TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/30 95/18/0854

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Veröffentlicht am 30.01.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §64;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §22 Abs1;
FrG 1993 §36;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. März 1995, Zl. SD 1214/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. März 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei am 25. September 1992 in das Bundesgebiet eingereist und habe zunächst aufgrund einer Verpflichtungserklärung einen bis zum 30. April 1993 gültigen Sichtvermerk erhalten.

Am 28. Jänner 1993 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und daraufhin einen Befreiungsschein und eine (weitere) Aufenthaltsberechtigung bis zum 8. Februar 1995 erhalten.

Die Beschwerdeführerin habe nach ihren eigenen Aussagen die Ehe nur deshalb geschlossen, um in den Genuß eines Befreiungsscheines und einer Aufenthaltsberechtigung zu kommen. Die Ehe sei mit (rechtskräftigem) Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 24. März 1994 gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden.

Die Eingehung einer Ehe zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stelle einen Rechtsmißbrauch dar, der seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. gleichzuhalten sei. Aufgrund des insgesamt kurzen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, der erst seit etwa eineinhalb Jahren bestehenden Beschäftigung als Bedienerin sowie des Umstandes, daß sich die Beschwerdeführerin auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe nicht berufen könne, könne "von einem hohen Grad ihrer Integration keine Rede sein". Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bedeute daher keinen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin. Es sei daher weder zu überprüfen gewesen, ob die fremdenrechtliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig) sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. In der Beschwerde bleibt der maßgebliche Sachverhalt, daß die Beschwerdeführerin die - mittlerweile für nichtig erklärte - Ehe nur eingegangen ist, um einen Befreiungsschein und eine Aufenthaltsberechtigung zu erhalten, unbestritten. Die belangte Behörde hat - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 96/18/0220, m.w.N.).

1.2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die - für die Rechtfertigung der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme gar nicht erforderliche - weitere Feststellung, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der rechtswidrig eingegangen Ehe auch tatsächlich einen Befreiungsschein und eine Aufenthaltsberechtigung (Sichtvermerk) erlangt hat, getroffen. Nur so können die Worte ".... erhielt DARAUFHIN einen Befreiungsschein und eine (weitere) Aufenthaltsberechtigung" im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit der übrigen Bescheidbegründung und dem Inhalt der Gegenschrift der belangten Behörde verstanden werden. Auch die Beschwerde geht von einer derartigen Feststellung aus und stellt demgegenüber die Behauptung auf, sie habe durch die Eheschließung keine fremdenrechtlich bedeutsamen Berechtigungen erlangt. Darauf braucht mangels jeglicher Konkretisierung - die Beschwerde bringt insbesondere nicht vor, aufgrund welcher anderen Umstände die genannten Berechtigungen erteilt worden seien - nicht eingegangen zu werden.

2.1. Die Beschwerdeführerin befindet sich nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid seit 25. September 1992 in Österreich. Sie geht seit eineinhalb Jahren einer Beschäftigung als Bedienerin nach. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten befindet sich ihr am 18. September 1989 geborener Sohn bei ihr in Österreich. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde stellt die Erlassung des Aufenthaltsverbotes daher einen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin dar.

Die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde verletzt die Beschwerdeführerin jedoch nicht in Rechten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 95/18/0300). Das durch das rechtsmißbräuchliche Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich beeinträchtigte, einen hohen Stellenwert aufweisende maßgebliche öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 MRK) gebietet nämlich dringend die Erlassung des Aufenhaltsverbotes und macht diese Maßnahme daher im Grunde des § 19 FrG zulässig (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 96/18/0240, m.w.N.).

Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsauffassung, der (im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG) für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Sachverhalt dürfe nicht auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 19 FrG herangezogen werden, findet im Gesetz keine Deckung.

2.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG ist zu berücksichtigen, daß der Aufenthalt seit Mai 1993 und die Beschäftigung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der jeweiligen Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangen Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger zurückzuführen und folglich im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliches Gewicht sind (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 96/18/0220).

Der (angenommenen) Sorgepflicht gegenüber ihrem minderjährigen Sohn kann die Beschwerdeführerin auch dadurch nachkommen, daß sie ihn ins Ausland mitnimmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/1222).

Von daher gesehen sind die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin nicht mit dem Stellenwert ausgestattet, der es erlauben würde, ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich höher zu veranschlagen als das gegenläufige öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, welches durch das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren hat.

3. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei nicht - wie dies die belangte Behörde angenommen hat - Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, sondern eine bosnische Staatsangehörige und könne daher aufgrund des in ihrer Heimat herrschenden Bürgerkrieges nicht dorthin zurückkehren, ist im Hinblick darauf ohne Relevanz, daß mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausschließlich die Verpflichtung des betreffenden Fremden verbunden ist, Österreich zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), jedoch nicht ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1996, Zl. 95/18/0976).

4. Die Bestätigung der von der Erstbehörde ausgesprochenen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung durch die belangte Behörde bewirkte keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin, ergibt sich doch weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Beschwerdevorbringen, daß in der Zeit der Wirksamkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung eine darauf beruhende Maßnahme (etwa eine Abschiebung) gesetzt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 96/18/0114).

5. Soweit die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel geltend macht, es sei ihr keine Möglichkeit eingeräumt worden, im Verwaltungsverfahren den inländischen Aufenthalt ihres Sohnes und den Bürgerkrieg in ihrer Heimat geltend zu machen, ist ihr zu entgegnen, daß diese Umstände nach den obigen Ausführungen auf die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes keinen Einfluß haben.

6. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995180854.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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