TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/18 96/11/0093

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Veröffentlicht am 18.02.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
KFG 1967 §64 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. Februar 1996, Zl. 11-39 Po 9-1996, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 8. Jänner 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm für die Zeit bis 1. Juli 1998 keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die Erstbehörde aus, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 14. April 1995 die Lenkerberechtigung für die Dauer von neun Monaten vorübergehend entzogen worden, weil er bereits zum zweiten Mal innerhalb von neun Monaten eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe. Am 17. Juni 1995 habe er, ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein, einen Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem zwei Personen schwer sowie der Beschwerdeführer sowie zwei weitere Personen leicht verletzt worden seien. Am 17. Juni 1995 habe er im Landeskrankenhaus Bad R, nachdem er auf Grund der bei dem Unfall erlittenen leichten Verletzungen von drei namentlich genannten Ärzten untersucht und erstversorgt worden sei, im Beisein dieser Ärzte den Alkotest mittels Alkomaten und in der Folge die Blutabnahme zur Alkoholbestimmung verweigert. Die bei seiner Vernehmung am 15. September 1995 aufgestellte Behauptung des Beschwerdeführers, er sei zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest bzw. zur Blutabnahme bewußtlos gewesen, sowie sein Vorbringen in dem von seinem anwaltlichen Vertreter eingebrachten Schriftsatz vom 25. September 1995, er sei zum Zeitpunkt der Aufforderung nicht dispositionsfähig gewesen, seien als Schutzbehauptung anzusehen, da sich aus den Zeugenaussagen der bei der Amtshandlung anwesenden Ärzte sowie der beiden damals einschreitenden Gendarmeriebeamten ergebe, daß der Beschwerdeführer dispositionsfähig gewesen sei. Die Einholung eines gerichtsärztlichen Gutachtens sei daher entbehrlich.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab und führte aus, der vom Beschwerdeführer beantragte Beweis durch Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens über seine Dispositionsfähigkeit im Zeitpunkt der Aufforderung sei nicht durchzuführen gewesen. Es gehe im vorliegenden Verfahren nämlich nicht darum, ob der Beschwerdeführer die Bedeutung der an ihn gerichteten Frage bewußt erfaßt habe oder nicht. Es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer bereits zweimal wegen Alkoholdelikten rechtskräftig bestraft worden sei, weshalb ihm zuletzt die Lenkerberechtigung für die Dauer von neun Monaten entzogen worden sei. Dennoch habe sich der Beschwerdeführer wieder ans Steuer eines Kraftfahrzeuges gesetzt und dieses offensichtlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Aus den Aussagen der Ärzte ergebe sich, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Einlieferung stark alkoholisiert gewesen sei, insbesondere habe die Atemluft einen starken Geruch nach Alkohol aufgewiesen. Dieser Verstoß sei als derart gravierend zu werten, daß der Beschwerdeführer für die Dauer der festgesetzten Entziehungszeit als verkehrsunzuverlässig angesehen werden müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Begründung des angefochtenen Bescheides läßt erkennen, daß sich die belangte Behörde - anders als die erstinstanzliche Behörde - nicht darauf gestützt hat, der Beschwerdeführer habe am 17. Juni 1995 durch die Verweigerung der Atemluftuntersuchung eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen, sodaß deshalb eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliege. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen hat, kann nicht näher darauf eingegangen werden, ob auf Grund der vorliegenden übereinstimmenden Zeugenaussagen die Annahme gerechtfertigt war, der Beschwerdeführer habe eine derartige Übertretung begangen.

Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann entnommen werden, daß die belangte Behörde von der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 ausgegangen ist (arg.: "... lenkte dieses offensichtlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand"). Für die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden, mangelt es aber an entsprechenden Ermittlungsergebnissen. Beim Beschwerdeführer wurde weder eine Atemluftuntersuchung noch eine Blutalkoholuntersuchung durchgeführt, noch eine ärztliche Untersuchung zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol (§ 5 Abs. 5 StVO 1960) vorgenommen. Der von den Zeugen wahrgenommene Alkoholgeruch der Atemluft kann auch bei einem Alkoholisierungsgrad auftreten, der noch keine Beeinträchtigung durch Alkohol im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 darstellt; dasselbe gilt für die motorisch verlangsamten Muskelreflexe. Soweit sich die belangte Behörde darauf stützt, daß der Beschwerdeführer am 17. Juni 1995 ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, ohne im Besitz einer Lenkerberechtigung zu sein, ist festzuhalten, daß die in diesem Verhalten gelegene Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG 1967 zwar im Rahmen der Wertung einer bestimmten Tatsache (§ 66 Abs. 3 KFG 1967) zum Nachteil des Besitzers einer Lenkerberechtigung zu berücksichtigen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/11/0155), selbst jedoch keine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 KFG 1967 darstellt.

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Mundgeruch Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Zeugen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996110093.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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