TE Vwgh ErkenntnisVS 1966/2/23 1161/65

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Veröffentlicht am 23.02.1966
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Index

Gesundheitswesen - ApG
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen sind
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

ApVerpG 1935
ApVerpG 1935 §1 Abs2
ApVerpG 1935 §1 Abs3
ApVerpG 1935 §3
ApVerpG 1935 §4
ApVerpG 1935 §6
AVG §8
B-VG Art109
VwGG §39 Abs1 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Dolp, Dr. Kadecka, Dr. Schmid, Dr. Rath und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissärs Dr. Weingartner, in der Beschwerdesache des Mr. pharm. OS und der Mr. pharm. TV, beide in W, beide vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien IV, Gußhausstraße 8, gegen das Bundesministerium für soziale Verwaltung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Apothekensache

A. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird, soweit sie Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Berufung gegen die Punkte 1) und 3) des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Dezember 1964, Zl. M. Abt. 16-Ap 242/2/1963, geltend macht, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückgewiesen; B. gemäß § 42 Abs. 4 VwGG 1965 zu Recht erkannt:

Spruch

1) Ist festgestellt, dass einer der im § 1 Abs. 2 Z 1 bis 3 des Gesetzes über die Verpachtung und Verwaltung von öffentlichen Apotheken, DRGBl. I 1935 S 1445 (kurz ApVG), genannten Gründe vorliegt, so kann die Pflicht zur Verpachtung nicht auf § 1 Abs. 2 Z. 4 dieses Gesetzes gestützt werden.

2) Ist ein Apotheker zwar nicht so krank, dass er zur Führung der Apotheke im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 3 ApVG unfähig ist, ist die Führung der Apotheke jedoch infolge seines Leidens für ihn mit besonderen Erschwernissen verbunden, so liegt ein von der Behörde im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 4 ApVG als berechtigt anzusehender Grund vor.

3) Dem in Aussicht genommenen Apothekenpächter kommt im Verfahren betreffend die Genehmigung des Pachtvertrages und die Bestätigung des Pächters (§ 3 Abs. 1 ApVG) Parteistellung zu.

4) die im § ApVG vorgesehenen Maßnahmen können nur auf bereits genehmigte Pachtverträge zur Anwendung gebracht werden; zur inhaltlichen Änderung eines im Sinne des § 3 ApVG zur Genehmigung vorgelegten Pachtvertrages ist die Behörde nicht befugt; auch kommt eine Teilgenehmigung des vorgelegten Vertrages nicht in Betracht.

5) Die im § 4 Z. 1 und 2 ApVG aufgezählten Gründe, aus denen die Behörde die Genehmigung des Pachtvertrages und die Bestätigung des Pächters versagen kann, stellen eine abschließende Aufzählung dar.

Der belangten Behörde wird aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen einer Frist von acht Wochen zu erlassen, widrigenfalls der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden wird.

Der Bund (Bundesministerium für soziale Verwaltung) hat den Beschwerdeführern an Aufwand den Betrag von S 530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 17. Juli 1894 geborene Erstbeschwerdeführer, Konzessionsinhaber der öffentlichen Apotheke "NN" in Wien, hat als Verpächter mit der Zweitbeschwerdeführerin als Pächterin am 23. Dezember 1963 einen Vertrag über die Verpachtung dieses Apothekenunternehmens abgeschlossen. Die Rechtswirksamkeit dieses Vertrages ist gemäß Pkt. XXII aufschiebend bedingt durch die Genehmigung des Pachtvertrages und die Bestätigung des Pächters seitens des Landeshauptmannes von Wien. Am 24. Dezember 1963 stellten die Beschwerdeführer an den Landeshauptmann folgendes Ansuchen:

"Der Landeshauptmann für Wien möge nach Anhörung der Österreichischen Apothekerkammer, Landesgeschäftzsstelle Wien

1) gemäß § 1 Absatz 3, Absatz 2 Ziffer 4 des Gesetzes über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken feststellen, dass mit Wirkung ab 1. Januar 1964 die öffentliche Apotheke NN in Wien, zu verpachten ist;

2) gemäß § 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken den Pachtvertrag, abgeschlossen am 23. Dezember 1963 zwischen Herrn Mr. pharm. OS einerseits und Frau Mr. pharm. TV andererseits unter Beitritt der Frau MS, betreffend das Unternehmen der öffentlichen Apotheke NN in Wien, genehmigen;

3) gemäß § 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken Frau mr. pharm. TV als Pächter der öffentlichen Apotheke NN in Wien, mit Wirkung ab 1. Januar 1964 bestätigen."

Dem Ansuchen war neben den zum Nachweis der persönlichen Eignung der Pächterin erforderlichen Urkunden eine Bestätigung des Dr. med. Heinz Winkler angeschlossen, die folgendes besagte:

"Hr. Mr. OS, steht seit Dez. 1947 ununterbrochen in meiner Behandlung.

