sexuelle Ausbeutung durch die Al Shabaab oder durch andere Personen. Ihr droht auch keine Zwangsheirat in Somalia.

Die Beschwerdeführerin kann bei einer Rückkehr auf ihren Clanschutz zurückgreifen. Die Beschwerdeführerin müsste bei einer Rückkehr nach Somalia nicht in ein IDP-Lager gehen, sondern kann bei ihrem Clan Schutz, Unterkunft und Verpflegung vorfinden.

Sie verfügt über eine mehrjährige Schulbildung. Die Beschwerdeführerin ist nach den somalischen Gepflogenheiten und der somalischen Kultur sozialisiert, sie ist mit den somalischen Gepflogenheiten vertraut.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Somalia basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia vom 31.03.2021 (LIB),

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation - Alleinstehende Frauen, wohnen arbeiten vom 22.03.2018 (Anfragebeantwortung Frauen)

-        Focus Somalia, Clans und Minderheiten vom 31.05.2017 (Focus)

-        Analyse der Staatendokumentation betreffend Sheikhal vom 19.08.2011 (Sheikhal)

-        FFM Bericht, Sicherheitslage in Somalia aus August 2017 (FFM)

1.5.1. Politische Situation

Somalia ist faktisch zweigeteilt in die somalischen Bundesstaaten und Somaliland, einen selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (LIB, Kapitel Politische Lage).

Seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 war Süd-/Zentralsomalia immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen. Somalia hat bei der Bildung eines funktionierenden Bundesstaates Fortschritte erzielt, staatliche und regionale Regierungsstrukturen wurden etabliert, auf vielen Gebieten wurden große Fortschritt erzielt. Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind sehr schwach, es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (LIB, Kapitel Politische Lage).

Somalia befindet sich in einer schweren Verfassungs- und politischen Krise. Das Versagen, einen Kompromiss zu finden, hat nicht nur den demokratischen Prozess unterminiert, es hat die Sicherheit Somalias vulnerabel gemacht. Denn al Shabaab hat sich die politische Krise zu Nutzen gemacht und die Angriffe seit Anfang 2021 verstärkt (LIB, Kapitel Politische Lage).

Es konnten neue Bezirks- und Regionalverwaltungen etabliert werden. Neben Puntland wurden in den letzten Jahren vier neue Bundesstaaten geschaffen: Galmudug, Jubaland, South-West State (SWS) und HirShabelle. Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet. Offen sind noch der finale Status und die Grenzen der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (LIB, Kapitel Politische Lage).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (LIB, Kapitel Politische Lage).

1.5.2. Sicherheitslage

Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer, wo die Sicherheitslage instabil bzw. volatil bleibt (LIB, Kapitel Sicherheitslage).

AMISOM hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle über die seit 2012 eroberten Gebiete. Während die somalische Regierung und ihre Alliierten zwar im Großen und Ganzen territoriale Gewinne verzeichnen und die Kontrolle über die meisten Städte halten können, ist es ihnen nicht gelungen, die Kontrolle in ländliche Gebiete auszudehnen. Die Kontrolle der somalischen Bundesregierung ist im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Al Shabaab kontrollierte im Jahr 2019 so viel Land, wie schon seit dem Jahr 2010 nicht mehr. Man rechnet mit 20% des gesamten Staatsterritoriums. Die somalische Regierung und AMISOM können keinen Schutz vor allgemeiner oder terroristischer Kriminalität im Land garantieren. Generell ist die Regierung nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf AMISOM, aber auch auf Unterstützung durch die USA – angewiesen. Dies wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

In den Jahren 2018 und 2019 war die Zahl an Vorfällen zunächst rückläufig – v.a. wegen der intensivierten Operationen gegen al Shabaab. Die Gruppe konnte dabei aus einigen strategisch wichtigen Punkten vertrieben werden. Die Zahl an zivilen Opfern durch Sprengstoffanschläge ging demnach 2020 gegenüber 2019 um 50% zurück. Im Jahr 2020 haben sich aber zuletzt die Angriffe auf somalische Kräfte und AMISOM wieder gemehrt. Dies kann direkt mit den politischen Streitigkeiten zwischen Bund und Bundesstaaten in Zusammenhang gebracht werden, da dadurch für den Kampf gegen al Shabaab notwendige Ressourcen umgeleitet wurden. Aufgrund des politischen Streits rund um das Ende der Präsidentschaft Farmajos ist die Sicherheitslage in einer Abwärtsspirale. Sicherheitskräfte haben teilweise seit Monaten keinen Sold erhalten und halten sich in Mogadischu und anderen Landesteilen an der Bevölkerung schadlos. Ein weiteres Zurückdrängen von al Shabaab durch AMISOM kann auf der aktuellen Grundlage nicht erwartet werden (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

Ein Vordringen größerer Kampfverbände der al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und AMISOM – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

Al Shabaab führt nach wie vor eine effektive Rebellion und bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden und Sicherheit. Die Gruppe führt ihren Kampf mit zunehmender Intensität und Häufigkeit. Die Angriffe auf sogenannte high-profile-Ziele in Mogadischu und anderswo wurden verstärkt. Angriffe gelten Regierungseinrichtungen, Behördenmitarbeitern, Sicherheitskräften, internationalen Partnern und öffentlichen Plätzen – z.B. Restaurants und Hotels. Al Shabaab führt weiterhin regelmäßige Angriffe auf Regierungsstellungen durch (LIB, Kapitel Sicherheitslage Süd-/Zentralsomalia, Puntland).

1.5.3. Mogadischu:

Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle der Regierung und AMISOM. Generell hat sich die Lage für die Zivilbevölkerung in den vergangenen Jahren verbessert. Die Regierung unternimmt einiges, um die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. So wurden etwa 20 zusätzliche Checkpoints errichtet und im Zeitraum November 2019 bis Jänner 2020 190 gezielte Sicherheitsoperationen durchgeführt. Die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden in Mogadischu haben sich verbessert, sie können nunmehr Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Allerdings werden solche Maßnahmen nicht permanent aufrechterhalten; werden sie aber vernachlässigt, steigt auch wieder die Zahl an Anschlägen durch al Shabaab. Die Checkpoints wurden teilweise wieder abgebaut. Zudem haben Teile der Sicherheitskräfte seit Monaten keinen Sold erhalten, im Feber 2021 hielten sich Soldaten in Mogadischu an den Bewohnern schadlos. In Mogadischu kommt es immer wieder auch zu Auseinandersetzungen der somalischen Sicherheitskräfte untereinander, bei denen nicht selten auch Unbeteiligte zu Schaden kommen. Insgesamt ist die Sicherheitslage in Mogadischu ständigen Änderungen unterworfen (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. Bei einem Abzug von AMISOM aus Mogadischu droht hingegen die Rückkehr von al Shabaab (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

In Mogadischu betreibt al Shabaab nahezu eine Schattenregierung: Betriebe werden eingeschüchtert und „besteuert“ und eigene Gerichte sprechen Recht. Jedenfalls verfügt al Shabaab über großen Einfluss in Mogadischu und ist in der Lage, nahezu im gesamten Stadtgebiet verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben (LIB, Kapitel Sicherheitslage Mogadischu).

Mogadischu ist über einen internationalen Flughafen sicher erreichbar (LIB Kapitel Rückkehr). Mogadischu verfügt über einige Gesundheitseinrichtungen, Spitäler und Kliniken (LIB Kapitel Medizinische Versorgung).

Die (Clan-)Zusammensetzung der Bevölkerung von Mogadischu ist sehr heterogen. Dort können sich Angehörige jedes Clans niederlassen. Zudem gibt aus Mogadischu keine Meldungen hinsichtlich erheblichen Problemen bei der Bewegungsfreiheit (LIB Kapitel Bewegungsfreiheit).

1.5.4. Al-Shabaab:

Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: der Eroberung Somalias. Allerdings wandelt sich al Shabaab langsam zu einer mafiösen Entität, bei der das Eintreiben von „Steuern“ über den bewaffneten Kampf gestellt wird (LIB, Kapitel Al Shabaab)

Die Menschen auf dem Gebiet von al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Die Gruppe versucht, alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren. Die mit der Nichtbefolgung strenger Vorschriften verbundenen harten Bestrafungen haben ein generelles Klima der Angst geschaffen. Dadurch kann al Shabaab die Bevölkerung kontrollieren, rekrutieren, Gebiete kontrollieren, Steuern eintreiben und ihre Gesetze durchsetzen (LIB, Kapitel Al Shabaab).

In den von ihr kontrollierten Gebieten verfügt al Shabaab über effektive Verwaltungsstrukturen, eine Art von Rechtsstaatlichkeit und eine effektive Polizei. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (LIB, Kapitel Al Shabaab).

1.5.5. Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates:

Im somalischen Kulturraum existieren drei Rechtsquellen: traditionelles Recht (Xeer), islamisches Schariarecht (v.a. für familiäre Angelegenheiten) sowie formelles Recht. Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung. Der mangelnde (Rechts-)Schutz durch die Regierung führt dazu, dass sich Staatsbürger der Schutzgelderpressung durch al Shabaab beugen (LIB, Kapitel Rechtsschutz, Justizwesen).

Staatlicher Schutz ist auch im Falle von Clankonflikten von geringer Relevanz, die „Regelung“ wird grundsätzlich den Clans selbst überlassen. Aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz muss der staatliche Schutz in Zentral- und Südsomalia als schwach bis nicht gegeben gesehen werden. Staatliche Sicherheitskräfte können und wollen oftmals nicht in Clankonflikte eingreifen. Befinden sich Angehörige eines bestimmten Clans oder von Minderheiten in Gefahr oder sind diese bedroht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Zugang zu effektivem staatlichem Schutz gewährleistet ist (LIB, Kapitel Rechtsschutz, Justizwesen).

1.5.6. Clanstruktur:

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (LIB, Kapitel Minderheiten und Clans).

