TE Vwgh Erkenntnis 2021/9/1 Ra 2021/03/0112

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Veröffentlicht am 01.09.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §59 Abs1
EisbKrV 2012 §102 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs2
EisenbahnG 1957 §48 Abs3
EisenbahnG 1957 §48 Abs4
EisenbahnG 1957 §49

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Ö AG in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. Mai 2021, Zlen. LVwG-AV-660/005-2019, LVwG-AV-661/004-2019, LVwG-AV-146/004-2020, LVwG-AV-165/004-2020, betreffend Kosten für die Sicherung von Eisenbahnkreuzungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde M, vertreten durch Dr. Harald Gunther Beber und Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 2130 Mistelbach, Oserstraße 19-21),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags der revisionswerbenden Partei auf Kostenregelung für die Eisenbahnkreuzung in Km 55,800 wendet;

II. und zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Partei ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin bzw. Betreiberin der Schieneninfrastruktur der Eisenbahnstrecke Wien Hauptbahnhof - Südosttangente - Laa a.d. Thaya. Diese Eisenbahnstrecke wird an vier - im angefochtenen Erkenntnis näher umschriebenen - Stellen von Gemeindestraßen der mitbeteiligten Partei gekreuzt.

2        Für diese Eisenbahnkreuzungen bestanden bereits Sicherungsanlagen nach der Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961, ehe mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. Februar 2015 (für die Eisenbahnkreuzung in Km 55,800), 25. Februar 2016 (für die Eisenbahnkreuzung in Km 57,381) und 22. März 2016 ( für die Eisenbahnkreuzungen in Km 56,334 und Km 61,814) neue Sicherungsanordnungen gemäß § 49 Abs. 2 EisbG (in Verbindung mit der Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 - EisbKrV) getroffen wurden.

3        Am 18. Mai 2018 brachte die revisionswerbende Partei Anträge auf Regelung der Kostentragung zwischen ihr und der mitbeteiligten Partei als Trägerin der Straßenbaulast für die vier Eisenbahnkreuzungen ein.

4        Diese Anträge wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis im Beschwerdeverfahren - in teilweiser Abänderung der darüber ergangenen Entscheidungen der Landeshauptfrau von Niederösterreich - ab bzw. gab ihnen - spruchgemäß - keine Folge. Die Revision erklärte das VwG für nicht zulässig.

5        Begründend führte es im Wesentlichen aus, mit den Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 26. Februar 2015, 25. Februar 2016 und 22. März 2016 seien keine neuen Entscheidungen über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung der vier Eisenbahnkreuzungen getroffen worden. Die technische Nutzungsdauer der bestehenden Anlagen sei noch nicht abgelaufen. Bei den Änderungen handle es sich lediglich um technische Anpassungen, die für sich alleine nicht zur Zulässigkeit einer neuen Kostenentscheidung führten. Schon aus diesem Grund rechtfertige keiner der vier zuletzt erlassenen Sicherungsbescheide eine behördliche Entscheidung nach § 49 Abs. 2 iVm § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG. Hinzu komme in Bezug auf die Kreuzung in Km 55,800, dass die Antragsfrist des § 48 Abs. 3 EisbG im Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen war. Der Sicherungsbescheid vom 26. Februar 2015 sei der revisionswerbenden Partei gegenüber am 31. März 2015 rechtskräftig geworden. Der letzte Tag der Frist sei der 31. März 2018 gewesen. Die Antragstellung am 18. Mai 2018 sei daher verspätet erfolgt.

6        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache zusammengefasst geltend macht, den gegenständlichen Fällen sei gemeinsam, dass die neuen Sicherungsbescheide nach Inkrafttreten des Deregulierungsgesetzes 2001 erlassen worden seien, dass in ihnen keine Anpassung der bestehenden Sicherungsanlagen gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV angeordnet worden sei, dass eine Vereinbarung über die Kostentragung zwischen der Trägerin der Straßenbaulast und dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen oder eine rechtskräftig bindende Kostenentscheidung jeweils nicht bestanden habe, und dass die technische Nutzungsdauer der vorhandenen Sicherungsanlagen jeweils noch nicht zur Gänze abgelaufen gewesen sei. Auf dieser Grundlage werfe der Revisionsfall die bislang ungeklärte Rechtsfrage auf, ob eine (neue) Kostenregelung getroffen werden könne bzw. wann davon ausgegangen werden dürfe, dass die bestehende Sicherung - wie das VwG argumentiere - im Wesentlichen unverändert weiterbelassen werden könne.

7        Weiters erscheine zur Frage der Verfristung von Kostenentscheidungsanträgen eine Klarstellung bzw. Erläuterung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu Ra 2020/03/0122, 0123 zweckdienlich. In der Praxis sei die Rechtsansicht weit verbreitet gewesen, dass für Kostenentscheidungsanträge gemäß § 48 Abs. 2 EisbG keine Frist gelte.

8        Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt. Die Landeshauptfrau von Niederösterreich als belangte Behörde im Verfahren vor dem VwG beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Die Revision ist teilweise zulässig und begründet.

