TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/29 96/16/0234

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Veröffentlicht am 29.01.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §29 Abs1;
FinStrG §29 Abs3 litb;
FinStrG §29 Abs3;
FinStrG §58 Abs1;
FinStrG §80;
FinStrG §81;
FinStrG §82 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Mag. N in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Februar 1996, Zl. GA 10-707/95, betreffend Einleitung eines Strafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Anläßlich der Einvernahme in einem vom Finanzamt für Körperschaften am 16. September 1994 eingeleiteten Strafverfahren am 5. Mai 1995 wurden dem Beschwerdeführer (in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der "P-Ges.m.b.H." sowie des X-Vereins der Wiener Universität) die bei einer Hausdurchsuchung vorgefundenen Bausparunterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich war, daß am 10. November 1992 auf ein Konto rund S 500.000,-- bar einbezahlt wurden. Er wurde befragt, woher diese Mittel stammten. Darauf gab er folgendes wörtlich an:

"Ich kann jedenfalls ausschließen, daß die obgenannten Beträge aus Zuflüssen aus dem X-Verein bzw. der GmbH stammten.

Ich möchte folgendes zu Protokoll geben: Beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern wurde im November 1992 ein Schenkungsvertrag, abgeschlossen zwischen mir als Geschenkgeber und Herrn Ing. A. N. als Geschenknehmer betreffend ein bebautes Grundstück in W, angezeigt. Bei diesem Erwerbsvorgang handelt es sich jedoch meiner Ansicht nach nicht um eine Schenkung, sondern um einen Verkauf meiner Liegenschaftsanteile. Dieser wurde wie folgt abgewickelt: Kurz nach Zustandekommen des Schenkungsvertrages erhielt ich von Hrn. Ing. A. N. als Gegenleistung den Betrag von ÖS 500.000,-- in bar. Diesen Betrag verwendete ich zur Tilgung der o.a. Kredite. Hinsichtlich dieser Verkürzung von Grunderwerbsteuer bitte ich darum, meine diesbezüglichen Angaben als Selbstanzeige i. S. d.

§ 29 FinStrG sowohl für mich als Veräußerer als auch für Ing. A. N. als Erwerber zu werten. Für Ing. A. N. besitze ich eine uneingeschränkte Vertretungsvollmacht."

Tatsächlich war vom Beschwerdeführer am 6. November 1992 unter Vorlage der Urkunde ein Schenkungsvertrag angezeigt worden, wonach er und seine Schwester E. O. ihrem Bruder Ing. A. N. je ein Neuntel an der Liegenschaft EZ 807, KG W, geschenkt hätten. Diese Abgabenerklärung wurde vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: Gebührenamt) unter der Nr. 450182 erfaßt.

Am 8. Mai 1995 zahlte der Beschwerdeführer auf dem Postsparkassenkonto des Gebührenamtes einen Betrag von S 17.500,-- ein. Als Einzahler scheinen auf dem Erlagschein er und Ing. A. N. auf. Angegeben wird, daß die Grunderwerbsteuer zur Erfassungsnr. 450.182/92 laut Selbstanzeige vom 5.5.1995 entrichtet werde.

Anläßlich einer Vernehmung des Verdächtigen gemäß § 82 Abs. 1 Finanzstrafgesetz am 25. Dezember 1995 vor dem Gebührenamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an, daß einige Zeit nach Zustandekommen des Vertrages von Ing. A. N. an den Beschwerdeführer in einem verschlossenen Kurvert einen Betrag von S 500.000,-- übergeben worden sei; dieser Betrag sei als Gegenleistung für die Übertragung der Liegenschaft gedacht gewesen.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1995 leitete das Gebührenamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG gegen den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, daß er vorsätzlich als abgabepflichtiger Veräußerer anläßlich des Verkaufes der Liegenschaft EZ 807, KG W, am 6. November 1992 durch Unterlassen der Anmeldung einer grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung in Höhe von S 500.000,-- von Ing. A. N. beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und Grunderwerbsteuer im Betrage von S 17.500,-- hinterzogen und damit das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Selbstanzeige vom 5.5.1995 keine strafbefreiende Wirkung zukomme, weil die Selbstanzeige nicht bei der zuständigen Behörde (Gebührenfinanzamt) eingebracht wurde.