Es handelt sich um eine erhebliche Arteriosclerosis univ. mit Durchblutungsstörungen beider unteren Extr., Myocardiopathie (zeitw. dekompensiert), Emphysem, Gonarthrose und Sponylarthrose.

Trotz intensivster Behandlung konnte keine Besserung erzielt werden, und ist auch nicht mehr zu erwarten.

Ich halte Pat. nicht mehr für fähig seinen derzeitigen Beruf in vollem Ausmaß und mit voller Verantwortung auszuüben."

Im Zuge des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens äußerte die Österreichische Apothekenkammer Bedenken gegen den im Pachtvertrag vorgesehenen fixen Pachtschilling, der, weil auch im Fall einer erheblichen Umsatzminderung - etwa durch Neugründung einer Apotheke in der Nachbarschaft - keine Reduktion vorgesehen sei, die Rentabilität des Unternehmens in Frage stellen und damit die geordnete Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gefährden könnte. Auf Verlangen der Behörde brachte der Erstbeschwerdeführer noch ein amtsärztliches Zeugnis über seinen Gesundheitszustand bei. Dieses am 8. April 1964 ausgestellte Zeugnis ist in Angaben, Befund, Diagnose und Gutachten" gegliedert und lautet wie folgt:

"Angaben: Seit einigen Jahren zunehmende Atemnot bei schnellerem Gehen und Stiegensteigen. Seit Jahren bestehen Schmerzen in bd. Kniegelenken. Seit 40 Jahren besteht eine Verdickung des re. Beines nach einer Phlebothrombose.

Befund: 165 cm/85 kg. In mäßigem AZ, etwas adipös, Cyanose der Lippen, gut durchblutet. Presbyopie.

Gehör annähernd normal, Ruhedyspnoe, RR:170/100 mm

Hg. Herz von Lunge überlagert, Töne leise, rhytm. 70/min. Ausgeprägte Emphysempölster. Basen tief stehend, kaum verschieblich. Über der ganzen Lunge lt. KS., verschärftes VA. mit verlängertem Exspirium. Leber am Ribo. Krepitation über bd. Kniegelenken. Puls der Arterie femoralis bds. tastbar. Dorsalis pedis re nicht tatsbar. Der re. Fuß kühl, die re. Wade verdickt, Unterschenkelödem re. Röntgenbefund vom 2. 10.1962, gez. Dr. W:

li. Kniegelenk: gröbere Arthorsis def., Corpora libera im li. Kniegelenk. Stellenweise gröbere Gefäßverkalkung in den Kniekehlen, sowie am re. Unterschenkel.

Diagnose: Adipositas, hochgradiges Emphysem, Gonarthrosis def., arterielle Durchblutungsstörungen im re. Bein.

Gutachten: Auf Grund der bestehenden Leiden und seines Alters ist Herr Mr.S. dauernd an der Führung einer Apotheke verhindert."

Die Beschwerdeführer, denen die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorgehalten worden waren, legten, um den Bedenken der Apothekerkammer Rechnung zu tragen, eine Zusatzvereinbarung zum Pachtvertrag vor, wonach der Pächterin ein Kündigugnsrecht im Fall einer außerbetrieblich bedingten Umsatzminderung von mehr als 15 % eingeräumt wurde. In einer Stellungnahme vom 22. Juni 1964 bezeichnete der Erstbeschwerdeführer die im amtsärztlichen Zeugnis enthaltene Schlussfolgerung, dass er dauernd an der Führung einer Apotheke verhindert sei, als völlig unschlüssig und unzutreffend. Die bei im festgestellten Leiden träten bei mindestens 50 % aller konzessionierten Pächter und Leiter öffentlicher Apotheken im Alter von über 60 Jahren auf. Er verlangte in Ergänzung des Gutachten in der Richtung, nach welchen denkfolgerichtigen und schlüssigen Gesichtspunkten sich das Gutachten sachlich rechtfertigen lasse. Der Amtsarzt gab sodann auf Aufforderung der Behörde nachfolgende Präzisierung seines Gutachtens bekannt:

"Die festgestellten Leiden, insbesondere das hochgradige Emphysem und die arteriellen Durchblutungsstörungen des rechten Beines, die keine Besserungsfähigkeit annehmen lassen und durch das Alter noch laufend verschlechtert werden, stellen einen Verhinderungsgrund an der dauernden ordnungsmäßigen Führung einer Apotheke dar."

Nach einem weiteren Schriftwechsel mit der Apothekenkammer, der sich auf die vorgeschlagene Ergänzung des Pachvertrages und angebliche Unklarheiten bezog, erging am 10. Dezember 1964 der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien mit dem

1.) im Sinne des § 1 Abs. 3 ApVG die Verpflichtung des Erstbeschwerdeführers zur Verpachtung seiner Apotheke auf Grund des § 1 Abs. 2 Z. 3 ApVG festgestellt wurde,

2.) der zwischen den Beschwerdeführern abgeschlossene Pachtvertrag samt der Zusatzvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 im Zusammenhalt mit § 6 Abs. 2 ApVG mit der Maßgabe genehmigt wurde, dass sich die Genehmigung nicht auf die Rechtsnachfolger erstrecke und dass bestimmte im einzelnen angeführte Änderungen Platz zu greifen hätten, und gleichzeitig die Zweitbeschwerdeführerin als Pächterin bestätigt wurde, sowie

3.) der Antrag auf Feststellung, dass die Apotheke gemäß § 1 Abs. 2 Z. 4 ApVG zu verpachten sei, abgewiesen wurde.

Die Begründung dieses Bescheides verweist darauf, es sei auf Grund der vorliegenden ärztlichen Zeugnisse als erwiesen anzunehmen, dass der Erstbeschwerdeführer auf Grund seiner nicht nur vorübergehenden Erkrankung (seine Leiden ließen keine Besserung zu erwarten und würden durch das Alter noch laufend verschlechtert werden) an der persönlichen Führung seiner Apotheke verhindert sei. Daher habe die Verpachtungspflicht nach § 1 Abs. 2 Z 3 ApVG ausgesprochen werden müssen. Die Anwendung der Z. 4 dieses Paragraphen komme nur bei Vorliegen anderer als der in den Z. 1 bis 3 genannten Gründe in Betracht. Die vorgenommenen Änderungen des Pachtvertrages hätten den Zweck, eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu vermeiden, die eintreten könne, wenn der Pachtschilling im Vergleich zum Umsatz zu hoch sei oder wenn sich durch die Genehmigung von Vertragsbestimmungen, die mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Widerspruch stehen, Rechtsunsicherheit ergäbe.

In der gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wird zunächst die Heranziehung des § 1 Abs. 2 Z. 3 ApVG zur Begründung der Verpachtungspflicht bekämpft und auszugsweise ein amtsärztliches Gutachten vom 21. Mai 1964 in beglaubigter Abschrift vorgelegt, wonach beim Erstbeschwerdeführer ein im wesentlichen dem Alter entsprechender Befund mit Ausnahme einer arteriellen Hypertonie bestehe und er demgemäß für die selbstständige Führung einer öffentlichen Apotheke körperlich und geistig geeignet erscheine. Weiters wurde geltend gemacht, dass die Verweigerung der Genehmigung des Pachtvertrages hinsichtlich der Bestimmungen über die Rechtsnachfolger sowie die vorgenommenen Änderungen des Pachtvertrages gegen das Gesetz verstießen, weil gemäß § 6 Abs. 1 ApVG nur "bestehende Pachtverträge" von der Behörde überprüft und allenfalls außer Kraft gesetzt oder geändert werden dürften. Diese Voraussetzung treffe nur auf Pachtverträge zu, die bereits genehmigt und damit rechtlich existent geworden seien. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens könne nur entweder die Genehmigung erteilt oder verweigert werden. Darüber hinaus wurde die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit jeder von der belangten Behörde vorgenommenen Änderung des Pachtvertrages im einzelnen mit verschiedenen Argumenten bekämpft. Schließlich wurde bemängelt, dass der Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren keine Parteistellung eingeräumt worden sei.

Über die am 28. Dezember 1964 bei der Magistratsabteilung 16 eingelangte Berufung hat die belangte Behörde weder bis zur Einbringung der vorliegenden Säumnisbeschwerde vom 1. Juli 1965 noch innerhalb der ihr im Vorverfahren vom Verwaltungsgerichtshof zur Nachtragung eingeräumten Frist von acht Wochen entschieden. In einem hg. am 13. Oktober 1965 eingelangten Schreiben teilte das Bundesministerium für soziale Verwaltung mit, dass das Amt der Wiener Landerregierung die Berufung dem Ministerium erst am 16. September 1965 vorgelegt, den Akt sodann aber wieder zwecks Erstattung eines Berichtes kurzfristig zurückerbeten und ihn trotz Betreibung nicht wieder vorgelegt habe. Erst am 20. Oktober 1965 konnte die belangte Behörde den Akt, der ihr am 15. Oktober 1965 wieder zugegangen war, dem Verwaltungsgerichtshof vorlegen.

Über die Säumnisbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof durch einen gemäß § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkten Senat nachstehendes erwogen:

I.

