TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/28 W200 2113603-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.07.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.07.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1 Abs1
VOG §1 Abs3
VOG §10
VOG §3

Spruch


W200 2113603-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Svoboda als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 21.07.2015, Zl. 114-614690-006, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin hat am 20.02.2014 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen für Opfer nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form des Ersatzes des Verdienstentganges gestellt. Der Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sie im Kinderheim Wilhelminenberg gewesen sei. Seit sie bei der Kommission wieder über die damaligen Erlebnisse gesprochen habe, sei es ihr immer schlechter gegangen. Sie habe das Haus nicht mehr verlassen wollen. Vom Weißen Ring habe sie eine Entschädigung in Höhe von € 15.000.-- und 80 Therapiestunden zugesprochen bekommen. Von den Stunden habe sie 10 konsumiert, sei aber zu dem Schluss gekommen, dass ihr das nichts helfe und sie nur weiter aufwühle. Sie habe bei der Gemeinde als Hausbesorgerin gearbeitet, dieses Arbeitsverhältnis sei dann aufgelöst worden, da sie es psychisch nicht mehr geschafft habe.

Aus dem Clearingbericht geht hervor, dass laut Aussagen der Beschwerdeführerin diese zunächst von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht worden sei. Sie habe sich ihrer Mutter anvertraut, die ihr nicht glaubte, und sei sie in der Folge im Alter von zehn Jahren für acht Monate ins Heim Wilhelminenberg gekommen. Dort habe sie schweren sexuellen Missbrauch erlebt. Die Zeit am Wilhelminenberg sei so schlimm gewesen, dass sie sich damals als zehnjähriges Mädchen überlegt habe sich umzubringen. Nach acht Monaten sei sie wieder nachhause gekommen und sei von ihrem Stiefvater weiterhin misshandelt und missbraucht worden. In weiterer Folge sei sie in verschiedenen Heimen in Brunn am Gebirge, Nußdorf, Rochusgasse und Klosterneuburg gewesen. Auch in diesen Heimen sei es streng zugegangen und hätten Erniedrigungen stattgefunden. Die Beschwerdeführerin kämpfe noch immer mit den Erlebnissen ihrer Kindheit. Sie wäre gerne Journalistin oder Sozialarbeiterin geworden, dazu sei es aber nie gekommen. Sie leide an Panikattacken, Klaustrophobie und Depressionen.

Auf Aufforderung darzulegen, welchen Beruf sie ohne ihre traumatisierenden Heimerlebnisse ergriffen hätte, führte sie in einem Schreiben vom 10.11.2014 aus, dass sie bereits im Alter von fünf Jahren mit ihrer Oma, die ihre einzige Bezugsperson gewesen sei, Lesen und Schreiben gelernt habe. Nach einer Schulexkursion zum „Kurier“ sei für sie festgestanden, dass sie Journalistin werden wolle. In der Schule sei sie regelmäßig für ihren Stil und ihre Ausdruckskraft gelobt worden. Sie habe an zahlreichen Schülerzeitungsprojekten mitgearbeitet. Diverse fachbezogene Workshops und Kurse über die Sommerferien seien ihr von ihrem Vater verboten worden. Gegen ihren Willen sei sie schließlich in eine Lehre als Schuhverkäuferin gesteckt worden. Sie sei überzeugt davon, dass sie ohne die traumatisierenden Heimaufenthalte sowie ohne diese Schwierigkeiten durch ihr familiäres Umfeld ihre Lebensberufung umsetzen hätte können.

Mit Bescheid der PVA vom 27.03.2015 wurde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Invaliditätspension für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.03.2016 und in weiterer Folge unbefristet anerkannt.

Das von der belangten Behörde eingeholte psychiatrische Gutachten vom 06.03.2015 gestaltet sich wie folgt:

„Anamnese:

XXXX Jahre alter Frau, die alleine zur Untersuchung kommt und sich mit Führerschein ausweist. Sie lebe mit der XXXX Jahre alten Tochter zusammen. Sie habe nach den Heimaufenthalten Schuhverkäuferin gelernt und danach in verschiedenen Berufen gearbeitet. Zuletzt auch bei der Gemeinde Wien. Derzeit habe sie um Invaliditätspension eingereicht. Das Verfahren laufe. Sie sei arbeitslos. Geschieden. Habe 5 Kinder von zwei Männern.

Frühere Erkrankungen:

Blinddarmoperation (Perforation), Venenstripping Operation, Vor 3 Jahren Schilddrüsenoperation wegen heißen und kalten Knotens, Asthma seit der Jugend, Carpaltunnelsyndrom, Bipolare affektive Erkrankung

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Im Bereich der Extremitäten seitengleich unauffällige Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Fallweises Einschlafen der Finger. Keine Koordinationsstörungen. Keine pathologischen Reflexe. Keine Pyramidenbahnzeichen. Sämtliche Steh- und Gehversuche unauffällig.

Gangbild unauffällig.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht.

Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit ausgeglichen, freundlich, kooperativ. Nur wenn das Gespräch auf die Kindheit und auf die Erlebnisse in den Heimen und auch auf die sexuellen Missbräuche kommt, dann affektlabil, wieder voll im Geschehen und sieht- und spürbar die Traumatisierung. Trotz der früheren Dissoziationsfähigkeit jetzt nicht mehr dazu fähig. Bemüht und Distanzierung. Bemüht, sich auf positive Inhalte in ihrem Leben zu konzentrieren. Dann in alle Richtungen gut mitschwingend. Sehr differenziert und dann auch stabil. Keine Suizidalität.

Zu den traumatischen Heimerlebnissen:

Frau XXXX lebte bei der Oma, bis sie von ihrer Mutter nach Hause geholt wurde, weil diese eine größere Gemeindewohnung bekommen wollte. Vom Stiefvater sei sie sexuell missbraucht worden, habe dies der Mutter erzählt, die ihr aber nicht geglaubt habe, so wurde sie im Alter von 10 Jahren für 8 Monate im Heim Wilheminenberg untergebracht und habe dort schreckliche körperliche und sexuelle Gewalterfahrungen durchgemacht.

Sadistische Handlungen, Schläge, Gemeinheiten, Essenmüssen von Erbrochenen, An den Haaren gerissen werden, unter Wasser getaucht werden, nackt duschen müssen, während irgendwelche fremden Männer, die als „Handwerker betituliert wurden" zugesehen hätten, dann auch Zwang, fremde Männer oral und vaginal befriedigen zu müssen. Nach den 8 Monaten im Heim sei sie dann wieder nach Hause gekommen, aber gut gegangen sei es ihr dort auch nicht. Im Alter von 15 Jahren sei sie wieder in ein Heim in Brunn am Gebirge gekommen. Dann ins Lehrlingsheim Nußdorf.

Aus all diesen Jahren sei ihr eine soziale Phobie geblieben. Menschennähe, -ansammlungen halte sie überhaupt nicht aus. Auch bestimmte Gerüche, zum Beispiel ein bestimmtes Männerrasierwasser, löse sofort und unmittelbar, Ekelgefühle in ihr aus. Sexualität habe sie nie genießen können. Einzig zu ihren Kindern habe sie gut und liebevoll sein können. Auch fremden Kindern gegenüber habe sie ein ganz ausgeprägtes Sensorium, was für diese gut oder nicht gut sei. Darauf sei sie auch stolz.

Beantwortung der gestellten Fragen:

l. Welche Gesundheitsschädigungen liegen bei der Antragswerberin vor?

Antwort:

Frau XXXX leidet an einer schweren komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit ausgeprägten situativen Ängsten und recidivierenden, zeitweise schweren depressiven Episoden ohne psychotischer Symptomatik.

2. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit auf die oben angeführten Verbrechen zurückzuführen (Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs bedeutet nach der Judikatur, dass wesentlich mehr für einen Kausalzusammenhang spricht als dagegen)?

Antwort:

Beide oben angeführten Gesundheitsschädigenden sind mit Wahrscheinlichkeit auf die oben angeführten Verbrechen zurückzuführen.

3. Falls die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit durch kausale und akausale Ursachen herbeigeführt worden sind, wird ersucht, zu Folgendem Stellung zu nehmen:

a) hat das erlittene Trauma die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit vorzeitig (erheblich früherer Zeitpunkt) ausgelöst, oder wäre diese auch ohne die angeschuldigten Ereignisse im annähernd selben Zeitraum entstanden?

b) hat das erlittene Trauma die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Welche Gesundheitsschädigungen lägen ohne die angeschuldigten Ereignisse vor?

Antwort:

Nach Durchsicht des Gesamtaktes und in Berücksichtigung der Gesamtanamnese und des Berichtes der Clearing-Berichte der sogenannten „Klassnic-Kommission", der bekannten Medienberichte über die Vorfälle in den Heimen der Gemeinde Wien ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es ohne die beschriebenen Traumata keine Gesundheitsschädigung gegeben hätte. Daher können sowohl die Fragen 3 a als auch die Fragen 3 b nicht beantwortet werden. Denn ohne Trauma keine Gesundheitsschädigung.

4. Es wird weiters um Stellungnahme ersucht, ob das festgestellte verbrechenskausale Leiden

a) eine adäquate/angemessene Folge des Verbrechens ist?

b) einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf?

Antwort:

a) ob das Leiden eine adäquate oder angemessene Folge des Verbrechens ist, ist eine juridische Frage und bedarf einer ebensolchen Antwort. Medizinisch ist nur zu sagen, dass die posttraumatische Belastungsstörung eine nachvollziehbare Reaktion auf ein Trauma dieser Art ist. Es gäbe auch andere Möglichkeiten auf Traumen dieser Art zu reagieren, aber Menschen reagieren unterschiedlich, je nach Konstitution und Resilienz (Widerstandskraft). Man kann nicht einmal sagen, dass die Reaktion, mit einer posttraumatischen Belastungsstörung und recidivierenden Depression zu reagieren eine besonders pathologische Art und Weise zu reagieren ist. Aus dem Spektrum der psychiatrischen Krankheiten ist diese Krankheit eine der Möglichkeiten, mit einem Trauma fertig zu werden.

b) Ja. Das verbrechenskausale Leiden bedarf einer psychotherapeutischen Behandlung.

5. Liegt bei der Antragswerberin Arbeitsunfähigkeit vor?

a) Wenn ja, aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigungen (Frage 2)?

b) Wenn ja, aufgrund der akausalen Gesundheitsschädigungen?

Antwort:

Nein. Es liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor.

6. Sind aus medizinischer Sicht die kausalen Gesundheitsschädigungen maßgeblich/überwiegende Ursachen für Zeiten, in denen die Antragswerberin nicht gearbeitet hat?

Antwort:

Diese Frage kann seriös nicht beantwortet werden, liegen im Akt versicherungsbezogen nur Daten das Jahr vom 5.2.2007 bis 23.6.2014 betreffend vor. Aus diesen Daten lässt sich nicht ableiten, dass die Krankenstände überwiegend aus kausalen Leidenszuständen erfolgten, sondern wegen anderer Ursachen in Anspruch genommen werden mussten.

7. Hat die kausale Gesundheitsschädigung den beruflichen Werdegang der Antragswerberin maßgeblich beeinflusst? Das heißt, wäre aus medizinischer Sicht ohne kausale Gesundheitsschädigungen ein Lehrabschluss im Bundesdienst als Kanzleikraft (Verwendungsgruppe D) und/oder kontinuierliche Beschäftigung als Tischlerin beziehungsweise Kanzleikraft im Bundesdienst (Verwendungsgruppe D) (normaler Beschäftigungsverlauf) möglich gewesen oder hätten schon allein die akausalen Gesundheitsschädigungen dies verhindert?

Antwort:

Um diese Fragen seriös beantworten zu können, müssten Psychiater Hellseher sein, was sie nicht sind. Daher kann diese Frage nicht beantwortet werden. Was wäre gewesen, wenn. Wer soll diese Frage seriös beantworten können? Was wäre gewesen, wenn Frau XXXX nicht 5 Kinder geboren hätte? Was wäre gewesen, wenn sie weiterhin als Schuhverkäuferin, ein zwar von ihr ungeliebter Beruf, tätig geblieben wäre. Sie hätte ja vielleicht Filialleiterin werden können, vielleicht sogar einmal ein Geschäft übernehmen können, und so fort.....

Also unterbleibt die Beantwortung dieser Frage, weil es nur hypothetische Antworten darauf geben kann und all diese Antworten der Seriosität entbehren.

