TE Vwgh Erkenntnis 1997/1/30 97/18/0013

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Veröffentlicht am 30.01.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §14 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. November 1996, Zl. SD 1148/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. November 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei vom Jugendgerichtshof Wien am 4. Februar 1993 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Abs. 1 und 3, 130 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden. Die bedingte Strafnachsicht sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien widerrufen worden. Laut Urteil habe der Beschwerdeführer mit anderen Jugendlichen zwischen Herbst 1991 und Frühjahr 1992 in Wien zahlreiche Einbruchsdiebstähle in PKW"s verübt, wobei vor allem Autoradios gestohlen und anschließend verkauft worden seien. Außerdem habe der Beschwerdeführer mit zwei anderen Jugendlichen zahlreiche Fahrräder nach Aufbrechen der Schließketten gestohlen; auch die Fahrräder seien in der Folge verkauft worden. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei dem Beschwerdeführer am 27. Juli 1993 niederschriftlich zur Kenntnis gebracht worden, daß er bei neuerlichem Straffäliggwerden mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu rechnen habe. Der Beschwerdeführer habe sich aber dadurch nicht von noch schwereren Delikten abhalten lassen.

Am 13. Dezember 1993 habe das Landesgericht für Strafsachen Wien den Beschwerdeführer wegen Verbrechens nach dem Suchtgiftgesetz (§ 12 Abs. 1) und Vergehens nach diesem Gesetz (§ 16 Abs. 1) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Aus dem Urteil ergebe sich, daß der Beschwerdeführer im Sommer 1993 über einen Landsmann in Kontakt zu Heroinhändlern gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe Suchtgift übernommen und dieses an eine ständige Suchtgiftabnehmerin verkauft. Im September 1993 habe er selbst geringe Mengen Haschisch und Kokain konsumiert. Das Gericht habe in seiner Urteilsbegründung besonders darauf hingewiesen, daß die Verhängung der bedingten Freiheitsstrafe im Feber 1993 den Beschwerdeführer derart wenig beeindruckt hätte, daß er bereits wenige Monate danach beschlossen hätte, wieder kriminell tätig zu werden, weshalb es erforderlich gewesen wäre, ihm durch Verbüßung auch der bedingten Strafe das Unrecht von strafbaren Handlungen und deren Folgen vor Augen zu führen.

Der Beschwerdeführer habe auf seine starken Bindungen zu in Österreich lebenden Angehörigen und darauf hingewiesen, daß er in Österreich geboren, hier aufgewachsen, im Alter von sieben Jahren zu seiner Mutter ins Ausland gezogen und im Jahr 1988 wieder nach Österreich zurückgekehrt wäre; seither wäre er ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig. Weiters verweise er darauf, daß er in Österreich die Hauptschule besucht hätte (laut den Feststellungen des Jugendgerichtshofes Wien habe er in Jugoslawien die Schule besucht). In Österreich, so bringe der Beschwerdeführer weiters vor, lebten seine Eltern und seine z. T. bereits verheirateten drei Brüder. Dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, daß durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein massiver Eingriff in sein Privat- und Familienleben bewirkt werde. Daß ungeachtet dessen dieser Eingriff im Grunde des § 19 FrG zulässig sei, weil zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (konkret:

Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit, Schutz der Rechte Dritter) insbesondere aufgrund der Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität dringend geboten, entspreche der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG seien die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen öffentlichen Interessen ungleich höher als die im Hinblick auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers zweifellos beträchtlichen privaten und familiären Interessen zu veranschlagen, weil bei Suchtgiftdelikten auch bei völliger sozialer Integration des Fremden ein Aufenthaltsverbot gerechtfertigt sei. Dazu komme vor allem, daß der Beschwerdeführer nach seiner ersten Verurteilung von der Fremdenpolizeibehörde niederschriftlich auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei neuerlicher Straffälligkeit aufmerksam gemacht worden sei.

