TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/11 95/08/0013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.02.1997
beobachten
merken

Index

L92057 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
30/01 Finanzverfassung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
F-VG 1948 §2;
SHG Tir 1973 §13;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/08/0020 E 11. Februar 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Hall in Tirol, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Juli 1994, Zl. Va-666-104/139-1994, betreffend Endabrechnung der Kosten des Pflegegeldes nach dem Tiroler Pflegegeldgesetz für das Jahr 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde "gemäß § 25 Abs. 3 und 4 des Tiroler Pflegegeldgesetzes, LGBl. Nr. 55/1993, in Verbindung mit § 13 Abs. 4 und Abs. 5 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973, und § 59 Abs. 2 AVG wie folgt:

Der Beitragsanteil der Stadtgemeinde Hall in Tirol zu den von den Gemeinden mit 100 v.H. zu tragenden Pflegegeldkosten für das Jahr 1993 wird mit S 40.143,-- festgesetzt. Dieser Betrag ist von der Stadtgemeinde Hall in Tirol binnen vier Wochen ab dem Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides an das Land Tirol ... zu zahlen."

Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht darin die "Verletzung ihrer Subjektivrechte" geltend. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Sie beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den Bescheid der belangten

Behörde aus drei Gründen:

Zunächst wird ausgeführt, die belangte Behörde habe ihrem Bescheid § 13 Abs. 4 des Tiroler Sozialhilfegesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 51/1993 (in Kraft getreten am 1. Juli 1993) zugrundegelegt. Am 1. Jänner 1994 sei jedoch die mit Landesgesetz vom 16. Dezember 1993, LGBl. Nr. 21/1994, geänderte Fassung dieser Bestimmung in Kraft getreten. § 13 Abs. 4 des Tiroler Sozialhilfegesetzes in der von der belangten Behörde angewandten Fassung LGBl. Nr. 51/1993 habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, weil die mit LGBl. Nr. 21/1994 geänderte Fassung der Bestimmung der vorangegangenen, von der belangten Behörde angewandten Fassung widersprochen habe und "daher eine materielle Derogation" vorliege.

Zweitens macht die Beschwerdeführerin geltend, die Neufassung der Bestimmung durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 21/1994 treffe nur "Vorsorge" für die Haushaltsjahre 1994 und 1995, nicht aber für das vom angefochtenen Bescheid betroffene Haushaltsjahr 1993. Für dieses habe zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung "überhaupt keine Regelung" existiert.

Schließlich wird unter dem Gesichtspunkt der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften unter anderem geltend gemacht, die belangte Behörde habe es verabsäumt, nach § 13 Abs. 4 Tiroler Sozialhilfegesetz in der Fassung LGBl. Nr. 21/1994 zusätzlich heranzuziehende Berechnungsgrundlagen zu ermitteln.

Die Behauptung materieller Derogation wegen eines "Widerspruches" zwischen einem älteren und einem neueren Gesetz ist mit der weiteren Behauptung, das später erlassene Gesetz treffe im Gegensatz zu dem früheren Gesetz für den zu beurteilenden Sachverhalt "überhaupt keine Regelung", so wenig vereinbar wie die Verfahrensrüge, die in dem später erlassenen Gesetz vorgesehenen Berechnungsgrundlagen seien in bezug auf diesen Sachverhalt nicht ermittelt worden. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Abrechnung der Kosten der Sozialhilfe - wie sie sich aus den Regelungen des § 13 TSHG in ihrem Zusammenhang ergibt - eine von der Grundregel des § 2 F-VG 1948 abweichende gesetzliche Regelung des Finanzausgleichs auf Landesebene ist, die nach Haushaltsjahren zu erfolgen hat. Es ist daher - entgegen der Beschwerdeauffassung - von der Behörde nicht das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht, sondern jene Rechtslage anzuwenden, die für den betreffenden Abrechnungszeitraum (hier: das Haushaltsjahr 1993) gilt bzw. gegolten hat (vgl. zur zeitraumbezogenen Rechtsanwendung u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A). Die mit LGBl. Nr. 21/1994 in Kraft gesetzte Fassung des § 13 Abs. 4 Tiroler Sozialhilfegesetz enthielt nur für die Haushaltsjahre 1994 und 1995 neue Vorschriften über die Ermittlung der für die Aufteilung der Kosten der Sozialhilfe maßgeblichen Finanzkraft der einzelnen Gemeinden. Gilt die Neuregelung, soweit Änderungen vorgenommen wurden, ausdrücklich nur für die Haushaltsjahre 1994 und 1995, so wurde der bis dahin geltenden Regelung durch das Inkrafttreten der neuen Regelung - die keine ausdrückliche Aufhebung der vorangegangenen enthielt - in bezug auf das Haushaltsjahr 1993 nicht derogiert. Daß das Unterbleiben von Ermittlungen über die für die Haushaltsjahre 1994 und 1995 neu vorgeschriebenen Berechnungsgrundlagen in bezug auf den das Haushaltsjahr 1993 betreffenden Bescheid keinen Verfahrensmangel begründen kann, versteht sich bei dieser Rechtslage von selbst.

Da keine formelle Derogation vorliegt und die behauptete materielle Derogation - in Ermangelung eines inhaltlichen Widerspruches in einem gemeinsamen Anwendungsbereich - in bezug auf das Haushaltsjahr 1993 nicht gegeben ist, kann sich aus dem Fehlen einer für dieses Haushaltsjahr anwendbaren Regelung in dem später erlassenen Gesetz auch nicht, wie die Beschwerde vermeint, ein gesetzloser Zustand ergeben. In bezug auf das Haushaltsjahr 1993 hat die belangte Behörde vielmehr zu Recht und ohne daß dies die Beschwerdeführerin, wie sie noch andeutungsweise geltend macht, überraschen konnte, die bisherige Regelung weiter angewandt, wobei noch zu ergänzen ist, daß diese schon seit der Novelle LGBl. Nr. 68/1991 (in Kraft getreten teils am 1. Juli 1991, teils am 1. Jänner 1992) - abgesehen von der Aufhebung der Verpflichtung der Gemeinden, in einem bestimmten Umfang auch Kosten für pflegebedürftige Personen zu ersetzen durch die Novelle LGBl. Nr. 51/1993 ab 1. Juli 1993 - unverändert in Geltung gestanden ist.

Abgesehen von den schon wiedergegebenen Behauptungen enthält die Beschwerde nur noch das Argument, die Beschwerdeführerin hätte in einer Stellungnahme im Verwaltungsverfahren "ausdrücklich vermerkt ..., daß der Beschwerdeführerin ursprünglich keine bzw. völlig anders lautende Daten zur Verfügung gestellt worden sind". In der Beschwerde wird dazu die Rechtsauffassung vertreten, die belangte Behörde hätte "auf Grund dieser Einwendungen ... das Ermittlungsverfahren zu ergänzen gehabt". Auf diesen Teil der Beschwerde ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil die Beschwerdeführerin es verabsäumt, darzulegen, welche Ermittlungsergebnisse sie vermißt und gegen welche dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Sachverhaltsannahmen sich die Verfahrensrüge überhaupt richten soll.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995080013.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten