TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/26 W272 2111997-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.05.2021
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Entscheidungsdatum

26.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs6
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch


W272 2111997-3/3E

W272 2111996-3/3E

W272 2114588-3/3E

W272 2209276-2/3E

W272 2222973-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerden von 1. XXXX geb. am XXXX 2. XXXX geb. am XXXX , 3. XXXX geb. am XXXX 4. XXXX geb. am XXXX und 5. XXXX geb. am XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, jeweils vom 02.04.2021, Zahl XXXX (ad 1.), Zahl XXXX (ad 2.), Zahl XXXX (3), Zahl XXXX (ad 4.), Zahl XXXX (5) zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag, der Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gelangten illegal in das Bundesgebiet und stellten am 05.01.2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind nach islamischem Recht verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen. Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen wurden bereits im österreichischen Bundesgebiet geboren. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem muslimischen Glauben zugehörig.

1.2. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2015 wurden die Anträge von Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 05.01.2015 für die Zuerkennung des Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurden den Erst- und Zweit-beschwerdeführerin nicht erteilt. Es wurden Rückkehrentscheidungen gegen Erst- und Zweit-beschwerdeführerin erlassen und unter einem festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. Die Frist für ihr freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den durch den Erstbeschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe unter anderem aus: Zwar entspreche es den Tatsachen, dass bis zum 31.12.2014 eine Einberufungskampagne in Tschetschenien stattgefunden hätte, doch seien lediglich 500 Personen, mehrheitlich auf Freiwilligenbasis, einberufen worden, diese hätten zum überwiegenden Teil ein abgeschlossenes Hochschulstudium aufgewiesen. Ab April 2014 sei an dieser Einberufungs-kampagne gearbeitet worden. Da die Vorbereitungsarbeiten der Einberufungsbehörden im April 2014 begonnen hätten, erscheine es als unplausibel, dass der Erstbeschwerdeführer erst am Tag des Endes der Einberufungskampagne die Ausreise angetreten habe, zumal dem Erstbeschwerdeführer als Teil der lokalen Bevölkerung die Tätigkeit der Einberufungsstellen wohl bekannt gewesen sein musste. Da der Erstbeschwerdeführer mit einem erst im Oktober 2014 ausgestellten russischen Reisepass gereist sei, sei nicht davon auszugehen, dass dessen Einberufung vorgesehen gewesen wäre. Auch erweise sich ein erst am 27. oder 28.12.2014 gefasster Ausreiseentschluss vor diesem Hintergrund als unglaubwürdig. Auch die Tatsache, dass der Erstbeschwerdeführer kein Hochschulstudium absolviert hätte, spreche, ebenso wie der Umstand, dass mehrheitlich Freiwillige einberufen worden seien und sich mehr Personen als benötigt gemeldet hätten, gegen eine bevorstehende Einberufung des Erstbeschwerde-führers. Zudem deute die Angabe des Erstbeschwerdeführers, von seiner Mutter nach seiner Ausreise mitgeteilt bekommen zu haben, dass alles in Ordnung wäre, auf die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens hin. Im Ergebnis habe der Erstbeschwerdeführer seiner Antragstellung sohin keinen glaubhaften Verfolgungssachverhalt zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Diabetes-Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin wurde festgehalten, dass diese im Herkunftsstaat behandelbar sei; bereits vor ihrer Ausreise sei ihr die benötigte ärztliche und medikamentöse Behandlung zur Verfügung gestanden. Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin hätten während des gesamten Verfahrens keinerlei glaubhaften Indizien oder Anhaltspunkte aufzuzeigen vermocht, welche die Annahme hätten rechtfertigen können, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr laufen würden, im Falle ihrer Rückkehr in den Heimatsstaat, der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe unterworfen zu werden. Zur Rückkehrentscheidung führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl insbesondere aus, dass weder ein Eingriff in das Familienleben vorliege, noch der Eingriff in das Privatleben ungerechtfertigt wäre, zumal sich die Familie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erst seit wenigen Monaten in Österreich aufgehalten habe und in dieser Zeit keine nennenswerten wirtschaftlichen oder sozialen Kontakte aufgenommen habe. Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin seien illegal eingereist und seien keine für einen Verbleib in Österreich sprechenden Gründe vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gefunden worden.

1.3. Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren.

1.4. Gegen die oben angeführten Bescheide erhoben der Erstbeschwerdeführer und die Zweit-beschwerdeführerin mit gleichlautendem Schriftsatz vom 30.07.2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde zusammenfassend geltend gemacht, der Erstbeschwerdeführer habe sein Heimatland verlassen, da er zum Militärdienst einberufen werden sollte und ihm mitgeteilt worden sei, dass er in einem Kriegsgebiet in der Ukraine kämpfen müsste. Im Falle einer Rückkehr fürchte er wegen seiner Wehrdienstverweigerung um sein Leben. Das Verfahren vor dem Bundesamt habe sich mangelhaft gestaltet, da die Behörde es unterlassen habe, umfassende, auf den Fluchtgrund bezugnehmende Länderfeststellungen einzuholen und im Übrigen die im Bescheid herangezogenen Berichte nicht korrekt gewürdigt habe. Aus den im Bescheid wiedergegeben Berichten gehe hervor, dass rückkehrende Tschetschenen, die einer Ladung zum Wehrdienst nicht nachgekommen seien, strengeren und härteren Bestrafungen ausgesetzt sein würden; ferner werde ausgeführt, dass es zu Diskriminierung von Tschetschenen im Zuge der Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung kommen würde. Insofern dem Erstbeschwerdeführer seitens der Behörde unter anderem mangels Vorlage eines schriftlichen Einberufungsbefehls die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden sei, so wolle er dies im Rahmen der Beschwerde nachholen; der unter einem vorgelegten Einberufungsbefehl bestätige seinen Fluchtgrund. Darin werde der Erstbeschwerdeführer aufgefordert, sich am 23.12.2014 in XXXX zum Wehrdienst einzufinden. Zum Argument, dass es als nicht nachvollziehbar zu erachten sei, dass der Erstbeschwerdeführer im Falle eines Einberufungsbefehls mit seinem Reisepass hätte ausreisen können, sei auszuführen, dass er denselben im Zuge seiner Ausreise nicht benutzt, sondern erst in Österreich in Vorlage gebracht hätte. Das Argument der Behörde, dass der Erstbeschwerdeführer keinen Hochschulabschluss aufweise und dessen Einberufung daher laut ACCORD-Anfragebeantwortung unwahrscheinlich erscheine, werde durch den vorgelegten Einberufungsbefehl widerlegt. Zum Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, von seiner Mutter mitgeteilt bekommen zu haben, dass alles in Ordnung sei, werde angemerkt, dass damit gemeint gewesen wäre, dass nunmehr wieder alles in Ordnung sei; der Vater des Erstbeschwerdeführers, welcher selbst bei der Polizei gearbeitet hätte, sei mitgenommen und gefoltert worden, da der Erstbeschwerdeführer nicht zum Einberufungstermin erschienen sei. Sein Vater, der mittlerweile wieder zu Hause sei, hätte Angst gehabt, seinem Sohn dies am Telefon mitzuteilen, da er befürchtet hätte, dass die Gespräche abgehört würden. Der Beschwerdeschrift beiliegend wurde ein russischsprachiger Einberufungsbefehl in Kopie übermittelt.

