TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/28 W189 2243549-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2021
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Entscheidungsdatum

28.06.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W189 2243547-1/3E

W189 2243549-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX und 2.) XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (in der Folge: die BF), Staatsangehörige der Ukraine, stellten nach legaler Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge: die BF1) wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Bei der Erstbefragung gab die BF1 zu Protokoll, dass sie aus XXXX , XXXX Oblast, stamme und zuletzt in XXXX , XXXX Oblast, gelebt habe. Sie beherrsche die Sprachen Ukrainisch, Russisch und Ungarisch. Sie gehöre der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen und der Volksgruppe der Ukrainer an. Im Herkunftsstaat habe die BF1 XXXX Jahre die Grundschule und XXXX Jahre die Berufsschule zur Konditorin und Köchin besucht. Sie habe zuletzt als Bäckerin gearbeitet. Ihr Vater sei verstorben. Ihre Mutter, ihr Bruder und ihr minderjähriger Sohn würden in der Ukraine leben. Ihr Ehemann lebe und arbeite in XXXX .

Zu ihren Ausreisegründen befragt, brachte die BF1 vor, dass vor ca. XXXX Monaten bei ihrer Tochter (der Zweitbeschwerdeführerin; in der Folge: die BF2) ein Geschwür im Kopf festgestellt worden sei. Sie sei in XXXX zweimal operiert worden, jedoch habe es keine Besserung gegeben. Sie hätten dann im Internet herausgefunden, dass der BF2 eventuell in Österreich medizinisch geholfen werden könne. Deshalb hätten sie entschieden, nach Österreich zu reisen. Andere Fluchtgründe hätten sie nicht. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte die BF1, dass die BF2 dort keine ausreichende Behandlung bekommen würde.

Im Rahmen der Antragstellung wurden die ukrainischen Reisepässe der BF sichergestellt, welche im Rahmen einer kriminaltechnischen Untersuchung als authentisch klassifiziert wurden.

2. Am XXXX übermittelte das AKH Wien eine Bestätigung über die stationäre Aufnahme der BF2 vom XXXX bis auf weiteres.

3. Am XXXX langten beim BFA zwei vorläufige Arztbriefe des AKH Wien über ein diagnostiziertes Medulloblastom, status post Resektion in der Ukraine, sowie eine laufende Chemotherapie der BF2 ein.

4. Am XXXX wurde die BF2 nach einer Chemo- und Strahlentherapie aus dem Krankenhaus entlassen und in eine Bundesbetreuungsstelle überstellt. Als Medikation bei Entlassung wurden verschrieben Eusaprim 80mg, Movicol, Ibuprofen Saft 4%, Zofran 4mg und Aerius Saft 5ml. Als weiteres Prozedere festgelegt wurde eine Vorstellung in der Kinderklinik am XXXX das Fortsetzen der Erhaltungschemotherapie am XXXX , ein MRT XXXX , bezüglich einer Zahnsanierung Kontaktaufnahme mit der Zahnklinik, eine Audiometrie vor jeder CTX, Hormonkontrolle alle drei Monate, eine Augenkontrolle alle sechs Monate und eine Anpassung einer Prismenfolie nach Kauf einer Planbrille.

5. Am XXXX wurde die BF1 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Die BF1 gab zu ihrer Person und jener der BF2 an, dass sie ukrainische Staatsangehörige seien sowie der Volksgruppe der Ukrainer und der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen angehören würden. Die BF1 stamme aus XXXX , XXXX Oblast, wo sie bis zu ihrer Ausreise in einem eigenen Haus gelebt habe. Die BF1 habe nach dem XXXX Besuch der Grundschule den Beruf der Köchin und Konditorin erlernt und diesen sodann auch ausgeübt. Desweiteren sei auch ihr Ehemann berufstätig, weshalb sie ihren Lebensunterhalt in der Ukraine „problemlos“ finanzieren könnten. Die BF1 sei verheiratet. Ihr Ehemann und ihr Sohn würden in XXXX leben, ihrer Tochter, die BF2, sei mit ihr in Österreich. Weiters habe die BF1 ihre Mutter, ihren Bruder, mehrere Verwandte, ihre Schwiegereltern und ihre Schwägerin in der Ukraine. Sie habe Kontakt zu ihnen. Die BF1 sei gesund. Die BF2 leide an einem Gehirntumor und werde seit XXXX im AKH Wien behandelt.

Die BF hätten in Österreich um Asyl angesucht, weil die BF1 gehört habe, dass es hier gute Ärzte und eine gute medizinische Versorgung für die BF2 gebe. Die BF1 habe nicht gewusst, was sie sonst machen hätte können, um der BF2 zu helfen. In der Ukraine hätte sie sich die medizinische Versorgung nicht leisten können, da die Chemotherapie rund EUR 40.000,- und die Strahlentherapie rund EUR 30.000,- gekostet hätte. Zudem würden in der Ukraine sehr viele Medikamente gefälscht werden und die Ärzte aufgrund der geringen Bezahlung korrupt. Da sie sich nicht sicher sein könne, dass das, was sie bezahlt habe, auch verabreicht werde, habe sie sehr wenig Vertrauen in das ukrainische Gesundheitssystem. Andere Ausreisegründe hätten die BF nicht.

Die Behandlung der BF2 in Österreich sei noch nicht abgeschlossen und würde noch ca. XXXX dauern. Die BF2 mache bereits erste Fortschritte. Im Übrigen gebe es keine besonderen Bindungen zu Österreich und die BF würden freiwillig in die Ukraine zurückkehren, sobald die medizinische Behandlung der BF2 abgeschlossen sei.

Die BF1 verzichtete im Rahmen der Einvernahme auf die Erläuterung der Länderberichte zur Ukraine, da sie die Situation kenne.