8. War beziehungsweise wodurch war die Beschwerdeführerin an einem Berufsverlauf/einer besseren Ausbildung gehindert?

Antwort:

Wieder ist die Antwort schwierig. Die Lebensumstände. Zum Teil vielleicht die traumatischen Heimerfahrungen. Zum Teil dann der weitere Lebensverlauf. Zum Teil dann die vielen Schwangerschaften, 5 Kinder sind eine Aufgabe, die auch ohne zuvor passierten Traumata einen an einer beruflichen Entwicklung hindern können. Dann die Erkrankung des ersten Ehemannes, von dem die ersten 3 Kinder sind, der 1987 an XXXX verstorben ist. Auch wenn sie die letzten Jahre getrennt gelebt hatten. Die zweite Ehe mit einem XXXX Mann, Beziehungsprobleme. Also eine Vielzahl von Lebensproblemen, die zum Teil auf die Heimerfahrungen zurückzuführen sein mögen, aber nicht ausschließlich. Daher wird die berufliche Situation nicht auf die kausale Leidensdiagnose zurückgeführt.“

Das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.07.2015, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Ersatzleistungen infolge Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 3, § 3 sowie § 10 Abs. 1 VOG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die geschilderten Misshandlungen im Heim Wilhelminenberg sowie der sexuelle Missbrauch und die Vergewaltigungen und die Misshandlungen durch den Vater mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit als zutreffend angenommen werden können. Zu dem sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater sowie den Vorkommnissen in der Kinderübernahmestelle und den Heimen Brunn am Gebirge, Nußdorf, Rochusgasse und Klosterneuburg hätten jedoch keine Feststellungen getroffen werden können, da lediglich die Aussagen der Beschwerdeführerin vorliegen würden, ohne dass weitere objektivierbare Unterlagen beigebracht wurden. Es habe sohin zwar mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin Opfer einer rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG geworden sei, ihr Ansuchen um Ersatz des Verdienstentganges könne jedoch nicht bewilligt werden, da von einer maßgeblichen Beeinflussung ihres beruflichen Werdeganges durch die Misshandlungen und Missbrauchslebnisse in der Kindheit vor dem Jahr 2012 nicht ausgegangen werden könne, insbesondere da bis 2013 akausale Krankenstände dokumentiert wurden. Bei der Berechnung eines eventuellen Verdienstentganges könne allenfalls das Einkommen der letzten fünf Jahre, vor der Beeinflussung ihres Berufsverlaufs, herangezogen werden. Die Beschwerdeführerin habe innerhalb dieses Zeitraums großteils Notstandshilfe und Krankengeld bezogen bzw. geringfügig für 7 Monate bei einer Tankstelle gearbeitet. Daher würde sich ab dem auf den Antragszeitpunkt folgenden Monat auch rein rechnerisch kein Verdienstentgang ergeben, da hierfür das fiktive Einkommen (Durchschnittsnettoeinkommen der letzten 5 Jahre vor Beeinflussung) über der Höhe der derzeitigen Invaliditätspension der PVA liegen müsste, was bei einer Pensionshöhe von € 1.040,19 allerdings mit Sicherheit nicht angenommen werden könne.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21.08.2015 fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher sie eine ausführliche Darstellung ihres gesamten Lebensweges tätigte. Ihr Leiden habe begonnen, als sie im Oktober 1967 von ihrer Oma zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, der sie regelmäßig sexuell missbrauchte, gezogen sei. In weiterer Folge sei sie vom 14.08.1968 bis 10.10.1968 im Kinderheim Lustkandlgasse gewesen bevor sie am 15.10.1968 ins Kinderheim Wilhelminenberg gekommen sei. Die Beschwerdeführerin schilderte die dortigen Erlebnisse detailliert. Am 28.06.1969 sei sie wieder zurück zu ihrer Mutter gekommen, wo die Misshandlungen durch den Stiefvater weitergegangen seien. Am 25.02.1972 sei sie schließlich zu ihrem leiblichen Vater gezogen, welcher ein extremer Alkoholiker gewesen sei und die Beschwerdeführerin regelmäßig massiv geschlagen und misshandelt habe. Am 15.10.1973 sei sie in das Jugend-/Lehrlingsheim Brunn am Gebirge gekommen und am 15.11.1974 schließlich in ein Heim in Klosterneuburg und sei es in diesen Heimen zu weiteren Erniedrigungen gekommen. Ihr Leben sei aufgrund ihrer Erlebnisse in der Kindheit ein einziger Angstzustand.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.

Die österreichische Beschwerdeführerin stellte am 20.02.2014 (einlangend) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen für Opfer nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Ersatzes des Verdienstentganges.

1.2.

Der Beschwerdeführerin wuchs anfänglich bei ihrer Großmutter auf und zog 1967 zu ihrer Mutter und dem Stiefvater, der sie sexuell missbraucht hat. In weiterer Folge war sie vom 14.08.1968 bis 10.10.1968 im Kinderheim Lustkandlgasse und von 15.10.1968 bis 28.06.1969 im Kinderheim Wilhelminenberg, wo sie Opfer von Missbrauch durch Erzieherinnen - insbesondere systematischem schweren organisierten sexuellen Missbrauch (Vergewaltigungen, etc…) durch fremde externe Männer war.

Anschließend war die Beschwerdeführerin in der Obhut der Mutter bzw. des leiblichen Vaters, kam am 15.10.1973 in das Jugend-/Lehrlingsheim Brunn am Gebirge, war ab 01.07.1974 im Lehrlingsheim Nussdorf, vom 01.7.1974-10.09.1974 im Heim in der Rochusgasse und schließlich vom 10.09.1974-15.11.1974 in einem Heim in Klosterneuburg.

1.3.

Die Beschwerdeführerin begann eine Schuhverkäuferlehre sowie eine Frisörlehre, die sie wegen Übergriffen des Vorgesetzten bzw. einer Allergie auf Chemikalien nicht abschloss.

1.4.

psychiatrische Krankheitsbilder

Am 12.09.2014 litt die Beschwerdeführerin an einer schweren komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit ausgeprägten situativen Ängsten im Rahmen von Missbrauchserlebnissen, besonders während des Heimaufenthaltes als Kind und rezidivierenden, zeitweise schweren depressiven Episoden ohne psychotische Symptomatik (vorläufiger psychiatrischer Patientenbrief vom 12.09.2014).