Die Clanfamilien unterteilen sich in die Ebenen der Clans, Sub(sub)clans, Lineages und die aus gesellschaftlicher Sicht bei den nomadischen Clans wichtigste Ebene, die sogenannte Mag/Diya (Blutgeld/Kompensation) zahlenden Gruppe (Jilib), die für Vergehen Einzelner gegen das traditionelle Gesetz (Xeer) Verantwortung übernimmt (Focus, S. 8 f, LIB Kapitel Rechtsschutz und Justizwesen).

Clanschutz bedeutet für eine Einzelperson die Möglichkeit vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Ein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Generell - aber nicht überall - funktioniert Clanschutz besser als der Schutz durch Staat oder Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clanmechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt (LIB, Kapitel Rechtsschutz und Justizwesen).

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage. Als "noble" Clanfamilien gelten die traditionell nomadischen Hawiye, Darod, Dir und Isaaq sowie die sesshaften Digil und Mirifle/Rahanweyn. Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).

In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (LIB, Kapitel Bevölkerungsstruktur).

Größere Konzentrationen von Sheikhal gibt es in der äthiopischen Ogaden-Region und in den somalischen Regionen Benadir, Shabelle Dhexe (v.a. Jowhar), Galguduud/Mudug (Hobyo), Juba Dhexe (Jilib), Juba Hoose (Kismayo), Gedo (Luuq) und Hiraan (Beledweyn). In Lower und Middle Juba werden sie zu den größten Gruppen gerechnet. In Juba Hoose werden die Sheikhal ökonomisch als Landwirte und sozial den Hawiye zugehörig erachtet (Sheikal, S. 6).

Sheikhal Lobogi leben einerseits sowohl – in traditioneller Form – als adoptierte Teile bei diversen Subclans der Hawiye, andererseits bilden sie aber auch ganze Sub-(sub-)Clans– wie etwa bei den Hirab (Sheikal, S. 9).

Dementsprechend werden die Sheikhal als Gesamtheit den Hawiye zugeordnet. Auch die UK Border Agency wertet die Sheikhal in ihrer Clanhierarchie als seit dem Jahr 2000 gänzlich (als Subclan) in den Hawiye aufgegangen (Sheikal, S. 10).

Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein (LIB, Kapitel Angehörige anderer Clans).

1.5.7. Grundversorgung:

Die somalische Wirtschaft hat mit dem dreifachen Schock aus Covid-19, einer Heuschreckenplage und Überschwemmungen zu kämpfen. Dabei hat sich die Wirtschaft als resilienter erwiesen, als zuvor vermutet. Trotzdem bleibt die somalische Wirtschaft im Allgemeinen weiterhin fragil. Dies hängt mit der schmalen Wirtschaftsbasis zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist von Landwirtschaft und Fischerei abhängig und dadurch externen und Umwelteinflüssen besonders ausgesetzt (LIB Kapitel Grundversorgung).

Es gibt kein nationales Mindesteinkommen. In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und vom familiären Hintergrund sowie vom Ort (Stadt-Land- und Nord-Süd-Gefälle) ab. Generell zeigt vor allem die urbane Ökonomie in Somalia – allen voran in Mogadischu – eine Erholung. Es gibt einen Bau-Boom. Supermärkte, Restaurants und Geschäfte werden eröffnet. Alleine der Telekom-Konzern Hormuud Telecom hat in den vergangenen Jahren tausende Arbeitsplätze geschaffen und beschäftigt heute mehr als 20.000 Frauen und Männer. In Puntland und Teilen Südsomalias – insbesondere Mogadischu – boomt der Bildungsbereich (LIB Kapitel Grundversorgung).

Einerseits wird berichtet, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen limitiert sind. Andererseits wird ebenso berichtet, dass die besten Jobs oft an Angehörige der Diaspora fallen – etwa wegen besserer Sprachkenntnisse. Gerade um eine bessere Arbeit zu erhalten, ist man aber auch auf persönliche Beziehungen und das Netzwerk des Clans angewiesen. Dementsprechend schwer tun sich IDPs, wenn sie vor Ort über kein Netzwerk verfügen; meist sind sie ja nicht Mitglieder der lokalen Gemeinde (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Viele Menschen leben vom Kleinhandel oder von ihrer Arbeit in Restaurants oder Teehäusern. Allerdings ist eine Arbeit in der Gastwirtschaft mit niedrigem Ansehen verbunden. Die Mehrheitsbevölkerung ist derartige Tätigkeiten sowie jenen auf Baustellen äußerst abgeneigt. Dort finden sich vielmehr marginalisierte Gruppen – z.B. IDPs – die oft auch als Tagelöhner arbeiten.

Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remissen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig. Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Insgesamt ist das traditionelle Recht (Xeer) ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfall- bzw. Haftpflichtversicherung. Die Mitglieder des Qabiil (diya-zahlende Gruppe; auch Jilib) helfen sich bei internen Zahlungen – z.B. bei Krankenkosten – und insbesondere bei Zahlungen gegenüber Außenstehenden aus. Neben der Kernfamilie scheint der Jilib [Anm.: untere Ebene im Clansystem] maßgeblich für die Abdeckung von Notfällen verantwortlich zu sein. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder – je nach Ausmaß – an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Frauen stoßen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vor – etwa bei Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. Gerade auch die Hungersnot von 2011 und die Dürre 2016/17 haben den Vorstoß von Frauen in männliche Domänen weiter vorangetrieben. In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43% der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Trotzdem bietet sich für vom Land in Städte ziehende Frauen meist nur eine Tätigkeit als z.B. Wäscherin an, da es diesen Frauen i.d.R. an Bildung und Berufsausbildung mangelt. Allerdings können sie z.B. auch als Kleinhändlerin tätig werden. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf Baustellen. Für Frauen gibt es auch weiterhin kulturelle Einschränkungen bezüglich der Berufsausübung, z.B. können sie nicht Taxifahrer werden (LIB, Kapitel Grundversorgung).

Für viele Haushalte sind Remissen aus der Diaspora eine unverzichtbare Einnahmequelle. Diese Remissen, die bis zu 40% eines durchschnittlichen Haushaltseinkommens ausmachen, tragen wesentlich zum sozialen Sicherungsnetz bei und fördern die Resilienz der Haushalte (LIB, Kapitel Grundversorgung).

1.5.8. Binnenflüchtlinge (IDPs):

IDPs sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, ihre besondere Schutzlosigkeit und Hilfsbedürftigkeit werden von allerlei nichtstaatlichen – aber auch staatlichen – Stellen ausgenutzt und missbraucht.

Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkung und Diskriminierung aufgrund von Clanzugehörigkeit sind an der Tagesordnung; es kommt auch zu Vertreibungen und sexueller Gewalt. Dies trifft in erster Linie Bewohner von IDP-Lagern – in Mogadischu v.a. jene IDPs, die nicht über Clanbeziehungen in der Stadt verfügen. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung besonders gefährdet. 2018 betrafen 80 % der gemeldeten Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt IDPs. Zu den Tätern gehören bewaffnete Männer und Zivilisten. Für IDPs in Lagern gibt es keinen Rechtsschutz, und es gibt in Lagern auch keine Polizisten, die man im Notfall alarmieren könnte (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge).

In Mogadischu sind die Bedingungen für IDPs in Lagern hart. Oft fehlt es dort an simplen Notwendigkeiten, wie etwa Toiletten. Landesweit fehlen in 80 % der IDP-Lager Wasserstellen – v.a. in Benadir, dem SWS und Jubaland. Die Rate an Unterernährung ist hoch, der Zugang zu grundlegenden Diensten eingeschränkt. Es mangelt ihnen zumeist an Zugang zu genügend Lebensmitteln und akzeptablen Unterkünften. Allerdings ist der Zustand von IDP-Lagern unterschiedlich. Während die neueren meist absolut rudimentär sind, verfügen ältere Lager üblicherweise über grundlegende Sanitär-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen (LIB, Kapitel Binnenflüchtlinge).

1.5.10. Bewegungsfreiheit:

Gesetze schützen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

Reisende sind durch die zahlreichen, von unterschiedlichen Gruppen betriebenen Straßensperren, an welchen Wegzoll erpresst wird, einer Gefahr ausgesetzt. Neben den Straßensperren kann auch das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen. Viele der Hauptstraßen werden nur teilweise von AMISOM und Armee kontrolliert. Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

In Mogadischu gibt es mehrere hundert permanente oder mobile Kontrollpunkte, dadurch wird die Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Zeitweise sperren Sicherheitskräfte ganze Straßenzüge, wodurch die Bewegungsfreiheit für Menschen und Waren erheblich behindert wird. Insgesamt können sich Menschen in Mogadischu aber unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit frei bewegen und sich niederlassen (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen jedenfalls für einen Teil der somalischen Bevölkerung. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation).

Die sicherste Arte des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen. Mogadischu kann international erreicht werden (LIB, Kapitel Bewegungsfreiheit und Relokation; Rückkehr).

1.5.11. Rückkehrer:

Schon nach den Jahren 2011 und 2012 hat die Zahl der aus der Diaspora nach Süd-/Zentralsomalia zurückkehrenden Menschen stark zugenommen. Viele lokale Angestellte internationaler NGOs oder Organisationen sind aus der Diaspora zurückgekehrte Somali. Andere kommen nach Somalia auf Urlaub oder eröffnen ein Geschäft. Bis November 2019 sind insgesamt 91.232 Somalis über AVR-Programme des UNHCR zurückgeführt worden, mehrheitlich aus Kenia, aber auch aus Dschibuti, Libyen und dem Jemen (LIB, Kapitel Rückkehr).

Rückkehrer werden nicht von somalischen Behörden misshandelt. Mit technischer und finanzieller Unterstützung haben sich verschiedene westliche Länder über die letzten Jahre hinweg für die Schaffung und anschließende Professionalisierung eines speziell für Rückführung zuständigen Returnee Management Offices (RMO) innerhalb des Immigration and Naturalization Directorates (IND) eingesetzt. Staatliche Repressionen sind nicht die Hauptsorge der Rückkehrer. Rückkehrer werden vom RMO/IND grundsätzlich mit Respekt behandelt. Am Flughafen kann es zu einer Befragung von Rückkehrern durch das RMO hinsichtlich Identität, Nationalität, Familienbezügen sowie zum gewünschten zukünftigen Aufenthaltsort kommen. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige und andere Rückkehrer (LIB, Kapitel Rückkehrer).

1.5.12. Frauen:

Die Diskriminierung von Frauen ist gesetzlich verboten. Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen werden in der somalischen Gesellschaft, in der Politik und in den Rechtssystemen systematisch Männern untergeordnet. Sie genießen nicht die gleichen Rechte wie Männer und werden systematisch benachteiligt. Frauen leiden unter Diskriminierung bei Kreditvergabe, Bildung, Politik und Unterbringung (LIB Kapitel Frauen).

Andererseits ist es der Regierung gelungen, Frauenrechte etwas zu fördern: Immer mehr Mädchen gehen zur Schule, die Zahl an Frauen im öffentlichen Dienst wächst. Frauen sind das ökonomische Rückgrat der somalischen Gesellschaft und mittlerweile oft die eigentlichen Brotverdiener der Familie. Daher ist es üblich, in einer Stadt wie Mogadischu Kleinhändlerinnen anzutreffen, die Khat, Gemüse oder Benzin verkaufen (LIB Kapitel Frauen).

Insgesamt ist festzustellen, dass 8,3% aller somalischen Haushalte von alleinstehenden Frauen geführt werden, die entweder nie verheiratet waren oder aber verlassen, geschieden oder verwitwet sind. Es liegen keine Informationen darüber vor, wonach es allen diesen Frauen an einer Existenzgrundlage mangeln würde oder dass alle diese Frauen keine Unterkunft haben würden (Anfragebeantwortung Frauen).

Der überwiegende Anteil letztgenannter Haushalte findet sich im urbanen Raum und in IDP-Lagern; gleichzeitig haben die meisten dieser Haushaltsvorstände keine Bildung. Zu den unteren Wohlstandskategorien (sehr arm, arm) zählen 43,2% dieser Haushalte, zur mittleren 19,8% und zu den oberen zwei 37% (Anfragebeantwortung Frauen).

In urbanen Gebieten wie Mogadischu ist der Anteil unverheirateter Personen noch höher: Die Region Benadir (Mogadischu) hat in Süd-/Zentralsomalia den höchsten Anteil an Personen, die noch nie verheiratet waren (34,9%). Dort sind nur etwas mehr als die Hälfte der Personen verheiratet (55,2%), weitere 9,8% wurden verlassen, sind geschieden oder verwitwet. Dabei gibt es keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede; daher gibt es nahezu gleichviele unverheiratete Frauen wie Männer (Anfragebeantwortung Frauen).

Aufgrund der Tatsache, dass Frauen in der konfliktbelasteten somalischen Gesellschaft immer öfter die Rolle des „Versorgers“ übernehmen mussten, haben sich ihnen auch immer mehr wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnet (Anfragebeantwortung Frauen).

Es gibt unterschiedliche Programme von Hilfsorganisationen, um u.a. alleinstehende Frauen bzw. weibliche Haushaltsvorstände zu unterstützen (Berufsausbildung, cash-for-work, Mikrofinanzierung, Starthilfen etc.) (Anfragebeantwortung Frauen).

Bei der Anmietung von Häusern kommt es zu keiner signifikanten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Oft sind die Vermieter bzw. jene Personen, mit welchen Verträge abgeschlossen werden, selbst Frauen. Der entscheidende Faktor bei einer Anmietung ist nicht das Geschlecht, sondern die Frage, ob die Miete auch bezahlt werden kann (Anfragebeantwortung Frauen).

Auch wenn Gewalt gegen Frauen gesetzlich verboten ist, bleiben häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem. Bezüglich Gewalt in der Ehe – darunter auch Vergewaltigung – gibt es keine speziellen Gesetze. Sexuelle Gewalt bleibt ein großes Problem – speziell für IDPs (LIB, Kapitel Frauen).

6 % aller Vergehen von geschlechtsspezifischer Gewalt betreffen IDPs. Dabei umfasst die Kategorie geschlechtsspezifische Gewalt wiederum in erster Linie physische Übergriffe (rd. 69 % der Vergehen) und erst an zweiter Stelle sexuelle Gewalt (rd. 11 %). Als Haupttäter geschlechtsspezifischer Gewalt finden sich die Ehemänner (73 %). Auch weibliche Angehörige von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen (LIB, Kapitel Frauen).

Sexuelle Gewalt - Gesetzeslage und staatlicher Schutz: Vergewaltigung ist gesetzlich verboten. Strafverfolgung oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderer Formen sexueller Gewalt sind rar. Es gibt kleinere Fortschritte dabei, Opfern den Zugang zum formellen Justizsystem zu erleichtern. Einerseits wurden Staatsanwältinnen eingesetzt; andererseits werden Kräfte im medizinischen und sozialen Bereich ausgebildet, welche hinkünftig Opfern zeitnah vertrauliche Dienste anbieten können werden. Zusätzlich kommt es zu Ausbildungsmaßnahmen für Sicherheitskräfte, um diese hinsichtlich konfliktbezogener sexueller Gewalt und den damit verbundenen Menschenrechten zu sensibilisieren (LIB, Kapitel Frauen).

Arrangierte Ehe / Zwangsehe: Der Übergang von arrangierter zur Zwangsehe ist fließend. Bei ersterer liegt die mehr oder weniger explizite Zustimmung beider Eheleute vor, wobei hier ein unterschiedliches Maß an Druck ausgeübt wird. Bei der Zwangsehe hingegen fehlt die Zustimmung gänzlich oder nahezu gänzlich. Erwachsene Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 gibt eine von fünf Frauen an, zur Ehe gezwungen worden zu sein; viele von ihnen waren bei der Eheschließung keine 15 Jahre alt. Es gibt keine bekannten Akzente der Bundesregierung oder regionaler Behörden, um dagegen vorzugehen. Außerdem gibt es kein Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Gegen Frauen, die sich weigern, einen von der Familie gewählten Partner zu ehelichen, wird mitunter auch Gewalt angewendet. Das Ausmaß ist unklar, Ehrenmorde haben diesbezüglich in Somalia aber keine Tradition. Vielmehr können jene, die mit traditionellen Normen brechen, den Schutz und die Unterstützung durch Familie und Clan verlieren (LIB, Kapitel Frauen).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden.

Die einzelnen Feststellungen beruhen auf den jeweils in der Klammer angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum der Beschwerdeführerin gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person der Beschwerdeführerin im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin, ihrer Religions- und Clanzugehörigkeit, ihrer Muttersprache, ihrem Familienstand und zu ihrem Lebenslauf (ihr Aufwachsen sowie ihre Schulbildung und mangelnde Berufsausbildung) gründen sich auf ihre diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen der Beschwerdeführerin zu zweifeln.

2.1.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin dem Clan der Sheikal angehört, ist ihrer im gesamten Verfahren gleichgebliebenen Angabe diesbezüglich zu entnehmen.

Die Sheikhal sind eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Es ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr von ihrem Clan bzw. dem Clan der Hawiye unterstützt werden kann.

2.1.3. Die Feststellungen zu den Familienangehörigen der Beschwerdeführerin und deren Aufenthaltsorten ergeben sich aus ihren im gesamten Verfahren gleichbleibenden Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen der Beschwerdeführerin zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung der Beschwerdeführerin nach somalischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass sie in Somalia geboren und in Äthiopien mit ihrer somalischen Familie aufgewachsen ist. Sie ist in eine somalische Schule gegangen.

2.1.3. Das Ausreisedatum sowie das Datum der Asylantragsstellung ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

2.1.4. Dass die Beschwerdeführerin arbeitsfähig ist, sie an keinen schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Krankheiten leidet und auch keiner COVID-19 Risikogruppe angehört, ist ihren Angaben im Verfahren zu entnehmen. Zu ihrem Gesundheitszustand führte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung aus, dass sie gesund sei.

2.1.4. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

2.2.1. Soweit die Beschwerdeführerin vorbrachte, dass sie von Mitgliedern der „Liu Police“ verfolgt worden wäre, da ihr Bruder Angehöriger der ONLF-Gruppe gewesen wäre, kommt ihrem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks über die Beschwerdeführerin davon aus, dass ihr hinsichtlich ihres Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Die Beschwerdeführerin wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, ihr Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht gerecht worden.

Die Beschwerdeführerin machte im Laufe des Verfahrens zu ihren Fluchtgründen befragt stets widersprüchliche und unterschiedliche Angaben.

In der Erstbefragung erklärte die Beschwerdeführerin, dass äthiopische Truppen ihren Vater entführt und umgebracht und sie bedroht hätten. Auch ihr Bruder wäre von den Truppen entführt worden.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt gab die Beschwerdeführerin im Widerspruch dazu an, dass sie das nicht gesagt hätte. Ihr Bruder hätte sich lediglich der ONL-Gruppe angeschlossen. Entführt worden wäre er jedoch nicht. Diese Angaben sind nicht in Einklang zu bringen.

In der Beschwerdeverhandlung dazu aufgefordert, ihre Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen, erwähnte sie eine Bedrohung ihres Vaters, ihres Bruders oder ihrer selbst durch äthiopische Truppen mit keinem Wort.

Das diesbezügliche Vorbringen war insgesamt lediglich äußerst vage und ohne lebensnahe Details geschildert und daher unglaubhaft. Dazu kommt, dass sich ihr Vorbringen auf äthiopische Truppen und somit nicht auf den Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin bezogen hat.

2.2.2. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Somalia haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle somalischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Somalias einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen kann bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände jedoch Asylrelevanz erreichen.

Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin auf die Unterstützung ihres Clans, der Sheikal, zurückgreifen kann. Nach den Länderberichten ist die Zugehörigkeit zu einem Clan der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalier, diese bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Die Beschwerdeführerin kann daher auf den Schutz ihres Clans zurückgreifen.

Die Beschwerdeführerin verfügt zudem über eine vierjährige Schulbildung in einer somalischen Schule und ist nach den somalischen Gepflogenheiten in einem somalischen Familienverband aufgewachsen.

Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin Gefahr laufen würde, in ein IDP-Lager gehen zu müssen. Der Beschwerdeführerin droht daher auch keine sexuelle Ausbeutung durch die Al Shabaab, zumal sie eben in keinem IDP-Lager Unterschlupf suchen muss und sie auf den Schutz ihres Clans zurückgreifen kann. Zudem bleibt Mogadischu weiterhin unter Kontrolle der Regierung. Es ist nicht anzunehmen, dass die Al Shabaab wieder die Kontrolle in Mogadischu zurückerlangen kann.

Es muss zudem darauf hingewiesen werden, dass der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Situation als alleinstehende Frau der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist. Weitere Umstände, die zu einer asylrelevanten Verfolgung der Beschwerdeführerin in Somalia führen würden, sind nicht hervorgekommen.

Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass Frauen in Somalia in einer Vielzahl von Berufen tätig sind und oft alleine für das Familieneinkommen verantwortlich sind. Frauen sind das ökonomische Rückgrat der somalischen Gesellschaft und mittlerweile oft die eigentlichen Brotverdiener der Familie.

Daher ist es üblich, in einer Stadt wie Mogadischu, Kleinhändlerinnen anzutreffen. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft oder sie verkaufen Kleidung und Essen. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf Baustellen. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei.

Viele Haushalte haben einen weiblichen Hausvorstand. In Somalia und noch in höherem Maß im urbanen Raum gibt es einen erheblichen Anteil von Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand, nämlich 18,7% (nach anderen Angaben sogar fast die Hälfte aller Haushalte). In Mogadischu sind es 36% aller Haushalte. Dort gibt es aus finanzieller Sicht auch keinen Unterschied, ob ein Haushalt von einem Mann oder einer Frau geführt wird.

Insgesamt ist festzustellen, dass 8,3% aller somalischen Haushalte von alleinstehenden Frauen geführt werden, die entweder nie verheiratet waren oder aber verlassen, geschieden oder verwitwet sind.

Bei der Anmietung von Häusern kommt es zu keiner signifikanten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Oft sind die Vermieter bzw. jene Personen, mit welchen Verträge abgeschlossen werden, selbst Frauen. Der entscheidende Faktor bei einer Anmietung ist nicht das Geschlecht, sondern die Frage, ob die Miete auch bezahlt werden kann.

Es gibt unterschiedliche Programme von Hilfsorganisationen, um u.a. alleinstehende Frauen bzw. weibliche Haushaltsvorstände zu unterstützen (Berufsausbildung, cash-for-work, Mikrofinanzierung, Starthilfen etc.).

Der Beschwerdeführerin ist es daher möglich in Mogadischu auch ohne männliche Begleitung das Haus zu verlassen, einer Arbeit nachzugehen sowie am Erwerbsleben und Geschäftsleben teilzunehmen. Diesbezüglich gibt es in der Stadt Mogadischu keine Verfolgungshandlungen gegen (alleinstehende) Frauen.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.3. Die Beschwerdeführerin wurde in Somalia niemals bedroht oder verfolgt. Es ist daher keine Verfolgung der Beschwerdeführerin und auch keine Verfolgungsgefahr aus einem Konventionsgrund erkennbar. Ihr droht in Somalia auch keine Verfolgung durch die ONL, durch andere Gruppierungen oder durch andere Personen.

3.1.4. Die Beschwerdeführerin gehört dem Clan der Sheikhal an, der dem angesehenen Mehrheitsclan der Hawiye zugehörig erachtet wird. Es droht der Beschwerdeführerin daher aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit keine Verfolgung in Somalia.

3.1.5. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Somalia haben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle somalischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Somalias einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen könnte bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere der Zugehörigkeit zu einem niederen Clan, Asylrelevanz erreichen.

Die Beschwerdeführerin gehört einem angesehenen Clan und keinem Minderheitenclan an. Die Beschwerdeführerin kann daher auf den Schutz ihres Clans zurückgreifen. Sie verfügt zudem über eine mehrjährige Schulbildung. Es ist daher auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin in ein IDP-Lager müsste, da diese jedenfalls auf den Schutz ihres Clans zurückgreifen kann.

Frauen gehen in Somalia einer Vielzahl von Berufen und beruflichen Tätigkeiten nach. Den Länderberichten ist zu entnehmen, dass Frauen in Somalia in einer Vielzahl von Berufen tätig sind und oft alleine für das Familieneinkommen verantwortlich sind. Frauen sind das ökonomische Rückgrat der somalischen Gesellschaft und mittlerweile oft die eigentlichen Brotverdiener der Familie.

Daher ist es üblich, in einer Stadt wie Mogadischu Kleinhändlerinnen anzutreffen. Sie verkaufen Treibstoff, Milch, Fleisch, Früchte, Gemüse oder Khat auf Märkten oder auf der Straße. 80%-90% des derart betriebenen Handels wird von Frauen kontrolliert. Außerdem arbeiten Frauen in der Landwirtschaft oder sie verkaufen Kleidung und Essen. Andere arbeiten als Dienstmädchen, Straßenverkäuferin, Köchin, Schneiderin, Müllsammlerin oder aber auch auf Baustellen. All diese Tätigkeiten führen Frauen jenseits des ihnen traditionell zugeschriebenen Bereichs des eigenen Haushalts aus.

Frauen stoßen immer mehr in ehemals männlich dominierte Wirtschaftsbereiche vor – etwa bei der Viehzucht, in der Landwirtschaft und im Handel. Frauen tragen nunmehr oft den Hauptteil zum Familieneinkommen bei. In Süd-/Zentralsomalia und Puntland sind Frauen in 43 % der Haushalte mittlerweile die Hauptverdiener. In der Region Benadir ist der primäre Sektor klarerweise von geringer Bedeutung (1,3% der arbeitenden Personen). Dort überwiegen Dienstleistung/Handel (31,8%), höhere (bildungsabhängige) Berufe (28,7%), Handwerk (15,6%), Hilfs- (11,2%) und Fabrikarbeiter (10,7%).

Viele Haushalte haben einen weiblichen Hausvorstand. In Somalia und noch in höherem Maß im urbanen Raum gibt es einen erheblichen Anteil von Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand, nämlich 18,7% (nach anderen Angaben sogar fast die Hälfte aller Haushalte). In Mogadischu sind es 36% aller Haushalte. Dort gibt es aus finanzieller Sicht auch keinen Unterschied, ob ein Haushalt von einem Mann oder einer Frau geführt wird.

Insgesamt ist festzustellen, dass 8,3% aller somalischen Haushalte von alleinstehenden Frauen geführt werden, die entweder nie verheiratet waren oder aber verlassen, geschieden oder verwitwet sind.

Bei der Anmietung von Häusern kommt es zu keiner signifikanten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Oft sind die Vermieter bzw. jene Personen, mit welchen Verträge abgeschlossen werden, selbst Frauen. Der entscheidende Faktor bei einer Anmietung ist nicht das Geschlecht, sondern die Frage, ob die Miete auch bezahlt werden kann.

Es gibt unterschiedliche Programme von Hilfsorganisationen, um u.a. alleinstehende Frauen bzw. weibliche Haushaltsvorstände zu unterstützen (Berufsausbildung, cash-for-work, Mikrofinanzierung, Starthilfen etc.).

Es liegt daher im gegenständlichen Fall keine individuelle Verfolgung der Beschwerdeführerin aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der (alleinstehenden) Frauen vor. Die Beschwerdeführerin kann sich in Mogadischu auch ohne männliche Begleitung frei bewegen, eine Wohnung anmieten sowie am Geschäfts- und Erwerbsleben teilnehmen und auch einen Beruf in Mogadischu ausüben.

Dass der Beschwerdeführerin eine sexuelle Ausbeutung durch die Al Shabaab droht, kann vor dem Hintergrund, dass sie eben in keinem IDP-Lager Unterkunft suchen muss und sie auf den Schutz ihres Clans zurückgreifen kann, nicht erkannt werden. Zudem steht Mogadischu unter Kontrolle der Regierung und nicht unter Kontrolle der Al Shabaab.

Sexuelle Gewalt bleibt zwar ein großes Problem – jedoch speziell für IDPs. 76 % aller Vergehen von geschlechtsspezifischer Gewalt betreffen IDPs. Da die Beschwerdeführerin nicht in ein IDP-Lager müsste, wäre sie nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von sexueller bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Dabei umfasst die Kategorie geschlechtsspezifische Gewalt wiederum in erster Linie physische Übergriffe (rd. 69 % der Vergehen) und erst an zweiter Stelle sexuelle Gewalt (rd. 11 %). Als Haupttäter geschlechtsspezifischer Gewalt finden sich jedoch die Ehemänner (73 %). Auch weibliche Angehörige von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Die Beschwerdeführerin ist weder verheiratet noch Angehörige eines Minderheitenclans.

Der Beschwerdeführerin droht daher aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit bzw. als alleinstehende Frau keine asylrelevante Verfolgung in der Stadt Mogadischu.

3.1.6. Aufgrund der Situation in Somalia ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.

3.1.7. Im Ergebnis droht der Beschwerdeführerin aus den von ihr ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.

3.1.8. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B)     Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Be

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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