6. Gemäß Arztbrief des LKH XXXX vom XXXX konnte die Erhaltungschemotherapie bei zufriedenstellenden MRT-Befunden vorzeitig beendet werden. Die letzte Chemotherapie habe vor einem Monat stattgefunden und die BF2 sei beschwerdefrei. Als Therapie empfohlen werden eine hämatoonkologische Verlaufskontrolle und eine ambulante Physiotherapie.

7. Am XXXX wurde die BF1 erneut vom BFA niederschriftlich einvernommen, worin sie ihre bisherigen Angaben bestätigte. Die BF2 sei bereits in XXXX operiert worden und in Österreich mit einer Chemo- und Strahlentherapie behandelt worden. Die Therapie sei bereits abgeschlossen und es gehe der BF2 bereits besser. Sie habe noch am XXXX einen MRT-Termin und am XXXX einen Kontrolltermin beim HNO-Arzt. Vor dem XXXX müsse sie keinen Arzt mehr besuchen. Die BF2 brauche seit ca. XXXX keine Medikamente mehr. Wann sie wieder vollständig gesund sei, wisse die BF1 nicht. Es spreche nichts gegen eine Rückkehr in die Ukraine, außer, dass die medizinische Behandlung in Österreich weit besser sei. Die BF1 wisse nicht, ob die BF2 in der Ukraine die fehlenden Nachbehandlungen erhalten könne. Der Zugang zu medizinischen Leistungen sei in der Ukraine nicht kostenlos, sondern man müsse für alles bezahlen.

Zu ihren weiteren Lebensumständen in Österreich gab die BF1 an, dass sie sich um die BF2 kümmere. Die BF2 besuche nicht die Schule in Österreich, sondern lerne über das Internet mit der Lehrerin in der Ukraine. In XXXX würden ihr Ehemann und ihr Sohn, ihre Mutter und ihr Bruder, sowie ihre Schwiegereltern jeweils in eigenen Häusern wohnen und sie habe Kontakt zu ihnen. Sie würden alle nicht zu gut verdienen, aber es gehe. Ihr Ehemann arbeite als Fleischer und verdiene rund EUR 300,- bis EUR 350,-, ihre Schwiegereltern seien in Pension. In Österreich hätten die BF niemanden.

8. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom XXXX wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung in die Ukraine zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt VI.) und einer Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung gem. § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die BF keine asylrelevanten Ausreisegründe vorgebracht hätten. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr in die Ukraine sei – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht gegeben, zumal die akute medizinische Behandlung der BF2 abgeschlossen sei und Kontrolluntersuchungen auch in der Ukraine vorgenommen werden könnten. Die BF würden nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfüllen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. In Anbetracht der abweisenden Entscheidung über die Anträge auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der BF in die Ukraine. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe aufgrund der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde – die BF stammen aus einem sicheren Herkunftsstaat – nicht.

9. Mit Schriftsatz vom XXXX erhoben die BF durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen diese Bescheide und brachten im Wesentlichen vor, dass durch die Entscheidung das Kindeswohl der BF2 verletzt worden sei, da sie noch zwei Termine wahrnehmen müsse, um festzustellen, dass sie wieder gesund sei. Im Falle einer Abschiebung würde sich ihr Gesundheitszustand verschlechtern. Medizinische Leistungen seien in der Ukraine nicht kostenlos und die BF2 hätte keinen tatsächlichen Zugang zu notwendiger Behandlung. Das Gesundheitssystem der Ukraine sei aufgrund der COVID-19-Pandemie überlastet und die BF2 noch immungeschwächt, weshalb die Auswirkungen der Pandemie besonders zu berücksichtigen seien. Die belangte Behörde habe sich desweiteren nicht mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen auseinandergesetzt. Den BF wäre daher zumindest der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen. Schließlich wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

10. Mit XXXX wurde der gesamte gegenständliche Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die Identität der BF steht fest. Die BF sind ukrainische Staatsangehörige, der Volksgruppe der Ukrainer und der Religionsgemeinschaft der orthodoxen Christen zugehörig. Die BF1 ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Die BF2 ist die minderjährige Tochter der BF1.

1.1.2. Die BF1 spricht Ukrainisch, Russisch und Ungarisch. BF1 ist in XXXX , XXXX Oblast, geboren und hat dort bis zu ihrer Ausreise gelebt. Sie hat XXXX Jahre die Grundschule und XXXX Jahre die Berufsschule besucht. Sie hat als Bäckerin gearbeitet und so ihren Lebensunterhalt finanziert.

Die BF1 ist verheiratet. Ihr Ehemann und ihr minderjähriger Sohn leben im eigenen Haus im Heimatort der BF. Ihr Ehemann arbeitet als Fleischer und verdient etwa EUR 300,- bis EUR 350,- pro Monat. Der Vater der BF1 ist verstorben. Ihre Mutter und ihr Bruder leben in einem eigenen Haus im Heimatort der BF. Die Schwiegereltern der BF1 leben dort ebenso in einem eigenen Haus. Die BF1 hat weitschichtige Verwandtschaft in der Ukraine. Sie hat Kontakt zu ihren Angehörigen.

Die BF1 ist gesund. Sie ist strafgerichtlich unbescholten.

1.1.3. Die BF2 besucht über das Internet die Grundschule in der Ukraine. Sie hatte einen Gehirntumor, der in der XXXX operiert wurde. Nach ihrer Einreise in Österreich hat die BF2 eine Chemo- und Strahlentherapie erhalten und erfolgreich abgeschlossen. Sie hat noch am XXXX einen MRT-Kontrolltermin und am XXXX einen Kontrolltermin beim HNO-Arzt. Im Übrigen leidet die BF2 an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

1.1.4. Die BF sind zur medizinischen Weiterbehandlung der BF2 in Österreich eingereist und haben keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht. Es droht ihnen in der Ukraine, einem sicheren Herkunftsstaat, keine Gefahr aus Konventionsgründen.

1.1.5. Den BF ist die Rückkehr in ihren Heimatort in der Ukraine zumutbar.

Im Falle einer Rückkehr würden sie in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es würde ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden. Sie laufen nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.

Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sind die BF nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

1.1.6. Die BF befinden sich seit XXXX in Österreich. Sie leben von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Sie haben keine sozialen Bindungen zu Österreich.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine

1.2.1. COVID-19

Vom 8. bis 24. Jänner 2021 galten in der Ukraine strenge Quarantänebestimmungen (Gov.ua 7.1.2021; vgl. UP 27.1.2021). Das ukrainische Gesundheitsministerium stellte eine Stabilisierung der Covid-Situation nach den Weihnachts- und Neujahrsfeiertagen fest und beschloss eine Lockerung der Quarantänebestimmungen. Seit dem 25. Jänner 2021 bis 28. Februar 2021 gelten in der Ukraine u.a. folgende Quarantänebestimmungen: (Hoch-)Schulen setzen den Präsenzunterricht wieder fort. In Restaurants und Kaffeehäusern dürfen Speisen und Getränke nun direkt konsumiert werden. Handelsgeschäfte sind wieder geöffnet. Theater- und Kinobesuche sowie sportliche Betätigung innerhalb von Gebäuden sind nun gestattet. Sporteinrichtungen, Museen, Galerien usw. müssen ausreichende Abstandsregelungen beachten (UP 27.1.2021; vgl. UNIAN 25.1.2021, AA 25.1.2021). Verboten sind u.a. die Durchführung von Massenveranstaltungen im Kultur-, Sport- und Gastronomiebereich usw. und öffentliche Bewirtung zwischen 23 Uhr und 7 Uhr (mit Ausnahme von Bestellungslieferungen) (UNIAN 25.1.2021; vgl. AA 25.1.2021). Es herrscht Maskenpflicht im öffentlichen Raum, so auch in öffentlichen Verkehrsmitteln (Gov.ua 7.1.2021, UNIAN 25.1.2021; vgl. WKO 26.1.2021).

Laut Gesundheitsministerium stehen ungefähr 66.000 Spitalsbetten für die COVID-19-Behandlung bereit, von denen ca. 76% über Sauerstoffzufuhranlagen verfügen (IU 4.1.2021).

Die regierungseigene Covid-Homepage verlautbart, bisher (Stichtag 28.1.2021) insgesamt 6.184.320 Covid-Tests durchgeführt zu haben (CMU 28.1.2021).

Nach Aussagen des Premierministers wird die erste Lieferung von 100.000-200.000 COVAX-Impfstoffdosen Ende Jänner 2021 erwartet. Es existiert eine vorläufige Vereinbarung über die Lieferung von mehr als 30 Millionen Dosen (Gov.ua 26.1.2021; vgl. Gavi 15.12.2020). Der Premierminister weist auf die Freiwilligkeit der Impfung hin und prognostiziert den Impfbeginn mit Februar 2021 (Gov.ua 26.1.2021).

Die ukrainische Regierung verteilte im Jänner 2021 80 Millionen US-Dollar an 278.000 Arbeitnehmer und Kleinunternehmer, um die finanziellen Folgen der Covid-Pandemie abzufedern (RFE/RL 2.1.2021).

Laut jüngsten Zahlen des Ukrainischen Statistikamts ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 3. Quartal 2020 im Vergleich zum Wert des Vorjahres um 3,5% gesunken. Im 2. Quartal 2020 war das BIP um 11,4% gesunken (SSSU o.D.; vgl. WIIW o.D.).

Ein Einreiseverbot in die Ukraine bzw. Beschränkungen im internationalen Reiseverkehr sind derzeit nicht vorgesehen (AA 25.1.2021; vgl. WKO 26.1.2021). Die Flughäfen in Kiew, Dnipro, Charkiw, Lwiw, Odessa und Saporischschja sind für den internationalen und inländischen Flugverkehr geöffnet. Bei der Einreise wird zwischen Ländern der grünen und roten Zone unterschieden. Staatsangehörige von Ländern der roten Zone oder Personen, die sich in den letzten 14 Tagen in solchen Ländern aufgehalten haben, müssen bei Einreise in die Ukraine einen aktuellen negativen COVID-PCR-Test vorweisen oder in 14-tägige Quarantäne (mit der Möglichkeit der Freitestung). Kinder unter 12 Jahren dürfen ohne Quarantäne in die Ukraine einreisen (WKO 26.1.2021).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt Deutschland (25.1.2021): Ukraine: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukrainesicherheit/201946, Zugriff 28.1.2021

?        CMU – Cabinet of Ministers of Ukraine (28.1.2021): COVID-19 pandemic in Ukraine: Current information about coronavirus and quarantine, https://covid19.gov.ua/en/, Zugriff 28.1.2021

?        Gavi – Global Alliance for Vaccines and Immunisation (15.12.2020): COVAX - List of participating economies, https://www.gavi.org/sites/default/files/covid/pr/COVAX_CA_COIP_List_COVAX_PR_15-12.pdf, Zugriff 28.1.2021

?        Gov.ua – Government Portal of Ukraine (7.1.2021): Increased quarantine restrictions will take effect in Ukraine on January 8, https://www.kmu.gov.ua/en/news/z-8-sichnya-v-ukrayini-pochinayut-diyati-posilenni-karantinni-obmezhennya, Zugriff 28.1.2021

?        Gov.ua – Government Portal of Ukraine (26.1.2021): Vaccination against COVID-19 will begin in February, says the Prime Minister, https://www.kmu.gov.ua/en/news/vakcinaciya-vid-covid-19-pochnetsya-v-lyutomu-premyer-ministr, Zugriff 28.1.2021

?        IU – Interfaks Ukraine (4.1.2021): ?????????? ? ??????? ?????????? 76,4% ???????? ???? – ???????? (76,4% der Covid-Betten in der Ukraine mit Sauerstoff ausgestattet – Stepanow), https://interfax.com.ua/news/pharmacy/714078.html, Zugriff 28.1.2021

