TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/11 96/08/0316

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Veröffentlicht am 11.02.1997
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Index

L92055 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Salzburg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1420;
ABGB §1424;
ABGB §905 Abs2;
AVG §56;
B-VG Art137;
SHG Slbg 1975 §17 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch den Sachwalter N in S, dieser vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 22. Mai 1996, Zl. 3/01-25.919/2-1996, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialhilfesache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 24. Jänner 1996 als verspätet zurückgewiesen.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei dem Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 24. Jänner 1996 für den Zeitraum vom 1. Februar 1996 bis 31. Dezember 1996 ein monatlicher Mietbeitrag in der Höhe von S 4.722,05 aus Mitteln der Sozialhilfe zugesprochen worden. Dieser Bescheid enthalte eine den Bestimmungen des AVG entsprechende Rechtsmittelbelehrung, worin auch darauf hingewiesen werde, daß die Berufung binnen zwei Wochen nach Zustellung einzubringen sei. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer, vertreten durch den Sachwalter, mit Berufungsschreiben vom 15. Februar 1996, eingelangt am 16. Februar 1996, das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Der Bescheid sei am 25. Jänner 1996 der Post ohne Zustellnachweis zur Beförderung übergeben worden. Aufgrund der gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz i.V.m. § 3 Abs. 1 Zustellgesetz anzustellenden Vermutung gelte die Zustellung am Montag, den 29. Jänner 1996 als bewirkt. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe somit am 12. Februar 1996 um 24.00 Uhr geendet. Durch Einbringung der Berufung mit Berufungsschreiben vom 15. Februar 1996 sei die im § 63 Abs. 5 AVG normierte Einbringungsfrist von zwei Wochen überschritten worden, weshalb die Berufung als verspätet gelte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer u.a. vorbringt, bereits am 5. Februar 1996 eine formgerechte Berufung eingebracht zu haben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Aktenlage hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 24. Jänner 1996 für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Dezember 1996 eine monatliche Geldleistung in Form eines Mietbeitrages im Ausmaß von S 4.722,05 zuerkannt und ausgesprochen, daß dieser Beitrag "ergeht an: W". Bei der Letztgenannten handelt es sich - wie die Aktenlage vermuten läßt - um die Inhaberin (oder zur Vertretung nach außen befugte Person) eines gleichnamigen Wohnheims, in dem sich der Beschwerdeführer in dem genannten Zeitraum offenbar befunden hat.

Das Schreiben des Sachwalters vom 5. Februar 1996, gerichtet an die Referentin des Sozialamtes beim Magistrat Salzburg, hat folgenden Wortlaut:

"Bezugnehmend auf das mit Ihnen geführte Telefonat ersuche ich Sie in meiner Funktion als Sachwalter (des Beschwerdeführers) um Korrektur des Sozialhilfebescheides vom 24. Jänner 1996.

Wie bereits telefonisch abgeklärt, halte ich nochmals fest, daß die Pensionsauszahlungen für (den Beschwerdeführer) direkt an mich als Sachwalter erfolgen und von mir daher sämtliche Leistungen, so auch das Taschengeld verwaltet und ausbezahlt werden. In dem o.g. Bescheid wurde dieser Umstand nicht berücksichtigt, sodaß (dem Beschwerdeführer) kein Taschengeld zugestanden würde.

Mit der Bitte um positive Bearbeitung meines Anliegens verbleibe ich mit freundlichen Grüßen."

Mit Schreiben vom 15. Februar 1996, welches der Sachwalter ausdrücklich als Berufung gegen den Bescheid vom 21. Jänner 1996 (richtig: 24. Jänner 1996) bezeichnete, und welches am 16. Februar 1996 beim Magistrat Salzburg einlangte, führte er unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 24. Jänner 1996 aus, daß er an der Richtigkeit der Berechnung der gewährten Hilfeleistung Zweifel hege, diese in einem Telefonat und einem Schreiben vom 5. Februar 1996 dargelegt und nun ein Antwortschreiben vom 8. Februar 1996 erhalten habe, wobei er festhalte, daß diese Stellungnahme nicht einem Bescheid oder einer Entscheidung über die Berufung entspreche, wodurch er die vorgebrachten Bedenken nochmals schriftlich präzisiere und in Form einer schriftlichen Berufung - als Ergänzung zur in offener Frist eingebrachten Berufung vom "2. Februar 1996" (richtig: 5. Februar 1996) - vorbringe. Daran schließt sich eine Sachverhaltsdarstellung, wonach dem Beschwerdeführer entgegen den Behauptungen des Sozialamtes von der "Pension W" kein Taschengeld ausbezahlt werde, ihm als Sachwalter die Verwaltung des Vermögens obliege und daher auch das Taschengeld an den Sachwalter auszuzahlen sei. An die Berufung schloß sich der Antrag auf Neuberechnung des Sozialhilfeanspruchs unter Berücksichtigung des o.g. Sachverhaltes, sodaß dem Beschwerdeführer im Sinne des Salzburger Sozialhilfegesetzes auch weiterhin für Aufwendungen des täglichen Bedarfs, die nicht durch Leistungen vom Wohnheim abgedeckt seien, ein monatlicher Verfügungsbetrag verbleibe.

Bringt eine Partei innerhalb offener Berufungsfrist mehrere Schriftsätze ein, mit denen Berufung gegen denselben Bescheid erhoben wird, dann sind diese als eine Berufung anzusehen; dasselbe gilt, wenn rechtzeitig ein begründeter Berufungsantrag gestellt wurde, auch für spätere, aber noch vor der Entscheidung der Berufungsbehörde eingebrachte Ergänzungen. Über diese Schriftsätze hat die Berufungsbehörde daher (wenn nicht die Voraussetzungen für eine Trennung nach mehreren Punkten gemäß § 59 Abs. 1 AVG vorliegen) in einem zu entscheiden (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis vom 19. November 1985, Slg. 11.943/A, z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1992, Zl. 92/09/0001, die Beschlüsse vom 10. Juni 1992, Zl. 91/04/0335, und vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0122, sowie ferner die Erkenntnisse vom 27. April 1993, Zl. 92/04/0284, und vom 31. Jänner 1994, Zl. 93/10/0218).

Von dieser ständigen Rechtsprechung mehrerer Senate des Verwaltungsgerichtshofes weicht auch das Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 95/03/0123, nicht ab: Darin wird zwar ausgesprochen, daß im Falle zweier als Berufung zu wertender Schriftsätze gleichen Inhalts, von denen einer nicht innerhalb offener Berufungsfrist eingebracht worden sei, diese keine Einheit bildeten; diesem Erkenntnis lag jedoch ein ganz anderer Sachverhalt zugrunde: In diesem Fall war - wie im vorliegenden Fall - der außerhalb der Frist eingebrachte Schriftsatz zurückgewiesen worden, dieser Bescheid jedoch in Rechtskraft erwachsen. Das genannte Erkenntnis vom 8. November 1995 hatte sodann die Frage zu behandeln, ob in einem solchen Fall (ungeachtet der Nennung bloß des verspäteten Schriftsatzes im rechtskräftigen Bescheid) auch der erste Schriftsatz aufgrund der oben erwähnten Rechtsprechung - weil mit dem zweiten Schriftsatz eine Einheit bildend - als erledigt anzusehen sei. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis verneint und ausgesprochen, daß ungeachtet des - sich ausdrücklich nur auf die zweite "Berufung" beziehenden - rechtskräftigen Zurückweisungsbescheides eine Entscheidung über die rechtzeitig eingebrachte Berufungsschrift weiterhin zu ergehen habe. Der damals erkennende Senat hatte somit nur die Frage zu beurteilen, wie ein solcher Bescheid, wenn er in Rechtskraft erwachsen ist, in bezug auf eine frühere, rechtzeitige Berufungsschrift auszulegen ist. Die Rechtskraft des Zurückweisungsbescheides hatte im Ergebnis die - sonst gegebene - Einheit der beiden Berufungsschriftsätze aufgehoben.

Davon ist die hier zu untersuchende Frage zu unterscheiden, ob ein solcher Bescheid rechtmäßig ist. Dies ist aber nach der oben dargelegten einhelligen Rechtsprechung zu verneinen: Die Behörde hat beide Berufungsschriften als einheitliche Berufung zu behandeln und darüber in einem zu entscheiden.

Für die Frage, ob die belangte Behörde daher berechtigt war, die "Berufung" des Beschwerdeführers als verspätet zurückzuweisen, ist somit entscheidend, ob der

- unbestrittenermaßen - innerhalb der Berufungsfrist eingelangte Schriftsatz vom 5. Februar 1996 - wie er oben wiedergegeben wurde - eine formgerechte Berufung i.S.d. § 63 Abs. 3 AVG darstellt. Die belangte Behörde bestreitet dies in ihrer Gegenschrift mit der Begründung, daß das Berufungsvorbringen (Auszahlung des Taschengeldes für den Beschwerdeführer an den Sachwalter) mit dem Gegenstand der Erledigung (Zuerkennung von Mietbeihilfe) nichts zu tun habe. Abgesehen davon, daß dies allenfalls eine verfehlte Begründung der Berufungsschrift sein, nicht aber deren Formgerechtheit in Frage stellen könnte, vermag der Verwaltungsgerichtshof dieser Argumentation auch deshalb nicht zu folgen, weil die Behörde erster Instanz aufgrund des Schreibens des Sachwalters vom 5. Februar 1996 in einem Antwortschreiben vom 8. Februar 1996 ausdrücklich behauptete, daß in dem "von der Pension W verrechneten Wohnaufwand ... das Taschengeld bereits berücksichtigt" worden sei, welches "von der Betreuerin ... direkt an die Klienten ausbezahlt wird". Gerade darum ging es aber dem Sachwalter im Schriftsatz vom 5. Februar 1996, nämlich, daß das (in der Mietbeihilfe offenbar mitberücksichtigte) Taschengeld nicht an dritte Personen, sondern ausschließlich an den Sachwalter (als den hiezu ausschließlich Befugten) zur Auszahlung gelange. Damit kann aber nicht gesagt werden, daß sich das Schreiben des Sachwalters vom 5. Februar 1996 auf etwas anderes bezogen habe als auf den Gegenstand des Bescheides vom 24. Jänner 1996, der in seinem Spruch auch ausdrücklich die Auszahlung dieser Beihilfe an "W" verfügte. Da das Schreiben des Sachwalters vom 5. Februar 1996 sowohl eine Bezeichnung des bekämpften Bescheides als auch einen begründeten Berufungsantrag enthält, handelt es sich zweifelsfrei um eine frist- und formgerechte Berufung im Sinne des § 63 AVG. Eine fehlende Bezeichnung dieses Schriftsatzes als Berufung vermag ihm den Charakter eines Rechtsmittels nicht zu nehmen.

Der Beschwerdeführer ist somit mit seinem Vorbringen im Recht, daß diese frist- und formgerechte Berufung vom 5. Februar 1996 mit dem - zwar nicht im Spruch, wohl aber in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich bezeichneten - "Berufungsschreiben vom 15. Februar 1996" eine Einheit bildet; die belangte Behörde hätte daher über die Berufung des Beschwerdeführers unter Einbeziehung des Schriftsatzes vom 15. Februar 1996 meritorisch absprechen müssen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie wird für das fortgesetzte Verfahren, in dem es auch um die Frage zu gehen scheint, ob die Sozialhilfebehörde berechtigt ist, Sozialhilfetaschengeld an jemand anderen als den Sachwalter auszuzahlen, auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/08/0181, hingewiesen, worin (wenn auch zu § 13 Abs. 4 des Kärntner Sozialhilfegesetzes) ausgesprochen und ausführlich begründet wurde, daß Sozialhilfetaschengeld an den Pflegebedürftigen oder an den Sachwalter, nicht aber (ohne dessen Zustimmung) an die Pflegeinstitution auszuzahlen ist. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgesprochen, daß über die AUSZAHLUNG des Taschengeldes nicht im Verwaltungsweg abzusprechen ist, wie dies hier im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides durch den Ausspruch "ergeht an ..." geschehen ist. Die Auszahlung der bescheidmäßig zuerkannten Leistung ist vielmehr - falls sie nicht an den Sachwalter erfolgte - von diesem mit Klage gemäß Art. 137 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen. Davon zu unterscheiden und im Verwaltungsweg zu entscheiden ist hingegen der ANSPRUCH des Beschwerdeführers auf Taschengeld gemäß § 17 Abs. 2 Sbg. SHG.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, wobei dem Beschwerdeführer allerdings nur der im Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich verzeichnete Schriftsatzaufwand von S 11.120,-- zugesprochen werden konnte.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Vermögensrechtliche Ansprüche nach B-VG Art137

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996080316.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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