Der dagegen erhobenen Administrativbeschwerde gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Die Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststehe, hindere nicht die Einleitung des Strafverfahrens. Ob die am 5. Mai bzw. 8. Mai 1995 durch den Beschwerdeführer gesetzten Handlungen den Kriterien des § 29 FinStrG im vollen Umfang entsprächen, müsse von der zuständigen Finanzstrafbehörde geprüft werden. Im Zeitpunkt der Einleitung habe begründeter Verdacht der Abgabenhinterziehung bestanden, sodaß die Einleitung zu Recht erfolgt sei.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom 23. Dezember 1996 und trat sie antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Beschwerdeführer ergänzte Beschwerde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde bei Vorliegen genügender Verdachtsgründe das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung des Strafverfahrens hat sie abzusehen, wenn (u.a.) Umstände vorliegen, welche die Tat rechtfertigen, die Schuld des Täters ausschließen oder die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben. Liegt allerdings eine die Straffreiheit bewirkende Selbstanzeige vor, so wird dadurch die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gehindert (Dorazil-Harbich, FinStrG, 15. Lieferung, 268/5). Allerdings kann trotz einer Selbstanzeige ein Finanzstrafverfahren eingeleitet werden, wenn die strafbefreiende Wirkung nicht zweifelsfrei feststeht (Dorazil-Harbich a.a.O, Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Randzahl 6 zu §§ 80 bis 84 FinStrG; hg. Erkenntnis vom 16. März 1995, Zl. 95/16/0065 u. a.).

Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzbehörde darlegt (Selbstanzeige). Nach Abs. 3 dieser Bestimmung tritt Straffreiheit (u.a.) nicht ein, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung einer Tat, durch die Zollvorschriften verletzt wurden, unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Verdachtslage als Voraussetzung der Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht; er stützt sich allerdings auf den Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige, welche er am 5. Mai 1995 bei seiner Vernehmung durch das Finanzamt für Körperschaften erstattet haben will.

Dabei verkennt der Beschwerdeführer, daß gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG die Selbstanzeige der zur Handhabung der Verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer SACHLICH ZUSTÄNDIGEN Finanzstrafbehörde dargelegt werden muß. Gemäß § 58 Abs. 1 FinStrG sind zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens als Finanzstrafbehörde erster Instanz bei allen übrigen Finanzvergehen die zur Erhebung der beeinträchtigten Abgaben oder zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Finanzämter zuständig. Gemäß § 7 Abs. 1

Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz obliegt den Finanzämtern für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien, Linz, Salzburg, Graz, Klagenfurt und Innsbruck bzw. gemäß § 9 leg. cit. dem Finanzamt Feldkirch für den örtlichen Wirkungsbereich der Finanzlandesdirektion, in deren Sprengel sie ihren Sitz haben, die Erhebung u.a. der Grunderwerbsteuer.

Der Selbstanzeiger hat die Wahl zwischen a) der für die Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften örtlich und sachlich zuständigen Behörde und b) jeder sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde (Dorazil-Harbich a.a.O., 107). Der Beschwerdeführer hätte daher im vorliegenden Fall die Wahl gehabt, nicht nur beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien, sondern bei jedem anderen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Selbstanzeige zu erstatten. Bei keinem der sachlich zuständigen Finanzämter hat er jedoch am 5. Mai 1996 Selbstanzeige erstattet.

An diesem Tag wurde allerdings seine Tat bereits entdeckt. Als Entdecker im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG kommen nämlich nicht nur die Finanzstrafbehörden, sondern auch die in den §§ 80 und 81 FinStrG "in Pflicht" genommenen Behörden in Betracht. Das sind alle Dienststellen der Gebietskörperschaften mit behördlichem Aufgabenbereich, die nach dieser Bestimmung verpflichtet sind, die entweder von ihnen wahrgenommen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten Finanzvergehen der nächsten Finanzstrafbehörde erster Instanz mitzuteilen (Fellner a.a.O., Randzahl 23 zu § 29 FinStrG). Eine Finanzstraftat ist ganz oder teilweise entdeckt, wenn diese Entdeckung entweder einer Finanzstrafbehörde oder einenm sonstigen Hoheitsträger gelungen ist, dem eine unmittelbare Verpflichtung zur Verständigung der Finanzstrafbehörde erster Instanz gemäß den §§ 80 und 81 FinStrG zukommt (Tanzer, Die "Entdeckung der Tat" als Ausschlußgrund für eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 29 Abs. 3 FinStrG, ÖStZ 1993, 302).

Das Finanzamt für Körperschaften war verpflichtet, von der ihr am 5. Mai 1996 zur Kenntnis gebrachten Hinterziehung Mitteilung an die zuständige Finanzstrafbehörde zu machen. Damit lag bereits an diesem Tag Entdeckung im Sinne des § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG vor, und war diese Entdeckung dem Anzeiger selbstverständlich bekannt.

Jedenfalls steht die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige keineswegs zweifelsfrei fest, sodaß der Beschwerdeführer die Bestimmung des § 82 Abs. 3 lit. c FinStrG gegen die Einleitung des Finanzstrafverfahrens nicht ins Treffen führen kann.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996160234.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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