TE Vwgh Beschluss 2021/8/31 Ra 2021/09/0162

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Veröffentlicht am 31.08.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
30/01 Finanzverfassung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
B-VG Art133 Abs4
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012
VStG §24
VStG §31 Abs2
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 2. April 2021, Zl. LVwG-1-593/2020-R7, betreffend Übertretung des Epidemiegesetzes 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 2020 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe am 30. April 2020, um 15.15 Uhr, an einem näher bezeichneten Ort im Zuge der Überwachung von Anordnungen nach dem Epidemiegesetz 1950 nicht angetroffen werden können und somit den Ort der Heimquarantäne verlassen, obwohl er sich am 17. April 2020 mit seiner eigenhändigen Unterschrift verpflichtet habe, eine 14-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne anzutreten, die erst mit Ablauf des 30. April 2020 zu Ende gewesen sei. Wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretung wurde über den Revisionswerber gemäß § 40 lit. c iVm § 25 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) iVm § 2 der Verordnung über Maßnahmen bei der Einreise aus Nachbarstaaten, BGBl. II Nr. 87/2020 idF BGBl. II Nr. 149/2020, eine Geldstrafe in der Höhe von 600,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe elf Tage und 14 Stunden) verhängt.

2        Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit Folge, als es die verhängte Geldstrafe auf 200,-- Euro (und die Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage und 20 Stunden) herabsetzte, den Beitrag zu den Verfahrenskosten verringerte und das angefochtene Straferkenntnis mit den Maßgaben bestätigte, dass (1.) die Tatzeit „30.04.2020, 15:15 Uhr“ durch die Tatzeit „17.04.2020, 18.10 Uhr“ und (2.) der erste Absatz der Tatumschreibung durch folgenden Text ersetzt wurde (Schreibweise wie im Original): „Sie konnten am 30.04.2020 um 15.15 Uhr am angeführten Ort im Zuge der Überwachung von Anordnungen nach dem Epidemiegesetz 1950 nicht angetroffen werden. Sie haben am 17.04.2020 gegen 18.10 Uhr den Ort der Heimquarantäne verlassen, obwohl Sie sich bei der Einreise nach Österreich am 17.04.2020 gegen 14.45 Uhr mit Ihrer eingehhändigen Unterschrift verpflichtet haben, eine 14-tägige selbstüberwachte Heimquarantäne anzutreten.“. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - aus, es habe sich ergeben, dass der Revisionswerber bereits am 17. April 2020 gegen 18.10 Uhr den Ort der Heimquarantäne verlassen habe, weshalb eine „Präzisierung bzw Konkretisierung“ vorzunehmen gewesen sei.

4        Die daraufhin erhobene, vorliegende außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

5        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Dementsprechend erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007; 25.4.2019, Ra 2019/09/0048).

8        In den gesondert vorzubringenden Gründen ist sohin konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 12.3.2018, Ra 2018/09/0008, mwN).

9        Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision zunächst mit einem Verstoß gegen die Begründungspflicht und zitiert dazu mehrere Passagen aus Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes. Ein Revisionswerber, der eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, muss jedoch nach der ständigen und bereits zitierten hg. Rechtsprechung konkret anführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2018/04/0181). Diesen Anforderungen wird das allgemein gehaltene Vorbringen des Revisionswerbers nicht gerecht. Auch die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Erkenntnissen, so wie dies der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung gemacht hat, reicht nicht aus (vgl. VwGH 26.11.2018, Ra 2018/02/0283). Darüber hinaus ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht von der hg. Rechtsprechung abgewichen wäre.

10       Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang Feststellungen vermisst, warum die noch nicht bezugsfertige Wohnung bereits den Wohnsitz des Revisionswerbers begründet haben soll, mangelt es bereits an der Relevanz. Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz der Rechtsfrage für den Verfahrensausgang begründet wird (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2019/09/0157, mwN). In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 15.9.2020, Ra 2020/09/0030, mwN). Im Übrigen ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht seine Feststellung mit der Hauptwohnsitz-Meldung des Revisionswerbers am 30. März 2020 begründet hat.

11       Dasselbe gilt für das Vorbringen, es fehlten Feststellungen, welche „öffentlichen Rechte und Interessen“ der Revisionswerber durch seine kurzfristige Ausreise aus Österreich verletzt haben soll: Der Revisionswerber legt wiederum nicht dar, inwieweit dies von Relevanz sein soll. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Auffassung des Revisionswerbers, das angefochtene Erkenntnis leide an „zentralen Feststellungsmängeln“ und es mangle an einer konsistenten und schlüssigen Begründung, nicht zu teilen.

12       Auch mit dem weiteren Vorbringen des Revisionswerbers zu seinem Wohnsitz und zur „richtigen Begriffsanwendung in diesem Bereich“ wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt. In dem Zusammenhang ist der Revisionswerber noch einmal darauf hinzuweisen, dass auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht einzugehen ist, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (siehe bereits oben VwGH 26.2.2021, Ra 2021/09/0007). Das gilt für das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 49 der Charta der Grundrechte verstoßen, genauso. Worin der Revisionswerber diesbezüglich eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erblickt, führt er nicht aus und ist auch nicht ersichtlich.

13       Soweit der Revisionswerber die Wichtigkeit der „Eindeutigkeit des Tatzeitpunktes“ betont, so ist ihm zunächst zuzustimmen. Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens (vgl. VwGH 20.8.2019, Ra 2019/16/0101, mwN). Dazu ist zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dieser Bestimmung genügt oder nicht genügt, wobei eine Ungenauigkeit bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Tatzeit und Tatort dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides hat, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. VwGH 13.8.2019, Ra 2019/03/0068).

14       Eine Auswechslung der Tatzeit durch das Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht ist aber nach ständiger Rechtsprechung - ebenso wie vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle die Berufungsbehörde - berechtigt, eine im Straferkenntnis unrichtig wiedergegebene Tatzeit zu berichtigen bzw. einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/10/0013; 5.11.2014, Ra 2014/09/0018). Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung (wozu auch die Tathandlung gehört) durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2020/09/0036; 20.5.2015, Ra 2014/09/0033).

15       Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht im Revisionsfall keine Auswechslung der Tat vorgenommen hat: Bereits den Angaben des Revisionswerbers im Einspruch gegen die Strafverfügung zufolge, ist er am 17. April 2020 wieder aus Österreich ausgereist. Die belangte Behörde hat im Spruch des Straferkenntnisses vom 18. September 2020 bei der Tatumschreibung die Dauer der Heimquarantäne mit 17. April 2020 bis 30. April 2020 angeführt und als Tatzeit aber trotz der Angaben des Revisionswerbers den Zeitpunkt der (erfolglosen) Kontrolle am 30. April 2020 betreffend die Ausreise des Revisionswerbers angegeben. Wenn nun das Verwaltungsgericht in Ansehung dieser Tatumschreibung aufgrund der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde die Tatzeit mit 17. April 2020 annimmt, so kann von einer Auswechslung der Tat nicht die Rede sein, das Verwaltungsgericht hat vielmehr - zulässigerweise - die Tatzeitangabe in Bezug auf die Übertretung konkretisiert. Der Revisionswerber wird dadurch auch nicht in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt; auch die Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG steht dem nicht entgegen. Einen Widerspruch hinsichtlich des Tatzeitpunktes, wie ihn der Revisionswerber im angefochtenen Erkenntnis erblickt, vermag der Verwaltungsgerichtshof damit nicht zu erkennen.

16       Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 31. August 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090162.L00

Im RIS seit

17.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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