TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/21 LVwG-AV-840/001-2020

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Veröffentlicht am 21.06.2021
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Entscheidungsdatum

21.06.2021

Norm

SHG NÖ 2000 §15
ASVG §330a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Einzelrichter Dr. Becksteiner über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch die Vorsorgebevollmächtigte B in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 30. Juni 2020, ***, betreffend Verpflichtung zur Leistung eines Geldbetrages in der Höhe von € 2.165,60 als Kostenbeitrag für die mit Bescheid der Bezirkshaupt-mannschaft Tulln vom 08. Oktober 2018, ***, bewilligten Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.   Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 15 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 – NÖ SHG

§§ 330a, 707a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz - ASVG

Entscheidungsgründe:

Mit dem vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bekämpften Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Tulln Herrn A verpflichtet, als Kostenbeitrag zu der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 08. Oktober 2018, ***, bewilligten Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege einen Betrag in der Höhe von € 2.165,60 zu leisten.

Begründet wurde die Entscheidung damit, dass Herr A Sozialhilfe durch Hilfe bei stationärer Pflege erhalte. Das Land Niederösterreich übernehme aufgrund dessen Pflege- und Betreuungskosten in der Höhe von € 120,28 täglich. Herr A habe vom Finanzamt *** eine Steuergutschrift für das Jahr 2019 in der Höhe von gesamt € 2.707,-- erhalten.

Unter Verweis auf die §§ 330a, 707a Abs. 2 ASVG sowie § 15 Abs. 1 NÖ SHG und § 4 Abs. 1 Z. 3 der Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln sei daher ein Anteil von 80 % der gesamten Steuergutschrift von € 2.707,--, somit € 2.165,60 als Kostenbeitrag zu leisten.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde mit dem Hinweis, dass eine Grundlage für die Nachforderung nicht gesehen werde. Im Detail wird von Beschwerdeführerseite dahingehend argumentiert, dass zur Beurteilung der Einkommenshöhe insbesondere das Einkommenssteuergesetz heranzuziehen sei und werden in diesem Zusammenhang umfangreiche Ausführungen getroffen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat – ohne auf das Beschwerdevorbringen einzugehen – wie folgt erwogen:

Zutreffend führt die belangte Verwaltungsbehörde aus, dass gemäß § 330a (Verfassungsbestimmung) Allgemeines Sozialversicherungsgesetz ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig ist und diese Bestimmung gemäß § 707a ASVG mit 01. Jänner 2018 in Kraft getreten ist.

Dies bedeutet im Ergebnis, dass ein Zugriff auf Vermögen nicht mehr zulässig ist, weiterhin zulässig ist jedoch ein Zugriff auf Einkommen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen.

Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, ob die beiden Steuergutschriften in der Höhe von € 448,-- (zugeflossen am 21. März 2019) und in der Höhe von € 2.259,-- (zugeflossen am 29. April 2019), gesamt sohin € 2.707,--, von ihrer rechtlichen Qualität als Einkommen oder Vermögen zu beurteilen sind.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass Einkommen nur in einem zeitlichen Nahe-verhältnis zum Zuflusszeitpunkt als Einkommen anzusehen ist, darüberhinausgehend „mutiert“ das Einkommen zu Vermögen. Wenngleich eine gesetzliche Regelung darüber, ab welchem Zeitraum ein Einkommen ab Zuflusszeitpunkt nicht mehr als Einkommen sondern als Vermögen anzusehen ist, nicht besteht, ist im gegen-ständlichen Fall jedoch von folgender Situation auszugehen:

Die beiden Steuergutschriften stammen vom 21. März 2019 und 29. April 2019. Die Bezirkshauptmannschaft Tulln hat den nunmehr bekämpften Bescheid mit 30. Juni 2020 datiert, die Zustellung erfolgte durch Hinterlegung und begann die Abholfrist mit 03. Juli 2020.

Damit hat die Bezirkshauptmannschaft Tulln die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages mehr als ein Jahr nach dem Zuflusszeitpunkt der beiden Steuer-gutschriften ausgesprochen und besteht für das erkennende Verwaltungsgericht nicht der geringste Zweifel, dass zur Jahresmitte 2020 die Zuflüsse von Steuergutschriften von März und April 2019 jedenfalls schon als Vermögen einzustufen sind und nicht mehr als Einkommen. Damit handelt es sich nicht mehr um einen grundsätzlich zulässigen Zugriff auf „Einkommen“ sondern um einen unzulässigen Zugriff auf „Vermögen“.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Entscheidung nicht von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt, ebenso wenig ist fehlender oder divergierender Judikatur auszugehen. Somit ist nur die außerordentliche Revision zulässig.

Schlagworte

Sozialrecht; Sozialhilfe; Kostenbeitrag; stationäre Pflege; Einkommen; Vermögen; Zuflussprinzip;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.840.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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