TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/20 95/15/0135

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Veröffentlicht am 20.02.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §93 Abs3 lita;
EStG 1972 §26;
EStG 1972 §98;
EStG 1972 §99 Abs1;
EStG 1972 §99 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Vereines "X", vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Juli 1995, Zl. GA 8 - 2004/92, betreffend Haftung für Steuerabzug nach § 99 EStG 1972, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.950 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer veranstaltete im Jahr 1988 in Österreich eine Rallye, an der auch ausländische Fahrer (beschränkt Steuerpflichtige) teilnahmen. Die Fahrer legten gegenüber dem Beschwerdeführer "Abrechnungen" über Kilometergelder und Taggelder (und zT Kosten einer Fähre); der Beschwerdeführer zahlte stets nur einen Teil des in der jeweiligen "Abrechnung" ausgewiesenen Betrages aus.

Auf Vorhalt teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, es seien keine "Fahrervergütungen" ausbezahlt worden, sondern lediglich Reisekostenersätze.

Das Finanzamt ging davon aus, daß Einkünfte vorlägen, die dem Steuerabzug nach § 99 EStG 1972 unterliegen, und erließ gemäß § 101 Abs. 2 leg. cit. gegenüber dem Beschwerdeführer den Haftungsbescheid vom 10. Juni 1992. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die an die Teilnehmer der Rallye gezahlten Fahrervergütungen unterlägen, abgesehen von jenen Fällen, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuteile, dem Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige. Aufgrund der Bemessungsgrundlage von 226.000 S ergebe sich eine Steuernachforderung von 39.600 S.

Der Beschwerdeführer brachte Berufung gegen diesen Bescheid ein und beantragte dessen Aufhebung. Die an die einzelnen Fahrer ausbezahlten Beträge seien nach den entstandenen Reisekosten berechnet worden. Die Fahrer hätten sohin Beträge erhalten, die nicht als Einnahmen bewertet werden könnten und damit auch nicht unter § 99 Abs. 2 EStG fielen. Bloße Kostenersätze unterlägen nicht der Besteuerung nach § 99 EStG. Es lägen Aufzeichnungen über die Höhe der "zustehenden Reisekosten" und der tatsächlich ausbezahlten Beträge vor; aus diesen ergebe sich, daß die "zustehenden Reisekosten" jeweils höher gewesen seien als die ausbezahlten Beträge. Die Kostenersätze dürften nicht als Vergütung betrachtet werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. § 99 EStG stelle eine Pauschalierungsregelung dar. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Jänner 1966, 1601, 1602/64, für den Fall eines Rennfahrers erkannt habe, sei es für die Besteuerung nicht relevant, daß die Kosten eines inländischen Rennens größer seien als der geleistete Spesenersatz. Dem Einwand des nunmehrigen Beschwerdeführers, es seien im konkreten Fall keine positiven Einkünfte gegeben, komme daher keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Es sei auch nicht relevant, ob die Einnahmen nur ein Honorar oder auch noch Kostenersätze oder nur letztere umfaßten. Der Steuerabzug sei immer vom Gesamtbetrag der Einnahmen zu berechnen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht verletzt, daß keine Abzugssteuer iSd § 99 EStG 1972 anfällt, wenn bloß Spesenersätze ausbezahlt werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger ua bei Einkünften aus einer im Inland ausgeübten oder verwerteten selbständigen Tätigkeit als Sportler durch Steuerabzug erhoben. Gemäß § 99 Abs. 2 iVm § 100 Abs. 1 leg. cit. beträgt der Steuerabzug 20% des vollen Betrages der Einnahmen.

Mit Erkenntnis vom 11. März 1965, B 210, 211/64, Slg. 4928, hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Abzugsbesteuerung für inländische Startgelder und Siegerprämien von ausländischen Rennfahrern nach § 90 Abs. 2 EStG 1953 (einer Vorgängerbestimmung des § 99 EStG 1972) zu beschäftigen und ua ausgesprochen, die Annahme der belangten Behörde, daß diese Startgelder und Siegerprämien nach österreichischem Steuerrecht als steuerpflichtige Einkünfte zu werten sind, sei nicht denkunmöglich. Es sei nicht schlechthin undenkbar anzunehmen, daß die ausländischen Autorennfahrer an den Rennen nicht ausschließlich aus Liebhaberei teilgenommen hatten - "in welchem Fall die Startgelder und Siegerprämien als Liebhabereigewinne nicht steuerpflichtig wären" - sondern daß sie mit ihrer Teilnahme an den Rennen auch gewisse Einkünfte angestrebt hätten. Es sei auch als denkmöglich zu erkennen, daß die als Einkünfte aus sportlicher Tätigkeit klassifizierten Startgelder und Siegerprämien als solche beschränkt steuerpflichtige Einkünfte zu werten sind, die gemäß § 90 Abs. 1 EStG dem Steuerabzug unterliegen.

Im Erkenntnis vom 11. März 1977, B 274/74, Slg. 7996, hat der Verfassungsgerichtshof die Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 99 Abs. 2 EStG 1972 verneint und ua ausgesprochen: Der Gesetzgeber könne von einer der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Durchschnittsbetrachtung ausgehen; auch wenn sich dabei Härtefälle ergeben könnten, mache dies das Gesetz noch nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Lediglich dann, wenn sich die Härtefälle nicht bloß ausnahmsweise ereigneten, sondern nach den Erfahrungen des täglichen Lebens häufig auftreten würden, läge ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor. In Anbetracht des nach der Lage des seinerzeitigen Beschwerdefalles konkret in Betracht zu ziehenden persönlichen Geltungsbereiches des § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972, nämlich des Bereiches beschränkt steuerpflichtiger Vortragender, habe der Gesetzgeber aber ohne weiteres davon ausgehen können, daß nur in seltenen Ausnahmefällen die Spesen des regelmäßig aus dem Ausland anreisenden Vortragenden (wesentlich) höher seien als sein Honorar.

In dem im angefochtenen Bescheid zitierten

hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1966, 1601, 1602/64, SlgNF 3390/F, war die Erhebung einer Abzugssteuer nach § 90 Abs. 2 EStG 1953 von Startgeldern und Siegerprämien an ausländische Teilnehmer eines österreichischen Automobil- und Motorradrennens strittig, wobei ua eingewendet war, daß die Startgelder geringer gewesen seien als diverse angefallene Kosten. Der Verwaltungsgerichtshof führte hiezu aus, § 90 Abs. 2 EStG 1953 bestimme ausdrücklich, daß der Steuerabzug 17 v.H. des vollen Betrages der Einnahmen (Betriebseinnahmen) betrage. "Sohin findet der Einwand der Beschwerde, die dem Preiswerber verursachten Kosten des Rennens seien größer als der (in der Form von Startgeldern und Siegerprämien) geleistete Spesenersatz, im Gesetz keine Stütze. Die Verfahrensrüge, es seien diese vom Bewerber zu tragenden Kosten nicht ermittelt worden, geht daher ins Leere."

2. Aus dem klaren Wortlaut des § 99 Abs. 2 EStG 1972 ergibt sich, daß Bemessungsgrundlage der dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte iSd § 99 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. der volle Betrag der Einnahmen (Roheinnahmen) ist; eine vorherige Kürzung um Betriebsausgaben ist unzulässig (vgl. Hofstätter/Reichel, § 99 EStG 1972 Tz 3). § 26 EStG findet auf diese Einkünfte keine Anwendung; der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist nämlich auf die Abgrenzung bestimmter Leistungen des Arbeitgebers von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt. Es trifft sohin zu, daß jegliche im Rahmen der Einkünfte iSd § 99 Abs. 1 Z. 1 EStG erzielten Einnahmen, sohin auch der Ersatz allfälliger Fahrtspesen und Verpflegungsmehraufwendungen, bei Berechnung der Abzugssteuer einzubeziehen sind. Dies gilt bei dieser Pauschalierungsregelung auch dann, wenn der einzelne Geschäftsvorfall zu negativen (Teil)Einkünften führt.

Voraussetzung der Steuerpflicht nach § 99 EStG ist allerdings - dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem Text des Gesetzes -, daß EINKÜNFTE vorliegen, die einer der in § 98 EStG 1972 aufgezählten Fallgruppen zuzuordnen sind.

3. Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1995, 94/13/0151).

Im gegenständlichen Fall ist in Anbetracht des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren in keiner Weise evident, daß die sportliche Betätigung jener Rennfahrer, für deren Geldempfänge dem Beschwerdeführer Abzugssteuer vorgeschrieben worden ist, unter Einbeziehung der gesamten (auch im Ausland ausgeübten) Betätigung eine Einkunftsquelle (einen Betrieb) begründet, und, falls dies zutreffen sollte, die Teilnahme an der von der Beschwerdeführerin veranstalteten Rallye für jeden einzelnen Teilnehmer einen betrieblichen Vorgang darstellt. Solcherart wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, im angefochtenen Bescheid sowohl die entsprechenden Feststellungen im Tatsachenbereich als auch die rechtlichen Überlegungen darzustellen, auf die sich ihre Beurteilung stützt, die Teilnahme an der Rallye wäre für die einzelnen Teilnehmer im Rahmen seines betrieblichen Geschehens erfolgt. Wenn auch den Beschwerdeführer im Hinblick darauf, daß ein Sachverhalt mit Auslandsbezug vorliegt, eine erhöhte Mitwirkungspflicht getroffen hat (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 115 Tz 10), ist es Sache der belangten Behörde darzutun, welchen Sachverhalt sie für erwiesen hält, und in der Folge die Subsumtion unter § 23 EStG zu begründen.

Der angefochtene Bescheid entspricht dieser Begründungpflicht in keiner Weise und entzieht sich daher der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Er war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Der Schriftsatzaufwand kann nur mit dem in der VO festgelegten Betrag zugesprochen werden. Der Ersatz für Stempelgebühren steht für drei Ausfertigungen der Beschwerde (Eingabegebühr von 3 x 120 S), eine Ablichtung des angefochtenen Bescheides (Beilagengebühr von 60 S) und die Bescheinigung über die Zeichnungsberechtigung (Beilagengebühr von 30 S) zu.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995150135.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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