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (2.1.2021): Ukraine's Health-Care System, Economy Struggle To Cope With COVID-19, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043189.html, Zugriff 28.1.2021

?        SSSU – State Statistics Service of Ukraine (o.D.): Grafik "Macroeconomic indicators: Real GDP change", https://ukrstat.org/en, Zugriff 28.1.2021

?        UNIAN – ?????????? ????????? ???????????? ????????? ????? (Ukrainische unabhängige Nachrichtenagentur) (25.1.2021): ??????? ??????? ?? ???????? ?????????: ????? ??????????? ????????? ? 25 ?????? (???????????) (Ukraine beendet strikte Quarantäne: Welche Einschränkungen seit dem 25. Jänner gelten (Infografik)), https://covid.unian.net/lokdaun-zavershilsya-spisok-ogranicheniy-v-ukraine-s-25-yanvarya-11295872.html, Zugriff 28.1.2021

?        UP – Ukrainska Prawda (27.1.2021): COVID ? ???????: 3,8 ?????? ????? ???????, 2,4 ?????? ?????????????? (COVID in der Ukraine: 3.800 neue Fälle, 2.400 Spitalseinweisungen), https://www.pravda.com.ua/rus/news/2021/01/27/7281337/, Zugriff 28.1.2021

?        WIIW – Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (o.D.): Ukraine – Overview, https://wiiw.ac.at/ukraine-overview-ce-14.html, Zugriff 28.1.2021

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (26.1.2021): Coronavirus: Situation in der Ukraine, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-ukraine.html, Zugriff 28.1.2021

1.2.2. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage außerhalb der besetzten Gebiete im Osten des Landes ist im Allgemeinen stabil. Allerdings gab es in den letzten Jahren eine Reihe von öffentlichkeitswirksamen Attentaten und Attentatsversuchen, von denen sich einige gegen politische Persönlichkeiten richteten (FH 4.3.2020). In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk wurde nach Wiederherstellung der staatlichen Ordnung der Neuaufbau begonnen. Die humanitäre Versorgung der Bevölkerung ist sichergestellt (AA 29.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine

1.2.3. Korruption

Die Ukraine wird im 2019 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit 30 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean) (TI 2019). Die Gesetze sehen strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Behörden setzen diese nicht effektiv um, und viele Beamte sind ungestraft korrupt, weniger in der Regierung, aber auf allen Ebenen der Exekutive, Legislative und der Justizbehörden. Trotz Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption durch die Regierung, bleibt diese ein Problem für Bürger und Unternehmen (USDOS 13.3.2019).

Korruption ist in der Ukraine weit verbreitet und stellt seit vielen Jahren ein inhärentes Problem dar. Korruption war ein zentrales Thema während der Proteste in Kiew im Herbst/Winter 2013/2014, die im Februar 2014 mit einem Regimewechsel endeten. In den Jahren 2014 und 2015 wurden im Rahmen einer nationalen Antikorruptionsstrategie mehrere neue Gremien zur Bekämpfung der Korruption auf verschiedenen Ebenen des Regierungsapparats eingerichtet. Darüber hinaus wurden Reformen in Polizei und Justiz eingeleitet, die beide stark von Korruption betroffen sind. Bis heute gibt es je nach Zuständigkeitsbereich eine Reihe von Stellen, die Korruptionsfälle untersuchen und strafrechtlich verfolgen. Es kam jedoch, wenn überhaupt, nur zu sehr wenigen Verurteilungen (Landinfo 2.3.2020). Bis vor kurzem gab es keine separaten Gesetze zum Schutz von Informanten, weshalb viele Bürger Korruption nicht anzeigen wollten. Im Jänner 2020 trat ein neues bzw. geändertes Gesetz zum Schutz von Informanten bezüglich Korruption in Kraft (Landinfo 2.3.2020; vgl. RFE/RL 14.11.2019).

Im Juni 2018 unterzeichnete der Präsident das Gesetz über das Hohe Antikorruptionsgericht (HACC) (USDOS 13.3.2019). Das HACC nahm im September 2019 seine Arbeit auf. Mit der Schaffung des HACC wurde das System der Organe des Landes zur Bekämpfung der Korruption auf hoher Ebene vervollständigt und zwei zuvor geschaffene Antikorruptionsbehörden, das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung, ergänzt. Die neuen unabhängigen Antikorruptionsbehörden sehen sich politischem Druck ausgesetzt, der das Vertrauen der Öffentlichkeit untergräbt, Bedenken hinsichtlich des Engagements der Regierung im Kampf gegen die Korruption aufkommen ließ und die Zukunftsfähigkeit der Institutionen bedroht (USDOS 11.3.2020). Mit der Errichtung des Hohen Antikorruptionsgerichts wurde der Aufbau des institutionellen Rahmens für die Bekämpfung der endemischen Korruption abgeschlossen (AA 29.2.2020). Das HACC hat jedoch bisher noch keine Ergebnisse erzielt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Ende Februar 2019 hat das ukrainische Verfassungsgericht Artikel 368-2 des ukrainischen Strafgesetzbuches, welcher illegale Bereicherung durch ukrainische Amtsträger kriminalisierte, aufgehoben, weil er gegen die Unschuldsvermutung verstoßen habe. In der Folge musste NABU 65 anhängige Ermittlungen gegen Parlamentarier, Richter, Staatsanwälte und andere Beamte einstellen, die teilweise schon vor Gericht gekommen waren. Die EU zeigte sich über diese Entscheidung besorgt (Hi 3.3.2019). Am 26. November 2019 unterzeichnete Präsident Selenskyj ein Gesetz, das die strafrechtliche Verantwortung für die unrechtmäßige Bereicherung von Regierungsbeamten wieder einführte (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz schreibt vor, dass hohe Amtsträger Einkommens- und Ausgabenerklärungen vorlegen müssen und diese durch die Nationale Agentur für Korruptionsprävention (NAPC) geprüft werden. Die NAPC überprüft neben diesen Finanzerklärungen auch die Parteienfinanzierung. Beobachter stellen jedoch zunehmend infrage, ob die NAPC die Fähigkeit und Unabhängigkeit besitzt, diese Funktion zu erfüllen (USDOS 11.5.2020; vgl. ÖB 2.2019).

