TE Vwgh Beschluss 1997/1/29 96/21/0648

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Veröffentlicht am 29.01.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/21/0649

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, 1. über den Antrag des Y, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in R, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Dezember 1995, Zl. St 135/95, betreffend Aufenthaltsverbot, und 2. über die Beschwerde desselben gegen den genannten Bescheid, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 61 VwGG die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Dezember 1995, Zl. St 135/95, betreffend Aufenthaltsverbot, gewährt und die Beigebung eines Rechtsanwaltes sowie die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempelgebühren bewilligt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich vom 20. Februar 1996 wurde Dr. A, Rechtsanwalt in R, zum Vertreter des Beschwerdeführers bestellt. Dieser Beschluß wurde vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 26 Abs. 3 zweiter Satz VwGG dem Verfahrenshelfer am 12. März 1996 zugestellt.

Mit Eingabe vom 23. April 1996 teilte der als Verfahrenshelfer bestellte Rechtsanwalt dem Verwaltungsgerichtshof folgendes mit: "Die Partei war für mich nicht auffindbar. Wie ich soeben festgestellt habe, wurde sie bereits am 11. Jänner 1996 am Flughafen Wien abgeschoben. Meine Beauftragung ist damit offenkundig obsolet geworden."

In seinem nunmehrigen, am 26. Juli 1996 zur Post gegebenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde wird geltend gemacht, daß mehrwöchige Erhebungen des zum Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwaltes ergeben hätten, daß der Beschwerdeführer am 11. Jänner 1996 in die Türkei abgeschoben worden sei. Der Verfahrenshelfer habe dies dem Verwaltungsgerichtshof berichtet und, mangels jeglicher Kontaktmöglichkeit mit dem Beschwerdeführer, hinzugefügt, daß die Beauftragung offenkundig obsolet geworden sei. Mit Telefax vom 22. Juli 1996 habe sich der Beschwerdeführer jedoch nunmehr beim Verfahrenshelfer gemeldet. Aus den dargestellten Daten werde deutlich, daß der Beschwerdeführer von der Zustellung der Bewilligung der Verfahrenshilfe ohne sein oder seines Verfahrenshelfers Verschulden keine Kenntnis erlangt habe und nur aus diesem Grund die Frist des § 26 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG versäumt habe.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleide. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden eines Parteienvertreters, und zwar auch des zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes, an der Versäumung der Frist trifft die von diesem vertretene Partei. Es schließt, sofern es sich nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt, die Wiedereinsetzung aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/1075).

Gemäß § 26 Abs. 3 erster Satz VwGG beginnt die Frist zur Erhebung der Beschwerde im Falle der Bewilligung der Verfahrenshilfe mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen. Die Frage, ob, und zu welchem Zeitpunkt der Beschluß über die Bewilligung der Verfahrenshilfe oder der Bescheid über die Bestellung des Rechtsanwaltes dem Beschwerdeführer selbst zugestellt wird, ist für den Fristenlauf im Sinne des § 26 Abs. 3 erster Satz VwGG ohne Belang (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/1416).

Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdefrist nicht aufgrund eines nur durch einen minderen Grad des Versehens bewirkten unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses versäumt. Vielmehr hat der zur Einbringung der Beschwerde bestellte Verfahrenshelfer die - unrichtige - Auffassung vertreten, daß seine Bestellung zum Verfahrenshelfer mangels Kontaktmöglichkeit mit dem Beschwerdeführer offenkundig obsolet geworden sei und er deswegen von der fristgerechten Einbringung einer Beschwerde absehen dürfe. Daß der Beschwerdeführer für ihn nicht auffindbar war, hat ihn an der fristgerechten Einbringung einer Beschwerde aber gar nicht gehindert. Dies zu verkennen stellt auch keinen bloß minderen Grad des Versehens dar. Daß der Verfahrenshelfer dem Verwaltungsgerichtshof von seinen Schwierigkeiten, mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufzunehmen, berichtet hat, kann daran ebenfalls nichts ändern, zumal auch eine Erstreckung der Beschwerdefrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG nicht zulässig ist.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.

Die - erst am 26. Juli 1996 zur Post gegebene - Beschwerde war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der am 23. April 1996 abgelaufenen sechswöchigen Einbringungsfrist zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210648.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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