Am 23.02.2015 litt die Beschwerdeführerin an einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig Angst und depressive Störung gemischt (psychiatrisches Gutachten im Verfahren der PVA vom 23.02.2015). Eine vollschichtige Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt war nicht zumutbar.

Am 06.03.2015 litt die Beschwerdeführerin an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung mit ausgeprägten situativen Ängsten und rezidivierenden, zeitweise sehr schweren depressiven Episoden ohne psychotische Symptomatik (psychiatrisches Gutachten im Verfahren des SMS vom 06.03.2015).

1.5.

Es wird festgestellt, dass diese psychischen Leiden mit Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG auf die Misshandlungen des Stiefvaters sowie im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg zurückzuführen ist. Die unter 1.2. beschriebenen Misshandlungen des Vaters sowie im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg tragen als wesentliche Ursache zum derzeitigen psychiatrischen Leidenszustand bei.

Die Beschwerdeführerin ist seit 12.09.2014 nicht arbeitsfähig.

Der berufliche Werdegang in Form des Verlustes der Arbeitsfähigkeit ab 12.09.2014 wurde durch diese psychiatrischen Krankheiten wesentlich beeinflusst.

1.6.

Mit Bescheid der PVA vom 27.03.2015 wurde die Berufsunfähigkeitspension für die Zeit vom 01.01.2015 bis 31.03.2016 befristet sowie in weiterer Folge unbefristet ab 31.10.2015 für die weitere Dauer der Berufsunfähigkeit zuerkannt. Seit 01.08.2018 bezieht die Beschwerdeführerin eine Alterspension.

1.7.

Ein verbrechenskausaler Verdienstentgang ab Antragszeitpunkt kann jedoch mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden.

1.7.1.:

Die Beschwerdeführerin heiratete im Alter von 16 Jahren und gründete eine Familie (insgesamt fünf Kinder). Am 14.04.1975 kam das erste Kind zur Welt.

Die Beschwerdeführerin war ab der Geburt des zweiten Kindes (20.03.1981) bis April 1994 in Summe 4 ½ Monate berufstätig – in diesem Zeitraum hat sie weitere zwei Kinder geboren (21.07.1984 und 02.08.1988) und bezog Karenzgeld, Arbeitslosengeld und Krankengeld.

Ab 01.04.1994 bis 17.10.2006 war sie als Hausbesorgerin bei der Stadt Wien beschäftigt (währenddessen Geburt des 5. Kindes am 13.10.1995) und bezog von 18.10.2006 bis 12.06.2012 Arbeitslosengeld und Notstandshilfe - in diesem Zeitraum war sie einmal ein Monat und einmal dreieinhalb Monate geringfügig beschäftigt.

Von 13.06.2012 bis 30.01.2013 war sie Arbeiterin und ab 31.01.2013 bis 05.10.2014 bezog sie Arbeitslosengeld, Krankengeld und war ein knappes Jahr (03.04.2013 bis 26.03.2014) geringfügig beschäftigt.

Die Beschwerdeführerin war erstmalig ab 29.11.2013 wegen einer depressiven Episode in Krankenstand, danach von 20.12. 2013 bis 28.02.2014 und von 23.06.2014 bis 18.07.2014.

Der Beschwerdeführer war nur von 1994 bis 2006 regelmäßig berufstätig, von 2006 bis 05.10.2014 - abgesehen von auf einem halben Jahr als Arbeiterin bzw. als geringfügig beschäftigte Arbeiterin - nicht berufstätig.

1.7.2.

Aufgrund verschiedener nicht verbrechenskausaler Umstände - insbesondere der Arbeitsmarktlage in Verbindung mit ihrem Alter zum Antragszeitpunkt (56 Jahre), mangelnder Ausbildung (kein Lehrabschluss), mangelnder Berufserfahrung (längere Berufstätigkeit ausschließlich als Hausbesorgerin), war die Beschwerdeführerin nicht in der Lage einen Arbeitsplatz zu finden.

Die Beschwerdeführerin wäre auch ohne die durch den Stiefvater und im Heim gegen sie gesetzten Misshandlungen arbeitslos gewesen und hätte in weiterer Folge nach dem 20.02.2014 wegen der oben zitierten nicht verbrechenskausalen Umstände weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Arbeitsstelle mehr gefunden.

1.7.3.:

Dass die Beschwerdeführerin ohne die Misshandlungen durch den Stiefvater sowie im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg eine Ausbildung erfolgreich absolviert hätte, kann nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde, ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“.

Ad 1.1.: Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Ad 1.2.: Die Feststellungen zum sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater sowie zu den Misshandlungen im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg ergeben sich aufgrund der glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin in der Verhandlung des BVwG. Diese entsprechen auch den Ausführungen anderer Bewohner des Kinderheims Schloss Wilhelminenberg.

Den Feststellungen zu den Heimaufenthalten ab 15.10.1973 werden die Angaben im Jugendwohlfahrtsakt zu Grunde gelegt.

Ad 1.3.: Dass die Beschwerdeführerin keine Lehre abgeschlossen hat, ergibt sich aus ihren Aussagen in der Verhandlung des BVwG.

Ad 1.4.: Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Krankheitsbildern ergeben sich aus dem vorläufigen psychiatrischen Patientenbrief vom 12.09.2014 des AKH Wien, Univ. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, dem von der belangten Behörde eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 06.03.2015 sowie dem von der PVA eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 23.02.2015. Da sämtliche Gutachten ein gleichgelagertes Bild der Beschwerdeführerin darstellen, gab es für den erkennenden Senat keinen Grund an den Ergebnissen zu zweifeln.

Ad 1.5.: Bei der Beurteilung der Frage des Kausalzusammenhangs und der Arbeitsunfähigkeit ab 12.09.2014 folgt der erkennende Senat einerseits den Schlussfolgerungen der vom SMS beigezogenen medizinischen Sachverständigen, die in ihrem schriftlichen Gutachten einen Kausalzusammenhang zwischen der von ihr diagnostizierten schweren komplexen PTBS und den ihr von der Beschwerdeführerin geschilderten Verbrechen (Stiefvater, Kinderheim Schloss Wilhelminenberg) als wahrscheinlich herstellte und andererseits den Ausführungen der Univ. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wo am 12.09.2014 beschrieben wird, dass bei der Beschwerdeführerin keine Haftfähigkeit vorliegt – gemeint war in diesem Zusammenhang wohl Arbeitsfähigkeit und handelt es sich dabei auch wohl um einen Schreibfehler.

