TE Bvwg Beschluss 2021/7/29 W156 2224416-1

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Veröffentlicht am 29.07.2021
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Entscheidungsdatum

29.07.2021

Norm

AVG §53a Abs2
B-VG Art133 Abs4
GebAG §31
GebAG §32 Abs1
GebAG §32 Abs2 Z1
GebAG §43 Abs1
VwGVG §17

Spruch


W156 2224416-1/18Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ über den auf der Honorarnote vom 19.01.2021 basierenden gebührenrechtlichen Antrag der Sachverständigen XXXX als nichtamtliche Sachverständige betreffend die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens beschlossen:

A) I. Die gebührenrechtlichen Ansprüche werden gemäß § 17 VwGVG iVm § 35a Abs. 2 AVG mit

€ 337,30 (inkl. 20% USt)

bestimmt.

II. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1 Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2020, GZ: W156 2224416-1/6Z, wurden die Antragstellerin in der gegenständlichen Beschwerdesache gemäß § 52 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet „Psychiatrie und Neurologie“ bestellt und ihr, nach entsprechender Untersuchung, die Beantwortung von Fragen in einem Gutachten aufgetragen. Das Gutachten war schriftlich zu erstatten.

2. Mit Schreiben vom 19.01.2021 brachten die Antragstellerin ihr Gutachten mitsamt einer aufgeschlüsselten Honorarnote Nr. 0049/2021 wie folgt beim Bundesverwaltungsgericht ein:

1.

Befund und Gutachten nach Untersuchung § 43 (1) abcdef

Psychiatrische Untersuchung – allgemeine Beurteilung

(+ Außenanamnese)

Neurologische Untersuchung

1 zusätzliche Frage – Geschäftsfähigkeit

195,40

116,20

116,20

2.

Gebühr nach § 49

Testpsychologie

0 MRT/CT-Serie (Bildbögen á € 15,00)

0,00

0,00

3.

Teilnahme an der Verhandlung § 35

Teilnahme an der mündlichen Tagsatzung

Einholung und Studium v. KG

0,00

0,00

4.

Kosten nach § 30 (1)

Beiziehung von Hilfskräften (Aktenführung ab Eingang, Anlegen eines Handaktes, Terminkoordination, Anfertigung von Kopien, Organ. V. Zusatzunt.)

0,00

5.

Aktenstudium § 36

30,00

6.

Schreibgebühr § 31 (3)

20 Urschriften á € 2,00

0 Durchschriften á € 0,60

0 Ablichtungen á € 0,60

40,00

0,00

0,00

7.

Zeitversäumnis § 32 (1); § 33 (1)

Korrespondenz, Telefonate, Postwege

45,40

8.

Reisekosten § 28

0 km á € 0,42

0,00

9.

Sonstige Kosten § 31

Porto – Telefongebühren – Faxgebühren – Hygienepauschale – ERV-Gebühr

37,00

 

Netto Summe

580,20

 

zzgl. 20% USt

116,04

 

Gesamtsumme abgerundet

696,00

3. Das Bundesverwaltungsgericht hielt der Antragstellerin mit Schreiben vom 22.06.2021, GZ. W156 2224416-1/15Z, mit der Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen, kurz zusammengefasst vor, dass im gegenständlichen Fall die Beantwortung des Fragenkomplexes aus psychiatrischer Sicht sowie die neurologische Untersuchung mit dem Tarif des § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d GebAG zu vergüten seien und die Geltendmachung einer „Hygienepauschale“ aufgrund pandemiebedingter zusätzlicher Kosten iSd § 31 GebAG nicht möglich sei. In einem wurde die Antragstellerin aufgefordert, für eine mögliche Vergütung der Zeitversäumnis darzulegen, aus welchen Umständen sich die zwei Stunden Zeitversäumnis ergeben, sowie darzulegen, zu welchem Anteil Telefonspesen in Anbetracht der übrigen Summe in Höhe von € 25,00 angefallen seien. Das Schreiben wurde am 24.06.2021 nachweislich zugestellt.

4. Es langte keine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. In weiterer Folge teilte das Bundesverwaltungsgericht der beschwerdeführenden Partei im gegenständlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 15.07.2021, GZ. W156 2219706-1/16Z, mit, dass sich aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes sich eine Gebührenberechnung in der Höhe von insgesamt € 377,30 ergäbe. Der beschwerdeführenden Partei wurde die Möglichkeit zu einer schriftlichen Stellungnahme binnen 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt.