Zunächst bedurfte die Frage der Beschwerdeberechtigung einer Überprüfung. Gemäß § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 5 ApVG sind Entscheidungen der höheren Verwaltungsbehörde über das Vorliegen der Voraussetzungen der Verpachtungspflicht, über die Bestätigung des Pächters, die Genehmigung des Pachtvertrages und über die Änderung bestehender Pachtverträge endgültig; d. h., dass nach den Vorschriften dieses Gesetzes die Landeshauptmänner über die genannten Fragen in erster und gleichzeitig letzter Instanz zu entscheiden haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Geltung dieser Vorschriften im Hinblick auf die im Art. 109 B-VG für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung im Lande Wien getroffenen Sonderbestimmungen bereits befasst und durch einen verstärkten Senat am 9. Dezember 1949 zur Zl. 512-Pr./1949 folgenden Rechtssatz beschlossen:

"Gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien findet der Rechtszug an den zuständigen Bundesminister gemäß Art. 109 B-VG nicht statt, wenn nach der Verwaltungsvorschrift der Landeshauptmann in der Landesstufe in erster und letzter Instanz entscheidet."

Auch einem weiteren Beschluss eines verstärkten Senates vom 14. April 1951, Zl. 3/2Pr./1951, mit dem ausgesprochen wurde, dass gegen die instanzenmäßige Entscheidung des Landeshauptmannes von Wien gemäß Art. II § 2 der Maßnahmenverordnung eine Berufung nicht zulässig ist, liegen dieselben Erwägungen zu Grunde. Schließlich hat auch der Verfassungsgerichtshof in der Begründung seines, eine Angelegenheit des Reichsleistungsgesetzes betreffenden Erkenntnisses vom 7. Dezember 1950, Zl. B 139/50, dem Hinweis des Beschwerdeführers entgegengehalten, dass der Verfassungsgerichtshof bisher in allen Streitfällen, in denen ein vom Bürgermeister von Wien als Landeshauptmann auf Grund des Reichsleistungsgesetzes in erster Instanz erlassener Bescheid angefochten wurde, den Instanzenzug als erschöpft angesehen habe; eine nähere Begründung für diese Ansicht wurde allerdings nicht gegeben.

In Konsequenz dieser Rechtsansicht wäre die vorliegende Säumnisbeschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen, weil gemäß Art. 132 B-VG Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nur erheben kann, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Steht der Partei kein Berufungsrecht zu, so kann sie auch das Unterbleiben einer Berufungsentscheidung nicht zum Anlass einer Säumnisbeschwerde nehmen.

In der Zeit nach Festlegung der oben angeführten Rechtssätze verstärkter Senate des Verwaltungsgerichtshofes hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 1963, Zl. B 44763, und in seinem Beschluss vom 20. September 1963, Zl. B 189/63, mit der Auslegung des Art. 109 B-VG neuerlich, und zwar im Zusammenhang mit Apothekenverpachtungsfällen befasst und dabei die Rechtsansicht ausgesprochen, dass im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung des Landes Wien der Instanzenzug in allen Fällen (mit der einzigen Ausnahme eines gesetzlich normierten Ausschlusses des Rechtszuges gegen den Bescheid der Bezirksinstanz) vom Bürgermeister als Landeshauptmann an den zuständigen Bundesminister geht. Seiner Auffassung nach findet eine Berufung an das Bundesministerium demnach auch in Fällen statt, wo der Landeshauptmann als Landesinstanz in erster und letzter Instanz einzuschreiten hat. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich nunmehr dieser Rechtsansicht in der Erwägung an, dass angesichts des eindeutigen Wortlautes des Art. 109 B-VG eine berichtigende Auslegung nur dann zulässig wäre, wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden könnte, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt. Diese Voraussetzung kann aber angesichts der Materialien zur Regierungsvorlage der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1929 (382 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates III. GP) und angesichts des Verlaufes der parlamentarischen Beratungen über diese Vorlage nicht als gegeben angenommen werden. Wohl gelang es damals der sozialdemokratischen Opposition im Parlament, das in der Regierungsvorlage (Art. 110) vorgesehene Ziel, dem Bürgermeister von Wien die Zuständigkeit zur Besorgung der dem Landeshauptmann obliegenden Angelegenheiten überhaupt zu nehmen und ihm in der mittelbaren Bundesverwaltungsbehörde zu belassen abzuwehren, doch blieb im Endergebnis - neben anderen wesentlichen Beschränkungen - eine Veränderung des Instanzenzuges im Sinn einer Schlechterstellung Wiens gegenüber den übrigen Bundesländern durch die grundsätzliche Erstreckung desselben vom Bürgermeister als Landeshauptmann an den zuständigen Bundesminister. Dieser Grundsatz ist nur durchbrochen zu Gunsten der wenigen einem Rechtszug nicht unterworfenen Entscheidungen der Bezirksinstanz. Den Beschlüssen des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Dezember 1949 und vom 14. April 1951 lag der Gedanke zu Grunde, es sei nicht anzunehmen, dass die Gesetz gewordene Fassung des Art. 109 B-VG auf eine diskriminierende Absicht des Gesetzgebers zurückzuführen sei. Er habe lediglich den Instanzenzug auch im Bereich des Bundeslandes Wien in solchen Fällen zweistufig gestalten wollen, wo in den übrigen Bundesländern gegen die Entscheidung der Bezirksinstanz ein Rechtszug an die Landesinstanz offen stand. Es sei aber nicht anzunehmen, dass durch Art. 109 B-VG in Wien ein weiterer Instanzenzug gegen Entscheidungen des Landeshauptmannes in jenen Fällen eingeräumt werden sollte, in denen auch in den übrigen Bundesländern zufolge besonderer verwaltungsrechtlicher Verfahrensbestimmungen der Landeshauptmann als einzige Instanz zu entscheiden hatte. Allein diese Annahme ist nicht zwingend. Es darf zunächst nicht übersehen werden, dass Art. 109 B-VG eine Ausnahme von dem neu eröffneten Instanzenzug ausdrücklich nur für die Fälle anordnet, in denen gegen ein Rechtsmittel gegen den Bescheid der Bezirksinstanz ausgeschlossen ist, obgleich es auch schon im Jahre 1929 Verwaltungsvorschriften gegeben hat, nach denen die Landesinstanz auf dem Gebiet der mittelbaren Bundesverwaltung zugleich als erste und letzte Instanz zu entscheiden berufen war, wie etwa nach dem Elektrizitätswegegesetz, dem Reichswassergesetz und dem Bundesstraßengesetz, BGBl. Nr. 387/1921. Ferner ist eine gewisse diskriminierende Tendenz nach der im Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung (vgl. Merkl: Der rechtliche Gehalt der österreichischen Verfassungsreform vom 7. Dezember 1929 /ZÖR. X),

Strele: Rechtsstaat und Demokratie im neuen Österreich, S 106,

Wittmayer: Die österreichische Verfassungsreform von 1929 (z. ges. St. W. 88 Bd.), Kelsen: Die Verfassungsreform, (JBl. 1929 S 445) auch in der Gesetz gewordenen Fassung des Art. 109 B-VG nicht zu verkennen. Da nun, wie eingangs betont, ein Abweichen vom klaren Wortlaut des Gesetzes nur dann zu verantworten ist, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat als er zum Ausdruck gebracht hat, ist der verstärkte Senat der Ansicht, dass im vorliegenden Falle - trotz der im Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken allgemein vorgesehenen Abschneidung des Instanzenzuges - im Sinne des Art. 109 B-VG ein Berufungsrecht an das Bundesministerium für soziale Verwaltung besteht.

Dass das Bundesministerium für soziale Verwaltung über die zulässige und rechtzeitig eingebrachte Berufung nicht entschieden hat, ist aktenkundig. Die Voraussetzungen für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache selbst (§ 42 Abs. 4 VwGG 1965) sind somit gegeben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat es für zweckmäßig erachtet, sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und der belangten Behörde aufzutragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im Spruch festgehaltenen Rechtsanschauungen binnen acht Wochen zu erlassen. Die rechtlichen Erwägungen, die für die Rechtsanschauungen des Verwaltungsgerichtshofes im einzelnen maßgebend waren, sind folgende:

Zu B 1.) und 2.): Wie der Landeshauptmann von Wien in seinem Bescheid richtig ausführt, geht aus dem Wortlaut der Z. 4 des § 1 Abs. 2 ApVG, der die Verpachtung vorsieht, wenn der Inhaber "aus einem anderen von der Aufsichtsbehörde als berechtigt anerkannten Grund von der Leitung der Apotheke zurücktritt", eindeutig hervor, dass das Vorligen eines der in den Z. 1 bis 3 angeführten, zur Verpachtung führenden Grundes die Anwendung der Z. 4 ausschließt. Ist daher der Erstbeschwerdeführer, wie der Landeshauptmann angenommen hat, infolge einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung an der Führung der Apotheke verhindert, dann kann die Verpachtungspflicht nur auf die Z. 3 und nicht auf die Z. 4 des § 1 Abs. 2 ApVG gestützt werden. Es wird Aufgabe der belangten Behörde sein, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das sowohl auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers als auch auf dessen allfällige Auswirkung auf die Berufsausübung im Hinblick auf die speziellen Anforderungen, die der Apothekerberuf in körperlicher und geistiger Beziehung an den Apotheker stellt, Bedacht zu nehmen und auf die Widersprüche zwischen dem amtsärztlichen Zeugnis vom 8. April bzw. 6. Juli 1964 und dem in der Berufung vorgelegten amtsärztlichen Zeugnis einzugehen haben wird, klarzustellen, ob der Fall des § 1 Abs. 2 Z 3 ApVG gegeben ist oder nicht. Stellt sich heraus, dass dies nicht der Fall ist, dann wird zu prüfen sein, ob die vom Sinne des § 1 Abs. 2 Z 4 ApVG als berechtigter Grund für den Rücktritt von der Leitung der Apotheke anzuerkennen sind. Da das Gesetz keine näheren Angaben darüber macht, was als berechtigter Grund anzusehen ist, die Bestimmung aber durch den Wortlaut, der auf das "Zurücktreten" von der Führung der Apotheke abstellt, zu erkennen gibt, dass es sich dabei offenbar um eine im Interesse des Apothekers vorgesehene Möglichkeit der Verpachtung handelt, die zunächst von seiner eigenen Willensentschließung abhängt, wird nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bei der Auslegung auf diese Tendenz des Gesetzes Bedacht zu nehmen sein. Um dem Sinn des Gesetzes gerecht zu werden, wird bei der Entscheidung auf das Vorliegen etwaiger besonderer Erschwernisse, die mit den persönlichen Verhältnissen des Apothekers zusammenhängen, wozu insbesondere alters- oder leidensbedingte Erschwernisse zu rechnen sind, Rücksicht zu nehmen sein.