Ad 1.6.: Die Feststellungen ergeben sich aus dem Auszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sowie aus dem vorliegenden Bescheid vom 27.03.2015.

Ad 1.7.1: Die Feststellungen basieren sich aus dem Auszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sowie aus den von der Wiener GKK übermittelten Unterlagen.

Ad 1.7.2.: Die Feststellung gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

Der erkennende Senat hat Einsicht in die Berichte des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012 bis 2015 genommen, die hier auszugsweise wiedergegeben werden.

„Der Anstieg der Arbeitslosigkeit zeichnete sich in allen Bundesländern ab, wenn auch unterschiedlich stark. Die stärksten Anstiege gab es in Niederösterreich (+2.763 bzw. +6,6%), der Steiermark (+2.687 bzw. +8,3%) und Oberösterreich (+2.015 bzw. +7,5%). In der Bundeshauptstadt Wien gab es einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um +3.864 bzw. 4,9%.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012 Seite 18, Kapitel Arbeitslosenbestände).

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist in den Bundesländern unterschiedlich stark ausgefallen: Überdurchschnittlich hohe relative Anstiege gegenüber dem Vorjahr gab es in Oberösterreich (+4.276 bzw. +14,7%), Kärnten (+2.477 bzw. +11,9%), im Burgenland (+936 bzw. +11,5%) sowie in der Steiermark (+3.607 bzw. +10,3%). In der Bundeshauptstadt gab es den höchsten absoluten Anstieg der Arbeitslosigkeit mit 7.214 Personen bzw. +8,7% mehr als im Jahr 2012. (Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013 Seite 17, Kapitel Arbeitslosenbestände).

Durchschnittlich waren im Jahr 2014 319.357 Personen arbeitslos vorgemerkt. Das ist eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr um 32.151 bzw. +11,2%. Dieser Anstieg ist vor allem auf eine absolut gesehen höhere Zunahme der Arbeitslosigkeit bei Männern (+18.335 bzw. +11,1%) zurückzuführen. (…) Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist in den Bundesländern unterschiedlich stark ausgefallen: Überdurchschnittlich hohe relative Anstiege gegenüber dem Vorjahr gab es in Oberösterreich (+4.213 bzw. +12,7%) und Salzburg (+1.558 bzw. +11,9%). In der Bundeshauptstadt gab es den höchsten relativen sowie absoluten Anstieg der Arbeitslosigkeit mit 14.174 Personen bzw. +15,7% mehr als im Jahr 2013.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014 Seite 17, Kapitel Arbeitslosenbestände).

Die Anzahl der arbeitslos vorgemerkten Personen hat im Jahr 2015 um 11,0% gegenüber dem Vorjahr zugenommen – starkes Ost-West-Gefälle in Österreich erkennbar.

Im Jahr 2015 waren durchschnittlich 354.332 Personen arbeitslos vorgemerkt (+34.974 bzw. +11,0%). Bei den Frauen fiel die Zunahme (+13.433 bzw. +9,9% auf 149.261) absolut und relativ betrachtet geringer aus als bei den Männern (+21.541 bzw. +11,7% auf 205.071). Der Frauenanteil belief sich damit auf 42%.

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ist in den östlichen Bundesländern tendenziell stärker ausgefallen als in West- und Südösterreich: Hohe relative Anstiege gegenüber dem Vorjahr gab es in Wien (+20.282 bzw. +19,4%), Oberösterreich (+3.709 bzw. +9,9%), Niederösterreich (+4.914 bzw. +9,2%) und im Burgenland (+665 bzw. +6,9).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2015 Seite 20, Kapitel Arbeitslos vorgemerkte Personen und SchulungsteilnerInnen).

Unter Einbeziehung der arbeitslos vorgemerkten Personen und der SchulungsteilnehmerInnen stieg die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um 6,3%.

Betrachtet man arbeitslos vorgemerkte Personen und SchulungsteilnehmerInnen gemeinsam, so waren im Jahresdurchschnitt 2015 insgesamt 419.458 Personen ohne Job (+24.783 bzw. +6,3%). (…)

In Wien stieg die Anzahl der arbeitslos vorgemerkten bzw. in Schulung befindlichen Personen im Jahresdurchschnitt am stärksten (+13.942 bzw. +10,3%), in Vorarlberg am geringsten (+227 bzw. +1,8%).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2015 Seite 21, Kapitel Arbeitslos vorgemerkte Personen und SchulungsteilnerInnen).

Die Veränderung des Arbeitslosenbestandes wird einerseits durch Veränderungen der Zugänge und andererseits durch Veränderungen der Abgänge beeinflusst. (….) Bei den über 50jährigen Personen konnte der verstärkte Zugangsdruck nicht mehr durch die verbesserten Abgangschancen ausgeglichen werden, sodass es zu einer Bestandserhöhung der Arbeitslosigkeit kam.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 19, Kapitel Arbeitslosenbestände bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013 Seite 26, Kapitel Arbeitslosenquoten).

Die Veränderung des Arbeitslosenbestandes wird einerseits durch Veränderungen der Zugänge und andererseits durch Veränderungen der Abgänge beeinflusst. Die Bestandserhöhungen im Jahr 2014, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, resultierten größtenteils aus verschlechterten Abgangschancen.(…) In den Altersgruppen mit Personen über 50 Jahren ist ein besonders hoher Anstieg der Anzahl an vorgemerkten Personen zu beobachten. In diesen Altersgruppen verstärkt sich der Zugangsdruck gegenüber jüngeren Altersgruppen.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014 Seite 19, Kapitel Arbeitslosenbestände).

Regional differenziert war die Dauer der Arbeitslosigkeit 2012 mit 88 Tagen in Salzburg am kürzesten (2013: 94 Tage, 2014: 99 Tage), gefolgt von Tirol (91 Tage) (2013: 97 Tage, 2014 101) und Oberösterreich (95 Tage) (2013: 103 Tage, 2014: Vorarlberg: 109 Tage)). In Wien war die Dauer mit 136 Tagen (2013: 139 Tage, 2014: 149 Tage) deutlich am längsten.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 22, Kapitel Betroffenheit und Dauer bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013 Seite 21, Kapitel Betroffenheit und Dauer, Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014 Seite 21, Kapitel Betroffenheit und Dauer).