Durch den Reformkurs der letzten Jahre wurden mehr Transparenz und gesellschaftliches Bewusstsein für Korruption erreicht. Dennoch sind Korruption, Oligarchie und teilweise mafiöse Strukturen weiterhin Teil des Alltags der Menschen in der Ukraine, ob im Gesundheits- oder Bildungsbereich, in der Wirtschaft, im Zollwesen sowie in der Medienlandschaft (KAS 2019). Korruption ist nach wie vor ein ernstes Problem und trotz des starken Drucks der Zivilgesellschaft ist der politische Wille gering, dagegen anzugehen. Antikorruptionsagenturen wurden wiederholt in politisch belastete Konflikte mit anderen staatlichen Stellen und gewählten Vertretern verwickelt (FH 4.3.2020). Im Mai 2020 wurde bekannt, dass die Spezialstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung gegen den ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwalt Ruslan Ryaboshapka, der zwei Monate zuvor in einem parlamentarischen Misstrauensvotum aus dem Amt gezwungen wurde, ermittelt (RFE/RL 6.5.2020).

Die Ukraine hat einige Fortschritte bei der Förderung der Transparenz erzielt, zum Beispiel durch die Verpflichtung der Banken, die Identität ihrer Eigentümer zu veröffentlichen, und indem 2016 ein Gesetz verabschiedet wurde, das Politiker und Beamte dazu verpflichtet, elektronische Vermögenserklärungen abzugeben. Es ist jedoch möglich, einige Vorschriften zu umgehen, zum Teil, weil unterentwickelte Institutionen nicht in der Lage sind, Verstöße zu erkennen und zu bestrafen (FH 4.3.2020). Trotz der Bemühungen um eine Reform des Justizwesens und der Generalstaatsanwaltschaft bleibt Korruption unter Richtern und Staatsanwälten weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, der seit 2019 im Amt ist, hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019; vgl. AA 29.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine

?        Hi – Hromadske international (3.3.2019): You Can Now Get Rich Illegally in Ukraine. What Does This Mean?

?        KAS – Konrad Adenauer Stiftung (2019): Die Ukraine – Transparent, aber korrupt?, KAS Auslandseinformationen 4/2019

?        Landinfo (2.3.2020): Ukraina, Korrupsjonsbekjempelse og beskyttelse for varslere av korrupsjon

?        RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (11.4.2019): Ukraine's President Creates Anti-Corruption Court

?        RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (14.11.2019): Ukraine's Zelenskiy Signs Law On Corruption Whistle-Blowers

?        RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (6.5.2020): Ukrainian Ex-Prosecutor Ryaboshapka Under Investigation

?        TI – Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2019, Ukraine

?        UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ukraine

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine

1.2.4. Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 3.2020a). Jedoch bestehen in der Ukraine gegenwärtig noch Unzulänglichkeiten in der Umsetzung und Gewährung der Menschenrechte, was insbesondere die Bereiche Folter, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Behandlung von Geflüchteten und sozialen (LGBTQ) bzw. ethnischen Minderheiten (Roma) betrifft. 2019 stufte Freedom House die Ukraine auf „partly free“ ab (GIZ 3.2020a). Zu den Menschenrechtsproblemen gehören darüber hinaus u.a. rechtswidrige oder willkürliche Tötungen; Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen durch Vollzugspersonal; schlechte Bedingungen in Gefängnissen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Einschränkungen der Internetfreiheit und Korruption. Die Regierung hat es im Allgemeinen versäumt, angemessene Schritte zu unternehmen, um Fehlverhalten von Beamten strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen. Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen stellten erhebliche Mängel bei den Ermittlungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte fest (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Länderinformationsportal, Ukraine, Geschichte & Staat

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Ukraine

1.2.5. Grundversorgung

Die makroökonomische Lage hat sich nach schweren Krisenjahren stabilisiert. Ungeachtet der durch den Konflikt in der Ostukraine hervorgerufenen Umstände wurde 2018 ein Wirtschaftswachstum von 3,3% erzielt, das 2019 auf geschätzte 3,6% angestiegen ist. Die Staatsverschuldung ist in den letzten Jahren stark angestiegen und belief sich 2018 auf ca. 62,7% des BIP (2013 noch ca. ein Drittel). Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt mehrfach erhöht und beträgt seit Jahresbeginn 4.173 UAH (ca. 130 EUR) (AA 29.2.2020).

Die EU avancierte zum größten Handelspartner der Ukraine. Der Außenhandel mit Russland nimmt weiterhin ab. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU regelt das Assoziierungsabkommen, das am 1. September 2017 vollständig in Kraft getreten ist (GIZ 3.2020b).

Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Vor allem in ländlichen Gebieten stehen Strom, Gas und warmes Wasser zum Teil nicht immer ganztägig zur Verfügung (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 12.2018). Die Situation, gerade von auf staatliche Versorgung angewiesenen älteren Menschen, Kranken, Behinderten und Kindern, bleibt daher karg. Die Ukraine gehört trotzt zuletzt deutlich steigender Reallöhne zu den ärmsten Ländern Europas. Das offizielle BIP pro Kopf gehört zu den niedrigsten im Regionalvergleich und beträgt lediglich ca. 3.221 USD p.a. Ein hoher Anteil von nicht erfasster Schattenwirtschaft muss in Rechnung gestellt werden (AA 29.2.2020). Insbesondere alte bzw. schlecht qualifizierte und auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbare Menschen leben zum Teil weit unter der Armutsgrenze (GIZ 3.2020b). Ohne zusätzliche Einkommensquellen (in ländlichen Gebieten oft Selbstversorger, Schattenwirtschaft) bzw. private Netzwerke ist es insbesondere Rentnern und sonstigen Transferleistungsempfängern kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sozialleistungen und Renten werden zwar regelmäßig gezahlt, sind aber trotz regelmäßiger Erhöhungen größtenteils sehr niedrig (Mindestrente zum 1. Dezember 2019: 1.638 UAH (ca. 63 EUR) (AA 29.2.2020).

Das ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eingeführte ukrainische Sozialversicherungssystem umfasst eine gesetzliche Pensionsversicherung, eine Arbeitslosenversicherung und eine Arbeitsunfallversicherung. Aufgrund der Sparpolitik der letzten Jahre wurde im Sozialsystem einiges verändert, darunter Anspruchsanforderungen, Finanzierung des Systems und beim Versicherungsfonds. Die Ausgaben für das Sozialsystem im nicht-medizinischen Sektor sanken von 23% des BIP im Jahr 2013 auf 18,5% im Jahr 2015 und danach weiter auf 17,8%. Dies ist vor allem auf Reduktion von Sozialleistungen, besonders der Pensionen, zurückzuführen. Das Wirtschaftsministerium schätzte den Schattensektor der ukrainischen Wirtschaft 2017 auf 35%, andere Schätzungen gehen eher von 50% aus. Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person wurde für Jänner 2019 mit 1.853 UAH beziffert (ca. 58 EUR), ab 1. Juli 2019 mit 1.936 UAH (ca. 62 EUR) und ab 1. Dezember 2019 mit 2.027 (ca. 64,5 EUR) festgelegt. Für Minderjährige gibt es staatliche Unterstützungen in Form von Familienbeihilfen, die an arme Familien vergeben werden. Versicherte Erwerbslose erhalten mindestens 1.440 UAH (ca. 45 EUR) und maximal 7.684 UAH (240 EUR) Arbeitslosengeld pro Monat, was dem Vierfachen des gesetzlichen Mindesteinkommens entspricht. Nicht versicherte Arbeitslose erhalten mindestens 544 UAH (ca. 17 EUR). In den ersten 90 Kalendertagen werden 100% der Berechnungsgrundlage ausbezahlt, in den nächsten 90 Tagen sind es 80%, danach 70% (ÖB 2.2019; vgl. UA 27.4.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Länderinformationsportal, Ukraine, Wirtschaft & Entwicklung

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018): Länderinformationsportal, Ukraine, Alltag

?        ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine

?        UA – Ukraine Analysen (27.4.2018): Rentenreform

1.2.6. Medizinische Versorgung

Das ukrainische Spitalswesen ist derzeit nach einem hierarchischen Dreistufenplan organisiert: die Grundversorgung wird in Rayonskrankenhäusern bereitgestellt. Das Rückgrat des ukrainischen Spitalswesens stellen die Distriktkrankenhäuser dar, die sich durch Spezialisierung in den verschiedenen medizinischen Disziplinen auszeichnen. Die dritte Ebene wird durch überregionale Spezialeinrichtungen und spezialisierte klinische und diagnostische Einrichtungen an den nationalen Forschungsinstituten des ukrainischen Gesundheitsministeriums gebildet. Ursprünglich als Speerspitze der Gesundheitsversorgung für komplizierte Fälle konzipiert, sind die Grenzen zwischen Einrichtungen der zweiten und dritten Ebene in letzter Zeit zunehmend verschwommen. Auch die laufende Dezentralisierungsreform dürfte in Zukunft Auswirkungen auf die Struktur des ukrainischen Gesundheitssystems haben. Aufgrund der dafür nötigen, jedoch noch nicht angenommenen Verfassungsänderung, bleibt diese Reform jedoch vorerst unvollendet, die Zusammenlegung von Gemeinden erfolgt bislang auf freiwilliger Basis. Von einigen Ausnahmen abgesehen, ist die technische Ausstattung ukrainischer Krankenhäuser als dürftig zu bezeichnen. Während die medizinische Versorgung in Notsituationen in den Ballungsräumen als befriedigend bezeichnet werden kann, bietet sich auf dem Land ein differenziertes Bild: jeder zweite Haushalt am Land hat keinen Zugang zu medizinischen Notdiensten. Die hygienischen Bedingungen, vor allem in den Gesundheitseinrichtungen am Land, sind oftmals schlecht. Aufgrund der niedrigen Gehälter und der starken Motivation gut ausgebildeter MedizinerInnen ins Ausland zu gehen, sieht sich das ukrainische Gesundheitssystem mit einer steigenden Überalterung seines Personals und mit einer beginnenden Ausdünnung der Personaldecke, vor allem auf dem Land und in Bereichen der medizinischen Grundversorgung, konfrontiert. Von Gesetzes wegen und dem ehemaligen sowjetischen Modell folgend sollte die Bereitstellung der jeweils nötigen Medikation – mit der Ausnahme spezieller Verschreibungen im ambulanten Bereich – durch Budgetmittel gewährleistet sein. In der Realität sind einer Studie zufolge in 97% der Fälle die Medikamente von den Patienten selbst zu bezahlen, was die jüngst in Angriff genommene Reform zu reduzieren versucht. Dies trifft vor allem auf Verschreibungen nach stationärer Aufnahme in Spitälern zu. 50% der PatientInnen würden demnach aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten eine Behandlung hinauszögern oder diese gänzlich nicht in Anspruch nehmen. In 43% der Fälle mussten die PatientInnen entweder Eigentum verkaufen oder sich Geld ausleihen, um eine Behandlung bezahlen zu können. In der Theorie sollten sozial Benachteiligte und Patienten mit schweren Erkrankungen (Tbc, Krebs, etc.) von jeglichen Medikamentenkosten, auch im ambulanten Bereich, befreit sein. Aufgrund der chronischen Unterdotierung des Gesundheitsetats und der grassierenden Korruption wird das in der Praxis jedoch selten umgesetzt (ÖB 2.2019).

Ende 2017 wurde eine umfassende Reform des ukrainischen Gesundheitssystems auf die Wege gebracht. Eingeführt wird unter anderem das System der „Familienärzte“. Patienten können in dem neuen System direkt mit einem frei gewählten Arzt, unabhängig von Melde- oder Wohnort, eine Vereinbarung abschließen und diesen als Hauptansprechpartner für alle gesundheitlichen Belange nutzen. Ebenfalls ist eine dringend nötige Modernisierung der medizinischen Infrastruktur in ländlichen Regionen vorgesehen und ein allgemeiner neuer Zertifizierungsprozess inklusive strikterer und transparenterer Ausbildungsanforderungen für Ärzte vorgesehen. Weiters sind ukrainische Ärzte nunmehr verpflichtet, internationale Behandlungsprotokolle zu befolgen. Die Umsetzung der Reform schreitet nur schrittweise voran und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Im März 2018 wurde ein Nationaler Gesundheitsdienst gegründet, der in Zukunft auch als zentrales Finanzierungsorgan für alle (öffentlichen und privaten) ukrainischen Gesundheitsdienstleister dienen und die Implementierung der Gesundheitsreform vorantreiben soll (ÖB 2.2019).

Im Rahmen der seit 2018 eingeleiteten Reform des Gesundheitswesens wird das sowjetische Finanzierungsmodell pauschaler Vorhaltfinanzierung medizinischer Einrichtungen schrittweise abgeschafft und stattdessen ein System der Vergütung konkret erbrachter medizinischer Leistungen eingeführt. Der neu geschaffene Nationale Gesundheitsdienst (NGD) hat dabei die Funktion einer staatlichen, budgetfinanzierten Einheitskrankenversicherung übernommen. 2018/2019 wurde in einer ersten Phase der Gesundheitsreform die primärmedizinische/ hausärztliche Versorgung auf Finanzierung über den NGD umgestellt. Der NGD übernimmt auch die Kostenerstattung für rezeptpflichtige staatlich garantierte Arzneien (ca. 300 gelistete Arzneien gegen Herz-/Gefäßkrankheiten, Asthma und Diabetes II). Die Datenbank des NGD umfasst zurzeit 1.464 primärmedizinische Einrichtungen (davon 167 Privatambulanzen und 248 private Ärztepraxen) sowie ca. 29 Millionen individuelle Patientenverträge mit Hausärzten, d.h. das neue System staatlich garantierter medizinischer Dienstleistungen und Arzneien erreicht mittlerweile knapp 70% der Einwohner. Ab April 2020 soll die Reform auf die fachmedizinische Versorgung (Krankenhäuser) erweitert werden. Soweit die Gesundheitsreform noch nicht vollständig umgesetzt ist, ist der Beginn einer Behandlung in der Regel auch weiterhin davon abhängig, dass der Patient einen Betrag im Voraus bezahlt oder Medikamente und Pflegemittel auf eigene Rechnung beschafft. Neben dem öffentlichen Gesundheitswesen sind in den letzten Jahren auch private Krankenhäuser bzw. gewerblich geführte Abteilungen staatlicher Krankenhäuser gegründet worden. Die Dienstleistungen der privaten Krankenhäuser sind außerhalb des NGD jedoch für die meisten Ukrainer nicht bezahlbar. Gebräuchliche Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Die Apotheken halten teilweise auch importierte Arzneien vor (AA 29.2.2020).

Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebenswichtige Maßnahmen durchgeführt und chronische, auch innere und psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges medizinisches Personal (AA 29.2.2020). Die medizinische Versorgung entspricht jedoch nicht immer westeuropäischem Standard. Außerhalb der großen Städte, insbesondere in den Konfliktregionen im Osten, ist sie häufig unzureichend (AA 25.5.2020). Die medizinische Versorgung ist nur beschränkt gewährleistet. Krankenhäuser verlangen eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (Kreditkarte oder Vorschusszahlung). Die Verfassung der Ukraine sichert zwar jedem Bürger eine kostenlose gesundheitliche Versorgung zu (GIZ 12.2019; vgl. AA 29.2.2020), doch sieht die Realität anders aus. Fast alle Dienstleistungen der medizinischen Versorgung müssen privat bezahlt werden (GIZ 12.2019). Patienten müssen in der Praxis also die meisten medizinischen Leistungen und Medikamente informell aus eigener Tasche bezahlen (BDA 21.3.2018); die Kosten für Medikamente müssen also auch in staatlichen Krankenhäusern vom Patienten selbst getragen werden (EDA 25.5.2020). Ein System der Krankenversicherungen existiert nur auf lokaler Ebene als Pilotprojekte. Durch die politische und wirtschaftliche Instabilität ist das Gesundheitswesen in der Ukraine chronisch unterfinanziert. Auch wenn die elementare Versorgung für Patienten gewährleistet werden kann, fehlt es vielen Krankenhäusern und Polikliniken an modernen technischen Geräten und speziellen Medikamenten. Die Löhne im Gesundheitsbereich sind besonders niedrig und die Korruption ist in diesem Sektor daher hoch (GIZ 12.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (25.5.2020): Ukraine: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung)

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

?        BDA - Belgian Immigration Office via MedCOI (21.3.2018): Question & Answer, BDA-6768

?        EDA – Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten (25.5.2020): Reisehinweise Ukraine

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019): Länderinformationsportal, Ukraine, Gesellschaft

?        ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine

1.2.7. Rückkehr

Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurück-gekehrte ukrainische Asylbewerber wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland behelligt worden wären. Neue Dokumente können landesweit in den Servicezentren des Staatlichen Migrationsdiensts beantragt werden. Ohne ordnungsgemäße Dokumente können sich – wie bei anderen Personengruppen auch – Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder der Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens ergeben (AA 29.2.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020)

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF steht aufgrund der sichergestellten ukrainischen Reisepässe fest. Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF sowie zu ihrer ukrainischen Herkunft gründen sich im Übrigen auf die glaubhaften Angaben der BF1 in den bisherigen Befragungen sowie ihren Kenntnissen der ukrainischen und russischen Sprache.