§ 20 Abs. 2 FrG stehe der Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil dem Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes, das sei die gerichtliche Verurteilung vom 13. Dezember 1993, die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG nicht verliehen hätte werden können, habe er doch zu diesem Zeitpunkt einerseits keinen ununterbrochenen Wohnsitz in Österreich in der Dauer von zehn Jahren und andererseits bereits eine Vorstrafe aufgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Subsumtion des - nicht bestrittenen - maßgeblichen Sachverhaltes unter die Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und § 18 Abs.1 FrG unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde keine Bedenken.

2. Die Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend

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ungeachtet des als "massiv" zu wertenden Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch diese Maßnahme - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten und daher gemäß § 19 FrG zulässig, folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser hat in zahlreichen Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in Fällen wie dem vorliegenden mit Rücksicht auf die im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen "Verhinderung von strafbaren Handlungen", "Schutz der Gesundheit" und "Schutz der Rechte anderer" notwendig macht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 1995, Zl. 95/18/1313). Dazu kommt im Beschwerdefall das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls

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ein Umstand, der ebenso wie die fruchtlos gebliebene behördliche Androhung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Fall der Begehung weiterer Straftaten das Dringend-geboten-Sein dieser Maßnahme unterstreicht. Daß sich der Beschwerdeführer laut Beschwerde seit seiner zweiten Verurteilung (vom 13. Dezember 1993) wohl verhalten hat, vermag an der besagten Notwendigkeit nichts zu ändern, ist doch der seither verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um einen Wandel zum Positiven hinsichtlich der Haltung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung verläßlich annehmen zu können.

3. Die gegen die zuungunsten des Beschwerdeführers ausgegangene Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG ins Treffen geführten Beschwerdeeinwände sind nicht zielführend. Denn die beachtlichen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleiben in Österreich - von der belangten Behörde zutreffend als "beträchtlich" gewertet - würden auch dann, wenn die belangte Behörde die Absolvierung einer Spenglerlehre nach dem Schulbesuch und eine nachfolgende Beschäftigung des Beschwerdeführers in ihre Abwägung miteinbezogen hätte, keine entscheidende Stärkung dergestalt erfahren haben, daß ihnen gegenüber die maßgeblichen öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers zurückzustehen hätten: Letztere sind im Fall von Suchtgiftdelikten von solchem Gewicht, daß auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 95/18/1313). Für den vorliegenden Fall trifft dies insofern umso mehr zu, als einerseits die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, wie oben dargetan (II. 2.), aufgrund der weiteren gerichtlich geahndeten schweren Straftaten des Beschwerdeführers noch verstärkt werden und andererseits das Ausmaß der Integration (§ 20 Abs. 1 Z. 1 FrG) des Beschwerdeführers nicht unerheblich dadurch gemindert ist, daß die dafür wesentliche soziale Komponente durch die zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt wird (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1313) und daß sein Aufenthalt in Österreich nach der unbestrittenen Feststellung der belangten Behörde durch einen langjährigen Aufenthalt (gemeinsam mit seiner Mutter) im Ausland unterbrochen war. Von daher gesehen haftet dem Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung keine Rechtswidrigkeit an.

4. Schließlich ist auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe § 20 Abs. 2 FrG unrichtig angewendet, nicht gerechtfertigt. Mit seiner Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 Z. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) übersieht der Beschwerdeführer nämlich, daß § 20 Abs. 2 FrG nicht auf diese Norm, sondern ausdrücklich und ausschließlich auf § 10 Abs. 1 StbG abstellt. Nach der Z. 1 dieser Vorschrift (idF des Art. VIII Z. 1 BGBl. Nr. 505/1994) aber ist primäre Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden, daß dieser seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes", also vor Rechtskraft der am 13. Dezember 1993 erfolgten gerichtlichen Verurteilung, unter Zugrundelegung der diesbezüglichen Feststellung im bekämpften Bescheid (mit der die Angaben in der Beschwerde übereinstimmen) erst etwa fünf Jahre ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte. Mangels Verleihbarkeit der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer in dem nach § 20 Abs. 2 FrG maßgebenden Zeitpunkt ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn auch im Grunde dieser Bestimmung nicht unzulässig.

5. Da nach dem Gesagten schon der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180013.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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