1.5. Mit Schreiben vom 13.08.2015 wurde der Erstbeschwerdeführer durch das Bundesverwaltungsgericht aufgefordert, binnen vier Wochen das Original des der Beschwerdeschrift in Kopie beigelegten Einberufungsbefehls vorzulegen.

1.6. Mit Schreiben vom 25.08.2015 wurde ein Antrag auf internationalen Schutz für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin gestellt.

1.7. Im Rahmen einer Dokumentenvorlage vom 31.08.2015 wurden das Original des in der Beschwerde übermittelten Einberufungsbefehls sowie ein Befundbericht vom 12.08.2015 vorgelegt, demzufolge der Erstbeschwerdeführer an Posttraumatischer Belastungsstörung leide und sich diesbezüglich in fachärztlicher Behandlung befinde.

1.8. Aus der Übersetzung des als Beweis der Einberufung vorgelegten Dokumentes ergibt sich, dass der Erstbeschwerdeführer am 23.12.2014 um 10 Uhr bei der Abteilung des Wehrkommandos der Tschetschenischen Republik für die XXXX und XXXX und für die Stadt XXXX vor der Einberufungskommission (im Sinne einer Musterungskommission) zu erscheinen habe. Umseitig werden die „Pflichten eines Bürgers, sowie die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung“ angeführt. Weiters wird die Mitnahme von medizinischen Unterlagen sowie Ausbildungsunterlagen angeordnet.

1.9. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2015 wurde auch der Antrag auf internationalen Schutz der Drittbeschwerdeführerin vom 25.08.2015 für die Zuerkennung des Status der Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gegen die Drittbeschwerde-führerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und unter einem festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für ihre freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, für die Drittbeschwerdeführerin seien keine gesonderten Fluchtgründe vorgebracht worden. Die Gründe ihrer Eltern seien als nicht glaubwürdig erachtet worden.

1.10. Mit am 01.10.2015 eingelangtem Schriftsatz wurde seitens ihrer gesetzlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den die minderjährige Drittbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid eingebracht. Begründend wurde auf den ihre Eltern betreffenden Beschwerde-schriftsatz verwiesen.

1.11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2016 wurden die im Rahmen des Familienverfahrens erhobenen Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen gegen die genannten Bescheide des Bundesamtes zur Gänze als unbegründet abgewiesen. Denn es sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Erstbeschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffen ausgesetzt wäre, weil er sich der drohenden Einberufung entzogen hätte. Bei Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles, auf Grund der legalen Ausreise sowie der dargelegten Ungereimtheiten in den Angaben des Erstbeschwerdeführers, könne den Angaben zur behaupteten Verfolgung keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden, sondern sei vielmehr von einem wahrheitswidrigen Konstrukt, mit der Zielsetzung der Asylerlangung bzw. Verlängerung des Aufenthaltes auszugehen. Das Bundesverwaltungsgericht bezweifelte die vorgelegte Urkunde einer Einberufung bzw. Ladung zur Musterung. So war das Dokument in der Mitte zerrissen und ein Ausstellungdatum nicht ersichtlich. Auch handelte es sich um eine Vorladung zur Musterungskommission und nicht zur Einberufung – insbesondere in Tschetschenien. Auch waren Einberufungen gem. ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.11.2014, a-8933-1, vorwiegend Personen betroffen, welche sich freiwillig für den Militärdienst gemeldet hätten. Auch die Bedrohung seiner Familie war nicht glaubhaft. Ferner führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass für die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen keine vom Vorbringen des Erstbeschwerdeführers gesonderten Fluchtgründe vorgebracht worden seien. Auch würden den Beschwerdeführern in der Russischen Föderation keine Rechtsverletzungen drohen, welche die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gebiete; insbesondere lasse auch die Diabeteserkrankung der Zweitbeschwerdeführerin eine solche Rechtsverletzung nicht erwarten, zumal Diabetes in der Russischen Föderation behandelbar sei. Schließlich seien Erstbeschwerdeführer sowie Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen in Österreich noch nicht derart intensiv integriert, dass Art. 8 EMRK der Beendigung ihres Aufenthalts im Bundesgebiet entgegenstehe. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

1.12. Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Für sie wurde am 19.12.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.13. Am 16.02.2017 stellten der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin Folgeanträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung am selben Tag gab der Erstbeschwerdeführer gegenüber Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen an, dass die Gründe seines ersten Asylantrages aufrecht bleiben würden. Zudem habe sich seine Situation im Jahr 2016 verschlechtert, weil sein Vater eine Ladung zur Polizei in XXXX erhalten und dort hätte erscheinen müssen. Jedoch sei der Bruder des Erstbeschwerdeführers mit der Ladung zur Polizei in XXXX gegangen und nicht mehr zurückgekommen. Drei Wochen vor dieser Erst-befragung habe sein Vater dem Erstbeschwerdeführer von dieser Festnahme des Bruders berichtet. Diese Änderungen seiner Fluchtgründe seien ihm also seit etwa drei Wochen bekannt. Im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte der Erstbeschwerdeführer um sein Leben. Ferner gab der Erstbeschwerdeführer an, auf schlechtem Niveau Deutsch zu sprechen.

Auch die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 16.02.2017 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragungen unterzogen. Auch die Zweitbeschwerdeführerin gab an, die Gründe ihres ersten Antrags auf internationalen Schutz würden aufrecht bleiben. Die Lage in der Heimat habe sich noch zusätzlich verschlimmert. Der Erstbeschwerdeführer habe ihr mitgeteilt, dass sein Bruder seit drei bis vier Wochen verschollen sei. Diese Neuerungen seien ihr seit drei bis vier Wochen bekannt. Die Zweitbeschwerdeführerin gab ferner an, Diabetikerin zu sein und Insulin spritzen zu müssen. Auch die Zweitbeschwerde-führerin spreche auf schlechtem Niveau Deutsch.

1.14. Am 12.05.2017 wurde der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zu ihrem Folgeantrag wie den Anträgen auf internationalen Schutz der minderjährigen Beschwerdeführerinnen im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Tschetschenischen einvernommen.

1.15. Am XXXX wurde die Fünftbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren; für sie wurde am 11.07.2019 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dabei wurde angegeben, dass diese keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen aufweise und sich der Antrag ausschließlich auf die Gründe der Eltern beziehen würde.

1.16. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2018 (im Falle der Fünftbeschwerdeführerin vom 06.08.2019) wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 16.02.2017 (für Erstbeschwerdeführer, Zweitbeschwerdeführerin und Drittbeschwerdeführerin), vom 19.12.2016 (für die Viertbeschwerdeführerin) und vom 11.07.2019 (für die Fünftbeschwerdeführerin) dahingehend erledigt, dass sie für die Zuerkennung des Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurden. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden nicht erteilt. Es wurden Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführer erlassen und festgestellt, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.

Dies begründet das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die vorgebrachte Bedrohung des Erstbeschwerdeführers im Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die übrigen Beschwerdeführerinnen hätten keine vom Vorbringen des Erstbeschwerdeführers gesonderten Fluchtgründe behauptet. Zudem würden sämtlichen Beschwerdeführern im Herkunftsstaat keine Rechtsverletzungen drohen, welche die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gebieten würden. Schließlich seien die Beschwerdeführer in Österreich noch nicht derart intensiv integriert, dass dies der Beendigung ihres Aufenthalts hier dauerhaft entgegenstehen würde.

1.17. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, welche als einheitlicher Schriftsatz für den Erstbeschwerdeführer und die Zweit- bis Viertbeschwerdeführerin am 02.11.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl per Telefax einlangten. Die Beschwerde gegen den Bescheid der Fünftbeschwerdeführerin langte am 23.08.2019 beim Bundesamt per Fax ein und rügt die Rechtswidrigkeit des Inhalts des an sie adressierten Bescheides.

1.18. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2020 wurden die Beschwerden gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2018 (Erst- bis Viertbeschwerdeführer) und vom 06.08.2019 (Fünftbeschwerdeführerin) jeweils als unbegründet abgewiesen.

Begründen wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die behaupteten Bedrohungslagen im Herkunftsstaat nicht als glaubhaft festgestellt werden könnten. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass dem Erstbeschwerdeführer Übergriffe durch Behörden Tschetscheniens wie der sonstigen Russischen Föderation ernstlich drohen, weil er ein Video über Folterungen des Kadyrov-Regimes betrachtete und sich dazu oder sonst kritisch geäußert habe. Ferner könne nicht festgestellt werden, dass dem Erstbeschwerdeführer Übergriffe der genannten Behörden aus anderen Gründen – etwa wegen seines Bartes oder seiner Kleidung – ernstlich drohen würden. Auch könne nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Herkunftsstaat Übergriffe der genannten Behörden ausgesetzt wäre, weil er sich einer zugesagten Mitarbeit, Verfügbarkeit vor Ort oder Rückkehr in die Gewalt der Behörden durch Ausreise entzogen habe. Ebenfalls konnte nicht festgestellt werden, dass dem Erstbeschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffe der Behörden drohen, weil er sich einer Einberufung und dem Dienst im Militär – insbesondere einem Einsatz in der Ukraine – durch Ausreise entzog. Dabei wurde zunächst darauf verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht dieses Vorbringen schon anlässlich des ersten Beschwerdeverfahrens einer umfassenden Beweiswürdigung unterzogen habe. Schon damals habe sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere daran gestoßen, dass der Erst-beschwerdeführer den Erhalt eines schriftlichen Einberufungsbefehls, den er dem Vorbringen nach mit der Beschwerdeschrift im Original vorlegt habe, im Erstverfahren vor dem Bundesamt nicht nur unerwähnt ließ, sondern sogar dezidiert verneinte, vor der Ausreise schriftliche Unterlagen zu einer Einberufung erhalten zu haben; er sei nur durch den Bezirkspolizisten verbal von einer drohenden Einberufung unterrichtet worden. Dennoch legte der Erstbeschwerdeführer dann im ersten Beschwerdeverfahren eine Ladungsurkunde im Original vor, der zufolge er für den 23.12.2014 vor die Musterungskommission der Stadt XXXX geladen sei. Wie schon im Erkenntnis vom 06.04.2016 sei das Bundesverwaltungsgericht der Ansicht, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Erstverfahren vor der belangten Behörde ausführte, keinerlei schriftliche Unterlagen zu seiner Einberufung erhalten zu haben und sodann solche vorlegte, deutlich gegen die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens spreche, er habe den Herkunftsstaat wegen einer drohenden Einberufung verlassen. Denn es wäre zu erwarten, dass der Erstbeschwerdeführer dazu in der Lage sei, gleichbleibend anzugeben, ob er bereits Schriftstücke irgendwelcher Art im Zusammenhang mit einer etwaigen Einberufung erhalten hat oder nicht. Im Übrigen stehe das im Ladungsdokument als Termin bezeichnete Datum „23.12.2014“ im Widerspruch zu seinem damaligen Vorbringen vor dem Bundesamt, von der drohenden Einberufung durch den Bezirkspolizisten am 27. oder 28.12.2014 erfahren zu haben. Auch diese Ungereimtheit in der Chronologie der Ereignisse spreche nach der bereits im Erkenntnis vom 06.04.2016 vertretenen und hier aufrechterhaltenen Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens. Im Übrigen halte das Bundesverwaltungsgericht nach wie vor an der Ansicht fest, dass entsprechend den Länderfeststellungen bei jener Einberufungskampagne, in welche der Erstbeschwerdeführer dem Vorbringen nach einbezogen worden sein soll, hauptsächlich Freiwillige und Personen hohen Bildungsniveaus, welches der Erstbeschwerdeführer nicht aufweise, einbezogen wurden. Auch dies lasse die durch den Erstbeschwerdeführer behaupteten Ereignisse wenig wahrscheinlich erscheinen. Schließlich nehme der Erstbeschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - trotz einer Aufforderung des erkennenden Richters dazu - keine Korrekturen und Ergänzungen seines Vorbringens einer Bedrohung wegen Zuwiderhandelns gegen eine drohende Einberufung zum Wehrdienst konkret vor, sodass die aufgezeigten Schwächen dieses Vorbringens im nunmehrigen Verfahren nicht ausgeräumt werden könnten. In einer Gesamtbetrachtung vermöge das Bundesverwaltungsgericht also erneut nicht festzustellen, dass der Erstbeschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffe der Behörden zu erwarten hätte, weil er sich einer drohenden Einberufung zur Armee und Verwendung in der Ukraine entzogen habe. In einer Gesamtschau vermöge das Bundesverwaltungsgericht wegen der aufgezeigten Unplausibilitäten und Widersprüche das Vorbringen, der Erstbeschwerdeführer sei unabhängig von seiner Verpflichtung zum Wehrdienst aus diversen Gründen in den Fokus der tschetschenischen Behörden geraten, nicht als glaubhaft gemacht festzustellen. Schließlich könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffe von wem auch immer ernstlich zu erwarten hätten, weil in der Vergangenheit ein Cousin der Zweitbeschwerdeführerin umgebracht worden und ein weiterer ihrer Cousins nach seiner Rückkehr aus dem Ausland spurlos verschwunden sei. Auch könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Übergriffe von wem auch immer ernstlich zu erwarten hätten, weil sich ein Onkel der Zweitbeschwerdeführerin über eine Arbeit im Bürgermeisteramt kritisch geäußert habe, deswegen zusammengeschlagen und letztlich verstorben sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführerinnen in der Russischen Föderation wegen der durch den Erstbeschwerdeführer behaupteten Bedrohungslagen Übergriffe der tschetschenischen oder sonstigen Behörden ernstlich befürchten müssen. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wurde festgehalten, dass die Zweitbeschwerdeführerin an einer Laerkoagulation der Netzhaut wegen proliferativer diabetischer Retinopathie leide und alle sechs Monate durch einen Augenarzt kontrolliert werden müsse. Wegen der Augen nehme sie sonst keine Behandlungen in Anspruch. Im Jahr 2015 habe die Zweitbeschwerdeführerin eine Laserbehandlung in Anspruch genommen, um keine Brille tragen zu müssen. Im Alltag sei die Zweitbeschwerdeführerin durch ihr ihre nicht volle Sehkraft nicht eingeschränkt. Seit ihrem neunten Lebensjahr leide die Zweitbeschwerdeführerin unter Diabetes Typ I. Sie stehe deswegen unter ärztlicher Kontrolle und spritze fünfmal pro Tag Insulin. Schon in der Russischen Föderation habe sie seit ihrem neunten Lebensjahr Insulin spritzen müssen. Sie habe das Insulin dort in Tschetschenien, in Rostow und Dagestan erhalten und sei behandelt worden. Ihre Zuckererkrankung sei vor der Ausreise in der Russischen Föderation ohne Probleme behandelt worden. Die Zweitbeschwerdeführerin werde nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat erneut Zugang zu ausreichender Behandlung ihrer Diabeteserkrankung haben. In der Vergangenheit – diagnostiziert am 28.04.2017 – litt die Zweitbeschwerdeführerin an einer Stillpsychose und wurde dagegen medikamentös behandelt. Der Erstbeschwerdeführer wie Zweitbeschwerdeführerin seien arbeitsfähig.

Dieses Erkenntnis erwuchs am 04.02.2020 in Rechtskraft.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 04.08.2020 stellten die Beschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Im Zuge der Einvernahme am selben Tag gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er in Russland nach wie vor verfolgt würde. Männer der Gruppe von „Kadyrov“ insbesondere Kadyrovs Cousin „Islam“ wolle den Erstbeschwerdeführer zu dessen Informanten machen. Vor allem über Männer, welche er noch nie getroffen oder gesehen habe. Er sollte sie ausliefern und an Kadyrov verpfeifen. Sie hätten ihm mit dem Umbringen gedroht, wenn er das nicht tue. Es sei schlimmer geworden. Zu Hause sei sein Bruder von Kadyrovs Männern belästigt und über den Aufenthaltsort des Erstbeschwerdeführers befragt worden. Zudem habe vor einem Monat eine Einberufung zum Militärdienst bekommen. Diese Einberufung habe ihm sein Bruder geschickt. Diese Einberufung sei mit 07.07.2020 um 11:00 Uhr datiert. Er habe eine Kopie mitgenommen und lege diese vor, wobei dies nur ein Vorwand sei, damit er nach Russland zurückkehre bzw. zurückkehre müsse, damit ihn die Männer von Kadyrov festnehmen könnten, wenn er dort erscheine. Sein Leben sei in Gefahr, wenn er dort erscheine.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte im Zuge ihrer Erstbefragung vor, dass ihre alten Gründe aufrecht blieben und sie dieselben Gründe, wie ihr Mann habe.

2.2. Am 17.02.2021 wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer über Nachfrage, was sich seit dem zweitinstanzlichen letzten abgeschlossenen Verfahren am 04.02.2020 geändert habe, an, dass er zurzeit nicht nach Tschetschenien zurückkehren könne, da die Probleme wegen denen er hergekommen sei, immer noch aufrecht seien. Er habe Probleme wegen Islam KADIROV. Das seien die einzigen Probleme. Den Einberufungsbefehl zum Militärdienst vom 07.07.2020 besitze er nicht im Original, da er wegen der Quarantäne nicht in Kontakt treten habe können. Er wisse nicht, wie er sich das schicken lassen könnte. Sein Bruder habe ihm diese Kopie über WhatsApp gesandt. Die Frage, ob ein neuer Verfolgungssachverhalt vorliege, bejahte der Erstbeschwerdeführer und gab an, dass wenn er mit seiner Mutter oder mit seinem Bruder telefonieren würde, dann würden sie sagen, dass die ein oder andere Person in der Nachbarschaft abgeholt würde. Als er vor einem Monat mit seinem Bruder telefonierte, sagte dieser, dass er, zumindest vorübergehend nicht zurückkehren solle. Er ersuche darum, vorübergehend nicht zurückgeschickt zu werden. Damit meine er, dass Islam Kadyrov, mit dem er Probleme hatte, der Cousin des Präsidenten Kadyrov sei. Islam habe einen USB Stick verloren. Auf diesem Stick wäre ein Video auf dem die Foltermethoden des Präsidenten Kadyrov ersichtlich. Dies könne kann man auf Youtube aufrufen. Die Folge wäre, dass Russland gesagt habe, dass Islam Kadyrov gekündigt werden sollte. Er hoffe, dass die Änderungen bald stattfänden.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte im Zug der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anfangs vor, dass sie im zweiten Monat schwanger und zuckerkrank sei. Sie nehme regelmäßig Insulin und Vitamine für Schwangere. Über Nachfrage, was sich seit dem letzten Verfahren vom 04.02.2020 geändert habe, gab sie an, dass sie keine eigenen Gründe habe. Ihr Mann dürfe nicht zurück, deshalb habe sie um Asyl angesucht. Ihre Kinder, die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen hätten keine eigenen Fluchtgründe. Sie seien alle gesund und würden keine Medikamente einnehmen. Den Beschwerdeführern wurde das Länderfeststellungen ausgehändigt und eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Am 25.02.2021 langte durch den gewillkürten Vertreter der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein.

2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 02.04.2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer hinsichtlich des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Unter den Spruchpunkten III. wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkte IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte V.). Ferner wurde unter den Spruchpunkten VI. gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer im neuerlichen Asylverfahren keinen glaubhaften Kern aufweise und weiterhin der Umstand der entschiedenen Sache vorliege. Eine konkrete, gegen die Person des Erstbeschwerdeführers gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder privater Dritter hätte er nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in ihrem aktuellen Asylantrag keine eigenen Gründe angegeben und sich nur auf jene ihres Gatten bezogen. Im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin wurde auf die aktuelle Entscheidung ihres Gatten, dem Erstbeschwerdeführer verwiesen, im Rahmen dessen Asylverfahren festgestellt worden sei, dass der Umstand der entschiedenen Sache fortbestehe. Aufgrund des Fehlen eigener, von ihrem Gatten unabhängiger Fluchtgründe, bestehe somit der Umstand der entschiedenen Sache auch in Bezug auf ihren aktuellen Antrag auf internationalen Schutz weiterhin. In den Bescheiden der Dritt—bis Fünftbeschwerdeführerinnen wurde moniert, dass weder aus dem Vorbringen deren gesetzlichen Vertreterin, noch aus den im Erstverfahren zugrunde gelegten Feststellungen zur Russischen Föderation, unter Berücksichtigung von aktualisierten Versionen des im Erstverfahren verwendeten Quellenmaterials, sich Hinweise auf eine sich seit dem rechtskräftigen Abschluss des Vorverfahrens maßgeblich geänderte Lage, ergeben hätten. Im gegenständlichen Fall liege keine relevante Änderung der Rechtslage des vorliegenden Begehrens vor und habe sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so stehe die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Was die weiteren und gemäß § 8 AsylG 2005 berücksichtigungswürdigen Aspekte betreffe, sei anzumerken, dass sich im gegenständlichen Verfahren ebenso kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft der Erstverfahren entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt ergeben habe, weder im Hinblick auf die persönliche Situation der Beschwerdeführer, noch im Hinblick auf die allgemeine Lage in der Russischen Föderation. Die Beschwerdeführer würden in ihrem Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen. Sie seien arbeitsfähig und die elementare Grundversorgung in ihrem Herkunftsland sei gewährleistet. Zur eingebrachten Stellungnahme folgerte das Bundesamt, dass dieses nicht das Vorbringen durch Beigabe von Beweismitteln oder Nachreichung konkreter Angaben zu den behaupteten Fluchtgründen diesen Glaubhaftigkeit zukommen ließe. Auch hier sei vage angegeben worden, dass der Bruder des Erstbeschwerdeführers im Jahr 2020 in Tschetschenien, undefinierten Repressalien ausgesetzt gewesen wäre. Seine behauptete Einberufung zum Militärdienst finde in dieser Stellungnahme überhaupt keine Erwähnung. Der Erstbeschwerdeführer halte seine, bereits als unglaubhaft erkannten früheren Fluchtgründe aufrecht und behauptete anhaltendes Bestehen, wobei er es nicht vermochte ebenjene durch seine Angaben glaubhafter als bei seiner letzten Entscheidung darzustellen. Sein Vorbringen der Einberufung zum Militärdienst enthalte keinen glaubhaften Kern, da es sich einerseits auf die Vorlage einer unüberprüfbaren Kopie eines an sich schon kaum als authentisch feststellbaren Schriftstückes, welches in sich schon erheblichen Anlass für Zweifel biete, und andererseits auf seine völlig detaillosen und auch widersprüchlichen Angaben hierzu stütze. Somit liege weiterhin der Umstand der entschiedenen Sache vor.

2.4. Gegen die oben angeführten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16.04.2021 fristgerecht Beschwerde. Im Wesentlichen wurde moniert, dass keine entschiede Sache vorliege. Zutreffend sei, dass der Erstbeschwerdeführer schon im Vorverfahren angegeben habe, dass er den Befehl zur Stellung bereits im Heimatland bekommen habe, jedoch nehme der Erstbeschwerdeführer an, dass diese erneute Ladung zur Stellung lediglich dazu diene, herauszufinden, wo sich der Erstbeschwerdeführer befinde, da die Gruppe rund um Kadyrov immer noch Interesse daran habe, den Erstbeschwerdeführer zu finden, da er einer Gruppe angehöre, welcher sich kritisch zu Kadyrov geäußert habe. Der Erstbeschwerdeführer befürchte, dass er als Spitzel eingesetzt werde, um seine Freunde auszuliefern. Der Erstbeschwerdeführer könne sich eben nicht an den Sicherheitsapparat wenden, da die Verfolgung von staatlicher Stelle ausgehe. Ferner sei die Behörde auf die Schwangerschaft und die Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin, Diabetes, nur oberflächlich eingegangen. Dabei wurde angemerkt, dass sich der Diabetes aufgrund der Schwangerschaft verschlechtert habe. Zudem nehme sie psychologische Betreuung in ihrem Quartier in Anspruch. Eine Rückkehr sei den Beschwerdeführern nicht möglich und zumutbar, da der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin deren Heimat vor mehr als sechs Jahren unfreiwillig verlassen hätte müssen und seien die minderjährigen Beschwerdeführer in Österreich geboren. Es könne eben nicht davon ausgegangen werden, dass die Familie im Heimatland wieder Fuß fassen würde. Die Zweitbeschwerdeführerin sei westlich eingestellt und wäre ihr und zukünftig auch den minderjährigen Beschwerdeführern ein selbstbestimmtes Leben nahezu unmöglich.

Durch die Pandemie habe sich auch die allgemeine Lage in Tschetschenien weiter zugespitzt. Bei einer Rückkehr würden die Beschwerdeführer in eine ausweglose Lage kommen, da es teilweise Streitigkeiten in der Familie gebe und eine Unterstützung der Familie auch dazu führen würde, dass die Unterstützer ins Fadenkreuz der Verfolger des Erstbeschwerdeführers geraten würden. Den Beschwerdeführern drohe somit eine Verletzung ihrer in Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte. Auch widerspreche eine Abschiebung der Beschwerdeführer dem Kindeswohl der minderjährigen Beschwerdeführer und auch jenem des ungeborenen Kindes.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakte sowie aus dem Akteninhalt, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem moslemischen Glauben zugehörig. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen. Die Erst- bis Zweitbeschwerdeführer lebten bis vor ihrer Ausreise im Herkunftsstaat. Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen sind in Österreich geboren.

Die erwachsenen Beschwerdeführer reisten im Jänner 2015 in das österreichische Bundesgebiet ein. Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer Einreise bzw. Geburt durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben vor ihrer Ausreise in Tschetschenien in der Stadt XXXX gelebt. Dort haben sie – die Zweitbeschwerdeführerin ab der Heirat - mit den Eltern, drei Brüdern und einer Schwester des Erstbeschwerdeführers in einem großen Haus zusammengelebt; dieses gehört den Eltern des Erstbeschwerdeführers. Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin haben in diesem Haus gelebt, weil sie dort viel Platz gehabt haben. Ferner hat ein weiterer Bruder des Erstbeschwerdeführers namens XXXX ein weiteres Haus in der Nachbarschaft gehabt, wo Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin ebenso hätten einziehen können. Die Beschwerdeführer könnten nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat an ihrem früheren Wohnsitz im Haus der Eltern des Erstbeschwerdeführers Wohnsitz nehmen. Bis zur Hochzeit lebte die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in einem gemeinsamen Haushalt. Die Hochzeit zwischen Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin fand am XXXX statt. Den Lebensunterhalt hat der Erstbeschwerdeführer zunächst durch Arbeit auf Baustellen, später durch Erwerbstätigkeit in einem Möbelsalon erwirtschaftet. Die Zweitbeschwerdeführerin war noch nie erwerbstätig. Sie lebte bis zur Hochzeit vom Einkommen ihrer Mutter, danach von jenem des Erstbeschwerdeführers. Der Erstbeschwerdeführer hat elf Jahre lang die Grundschule besucht und wurde danach erwerbstätig. Er hat keine formale Berufsausbildung absolviert, sondern sich Fertigkeiten während seiner Berufsausübung praktisch angeeignet. Der Lebensstandard des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin - vor wie nach der Hochzeit - war gut. Die Beschwerdeführer werden nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihren Lebensunterhalt aus einer Erwerbstätigkeit der erwachsenen Beschwerdeführer sichern können. Die Zweitbeschwerdeführerin hat zunächst die Schule besucht. Nach der Schule hat sie eine einjährige Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und abgeschlossen. Weitere Ausbildungen hat die Zweitbeschwerdeführerin nicht absolviert.

In der Russischen Föderation leben noch die Eltern, die Brüder, die Schwester und Cousins des Erstbeschwerdeführers. Seine Eltern und drei jüngeren Brüder und seine Schwester leben nach wie vor am Familienwohnsitz in XXXX , wo auch der Erstbeschwerdeführer mit der Zweitbeschwerdeführerin vor seiner Ausreise wohnte. Sein Bruder namens XXXX bewohnt ein Haus in der Nachbarschaft weiter. Der Erstbeschwerdeführer steht zu seinen Eltern, seinen Brüdern und seiner Schwester per WhatsApp in Kontakt; selten hat er auch Kontakt zu seinen Cousins. Den Verwandten des Erstbeschwerdeführers geht es gegenwärtig gut. In XXXX leben noch Verwandte väterlicherseits wie mütterlicherseits der Zweitbeschwerdeführerin, darunter insbesondere ihre Mutter und ihre Schwester. Zu Mutter und Schwester steht die Zweitbeschwerdeführerin in Kontakt. Die Mutter verkauft nach wie vor in XXXX Fleisch. Die Schwester arbeitet nach wie vor in einem Kindergarten. Es geht ihnen normal.

Die minderjährigen Beschwerdeführerinnen sind gesund. Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an Diabetes und muss Insulin spritzen. Diese Erkrankung wurde bei ihr schon im Alter von neun Jahren entdeckt. Sie steht deswegen unter ärztlicher Kontrolle und spritzt mehrmals pro Tag Insulin. Schon in der Russischen Föderation hat sie seit ihrem neunten Lebensjahr Insulin spritzen müssen. Sie hat das Insulin dort in Tschetschenien, in Rostow und Dagestan erhalten und ist behandelt worden. Ihre Zuckererkrankung ist vor der Ausreise in der Russischen Föderation ohne Probleme behandelt worden. Die Zweitbeschwerdeführerin wird nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat erneut Zugang zu ausreichender Behandlung ihrer Diabeteserkrankung haben. Zudem leidet die Zweitbeschwerdeführerin an einer Laerkoagulation der Netzhaut wegen proliferativer diabetischer Retinopathie und muss alle sechs Monate durch einen Augenarzt kontrolliert werden. Wegen der Augen nimmt sie sonst keine Behandlungen in Anspruch. Im Jahr 2015 nahm die Zweitbeschwerdeführerin eine Laserbehandlung in Anspruch, um keine Brille tragen zu müssen. Im Alltag ist die Zweitbeschwerdeführerin durch ihr ihre nicht volle Sehkraft nicht eingeschränkt. Die Zweitbeschwerdeführerin ist schwanger.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer an keinen dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche bei Rückkehr in die Russische Föderation nicht behandelt werden würden bzw. könnten oder die BF keinen Zugang zur medizinischen Versorgung hätte. In der Russischen Föderation herrscht die Coronapandemie wie weltweit. Die BF 2 gehört zu einer Risikogruppe. Die Russische Föderation ist in der Lage die entsprechende medizinische Versorgung, auch für Risikopatienten, wie in Österreich sicherzustellen. Die Anzahl an Neuinfektionen liegt bei ca. 8000 pro Tag und die Anzahl an Verstorbenen bei ca. 300.

Der Erstbeschwerdeführer wie Zweitbeschwerdeführerin sind arbeitsfähig.

Die unbescholtenen Erst- bis Fünftbeschwerdeführer halten sich seit ihrer Antragstellung im Jahr 2015 bzw. seit ihrer Geburt durchgehend in Österreich auf. Sie verfügten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens und mussten sich ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein. Sie beziehen seit ihrer Einreise im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Die Beschwerdeführer verfügen im Bundesgebiet über keine weiteren Verwandten. Der Erstbeschwerdeführer leistete gelegentlich Hilfsleistungen bei der Gemeinde. Die Beschwerdeführer haben freundschaftliche Beziehungen zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen. Der Erstbeschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, hat über seine Deutschkenntnisse aber keine Prüfungen absolviert. Der Erstbeschwerdeführer versteht alltägliches Deutsch zu wesentlichen Teilen, kann sich aber nur gebrochen ausdrücken. Die Zweitbeschwerdeführerin hat einen Deutschkurs des Niveaus A1 besucht. Formelle Prüfungen über ihre Deutschkenntnisse hat sie nicht abgelegt, sondern lediglich eine Vorprüfung absolviert. Die Beschwerdeführer gehören keinem Verein und keiner sonstigen Organisation an. Eine nachhaltige Integration der Beschwerdeführer im Sinne einer tiefgreifenden Verwurzelung im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden. Es liegen keine Hinweise auf eine ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführer, insbesondere in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, in Österreich vor. Die Erst- bis Zweitbeschwerdeführer verfügen über keine ausreichenden finanziellen Mittel, um deren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin besuchen den Kindergarten; die jüngste Beschwerdeführerin nicht. Mit den Eltern sprechen die minderjährigen Beschwerdeführerinnen Tschetschenisch und Russisch. Die Zweitbeschwerdeführerin ist schwanger.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellten am 05.01.2015 ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesamtes vom 16.07.2015 abgewiesen wurden. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurden den Erst- und Zweit-beschwerdeführerin nicht erteilt. Es wurden Rückkehrentscheidungen gegen Erst- und Zweit-beschwerdeführerin erlassen und unter einem festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. Die Frist für ihr freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen. Dagegen wurde Beschwerde erhoben. Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin geboren und am 25.08.2015 für sie ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, der mit Bescheid vom 11.09.2015 ebenfalls vollinhaltlich abgewiesen wurde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.04.2016 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Am XXXX wurde die Viertbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren. Für sie wurde am 19.12.2016 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Am 16.02.2017 stellten der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin ebenso Folgeanträge auf internationalen Schutz. Am XXXX wurde die Fünftbeschwerdeführerin im Bundesgebiet geboren; für sie wurde am 11.07.2019 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes vom 28.09.2018 vom 06.08.2019 im Fall der Fünftbeschwerdeführerin wurden die Anträge auf internationalen Schutz dahingehend erledigt, dass sie für die Zuerkennung des Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurden. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurden nicht erteilt. Es wurden Rückkehrentscheidungen gegen die Beschwerdeführer erlassen und festgestellt, dass Ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2020 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 04.02.2020 in Rechtskraft.

Die Beschwerdeführer reisten trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nicht aus, sondern verblieben unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet und stellte am 04.08.2020 im Fall der Erst- bis Drittbeschwerdeführer ihre dritten und im Fall der Viert- bis Fünftbeschwerdeführer ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens (Jänner 2020) über die vorhergehenden Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer kann nicht festgestellt werden.

Das Vorbringen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer betreffend ihre Folgeanträge weist keinen glaubwürdigen Kern auf. Zudem wurden auch im Hinblick auf die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerinnen keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht. Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung (sohin seit 04.02.2020) über ihre Anträge auf internationalen Schutz ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnten. Eine westliche Orientierung der Zweitbeschwerdeführerin konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten sind, wonach den Beschwerdeführern in der Russischen Föderation aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ihrer Person drohen würde oder, dass ihnen im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die belangte Behörde hat ein insgesamt mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen bzw. substantiiert begründeten Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen.

Das BVwG konnte sich bei seiner Entscheidung abschließend und vollständig auf die bereits durch das BFA vorgenommenen Ermittlungen und teilt die in den angefochtenen Bescheiden vorgenommenen Feststellungen.

Zwischen rechtskräftigem Abschluss der Vorverfahren und der Zurückweisung der gegenständlichen Folgeanträge wegen entschiedener Sache ist insgesamt keine wesentliche Änderung der Sach-oder Rechtslage – weder aufgrund des gegenständlichen Vorbringens noch hinsichtlich des Privat- und Familienlebens, des Gesundheitszustandes oder der allgemeinen Lage - im Heimatstaat der Beschwerdeführer der angefochtenen Bescheide eingetreten.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation unzulässig wäre.

Zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation wurden in den angefochtenen Bescheiden umfangreiche Feststellungen getroffen, welche seitens des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für das gegenständliche Erkenntnis herangezogen werden. Diesen Feststellungen ist insbesondere zu entnehmen, dass in der Russischen Föderation nicht eine solche Situation herrscht, in der praktisch jedermann ein reales Risiko einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK oder nach dem 6. oder 13. ZPEMRK droht. Insbesondere ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass im gesamten Staatsgebiet der Russischen Föderation nicht jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, die die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt. Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, wird eine in die Russische Föderation abgeschobene Person durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine „unmenschliche Lage" versetzt und herrscht jedenfalls nicht eine solche Situation, die praktisch für jede Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Neben dem Umstand, dass der Erstbeschwerdeführer sein nicht glaubhaftes Vorbringen steigerte und demnach – wie das Bundesamt feststellte – die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens wie bereits im ersten und zweiten Verfahren fortsetzte, ist darauf zu verweisen, dass in der Russischen Föderation ein Rechtsschutz- und Justizwesen vorhanden ist; es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassung, Zivil, Administrativ und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet. Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation einschließlich Tschetscheniens. Ferner ist den Länderberichten zu entnehmen, dass es in der Russischen Föderation ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem gibt. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird. Frauen mit kleinen Kindern gehören einer sozialen Gruppe an, die besonders von sozialer Unterstützung wie Lohnfortzahlung während des Mutterschutzes und dem sogenannten „Mutterschaftskapital“, einer Beihilfe, Nutzen ziehen. Zudem ist das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger in der Verfassung verankert. Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Auch Diabetes ist in der Russischen Föderation behandelbar. Auch in Tschetschenien ist die primäre als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es – wie für alle Bürger der Russischen Föderation – auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien [oder anderen Teilrepubliken] nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen. Für die Kinder besteht die Möglichkeit eine Schule zu besuchen, sie fort- und weiterzubilden und es besteht keine Gefahr aufgrund der Sicherheitslage in der Russischen Föderation für die Kinder.

1.2. Zur Situation in der Russische Föderation:

1.2.1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation vom 27.03.2020:

1. Politische Lage

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (GIZ 2.2020c, vgl. CIA 28.2.2020). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 2.2020a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister, und entlässt sie (GIZ 2.2020a). Wladimir Putin ist im März 2018 bei der Präsidentschaftswahl mit 76,7% im Amt bestätigt worden (Standard.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl stärkster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motiviert eingestuften Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018, vgl. FH 4.2.2019). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach vielen Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der [derzeitigen] Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzesentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Zweikammerparlament, bestehend aus Staatsduma und Föderationsrat, ist in seinem Einfluss stark beschränkt (GIZ 2.2020a). Der Föderationsrat ist als „obere Parlamentskammer“ das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (GIZ 2.2020a, vgl. AA 2.3.2020c).

Im Jänner 2020 kündigte Präsident Putin bei seiner Neujahrsrede Verfassungsänderungen an. Daraufhin trat die Regierung unter Ministerpräsident Medwedew zurück (Spiegel Online 15.1.2020). Kurz darauf wurde Putins Kandidat Michail Mischustin, der zehn Jahre lang Leiter der russischen Steuerbehörde war, von der Duma zum neuen Ministerpräsident gewählt (Spiegel Online 16.1.2020). Dmitrij Medwedew wird Vizevorsitzender im Sicherheitsrat. Die angestrebte Verfassungsänderung ist ein umfangreicher Maßnahmenkatalog, bei dem es sich laut Putin um von der Gesellschaft geforderte Veränderungen handelt (Spiegel Online 15.1.2020). Das Volk wird über die Verfassungsänderungen abstimmen, um diese zu legitimieren (NZZ 19.3.2020), jedoch wird die Abstimmung aufgrund der Corona-Pandemie vom geplanten Termin im April nach hinten verschoben (ORF.at 25.3.2020). Vorgesehen ist nicht nur eine Ausweitung der Machtbefugnisse des Präsidenten. Putin soll nach einem Votum der Abgeordneten auch die Möglichkeit haben, sich noch einmal für maximal zwei Amtszeiten zu bewerben – er könnte also bei Wiederwahl bis 2036 im Amt bleiben. Nach bisheriger Verfassung könnte er 2024 nicht mehr antreten. Kritiker und Oppositionelle werfen Putin einen Staatsstreich vor. Das Verfassungsgericht hat den Änderungen bereits zugestimmt (NZZ 19.3.2020).

Zu den wichtigen Parteien der Russischen Föderation gehören: die Regierungspartei Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern; Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern; die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist; die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist; die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern; die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), links-zentristisch mit 85.000 Mitgliedern; die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 2.2020a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (343 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (39 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (RIA Nowosti 23.9.2016, vgl. Global Security 21.9.2016). Die sogenannte Systemopposition stellt die etablierten Machtverhältnisse nicht infrage und übt nur moderate Kritik am Kreml (SWP 11.2018).

Russland ist eine Föderation, die (einschließlich der international nicht anerkannten Annexion der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges Sewastopol) aus 85 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 2.2020a, vgl. AA 2.3.2020c). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 2.2020a).

Es gibt acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten), denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum („exekutive Machtvertikale“) deutlich (GIZ 2.2020a).

Bei den in einigen Regionen stattgefundenen Regionalwahlen am 8.9.2019 hat die Regierungspartei Einiges Russland laut Angaben der Wahlleitung in den meisten Regionen ihre Mehrheit verteidigt. Im umkämpften Moskauer Stadtrat verlor sie allerdings viele Mandate (Zeit Online 9.9.2019). Hier stellt die Partei künftig nur noch 25 von 45 Vertretern, zuvor waren es 38. Die Kommunisten, die bisher fünf Stadträte stellten, bekommen 13 Sitze. Die liberale Jabloko-Partei bekommt vier und die linksgerichtete Partei Gerechtes Russland drei Sitze (ORF 18.9.2019). Die beiden letzten waren bisher nicht im Moskauer Stadtrat vertreten. Zuvor sind zahlreiche Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen worden, was zu den größten Protesten seit Jahren geführt hat (Zeit Online 9.9.2019), bei denen mehr als 1.000 Demonstranten festgenommen wurden (Kleine Zeitung 28.7.2019). Viele von den Oppositionskandidaten haben zu einer "smarten Abstimmung" aufgerufen. Die Bürgerinnen sollten jeden wählen – nur nicht die Kandidaten der Regierungspartei. Bei den für die russische Regierung besonders wichtigen Gouverneurswahlen gewannen die Kandidaten der Regierungspartei überall (Zeit Online 9.9.2019).

1.1.    Tschetschenien

Letzte Änderung: 27.03.2020

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben – eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte von ihnen Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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