Zu A und B 3.): Das Gesetz über die Verpachtung und Verwaltung öffentlicher Apotheken enthält Regelungen, die verschiedene Materien betreffen. Die §§ 1 und 2 bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine Apotheke verpachtet werden muss und inwieweit an Stelle der Verpachtung eine Verwaltung zulässig ist. Die Entscheidung über eine derartige Frage berührt ausschließlich die Rechtssphäre des Konzessionsinhabers. Das Verfahren hat sich demnach ausschließlich zwischen ihm und der Behröde abzuspielen. Da der Zweitbeschwerdeführerin somit hinsichtlich der in den Punkten 1 und 3 des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien behandelten Frage der Verpachtungspflicht keine Parteistellung zukommt, musste die von ihr erhobene Säumnisbeschwerde, soweit sie sich auf diese Materie bezieht, wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 zurückgewiesen werden.

Die §§ 3 bis 7 ApVG betreffen die Genehmigung von Pachtverträgen, die Bestätigung des Pächters und Eingriffe in bestehende Pachtverträge. In diesem Zusammenhang ist die Rechtsstellung des in Aussicht genommenen Pächters zu untersuchen. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in jahrzehntelanger ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass im Verfahren nach § 55 GewO, betreffend die Genehmigung der Verpachtung einer Gewerbeberechtigung, dem in Aussicht genommenen Pächter keine Parteistellung und keine Beschwerdeberechtigung vor dem Verwaltungsgerichtshof zukommt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 5. Oktober 1894, Slg. Budw. 8072, vom 1. April 1914, Slg. Budw. 10.175, vom 10. Dezember 1926, Slg. Nr. 4560, vom 17. Mai 1950, Zl. 2039/49, vom 10. September 1959, Zl. 2138/57, und vom 22. Dezember 1964, Zl. 2299/63). Es sind vornehmlich zwei Erwägungen, auf die sich diese Rechtsansicht stützt: Zum ersten wird in den Erkenntnissen darauf verwiesen, dass nur der Verpächter eines konzessionierten Gewerbes gemäß § 55 GewO um die Genehmigung der Verpachtung anzusuchen hat, dass diesem das Recht zusteht, von der ihm erteilten Genehmigung der Verpachtung abzustehen und jederzeit den Selbstbetrieb wieder anzumelden. Zum zweiten wird als wesentlich angesehen, dass die in der Gewerbeordnung enthaltenen Vorschriften über die Verpachtung eines Gewerbes lediglich das äußere Verhältnis zwischen dem Gewerbetreibenden und Pächter einerseits und der Gewerbebehörde andererseits betreffen und sich in das zwischen dem Gewerbeinhaber und Pächter bestehende Innenverhältnis nicht einmengen. Die Rechtsbeziehungen zwischen diesen Personen sind vielmehr nur nach dem Privatrecht zu beurteilen.

Diese Argumente lassen sich auf das Gebiet der Apothekenverpachtung zufolge der hiefür maßgebenden andersartigen Rechtsgrundlagen nicht übertragen. § 3 ApVG ordnet an, dass Pachtverträge, die der Inhaber einer Apotheke gemäß § 1 ApVG abschließt, der höheren Verwaltungsbehörde zur Genehmigung und zur Bestätigung des Pächters vorzulegen sind. Diese Vorschrift bezieht sich, wie aus der Zitierung des § 1 ApVG hervorgeht, auf Fälle, in denen der Apothekeninhaber zur Verpachtung verpflichtet ist und der Verpachtungszwang bescheidmäßig ausgesprochen wird. Es steht somit bei der Apothekenverpachtung - anders als im Gewerberecht - nicht im Belieben des Inhabers der Apothekenkonzession, ob er von der Verpachtungsgenehmigung Gebrauch machen will oder nicht; ebenso wenig kann er die Führung der Apotheke jederzeit wieder selbst in die Hand nehmen, wie dies der Verpächter eines Gewerbebetriebes vom Standpunkt des öffentlichen Rechtes aus tun kann, sondern nur dann, wenn der Grund, der für den Verpachtungszwang maßgebend war, weggefallen ist. Vor allem aber bildet das Vorliegen eines Pachtvertrages bei dem nach § 3 ApVG durchzuführenden Verfahren - wiederum anders als im Gewerberecht - nicht bloß formelle das Substrat der behördlichen Entscheidung, dessen inhaltliche Gestaltung zur Gänze dem Parteiwillen überlassen ist, vielmehr hat sich die Behörde eingehend mit der im Apothekenpachtvertrag getroffenen materiellen Regelung zu befassen. Sie muss zufolge der Anordnung des § 4 Abs. 1 Z. 2 ApVG prüfen, ob der Vertrag nicht Bestimmungen enthält, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen die ordnungsmäßige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gefährden könnten. Um ihr diese Aufgabe zu ermöglichen, schreibt § 3 Abs. 2 ApVG zwingend vor, dass der Vertrag die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Inhaber der Apotheke und dem Pächter abschließend zu regeln hat. Die zur Genehmigung des Pachtvertrages zuständige Behörde wird sich auf Grund der erwähnten Bestimmungen vor allem die Frage vorlegen müssen, ob die im Pachtvertrag dem künftigen Pächter auferlegten finanziellen Verpflichtungen in einem angemessenen Verhältnis zum Ertrag der Apotheke stehen und nicht etwa so hoch sind, dass sie den Pächter an der ordnungsgemäßen Führung des Betriebes hindern und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gefährden können. Die Entscheidung über die Genehmigung des Pachtvertrages hängt somit wesentlich von seinem Inhalt und insbesondere von den Bestimmungen ab, die die wirtschaftliche Stellung des künftigen Pächters regeln. Daraus ergibt sich aber auch, dass der künftige Pächter am Verfahren betreffend die Genehmigung des Pachtvertrages zumindest vermöge eines rechtlichen Interesses beteiligt ist und dass ihm in diesem Verfahren Parteistellung auf Grund des § 8 AVG zukommt. Was nun das Verfahren betreffend die Bestätigung des Pächters anlangt, so steht die Entscheidung über diese Frage in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Entscheidung über die Genehmigung des Pachtvertrages selbst. Kann doch, wenn der vorgesehene Pächter infolge Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen für ungeeignet befunden wird, auch der mit diesem Pächter abgeschlossene Vertrag nicht genehmigt werden. Aus dem Zusammenhang der Person des Pächters mit dem Pachtvertrag ist zu folgern, dass dem in Aussicht genommenen Pächter auch im Verfahren zur Bestätigung seiner Person als Pächter die Parteistellung nicht verweigert werden darf.

Der Zweitbeschwerdeführerin sind somit im vorliegenden Verfahren - soweit es sich nicht bloß auf die Feststellung der Verpachtungspflicht bezieht - die Parteirechte zu gewähren.

Zu B 4.) und 5.): Aus dem Inhalt des § 4 Abs. 1 ApVG erhellt, dass der Zweck des im § 3 normierten Genehmigungs- und Bestätigungsverfahrens darin besteht, den Abschluss von Pachtverträgen zu verhindern, durch die entweder Personen zu Pächtern bestellt würden, die den gesetzlichen Anforderungen eines Apothekers nicht entsprechen, oder durch die zufolge ihrer inhaltlichen Gestaltung die ordnungsmäßige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung gefährdet werden könnte. Das der Behörde zur Erreichung dieses Zweckes an die Hand gegebene Mittel ist die Versagung der Genehmigung des Pachtvertrages und der Bestätigung des Pächters. Dieses Mittel reicht auch vollkommen aus, um die zur Genehmigung eingereichten Pachtverträge in den erwähnten Belangen mit den gesetzlichen Erfordernissen in Einklang zu bringen, da ja die um Genehmigung bzw. Bestätigung anzusuchenden Vertragsparteien gezwungen sind, allfälligen gerechtfertigten Vorhaltungen der Behörde durch einvernehmliche Korrektur des Pachtvertrages Rechnung zu tragen, sollen sie anders nicht die Durchführung der Verpachtung durch Versagung der Genehmigung auf Spiel setzen. Aus der Anordnung des § 4 Abs. 1 ApVG ergibt sich aber auch, dass die Antragsteller ein subjektives Recht auf die Genehmigung des Pachtvertrages und die Bestätigung des Pächters besitzen, sofern nicht eine der in den Z. 1 und 2 abschließend aufgezählten Voraussetzungen für die Versagung der Genehmigung bzw. der Bestätigung vorliegen.

Wenn § 6 ApVG bestimmt, dass bestehende Pachtverträge jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag eines Vertragsteiles nachgeprüft und ganz oder teilweise außer Kraft gesetzt oder geändert werden können, falls sich erweist, dass in der Person des Pächters die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 gegeben sind oder dass durch die Verträge die ordnungsmäßige Arzneimittelversorgung gefährdet wird, so stellt sich diese Vorschrift als sinnvolle Ergänzung des in den §§ 3 und 4 ApVG geregelten Genehmigungsverfahrens dar. Sie soll offensichtlich gewährleisten, dass, wenn ein bereits genehmigter Pachtvertrag infolge einer nachträglich eingetretenen Änderung der Verhältnisse - mag diese Änderung die Person des Pächters oder die wirtschaftlichen Verhältnisse der Apotheke betreffen den Voraussetzungen nicht mehr entspricht, die für die Genehmigung erforderlich waren, der Vertrag durch Änderung dieser Voraussetzungen wieder angepasst oder, wenn dies nicht möglich ist, aufgehoben werden kann. Nur unter diesen Voraussetzungen ist ein Eingriff der Behörde in den Inhalt des Pachtvertrages erforderlich und nach dem Gesetz zulässig (in diesem Sinn auch Kahler: Das Apothekenwesen, Berlin 1937, S 79). Dass der Gesetzgeber hier durch die Möglichkeit, die Bestimmungen des Pachtvertrages durch Bescheid der Behörde einseitig zu ändern, eine andere, in das private Vertragsrecht viel radikaler eingreifende Methode vorgesehen hat, als bei der Genehmigung eines auf Grund der Verpachtungspflicht abgeschlossenen Pachtvertrages, lässt sich daraus erklären, dass im ersten Fall eine rasche Abhilfe zur Gewährleistung der ungestörten Fortführung des Apothekenbetriebes erforderlich sein kann, während im letzteren Falle die zwar langwierigere, aber in die Vertragsrechte weniger tief eingreifende Vorgangsweise zur Änderung des Vertrages hinsichtlich der von der Behörde im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 2 ApVG bedenklich erachteten Punkte, nämlich im Weg einer Parteienvereinbarung, im Hinblick auf die im § 2 ApVG vorgesehene Möglichkeit, die Apotheke durch sechs Monate ab Eintritt des Verpachtungszwanges durch einen Verwalter zu führen, sowie im Hinblick auf die der Behörde in diesem Falle gemäß § 7 ApVG zusätzlich eingeräumten Möglichkeiten als ausreichend angesehen werden konnte. Eine Änderung des Vertrages durch Bescheid anlässlich des über den Antrag auf Genehmigung eingeleiteten Verfahrens ist daher nicht zulässig.

Als Änderung des Vertrages muss aber ebenso wie etwa eine durch die Behörde verfügte Ergänzung auch eine auf Teile des Vertrages beschränkte Genehmigung angesehen werden. Denn der Inhalt eines Vertrages kann ja nicht derselbe sein, wenn Teile hinzugefügt werden oder in Wegfall kommen. Eine Teilgenehmigung ist daher ebenfalls unzulässig (vgl. Genike: Apotheken-Pachtrecht, Berlin 1936, S 87 ff).

Enthält ein zur Genehmigung vorgelegter Pachtvertrag Bestimmungen, die zwar die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht gefährden können, die aber nach Ansicht der Behörde mit zwingenden Vorschriften privaten oder öffentlichen Rechtes nicht übereinstimmen, so kann dies nach dem Wortlaut des § 4 ApVG, der eindeutig für eine abschließende Aufzählung der Versagungsgründe spricht, nicht zum Anlass genommen werden, die Genehmigung des Pachtvertrages zu verweigern. In einem solchen Falle bleibt es der Behörde jedoch unbenommen, wenn die Antragsteller einem Vorhalt nicht durch entsprechende Änderung des Vertragstextes Rechnung tragen, in geeigneter Form darauf hinzuweisen, dass die Genehmigung nur unter dem Gesichtspunkt erfolgt, dass Versagungsgründe nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und 2 ApVG nicht vorliegen. Durch diesen Zusatz würde die Rechtsunsicherheit über die Tragweite der behördlichen Genehmigung vermieden und gleichzeitig der Behörde die Möglichkeit vorbehalten werden, zum gegebenen Zeitpunkt die im konkreten Falle erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Die Beschwerdeführer haben in der Beschwerde den Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge eine mündliche Verhandlung anberaumen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich hiezu jedoch in der Erwägung nicht veranlasst, dass einerseits die Partei bei Säumnisbeschwerden keinen Rechtsanspruch auf Durchführung einer Verhandlung im Hinblick darauf, dass das Erkenntnis auf die Festlegung der maßgeblichen Rechtsanschauungen beschränkt wurde, nicht für notwendig erachtet wird. § 39 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 bezieht sich, wie aus seinem Wortlaut geschlossen werden muss, nicht auf Säumnis. Denn diese Bestimmung verlangt als Voraussetzung für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich, dass der diesbezügliche Antrag vom Beschwerdeführer innerhalb der zur Erhebung der Beschwerde bestimmten Frist gestellt wird; die Einbringung von Säumnisbeschwerden ist aber an keine Frist gebunden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1 lit. a und b und § 55 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. a der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, 23. Februar 1966

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1966:1965001161.X00

Im RIS seit

10.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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