6. Binnen offener Frist brachte die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 27.07.2021 eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht ein, in der mitgeteilt wurde, dass die beschwerdeführende Partei im Monat rund € 570 an Sozialhilfe beziehe und aufgrund des geringen Einkommen außerstande sie, die Gebühren zu begleichen. Inhaltlich erfolgte keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter Punkt I. dargelegten Sachverhalt ausgegangen, aus dem hervorgeht, dass die Antragstellerin im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens als Sachverständige aus dem Fachgebiet „Psychiatrie und Neurologie“ bestellt wurde und dabei ein schriftliches Gutachten zu erstatten hatte.

2. Beweiswürdigung:

Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus einer Abfrage der elektronischen Verfahrensadministration des Bundesverwaltungsgerichtes, dem Bestellungsbeschluss vom 07.07.2020, GZ. W156 2224416-1/6Z, dem Gebührenantrag vom 19.01.2021 und dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht im Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 53a Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG haben nichtamtliche Sachverständige für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren nach den §§ 24 bis 37 und 43 bis 51 GebAG. Gemäß § 53a Abs. 2 AVG ist die Gebühr von der Behörde, die den Sachverständigen herangezogen hat, zu bestimmen.

Gemäß § 24 GebAG umfasst die Gebühr des Sachverständigen

1.       den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Befund- oder Beweisaufnahme, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

2.       den Ersatz der Kosten für die Beiziehung von Hilfskräften und der sonstigen durch seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren verursachten notwendigen Kosten;

3.       die Entschädigung für Zeitversäumnis;

4.       die Gebühr für Mühewaltung einschließlich der Gebühr für die Teilnahme an einer Verhandlung und der Gebühr für Aktenstudium.

1.       Zu der beantragten Gebühr für Mühewaltung gemäß § 43 Abs. 1 GebAG

Gemäß § 34 Abs. 1 und 2 GebAG steht die Gebühr für Mühewaltung den Sachverständigen für die Aufnahme des Befundes und die Erstattung des Gutachtens zu und deckt alle damit im Zusammenhang entstandenen Kosten, soweit dafür nicht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes ein gesonderter Ersatz vorgesehen ist. Insoweit in anderen Vorschriften auf die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verwiesen wird, ist die Gebühr für Mühewaltung nach den Tarifen (§ 43 ff GebAG) dieses Bundesgesetzes zu bestimmen.

Im, für das gegenständliche Verfahren gemäß § 17 VwGVG anwendbaren § 53a Abs. 1 AVG, wird auf die Bestimmungen des GebAG dahingehend verwiesen, dass nichtamtliche Sachverständige für ihre Tätigkeit im Verfahren Anspruch auf Gebühren haben, die durch Verordnung der Bundesregierung in Pauschalbeträgen (nach Tarifen) festzusetzen sind. Soweit keine solchen Pauschalbeträge (Tarife) festgesetzt sind, sind auf den Umfang der Gebühr die §§ 24 bis 37, 43 bis 49 und 51 des Gebührenanspruchsgesetzes – GebAG, BGBl. Nr. 136/1975, sinngemäß anzuwenden.

§ 43 Abs. 1 GebAG normiert Folgendes:

„§ 43 (1) Die Gebühr für Mühewaltung beträgt

1.       für die Untersuchung samt Befund und Gutachten

a) bis c) [….]

d) bei einer besonders zeitaufwändigen körperlichen, neurologischen, psychiatrischen Untersuchung oder einer Untersuchung zur Beurteilung, ob eine psychisch kranke Person ohne Gefahr in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt oder betreut werden kann, je mit eingehender Begründung des Gutachtens 116,20 Euro;

e) psychiatrischen Untersuchung oder einer Untersuchung zur Beurteilung, ob eine psychisch kranke Person ohne Gefahr in anderer Weise als durch Unterbringung in einer Anstalt behandelt oder betreut werden kann, je mit besonders eingehender, sich mit widersprüchlichen Ergebnissen von Befundaufnahmen ausführlich auseinandersetzender oder besonders ausführlicher und außergewöhnliche Kenntnisse auf dem Fachgebiet des Sachverständigen voraussetzender Begründung des Gutachtens   195,40 Euro“

In der Honorarnote wurde unter „Psychiatrische Untersuchung – allgemeine Beurteilung
(+ Außenanamnese)“ ein Tarifsatz von € 195,40 herangezogen.

Dazu ist festzuhalten, dass im GebAG hinsichtlich der Mühewaltungsgebühr für eine psychiatrische Untersuchung ein mehrstufiger Tarif vorgesehen ist. Für die Abgrenzung zwischen den Gebührensätzen des § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d GebAG und des § 43 Abs. 1 Z 1 lit. e GebAG ist ausschließlich die Begründungsqualität entscheidend. Der Zuspruch nach § 43 Abs. 1 Z 1 lit. e setzt voraus, dass sich der Sachverständige in seiner eingehenden Gutachtensbegründung entweder mit widersprüchlichen Ergebnissen von Befundaufnahmen ausführlich auseinandersetzt oder dass die Begründung ausführliche und außergewöhnliche Kenntnisse auf dem Bereich des SV verlangt (12 Os 2/10v = SV 2010/4, 218).

Die Gesetzesmaterialien (vgl. ErläutRV 1554 BlgNR 18. GP, 15.) führen in diesem Kontext Folgendes aus: „Besonders wenn widersprüchliche Ergebnisse bei Befundaufnahmen vorliegen, ist es von großer Bedeutung, dass der SV darauf eingeht und sich mit ihnen ausführlich auseinandersetzt. Der damit verbundene Aufwand geht über jenen einer eingehenden Begründung hinaus und nähert sich jenem der bisher vorgesehenen "besonders ausführlichen wissenschaftlichen Begründung", da genau erläutert werden muss, warum der Sachverständige letztlich auf die Maßgeblichkeit bestimmter Ergebnisse von Befundaufnahmen vertraut.“

Im vorgelegten Gutachten gibt die Antragstellerin zu Beginn einen kurzen Überblick über die beiden vorliegenden medizinischen Unterlagen. Im weiteren Verlauf erfolgt die Anamnese und die Erhebung des psychopathologischen und neurologischen Status, wobei weder widersprüchliche Ergebnisse von Befundaufnahmen thematisiert werden noch die Begründung ausführliche und außergewöhnliche Kenntnisse voraussetzt. Mangels Vorliegens der geforderten besonders ausführlichen wissenschaftlichen Begründung, kann § 43 Abs. 1 lit. e GebAG daher nicht zum Tragen kommen.

Ein einheitlich in Auftrag gegebenes Gutachten ist nach § 43 Abs. 1 GebAG mehrfach zu honorieren, wenn nach dem erteilten Auftrag in Wahrheit mehrere Gutachten zu erstatten sind, die unabhängig voneinander bestehen können (OLG Graz SV 2010/4, 222).

Voraussetzung für eine mehrfache Honorierung ist dabei nach überwiegender Rechtsprechung, dass für die Begutachtung jeder Frage die dem SV eigenen Fachkenntnisse erforderlich sind, ein weitergehender Befund notwendig war und durch die Beantwortung der einen Frage nicht die weiteren vom Richter selbst gelöst werden können (LG Salzburg SV 2010/2, 91; LG Feldkirch SV 2010/4, 220; Krammer/Schmidt, Sachverständigen und DolmetscherG, GebührenanspruchsG [2001] E64 zu § 43 GebAG; Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher, 4. Auflage, Rz. 9 zu § 43 GebAG).

Maßgeblich für die Frage, ob mehrere derartige Befunde vorliegen, ist nicht wie viele Fragen der Gutachtensauftrag enthält, sondern zu wie vielen selbständigen Themenkreisen der SV nach dem Inhalt des Gutachtensauftrages gutachterliche Aussagen zu machen hat (LG Feldkirch SV 2010/4,220; LGZ Wien EFSlg 115.700; EFSlg 112.736; EFSlg 109.500; EFSlg 106.440; Dokalik/Weber, Das Recht der Sachverständigen und Dolmetscher, 4. Auflage, Rz. 10 zu § 43 GebAG).

Somit ist eine Kumulierung der Tarifsätze prinzipiell möglich. Im gegenständlichen Fall war laut Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.07.2020, GZ: W156 2224416-1/6Z, insgesamt eine Frage von der Antragstellerin zu beantworten bzw. Punkt näher zu erörtern, der wie folgt formuliert war:

Von der Sachverständigen wäre insbesondere zu klären, ob die BF zum Zeitpunkt der Erlassung des in Rede stehenden Bescheides (02.01.2017) aufgrund ihrer Voraussetzungen in der Lage war,

-        den Inhalt des Bescheides zu erfassen (Ablehnung der Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus)

-        die erforderlichen rechtlichen Schritte zu unternehmen (Erhebung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht) und

-         die Konsequenzen, die sich aus der Unterlassung einer Beschwerdeerhebung ergeben, zu erkennen, sohin

ob die BF zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf die Angelegenheiten vor der Behörde (PVA) geschäftsfähig war.

Konkret ist somit die Beantwortung des Fragenkomplexes aus psychiatrischer Sicht sowie die neurologische Untersuchung mit dem Tarif des § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d GebAG zu vergüten.

2.       Zur Zeitversäumnis gemäß § 32 Abs. 1 und 2 Z 1 GebAG

Gemäß § 32 Abs. 1 und 2 Z 1 GebAG hat der Sachverständige für die Zeit, die er wegen seiner Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren außerhalb seiner Wohnung oder seiner gewöhnlichen Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit besonders aufwenden muss, Anspruch auf eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß von € 22,70, handelt es sich aber um eine Tätigkeit nach § 34 Abs. 3 Z 1, von € 15,20 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde. Der Anspruch auf Entschädigung durch Zeitversäumnis besteht so weit nicht, als der Sachverständige Anspruch auf eine Gebühr für Mühewaltung hat.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht ein Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis nur bei einer Tätigkeit außerhalb der Wohnung oder gewöhnlichen Arbeitsstätte. Für eine analoge Anwendung dieser Norm auf die in der Ordination als der gewöhnlichen Arbeitsstätte versäumte Zeit ist daher kein Platz (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 44 zu § 32).

Zur Geltendmachung der Entschädigung für Zeitversäumnis gehört nicht nur der Hinweis auf die Gesetzesstelle, sondern zumindest auch die Behauptung der Art der Zeitversäumnis, damit diese entsprechend subsumiert werden kann.

Alle Zeitversäumnisse sind stets zusammenzurechnen und erst dann ist zu prüfen, wie viele Stunden sie zusammen ergeben, wobei eine bloß begonnene Stunde genauso wie eine volle honoriert wird (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 56, E 72 zu § 32).

In der übermittelten Honorarnote vom 19.01.2021, beantragte die Antragstellerin eine Gebühr für zwei begonnene Stunden Zeitversäumnis. Aus dem aktenkundige Verfahrensverlauf gehen jedoch keine nachvollziehbaren Stunden Zeitversäumnis hervor, da die Antragstellerin auch insbesondere das Gutachten vom 19.01.2021 sowie die Honorarnote im Wege des Elektronischen Rechtverkehrs dem Bundesverwaltungsgericht übermittelte.

In diesem Zusammenhang wurden nicht dargelegt, aus welchen Umständen sich die zwei Stunden Zeitversäumnis ergeben.

3.       Zu den sonstigen Kosten gemäß § 31 GebAG

3.1.    Zur Hygienepauschale (Desinfektionsmittel und Spuckschutzvorrichtungen)

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 und 5 GebAG sind den Sachverständigen ausschließlich die mit der Erfüllung ihres jeweiligen Gutachtensauftrags notwendigerweise verbundenen variablen Kosten, nicht aber Fixkosten zu ersetzen. Ersatzfähige variable Kosten sind unter anderem die Kosten für die Benützung der von ihnen nicht selbst beigestellten, besonderen fallspezifischen Hilfsmittel, Werkzeuge, Programme und Geräte, die nicht zur üblichen Grundaustattung von in diesem Fachgebiet tätigen Sachverständigen gehören nach Z 5 die von den Sachverständigen zu entrichtenden Entgelte und Gebühren für Leistungen und Dienste, die für Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch die Sachverständigen notwendig sind und welche die Sachverständigen üblicherweise nicht selbst erbringen und die auch nicht zur üblichen Grundausstattung und Infrastruktur der in diesem Fachgebiet tätigen Sachverständigen gehören (insbesondere Porto, Transportkosten, Kosten für Fremduntersuchungen und – analysen), Pflegegebühren, durch die Besonderheit des Auftrags zusätzlich erforderliche Versicherungsprämien, Kosten für Großräumlichkeiten, für den Erwerb rein fallspezifischen Zusatzwissens und für Übersetzungen.

Dem Sachverständigen sind ausschließlich die in § 31 Abs. 1 Z 1 bis 6 aufgelisteten mit dem Gutachtenauftrag notwendigerweise verbundenen variablen Kosten zu ersetzen. Alle anderen Aufwendungen, die typischerweise anfallen, sind Fixkosten, die mit der Gebühr für Mühewaltung abgegolten werden und nicht gesondert zu ersetzen sind (vgl. LGZ Wien 43 R 342/09a EFSlg 125.296; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E3 zu § 31 GebAG).

Soweit in der Gebührennote Investitionskosten verzeichnet werden, ist zu prüfen, ob dies mit dem gegenständlichen Gutachtensauftrag notwendigerweise verbundene variable Kosten sind. Hingegen sind Fixkosten nicht zu ersetzen. Der Sachverständige muss darlegen, welcher finanzielle Aufwand für Investitionskosten durch Anschaffung nicht nur für den Einzelfall erforderlicher Geräte in der Gebührenposition enthalten ist. Nur wenn besondere Sachmittel und Leistungen durch die Besonderheit des Gutachtensauftrags bedingt sind, sind sie ersatzfähig. Die zur üblichen Grundausstattung der in diesem Fachgebiet tätigen Sachverständige gehörenden Hilfsmittel und Leistungen können nicht in Rechnung gestellt werden (vgl. Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E87 zu § 31 GebAG).

Gemäß § 1 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die hygienischen Anforderungen von Ordinationsstätten und Gruppenpraxen (in der Folge: Hygiene-V-2014) ist der Ordinationsstätteninhaber dafür verantwortlich, dass ein hygienisch einwandfreier Betrieb der Ordination sichergestellt ist. Durch die Einhaltung der Vorschriften der Hygiene-V-2014 soll die Verbreitung von Krankheitserregern minimiert werden.

Betreiber bzw. Dienstleistungserbringer einer Krankenanstalt, Kuranstalt oder von sonstigen Orten, an denen Gesundheitsdienstleistungen erbracht werden, wurden in der 4.Covid-19-Schutzmaßnahmeverordnungnung (4. COVID-19-SchuMaV) gesondert berücksichtigt. Gemäß § 11 Abs. 3 letzter Satz der 4. COVID-19-SchuMaV haben Betreiber bzw. Dienstleistungserbringer einer Krankenanstalt, Kuranstalt oder von sonstigen Orten, an denen Gesundheitsdienstleistungen erbracht werden, unter Bedachtnahme auf die konkreten Verhältnisse durch geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko zu minimieren, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.

Desinfektionsmittel waren auch schon vor Beginn der COVID-19-Pandemie in Ordinationsstätten und Gruppenpraxen, zur Ausübung der vorgesehenen ärztlichen Tätigkeiten, Teil der üblichen Grundausstattung. Dies ergibt sich unter anderem aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 10 bis 11 Hygiene-V-2014 zu Anforderungen für die Reinigung und Desinfektion der Ordination, der §§ 14 bis 18 Hygiene-V-2014 zur Händehygiene und des § 23 Hygiene-V-2014 zur Aufbereitung von Medizinprodukten.

Unter Berücksichtigung der generell strengen Hygienevorschriften bei der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen sowie aufgrund des Umstandes, dass es sich bei Desinfektionsmitteln um ein Grundausstattungsprodukt im Gesundheitsbereich handelt, ist eine Verzeichnung von Kosten unter dem Kostenpunkt des § 31 GebAG, welche im Zusammenhang mit dem Desinfektionsmittelverbrauch stehen, nicht möglich.

An sonstigen Kosten sind nach § 31 nur die mit der Sachverständigen-Tätigkeit notwendigerweise verbundenen konkreten Kosten zu ersetzen, ein Aufschlag als allgemeine Bürounkosten hingegen nicht (vgl. OLG Wien 13 R 148/81; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E6 zu § 31 GebAG).

Ersatzfähig sind daher Kosten, die konkret mit der Erstellung des Gutachtens anfallen und notwendigerweise verbunden sind. Hinsichtlich der Aufstellung von Spuckschutzvorrichtungen in Form etwa von Plexiglaswänden fehlt jedoch eine derartige Verbundenheit, da das Aufstellen gerade nicht ausschließlich konkret für die Untersuchung des Beschwerdeführers erfolgte und damit notwendigerweise verbunden war. Vielmehr handelt es sich beim Aufstellen von Spuckschutzvorrichtungen um Kosten, die als Teil der notwendigen allgemeinen Ordinationsausstattung, der Ausübung allgemeiner Ordinationstätigkeiten zuzurechnen und daher nicht iSd § 31 GebAG ersatzfähig sind.

Aufgrund der obigen Ausführungen ist die Geltendmachung einer „Hygienepauschale“ aufgrund pandemiebedingter zusätzlicher Kosten iSd § 31 GebAG nicht möglich.

3.2.    Zu den verzeichneten Porto-, Telefon- und Faxgebühren

Dem Sachverständigen sind nach § 31 Abs. 1 Z 4 auch die Kosten für die Miete eines EDV Programms zu ersetzen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 88 zu § 31).

Dass dem SV infolge der Einladung zur Untersuchung und der Rückstellung des Aktes Portosepsen erwachsen, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Begründung. Der hierfür begehrte Betrag ist dem Sachverständigen daher zuzusprechen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 103 zu § 31).

Variable, mit der konkreten Sachverständigen-Tätigkeit zusammenhängende Bürounkosten sind nach § 31 GebAG zu ersetzen. Dazu gehören auch die Telefongebühren oder Faxspesen. Telefonkosten und sonstige Barauslagen müssen konkretisiert werden. Eine Bestimmung der Gebühr nach den anteiligen Jahresunkosten pro Akt ist unzulässig (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDGGebAG4, E 4, E 5 zu § 31).

Unterbleibt eine Aufschlüsselung bzw. Darlegung sonstiger Kosten trotz Aufforderung, sind in der Gebührenberechnung keine sonstigen – beantragten – Kosten zu berücksichtigen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4, E 39 zu § 39).

Die Antragstellerin machte in ihrer Honorarnote sonstige Kosten gemäß § 31 Abs. 1 GebAG für „Porto, Telefongebühren, Faxgebühren, elektronische GA-Übermittlung“ geltend.

Vor dem Hintergrund, dass sich im gegenständlichen Fall aus dem aktenkundigen Verfahrenslauf lediglich Telefonkosten und die Gebühr für die elektronische Einbringung in der Höhe von € 12,00 ergeben, da das Gutachten im Wege des elektronischen Rechtverkehrs übermittelt wurde und auch keine weiteren Akten rückübermittelt werden mussten, woraus Portokosten entstanden sein könnten, wurde nicht dargelegt, zu welchem Anteil Telefonspesen in Anbetracht der übrigen Summe in Höhe von € 25,00 angefallen sind.

Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich daher folgende Gebührenberechnung im gegenständlichen Verfahren:

1.

Befund und Gutachten nach Untersuchung § 43 (1) abcdef

Psychiatrische Untersuchung, Neurologische Untersuchung

und Beantwortung einer Frage – Geschäftsfähigkeit

2 x § 43 Abs. 1 Z 1 lit. d € 116,20

232,40

2.

Gebühr nach § 49

Testpsychologie

0 MRT/CT-Serie (Bildbögen á € 15,00)

0,00

0,00

3.

Teilnahme an der Verhandlung § 35

Teilnahme an der mündlichen Tagsatzung

Einholung und Studium v. KG

0,00

0,00

4.

Kosten nach § 30 (1)

Beiziehung von Hilfskräften (Aktenführung ab Eingang, Anlegen eines Handaktes, Terminkoordination, Anfertigung von Kopien, Organ. V. Zusatzunt.)

0,00

5.

Aktenstudium § 36

30,00

6.

Schreibgebühr § 31 (3)

20 Urschriften á € 2,00

0 Durchschriften á € 0,60

0 Ablichtungen á € 0,60

40,00

0,00

0,00

7.

Zeitversäumnis § 32 (1); § 33 (1)

Korrespondenz, Telefonate, Postwege

0,00

8.

Reisekosten § 28

0 km á € 0,42

0,00

9.

Sonstige Kosten § 31

Porto – Telefongebühren – Faxgebühren – Hygienepauschale – ERV-Gebühr

12,00

 

Netto Summe

314,40

 

zzgl. 20% USt

62,88

 

Gesamtsumme

377,28

 

Gesamtsumme auf volle 10 Cent aufgerundet

377,30

Der Gebührenbetrag war gemäß § 17 VwGVG iVm § 53a Abs. 2 AVG auf volle 10 Cent aufzurunden.

Die Gebühr der Antragstellerin war daher mit € 377,30 zu bestimmen.

Das Mehrbegehren war abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die im gegenständlichen Fall anzuwendenden Normen sind derart klar, dass sie keiner weiteren Auslegung bedürfen.

Schlagworte

Gebührenanspruch Gebührenbestimmung - Gericht Mehrbegehren Mühewaltung Pandemie Sachverständigengebühr Sachverständigengutachten Sachverständiger Teilstattgebung variable Kosten Zeitversäumnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W156.2224416.1.01

Im RIS seit

22.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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