Während Personen im Haupterwerbsalter von Arbeitslosigkeit also am stärksten betroffen sind (…), steigt die Dauer der Arbeitslosigkeit bis zum Alter von 64 Jahren stetig an. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Betroffenheit in der Altersgruppe der unter 19jährigen und bei den 35- bis 44jährigen ab. Die Personengruppe der über 50jährigen verzeichnete ein Plus, am stärksten war der prozentuelle Anstieg in der Altersgruppe der über 60jährigen Personen.

Die Dauer der Arbeitslosigkeit stieg 2012 in allen Alterskohorten. Unter 25- Jährige waren durchschnittlich 86 Tage, 25 bis 44jährige durchschnittlich 111 Tage und über 45jährige 134 Tage arbeitslos.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 23, Kapitel Betroffenheit und Dauer).

Der Anteil der Beschäftigungsaufnahmen nach der Arbeitslosigkeit war mit 72% in Tirol am höchsten (2013: 71%) und andererseits mit 29% in Wien am niedrigsten (2013: 27%). Der Anteil der Übergänge in ein Beschäftigungsverhältnis lag bei den Personen zwischen 25 und 45 Jahren bei 53% (2013:50%). Bei Jugendlichen und vor allem bei über 50jährigen Personen lag dieser Anteil deutlich darunter (2013: Bei Jugendlichen und vor allem bei über 50jährigen Personen war dieser Anteil niedriger).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 27, Kapitel Wege aus der Arbeitslosigkeit bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013, Seite 23, Kapitel Wege aus der Arbeitslosigkeit).

Die Dauer der Arbeitslosigkeit hat auch einen großen Einfluss auf die nachfolgende Stellung am Arbeitsmarkt. Bei einer Arbeitslosigkeitsdauer von bis zu 3 Monaten lag der Anteil der darauffolgenden Beschäftigungsaufnahmen bei 61%. Bei einer Dauer der Arbeitslosigkeitsepisode von 3 bis 12 Monaten lag dieser Anteil bei 36%. Bei einer Verweildauer von mehr als einem Jahr gelang nur noch 20% der Personen eine unmittelbare Beschäftigungsaufnahme.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014, Seite 23, Kapitel Wege aus der Arbeitslosigkeit)

Die Wahrscheinlichkeit langzeitarbeitslos zu werden, steigt mit dem Alter aufgrund eingeschränkter Wiederbeschäftigungschancen stark an. Bei den Jugendlichen unter 25 Jahren lag der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Betroffenen bei 3,7% (2013: 3,3%, 2014: 4%), im Haupterwerbsalter (25 bis 44 Jahre) stieg er auf 19,0% (2013: über 20%, 2014: 23%) und lag bei den über 45jährigen bei 28,5% (2013: 29,8%, 2014: 35%).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 28, Kapitel Langzeitarbeitslosigkeit bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013, Seite 24, Kapitel Langzeitarbeitslosigkeit, Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014 Seite 24, Kapitel Langzeitarbeitslosigkeit)

Nach Bundesländern ist die Aufteilung der Langzeitarbeitslosigkeit ebenfalls sehr unterschiedlich. Der Anteil der von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Personen war in Wien mit 24,3% am größten, gefolgt von Niederösterreich mit 23,5%.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 29, Kapitel Langzeitarbeitslosigkeit).

Nach Bundesländern ist die Aufteilung der Langzeitarbeitslosigkeit ebenfalls sehr unterschiedlich. Der Anteil der von Langzeitarbeitslosigkeit betroffenen Personen war in Niederösterreich mit 24,7% (2014: 28,6%) am größten, gefolgt von Wien mit 23,5% (2014: 28,2%).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013, Seite 24, Kapitel Langzeitarbeitslosigkeit bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014, Seite 24, Kapitel Langzeitarbeitslosigkeit)

Die Arbeitslosigkeit dauerte im Jahr 2015 mit durchschnittlich 115 Tagen um 11 Tage länger als im Vorjahr. Auch die lang anhaltende Arbeitslosigkeit – Langzeitarbeitslosigkeit und Langzeitbeschäftigungslosigkeit – nahm zu. (…) In den vergangenen Jahren war somit ein Anstieg lang anhaltender Arbeitslosigkeit zu beobachten. Gegenüber dem Vorjahr stieg der Anteil der Langzeitarbeitslosen im Jahr 2015 um 5,9 Prozentpunkte, der Anteil der Langzeitbeschäftigungslosen um 5,4 Prozentpunkte. (…)

Der Anteil der langzeitbeschäftigungslosen Personen an allen arbeitslos vorgemerkten Personen ist in den östlichen Arbeitsmarktbezirken – vor allem in Wien, Niederösterreich, im Burgenland und im Süden Kärntens – überdurchschnittlich hoch, in den westlichen Regionen sind die Anteile tendenziell geringer.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2015, Seite 24, Kapitel Arbeitslosigkeitsdauern).

Die Arbeitslosenquote lag im Jahr 2012 bei 7,0% (Männer: 7,4%, Frauen: 6,5%) (2013: 7,6%, [Männer: 8,2%, Frauen: 7,0%]; 2014: 8,4%, [Männer: 9,0%, Frauen: 7,6%] ;). Im Vergleich zum Jahr 2011 (2012) nahm die Arbeitslosenquote in allen Bundesländern zu.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 31, Kapitel Arbeitslosenquoten bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013 Seite 26, Kapitel Arbeitslosenquoten, Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014 Seite 26, Kapitel Arbeitslosenquoten)

Trauriger Rekordwert der Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2015: 9,1%

Die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Prozentpunkte und betrug im Jahresdurchschnitt 2015 9,1% – das ist der höchste Wert der Nachkriegszeit. Die Arbeitslosenquote der Männer lag bei 9,8% und damit deutlich über jener der Frauen von 8,3%. Nach Rückgängen der Arbeitslosenquoten gesamt und beider Geschlechter Ende der 1990er Jahre und zwischen 2005 und 2008 – als die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise den österreichischen Arbeitsmarkt bereits stark unter Druck gesetzt hatte und die Arbeitslosenquoten danach stark stiegen – kam es in den Jahren 2010 und 2011 auf dem Arbeitsmarkt zu einer Entspannung, die allerdings 2012 wieder ein Ende fand. Seither stiegen die Arbeitslosenquoten beider Geschlechter deutlich an.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2015 Seite 28, Kapitel Registerarbeitslosenquote).