2.1.2. Die Feststellungen zu den Sprachkenntnissen der BF1, ihrem Geburts- und Aufenthaltsort, ihrer Schul- und Berufsausbildung sowie ihrer Erwerbstätigkeit in der Ukraine folgen ebenso ihren glaubhaften, unstrittigen Angaben, wie jene zu ihren Familien- und Verwandtschaftsverhältnissen und den bestehenden Kontakt zu dieser.

Dass die BF1 gesund ist, hat sie ebenso selbst angegeben. Dass sie strafgerichtlich unbescholten ist, beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.1.3. Die ebenso unstrittigen Feststellungen über die Schulbildung der BF2 sowie ihrer Erkrankung folgen den Angaben der BF1 sowie den im Verfahren vorgelegten ärztlichen Befunden.

2.1.4. Dass die BF lediglich zu medizinischen Behandlung der BF2 in das Bundesgebiet eingereist sind und keine asylrelevanten Gründe bestehen, folgt gänzlich der Aussage der BF1, die dies selbst wiederholt bestätigte. Auch vor dem Hintergrund der den angefochtenen Bescheiden zugrundeliegenden Länderberichten sind keine Verfolgungsgründe hervorgekommen.

2.1.5. Der Ehemann und der minderjährige Sohn der BF1 wohnen ebenso wie ihre Mutter, ihr Bruder und ihrer Schwiegereltern in eigenen Häusern in ihrem Heimatort in der Ukraine. Ihr Ehemann ist arbeitstätig und die Familie der BF konnte schon bislang ihren Lebensunterhalt finanzieren. Darüber hinaus hat die BF1 weitschichtige Verwandtschaft dort. Die BF verfügen somit über ein eigenes Haus und ein soziales Netz, das sie bei der Rückkehr unterstützen kann und wird. Zumindest mittelfristig könnte die schon vor ihrer Ausreise arbeitstätige BF1 auch selbst wieder in das Erwerbsleben einsteigen und zum Lebensunterhalt beitragen. Allenfalls könnten die BF auch staatliche Sozialhilfeleistungen wie Familienbeihilfe und Arbeitslosenunterstützung in Anspruch nehmen. Es sind vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die BF im Falle einer Rückkehr nicht in der Lage wären, erneut für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Dies wurde auch nicht von den BF behauptet.

Die BF2 könnte in der Ukraine wieder die Schule besuchen, zumal sie dies auch in Österreich per Fernunterricht tat. Die BF2 hat ihre medizinische Behandlung in Österreich, d.h. insbesondere die Strahlentherapie, erfolgreich abgeschlossen und es stehen nur noch zwei Kontrolltermine aus. Die BF2 ist somit, soweit zum derzeitigen Stand ersichtlich, wieder gesundet, zumal auch die bisherigen Kontrolltermine dies bestätigten. Es besteht kein Grund, weshalb die weitere Nachkontrolle nicht in der Ukraine wahrgenommen werden könnte, zumal sich aus den Länderberichten nichts Gegenteiliges ergibt. Da die BF2 bereits – wie sich aus den vorgelegten ukrainischen Befunden ergibt – vor ihrer Ausreise in ihrer Heimatstadt operiert wurde und eine MRT-Untersuchung vorgenommen wurde (vgl. AS 143 im Akt der BF2), besteht kein Grund zur Annahme, dass eine MRT-Nachkontrolle in der Ukraine nun nicht möglich wäre.

Daran ändert auch die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nichts, denn die womöglich noch immungeschwächte BF2 – die allerdings keine Medikamente mehr einnehmen muss, sodass von keiner schwerwiegenden Immunschwächung auszugehen ist – ist ebenso in Österreich einem gewissen Infektionsrisiko ausgesetzt, sodass sich durch eine Rückkehr in die Ukraine kein Unterschied ergibt. Die BF1 wiederum gehört jedenfalls keiner Risikogruppe an. Auch etwaige wirtschaftliche Einschränkungen treffen die BF nicht existenzbedrohend, da sie jedenfalls auf die Unterstützung ihrer Angehörigen zurückgreifen können. Anderes wurde insoweit auch nicht von den BF behauptet.

Dass im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die BF in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären, ist auch sonst anhand der Länderberichte nicht objektivierbar.

Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, haben die BF nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.

2.1.4. Dass die BF seit XXXX im Bundesgebiet aufhältig sind, ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Dass sie Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nehmen, folgt wiederum aus einem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungssystem. Im Übrigen hat die BF1 selbst wiederholt angegeben, dass die BF keine Bindungen zu Österreich haben und nach Abschluss der medizinischen Behandlung der BF2 wieder freiwillig in die Ukraine zurückkehren würden.

2.2. Zur maßgeblichen Situation in der Ukraine

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen, im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine vom XXXX wiedergegebenen und zitierten Länderberichten. Diese gründen sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter Punkt II.1.2. zitiert.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß Abs. 2 leg.cit kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Heimatstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Gemäß Abs. 3 leg.cit ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

3.1.2. Umgelegt auf den konkreten Fall folgt daraus, dass – wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt wurde – die BF schon keine asylrelevanten Fluchtgründe vorgebracht haben.

Es sind auch keine Hinweise vor dem Hintergrund der Länderberichte hervorgekommen, dass die BF in der Ukraine nach objektiver Wahrscheinlichkeit sonstigen ernstlichen Bedrohungen ausgesetzt wären, die als asylrelevant zu qualifizieren sind.

Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA war daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Unter realer Gefahr ist eine ausreichend echte, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Weiters müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 05.09.2013, I. vs. Schweden, Nr. 61204/09).

Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der Ukraine – und insbesondere außerhalb der von den Separatisten besetzten Teile der Ostukraine bzw. auf der Krim – aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation im Herkunftsstaat ist auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Geeignete Beweise eines individuellen Risikos wurden durch die BF nicht vorgelegt.

3.2.2. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("ex

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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