TE Vfgh Beschluss 2021/7/16 E2537/2021

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Veröffentlicht am 16.07.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit
37/02 Kreditwesen

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Allg
InvestmentfondsG §150, §190, §190a
VfGG §7 Abs1, §85 Abs2

Leitsatz

Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die – mit der rechtskräftigen Verhängung einer Geldstrafe verbundene – Veröffentlichung der Identität der sanktionierten Person durch die Finanzmarktaufsicht nach dem InvestmentfondsG; unverhältnismäßiger Nachteil (Reputationsverlust) der beschwerdeführenden Gesellschaft durch die Veröffentlichung im Internet

Spruch

Dem in der Beschwerdesache der ********************************, **********, **** *********, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH, Parkring 2, 1010 Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. Juni 2021, Z W148 2238325-1/26E, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Juni 2021, W148 2238325-1/27Z, gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG Folge gegeben, soweit mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses eine Veröffentlichung nach §150 InvFG 2011 verbunden ist. Im Übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Begründung

Begründung

1. Mit Straferkenntnis vom 30. November 2020 verhängte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (in der Folge: FMA) über die beschwerdeführende Gesellschaft eine Verwaltungsstrafe iHv € 71.400,– wegen zwei Verstößen gegen das Investmentfondsgesetz 2011.

2. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde stellte das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) mit Erkenntnis vom 16. Juni 2021 das Strafverfahren hinsichtlich des einen Verstoßes ein, präzisierte den Tatvorwurf hinsichtlich des zweiten Verstoßes und verhängte über die beschwerdeführende Gesellschaft eine Verwaltungsstrafe iHv € 45.000,– gemäß §190a Abs3 iVm §190a Abs1 Z1 iVm §190 Abs5 Z1 InvFG 2011. Zugleich sprach das BVwG aus, dass die (General-)Direktoren der beschwerdeführenden Gesellschaft als Vertretungsorgane (gemäß §9 Abs2 iVm Abs1 VStG) selbst die Pflichtverletzung tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft begangen hätten; ihr Verhalten als natürliche Personen werde der beschwerdeführenden Gesellschaft zugerechnet. Den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens setzte das BVwG zunächst mit € 5.500,– fest, berichtigte diesen aber mit Beschluss vom 17. Juni 2021 auf € 4.500,–.

3. In der dagegen gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird ua der Antrag gestellt, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend bringt die beschwerdeführende Gesellschaft zusammengefasst vor, das BVwG habe nunmehr einerseits die Möglichkeit, die verhängte Geldstrafe zu vollstrecken. Andererseits sei mit der – nach einer rechtskräftigen Verhängung einer Geldstrafe zu erfolgenden – "Naming-and-Shaming"-Veröffentlichung durch die FMA gemäß §150 Abs2 InvFG 2011 ein unwiederbringlicher Reputationsschaden für die beschwerdeführende Gesellschaft verbunden. Der Schutz des Kapitalmarktes stelle kein zwingendes öffentliches Interesse dar, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehe, weil in diesem Zusammenhang nicht bloße Befürchtungen, sondern nur konkrete Hinweise den sofortigen Vollzug eines Erkenntnisses rechtfertigen könnten. Für die beschwerdeführende Gesellschaft sei mit dem Vollzug des Erkenntnisses ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden: Die FMA sei gemäß §150 Abs2 InvFG 2011 verpflichtet, die rechtskräftige Verurteilung im Internet zu veröffentlichen. Dies bedeute einen unwiederbringlichen Reputationsschaden für die beschwerdeführende Gesellschaft, weil gerade ihr Name veröffentlicht werde. Darüber hinaus würden auch die im Erkenntnis genannten Organmitglieder durch die Veröffentlichung in ihrem beruflichen Fortkommen und ihrer Reputation beeinträchtigt. Auch die durchzuführende Interessenabwägung spreche klar für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

4. Der Verfassungsgerichtshof gab in weiterer Folge dem BVwG sowie der FMA die Möglichkeit, sich binnen einer Woche zu dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie insbesondere zu der Frage, ob angesichts der mittlerweile erfolgten Beendigung des inkriminierten Verhaltens noch zwingende öffentliche Interessen bestehen, die gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprechen, zu äußern.

5. Das BVwG machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Die FMA erstattete eine Äußerung, in der sie zusammengefasst ausführt, die FMA könne gemäß §150 Abs3 InvFG 2011 nach einer fallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung von einer Veröffentlichung absehen, diese anonymisieren oder auch aufschieben. Es sei somit nicht gesichert, dass der von der beschwerdeführenden Gesellschaft befürchtete Reputationsschaden überhaupt eintreten werde. Eine Veröffentlichung nach §150 InvFG 2011 diene dem öffentlichen Interesse des Anlagerschutzes; es solle damit eine abschreckende, generalpräventive Wirkung erzielt werden. Eine Veröffentlichung solle das Vertrauen in den österreichischen Finanz- und Kapitalmarkt stärken. Zudem sei die Veröffentlichung – im Gegensatz zu anderen Naming-and-Shaming-Bestimmungen – erst nach der Rechtskraft des Straferkenntnisses vorgesehen. Darüber hinaus handle es sich bei der Einrichtung einer Depotbank um eines der wichtigsten Schutzinstrumente für Anleger. §42a Abs2 Z4 InvFG 2011 enthalte spezifische Anforderungen an die Aufgabendelegation durch eine Depotbank. Im vorliegenden Fall habe die beschwerdeführende Gesellschaft in einem nicht unbeträchtlichen Zeitraum gegen eine zentrale Bestimmung des Anlegerschutzes verstoßen. Im Hinblick auf derartige Verstöße bestehe ein öffentliches Interesse, Anleger vor dem sorglosen Umgang mit den gesetzlichen Vorgaben zu warnen. Ein unverhältnismäßiger Reputationsschaden könne angesichts der geringen Strafhöhe ausgeschlossen werden. Der Umstand, dass der Verstoß bereits abgestellt worden sei, vermöge an dieser Beurteilung nichts zu ändern, zumal dies nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Verwaltungsstrafverfahrens zumeist der Fall sei. Zusammengefasst sprächen die öffentlichen Interessen des Gläubigerschutzes (Anlegerschutzes) sowie der Finanzmarktstabilität gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

6. Die beschwerdeführende Gesellschaft erstattete eine Gegenäußerung, in der sie der Äußerung der FMA mit näheren Argumenten entgegentrat.

7. Gemäß §85 Abs2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde mit Beschluss aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der mit diesem eingeräumten Berechtigung für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

8. Gemäß §150 Abs2 InvFG 2011 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen wegen Verstößen gemäß §190 und §190a InvFG 2011 von der FMA mitsamt der Identität der sanktionierten Person und den Informationen zu Art und Charakter des zu Grunde liegenden Verstoßes umgehend im Internet bekannt zu machen, nachdem die betreffende Person über die Entscheidung, mit der die Sanktion verhängt wurde, unterrichtet wurde. Die Veröffentlichung ist auch um jede gerichtliche dem Grunde nach bestätigende Entscheidung zu ergänzen. Gemäß §150 Abs3 InvFG 2011 kann die FMA nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unter bestimmten Voraussetzungen die Veröffentlichung aufschieben (Z1), anonymisieren (Z2) oder gänzlich davon absehen (Z3).

Eine rechtskräftige Verhängung einer Geldstrafe nach den genannten Bestimmungen – wie jene durch das angefochtene Erkenntnis – hat daher grundsätzlich zur Folge, dass die FMA die Identität der sanktionierten Person und Informationen zu Art und Charakter des zu Grunde liegenden Verstoßes umgehend im Internet bekannt zu machen hat. Ob die FMA von den ihr gemäß §150 Abs3 InvFG 2011 eingeräumten Möglichkeiten (Aufschub, Anonymisierung oder Entfall der Veröffentlichung) Gebrauch machen wird, kann vom Verfassungsgerichtshof nicht beurteilt werden; auszugehen ist vielmehr davon, dass die FMA die grundsätzliche Befugnis hat, eine solche Veröffentlichung vorzunehmen. Das angefochtene Erkenntnis ist daher einem Vollzug zugänglich und geeignet, für die antragstellende Gesellschaft unmittelbar nachteilige Folgen auszulösen.

9. Soweit sich die beschwerdeführende Gesellschaft mit ihrem Antrag gegen den Vollzug der verhängten Geldstrafe wendet, ist diesem keine Folge zu geben. Die beschwerdeführende Gesellschaft legt nicht substantiiert dar, warum sich durch die mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte Verwaltungsstrafe unverhältnismäßige Nachteile für sie als Folge der Entrichtung ergeben würden (vgl etwa VfGH 16.8.2013, B869/2013).

10. Anderes gilt jedoch hinsichtlich der von der FMA vorzunehmenden Veröffentlichung nach §150 Abs2 InvFG 2011. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass mit den Bestimmungen des Investmentfondsgesetzes 2011 (auch) die wichtigen öffentlichen Interessen des Gläubigerschutzes (Anlegerschutzes) sowie der Finanzmarktstabilität verfolgt werden. Dabei handelt es sich jedoch um keine zwingenden öffentlichen Interessen (vgl VfGH 19.4.2010, B329/10, zu insofern vergleichbaren Bestimmungen des Börsegesetzes; vgl auch VwGH 24.2.2012, AW 2012/17/0002).

11. Es ist daher in die Abwägung der beteiligten Interessen einzutreten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die FMA gemäß §150 Abs2 InvFG 2011 verpflichtet ist, rechtskräftige Verwaltungsstrafen wie jene des angefochtenen Erkenntnisses im Internet zu veröffentlichen. Ob die FMA von den ihr gemäß §150 Abs3 InvFG 2011 eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch machen wird, ist – wie bereits dargelegt (vgl Punkt 8) – für die vorliegende Entscheidung nicht von Relevanz. Die beschwerdeführende Gesellschaft legt in ihrem Antrag nachvollziehbar dar, dass eine Veröffentlichung gemäß §150 Abs2 InvFG 2011 für sie und ihre Organmitglieder mit einem unwiederbringlichen Reputationsschaden verbunden wäre. Die FMA konnte in ihrer Äußerung nicht darlegen, warum es im öffentliches Interesse jedenfalls geboten wäre, dass das angefochtene Erkenntnis sofort vollzogen werden muss, d.h. ohne dass der Ausgang des verfassungsgerichtlichen Verfahrens abgewartet werden dürfte.

12. Nach Abwägung der berührten Interessen ist daher davon auszugehen, dass der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses, soweit damit eine Veröffentlichung nach §150 InvFG 2011 verbunden ist, für die beschwerdeführende Gesellschaft mit einem unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des §85 Abs2 VfGG verbunden wäre. Dem Antrag ist daher insofern Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Wirkung aufschiebende, Bankenaufsicht, Datenschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E2537.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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