Die höchste Arbeitslosenquote hatte im Jahr 2012 Wien mit 9,5%. Ebenfalls überdurchschnittlich war die Arbeitslosenquote in Kärnten (9,1%), dem Burgenland (7,8%) und Niederösterreich (7,1%).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 31, Kapitel Arbeitslosenquoten)

Die höchsten Arbeitslosenquoten im Jahr 2013 wurden in Wien und Kärnten (je 10,2%) verzeichnet. Ebenfalls überdurchschnittlich hoch waren die Arbeitslosenquoten im Burgenland (8,5%) und in Niederösterreich (7,8%).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013 Seite 26, Kapitel Arbeitslosenquoten).

Die höchste Arbeitslosenquote im Jahr 2014 wurde in Wien verzeichnet (11,6%).

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014 Seite 26, Kapitel Arbeitslosenquoten).

Wien hatte 2015 bei Frauen und Männern die höchsten Arbeitslosenquoten aller Bundesländer.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2015 Seite 29, Kapitel Registerarbeitslosenquote).

Die Dauerkomponente wächst mit zunehmendem Alter, je älter eine Person, desto schlechter also ihre Chance auf rasche Wiederbeschäftigung.

(Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2012, Seite 33, Kapitel Arbeitslosenquoten bzw. Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2013 Seite 27, Kapitel Arbeitslosenquoten, Bericht des AMS zur Arbeitsmarktlage 2014, Seite 27, Kapitel Arbeitslosenquoten).“

Auf die Wiedergabe der weiteren Berichte des AMS (2016ff) wird verzichtet, weil diese alle ein gleiches Bild darstellen.

Zusammengefasst kommt der erkennende Senat zum Schluss, dass mehrere Faktoren dazu geführt haben, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war einen Arbeitsplatz zu finden, insbesondere

1.       die Arbeitsmarktlage in Verbindung mit ihrem Alter (54 Jahre und 5 Monate) zum Zeitpunkt der Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses (14.01.2013). Aus den Berichten des AMS 2012 bis 2014 ist ersichtlich, dass insbesondere das Alter 50+ die Wiedererlangung einer Arbeit erschwert und dass die Arbeitsmarktlage in Wien und Niederösterreich in Relation zu den anderen Bundesländern schlechter war (siehe oben, fett gedruckt),

2.       die fehlende Ausbildung,

3.       die fehlende Berufserfahrung ab 2006,

4.       immer weiter steigernde Vermittlungsschwierigkeiten durch die mehrjährige Arbeitslosigkeit in Kombination mit dem Alter 50+ der Beschwerdeführerin.

Ein Zusammenhang der sich seit 2006 durch das Leben der Beschwerdeführerin ziehenden Arbeitslosigkeit mit dem Verbrechen scheidet für den erkennenden Senat dabei jedenfalls aus.

Es ist aus denselben Gründen (siehe Berichte des AMS 2012 bis 2015) nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Fall eines fiktiven schadensfreien Verlaufes – d.h. unter der Annahme, dass die Verbrechen nicht stattgefunden hätten - im Laufe der darauffolgenden Jahre ab 19.04.2014 eine Arbeitsstelle gefunden hätte, da eine immer längere Dauer der Arbeitslosigkeit die Vermittlungsmöglichkeiten weiter sinken lassen. Der erkennende Senat geht davon aus, dass die Beschwerdeführerin bis zum Pensionsantritt bei einem fiktiven schadensfreien Verlauf nicht mehr berufstätig gewesen wäre.

Ad 1.7.3.:

Dass die Beschwerdeführerin ohne die Misshandlungen durch den Stiefvater sowie im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg eine Ausbildung erfolgreich absolviert hätte, kann deshalb nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, da die Beschwerdeführerin bereit mit 16 Jahren schwanger wurde, geheiratet hat und als 17jährige zum ersten Mal Mutter wurde. Somit wurde der übliche Lebensweg, eine Ausbildung im jugendlichen Alter zu machen, bereits „abgeschnitten“.

Wenn die Beschwerdeführerin in der Verhandlung dazu angibt, dass ihre Großmutter auf das Kind aufgepasst hätte und sie aufgrund der Zeugnisse, die ihren Aufenthalt im Kinderheim dokumentierten, keine Lehrstelle bekommen hätte, so ist ihr ihre Aussage in derselben Verhandlung entgegenzuhalten, „Wo ich nach dem Heim war, kann ich Ihnen auch sagen: Ich habe dann revoltiert, habe geheiratet und habe eine 2-Zimmer-Wohnung gehabt. Ich musste mich um mich selbst kümmern.“

Auch handelt es sich bei den den Kinderheimaufenthalt dokumentierenden „Zeugnissen“ nicht um ein von jemanden begangenes Verbrechen, sondern folgte aus der Vorlage der Schulzeugnisse bei potentiellen Lehrherren von diesen eine Diskriminierung aufgrund des Heimaufenthaltes.

Auch die von der belangten Behörde bestellte Gutachterin kommt zu dem Schluss, dass die Lebensumstände, zum Teil vielleicht die traumatischen Heimerfahrungen, zum Teil der weitere Lebensverlauf, zum Teil die fünf Schwangerschaften bzw. Kindererziehung die Beschwerdeführerin an einer beruflichen Entwicklung gehindert haben könnten (…). Die Beschwerdeführerin hätte eine Vielzahl von Lebensproblemen bewältigen müssen, weshalb die berufliche Situation nicht auf die kausale Leidensdiagnose zurückgeführt wurde.

Diesen schlüssigen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9d Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach dem VOG das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört.

§ 1 Abs. 1 Z. 1 VOG besagt:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 des VOG ist Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist.

Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn
1.         dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder
2.         durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird (§ 1 Abs. 3 VOG).

Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG ist - soweit im gegenständlichen Fall betreffend den Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges relevant - zunächst das wahrscheinliche Vorliegen einer mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung, durch die wahrscheinlich eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten wurde, sowie weiters gemäß § 1 Abs. 3 VOG, dass dadurch die Erwerbsfähigkeit mindestens sechs Monate gemindert ist oder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wurde.

Diese Tatbestandsvoraussetzung ist im gegenständlichen Fall zweifellos erfüllt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23.5. 2002, Zl. 99/09/0013 und vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Sozialentschädigungsgesetze von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen.

Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein vom Gesetz erfasstes schädigendes Ereignis zurückgehen könnte - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung.

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Die Zurechnung ist im Wesentlichen davon abhängig, dass die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens führte. (VwGH vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113 zu § 2 HVG).

Verdienstentgang ist gemäß § 3 VOG bis zur normierten Einkommensgrenze jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Beschädigten durch die verbrechenskausal erlittene Körperverletzung als Verdienst entgangen ist oder künftighin entgeht.

Für die Beurteilung ist sohin der fiktive schadensfreie Verlauf maßgebend.

Im konkreten Fall konnte objektiviert werden, dass die Misshandlungserlebnisse in der Kindheit als wesentliche Ursache zum derzeitigen psychischen Leidenszustand beigetragen haben.

Die Beschwerdeführerin stellte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verdienstentgang am 20.02.2014.

a)       Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, war die Beschwerdeführer bis 12.09.2014 arbeitsfähig. Ab 12.09.2014 war sie nicht mehr arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin war ab von 18.10.2006 bis 05.10.2014 - abgesehen von 7 Monaten und einer geringfügigen Beschäftigung – arbeitslos.

Dieser Arbeitslosigkeit liegen mehrere Ursachen zu Grunde, die nicht in Verbindung mit den Misshandlungen während des Heimaufenthalts stehen. Die Beschwerdeführerin hat bis 12.09.2014 keine neue Arbeitsstelle mehr gefunden (siehe II. 1. Feststellungen, 1.7 samt 2. Beweiswürdigung zu 1.7.).

Die Beschwerdeführerin war erstmalig ab 29.11.2013 wegen einer depressiven Episode in Krankenstand, danach von 20.12. 2013 bis 28.02.2014 und von 23.06.2014 bis 18.07.2014.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Laufe der darauf folgenden Jahre ab 12.09.2014 bei einem fiktiven schadensfreien Verlauf eine Arbeitsstelle gefunden hätte (siehe II. Feststellungen 1.7 samt Beweiswürdigung zu 1.7.), da eine längere Dauer der Arbeitslosigkeit die Vermittlungsmöglichkeiten weiter sinken lassen.

Wie bereits ausgeführt, geht der erkennende Senat davon aus, dass die Beschwerdeführerin bis zum Pensionsantritt bei einem fiktiven schadensfreien Verlauf nicht mehr berufstätig gewesen wäre.

b)       Relevant ist auch, ob die Berufslaufbahn der Beschwerdeführerin bei fiktivem schadensfreien Verlauf – d.h. ohne die zweifellos stattgefundenen Misshandlungen –anders verlaufen wäre.

Auch hier ist abermals die Theorie der "wesentlichen Bedingung" anzuwenden, in der Form, ob die Misshandlungen die Berufslaufbahn der Beschwerdeführerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit soweit beeinträchtigt haben, dass diese einen Verdienstentgang erlitten hat. Zu prüfen ist, ob die Misshandlungen eine wesentliche Bedingung für den von der Beschwerdeführerin als ungünstig erachteten Berufsverlauf sind und ob die Beschwerdeführerin bei fiktivem schadensfreien Verlauf ein höheres Einkommen lukrieren hätte können.

Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40. S. 8) zum VOG 1972, die auf das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) verweisen, ist es nicht rechtswidrig, wenn sich die Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum KOVG 1957 beruft. (VwGH vom 21.11.2013, Zl. 2011/11/0205, vom 26.04.2013, Zl. 2012/11/0001)

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Begründung eines Versorgungsanspruches nur die Wahrscheinlichkeit, nicht die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewissheit gleichgestellt. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. (vgl. u.a. VwGH zu § 4 KOVG vom 19.10.2005, Zl. 2002/09/0132, 15.12.1994, Zl. 94/09/0142 mit Hinweis E 18.2.1988, 87/09/0250)

Diesen Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht begründen.

Dass ein Zusammenhang nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, also grundsätzlich die Möglichkeit besteht, reicht für die Anerkennung nicht aus. (VwGH 86/09/0085, 19.11.1986, zu § 4 KOVG)

Es bietet die Gesetzeslage keine Handhabe dafür, dass bei nicht geklärter Ursache einer Gesundheitsschädigung d.h. "im Zweifel" grundsätzlich für den Beschädigten zu entscheiden sei. (VwGH vom 23.09.1993, Zl. 93/09/0221)

Die Beschwerdeführerin begründet ihr Begehren im Wesentlichen damit, dass sie keinen Ausbildungsplatz gefunden hätte, weil sie durch ihren Aufenthalt im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg „abgestempelt“ geworden wäre und kein Lehrherr sie genommen hätte. Konkrete Einschränkungen der Lernfähigkeit werden nicht vorgebracht. Es liegen keine objektiven Anhaltspunkte vor, welche auf eine durch das verbrechenskausale psychiatrische Leiden verursachte maßgebend geminderte Leistungsfähigkeit schließen lassen. Wie bereits ausgeführt (II.2.) hier ist der Gutachterin zu folgen, dass mit Wahrscheinlichkeit die gesamten Lebensumstände der Beschwerdeführerin diese an einer beruflichen Entwicklung gehindert haben und die berufliche Situation nicht auf die kausale Leidensdiagnose zurückgeführt wird.

Nicht festgestellt werden kann somit, dass die Misshandlungen den beruflichen Werdegang mit Wahrscheinlichkeit wesentlich beeinträchtigt haben, d.h. das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges im fiktiven schadensfreien Verlauf zum Zeitpunkt der Antragstellung kann mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden.

Ein verbrechenskausaler Verdienstentgang ab 20.02.2014 kann daher mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben.

Schlagworte

Arbeitsunfähigkeit Berufsausbildung Kausalität Misshandlung Sachverständigengutachten VerbrechensopferG Verdienstentgang Wahrscheinlichkeit Wesentlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W200.2113603.1.00

Im RIS seit

10.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten