TE Vwgh ErkenntnisVS 1954/3/5 1273/53

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Veröffentlicht am 05.03.1954
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Index

Abgabenverfahren
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §254 implizit
VwGG §13 Z3 implizit
VwGG §30 Abs2

Beachte


Siehe:
83/17/0037 B 27.05.1983 VwSlg 5791 F/1983 Wiederherstellung und Fortführung der früheren Rechtsansicht.
Abgegangen hievon mit verstärktem Senat (demonstrative Auflistung):
81/14/0071 B 15.12.1981 VS VwSlg 5636 F/1981;
(RIS: abwh)

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Koprivnikar als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hückl als Schriftführer, über die Beschwerde des JT in W gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. April 1953, VI - 1801/8/53, betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerde gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien vom 27. September 1952, Zl. VI - 1941/2/52, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die belangte Behörde hatte eine Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid abgewiesen; der Beschwerdeführer hatte gegen diese Berufungsentscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und für diese Beschwerde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG 1952 beantragt. Die belangte Behörde hat diesen Antrag abgewiesen mit der Begründung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung setze voraus, dass durch die Vollstreckung ein nicht wieder gutzumachender Schade entstehen würde. Unter Vollstreckung sei nach dem hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1950, Slg. 313 (F), die Herstellung jenes Zustandes zu verstehen, der dem Inhalt des (zu vollstreckenden) Bescheides entspricht. Der Begriff der Vollstreckung setze also die Notwendigkeit der Änderung eines bestehenden Zustandes voraus. Beschränke sich der Inhalt eines Bescheides darauf, den bereits bestehenden Zustand als gesetzmäßig zu bestätigen, dann sei eine Vollstreckung dieses Bescheides begrifflich unmöglich, dann sei mangels der Möglichkeit einer Vollstreckung auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall erschöpfe sich der angefochtene Bescheid, soweit er die Einkommen- und die Gewerbesteuer betrifft, in der Abweisung der Berufung, also der Bestätigung des bis dahin bestehenden Zustandes; in diesem Belang sei also die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon aus diesem Grunde ausgeschlossen. In Bezug auf die Umsatzsteuer habe der angefochtene Bescheid die Vorschreibung des Finanzamtes von rund S 21.000,-- auf rund S 17.000,-- herabgesetzt. Hinsichtlich dieser S 17.000,-- wäre der angefochtene Bescheid also vollstreckbar, doch könne "hiedurch" dem Beschwerdeführer ein nicht wieder gutzumachender Schade nicht entstehen; denn die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde könne bestenfalls die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Folge haben, das würde aber bedeuten, dass die Rechtssache in die Lage zurücktritt, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte, es würde also die Umsatzsteuerforderung von rund S 21.000,-- wieder aufleben und diese wäre gemäß § 19 Abs. 3 AbgRG sofort vollstreckbar. Schließlich verweist der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer auf die Möglichkeit eines Stundungsgesuches.

Diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer nunmehr gleichfalls vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten. Er vertritt die Ansicht, die Aufhebung der Berufungsentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof hätte zur Folge, dass auch der Bescheid der Behörde erster Instanz nicht mehr vollstreckt werden dürfe, und verweist auf die wirtschaftliche Notlage, in die er durch die Eintreibung der vorgeschriebenen Steuern geraten würde.

Aus Anlass dieser Beschwerde hat der erkennende Senat des Verwaltungsgerichtshofes die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit der Zuerkennung aufschiebender Wirkung für Verwaltungsgerichtshofbeschwerden in Abgabenangelegenheiten einem verstärkten Senat vorgelegt und dieser hat am 11. Jänner 1954 unter Z.3/19-Pr.1953 den Rechtsatz beschlossen:

"Einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid über eine Abgabe, auf die das Abgabenrechtsmittelgesetz Anwendung findet, kann aufschiebende Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG 1952 zuerkannt werden."

Dabei ist der verstärkte Senat von der Erwägung ausgegangen, dass die Voraussetzungen, unter denen einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, unabhängig von der Frage beurteilt werden müssen, ob die Berufung, gegen deren Erledigung sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof richtet, im Verwaltungsverfahren aufschiebende Wirkung hatte, weil die aufschiebende Wirkung, die ihr allenfalls im Verwaltungsverfahren zugekommen ist, mit Erlassung der Berufungsentscheidung jedenfalls ihr Ende gefunden hat. Demnach bildet - so hat der verstärkte Senat weiter geschlossen - die Vorschrift des § 30 Abs. 2 VwGG 1952, wonach der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof auf Antrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, wenn durch die Vollstreckung ein nicht wieder gutzumachender Schade eintreten würde und nicht öffentliche Rücksichten die sofortige Vollstreckung gebieten, die alleinige Grundlage für die von der belangten Behörde zu fällende Entscheidung über einen solchen Antrag.

Die aufschiebende Wirkung bedeutet nichts anderes, als dass aus dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die behauptete Rechtswidrigkeit dieses Bescheides keine für den Beschwerdeführer nachteiligen Rechtsfolgen gezogen werden dürfen. Alle anderen Wirkungen des angefochtenen Bescheides bleiben dagegen auch im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unberührt. Zu den sonach unberührt bleibenden Wirkungen gehört aber auch die, dass mit der Erlassung der Rechtsmittelentscheidung der Bescheid der unteren Instanz formell außer Kraft getreten ist und zwar nicht nur dann, wenn die Rechtsmittelentscheidung ihn ausdrücklich aufgehoben oder abgeändert, sondern auch dann, wenn sie sich auf die Abweisung des Rechtsmittels beschränkt hat, weil die Rechtsmittelbehörde im Verwaltungsverfahren in der Sache selbst entscheidet, die Abweisung einer Berufung also nichts anderes bedeutet als die Erlassung eines mit dem Bescheid der Unterinstanz inhaltsgleichen Bescheides der Berufungsbehörde. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof steht also grundsätzlich nicht nur der Vollstreckung des angefochtenen Bescheides selbst, sondern auch der Vollstreckung des ihm vorangegangenen nicht mehr bestehenden erstinstanzlichen Bescheides entgegen. Die Bestimmung des § 19 Abs. 3 AbgRG (BGBl. Nr. 60/1949), wonach durch die Einlegung eines Rechtsmittels die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung einer Steuer nicht aufgehalten wird, schließt also die Möglichkeit nicht aus, in solchen Angelegenheiten einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der auf diesen Erwägungen beruhende Beschluss des verstärkten Senates musste in vorliegenden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den erkennenden Senat führen, da sich die Gründe, auf die die belangte Behörde diesen Bescheid gestützt hat, als irrig erwiesen hatten.

Schließlich sei bemerkt, dass auch die von der belangten Behörde hervorgehobene Möglichkeit, eine Stundung nach § 8 des Abgabeneinhebungsgesetzes (BGBl. Nr. 103/1949 in der Fassung BGBl. Nr. 11/1951) zu begehren, schon deshalb keinen Ersatz für die Möglichkeit des Antrages auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu bieten vermag, weil die Entscheidung über die Stundung dem Ermessen der Behörde überlassen bleibt, auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aber dem Steuerpflichtigen bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch zusteht.

Wien, 5. März 1954

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1954:1953001273.X00

Im RIS seit

10.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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