Zu I. (Zurückweisung der Revision):

10       In Bezug auf die Eisenbahnkreuzung in Km 55,800 ging das VwG - mit näherer Begründung - davon aus, dass der Antrag auf Kostenregelung nach Ablauf der dreijährigen Frist des § 48 Abs. 3 EisbG gestellt worden und deshalb verfristet sei. Die Revision tritt dem in der Zulässigkeitsbegründung nur insoweit entgegen, als sie eine Klarstellung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Verfristung für „zweckdienlich“ erachtet, weil in der Praxis auch gegenteilige Rechtsstandpunkte vertreten würden. Damit zeigt die Revision jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis vom 18. Dezember 2020, Ra 2020/03/0122, 0123, ausdrücklich festgehalten, dass das EisbG nicht zwischen Anträgen nach § 48 Abs. 2 und 3 EisbG unterscheidet. Das Gesetz sieht mangels Einigung der Parteien über die Kostentragung lediglich einen - befristeten - Antrag nach § 48 Abs. 3 EisbG vor, mit dem eine behördliche Entscheidung über die strittige Kostenaufteilung erwirkt werden kann. Liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 EisbG nicht vor (etwa, weil die Antragsfrist von drei Jahren versäumt wurde oder die Behörde in Anwendung des § 102 Abs. 3 EisbKrV lediglich die Beibehaltung der bestehenden Sicherung - mit allfälligen einzelnen technischen Anpassungen angeordnet hat), kommt eine behördliche (bzw. verwaltungsgerichtliche) Entscheidung über die Kostenregelung nicht in Betracht. Dem Antrag ist in diesen Fällen nicht stattzugeben.

11       Einer weiteren Klarstellung der Rechtslage bedarf es angesichts dieser eindeutigen Aussagen im zitierten höchstgerichtlichen Erkenntnis nicht.

12       Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

Zu II. (Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses):

13       Im Übrigen (in Bezug auf die Eisenbahnkreuzungen in Km 57,381, Km 56,334 und Km 61,814) gleichen die im gegenständlichen Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen jenen, die der Verwaltungsgerichtshof - soweit erforderlich - mit Erkenntnis vom 23. Juni 2021, Ra 2021/03/0033, entschieden hat. Insoweit trifft zwar das Revisionsvorbringen nicht zu, dass - im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die vorliegende Revision - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt. Das VwG ist jedoch von der im Folgenden näher dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, weshalb die Revision zulässig und auch begründet ist.

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zitierten Erkenntnis ausgeführt, dass im Falle einer (neuen) Entscheidung über die Ausgestaltung der Art und Weise der Sicherung und damit deren inhaltlich gestaltende Festlegung im Einzelfall (die nicht bloß die Beibehaltung der bestehenden Anlage erlaubt) eine neue Kostenentscheidung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG getroffen werden kann. Dass dabei letztlich eine Sicherungsart festgelegt wird, die mit der früheren vergleichbar ist, spielt keine Rolle. Erfolgt die neue Sicherungsentscheidung zu einem Zeitpunkt, zu dem die technische Lebensdauer der bisherigen Anlage - wie unstrittig in den vorliegenden Fällen - noch nicht abgelaufen war, wäre eine Beibehaltung der bisherigen Sicherungsart gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV - unter den dort genannten Voraussetzungen - zwar möglich und es bestünde für die Parteien des Sicherungsverfahrens auch ein Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Norm. Lässt sich dem Spruch der (rechtskräftigen) Sicherungsentscheidung aber nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit entnehmen, dass eine Beibehaltung der Sicherung im Sinne des § 102 Abs. 3 EisbKrV festgelegt wurde, ist von einer neuen Sicherungsentscheidung auszugehen, die es auch ermöglicht, die Kostentragung nach § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG neu zu regeln. Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen (vgl. auch die in diesem Sinne ergangenen Folgeerkenntnisse VwGH 30.6.2021, Ra 2021/03/0011 und Ra 2021/03/0013).

15       Im gegenständlichen Fall enthielten die (rechtskräftigen) Sicherungsbescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich bezüglich der verfahrensgegenständlichen Eisenbahnkreuzungen keine Bezugnahme auf die Möglichkeit zur Beibehaltung der bestehenden Anlagen gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV. Das VwG begründete seine Rechtsansicht, eine Neuregelung der Kostentragung sei unzulässig, damit, dass keine neue Sicherungsart angeordnet und offenbar von der Beibehaltung der bestehenden Anlagen - mit Anpassungen - ausgegangen worden sei. Dass dieses Ergebnis aus dem Spruch der Sicherungsbescheide abgeleitet werden könnte, legt das VwG aber nicht dar.

16       Das angefochtene Erkenntnis war daher in Bezug auf die Eisenbahnkreuzungen in Km 57,381, Km 56,334 und Km 61,814 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

17       Von der in der Revisionsbeantwortung beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.

18       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 1. September 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030112.L00

Im RIS seit

23.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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