Index
L85003 Straßen NiederösterreichNorm
LStG NÖ 1999 §12a Abs2Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge 1. der Bürgerinitiative L, vertreten durch T, und 2. der Bürgerinitiative „O“, vertreten durch G, beide vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8/5.01, den gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2020, W104 2216195-1/109E, betreffend Genehmigung für das Vorhaben „B17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2“ nach dem UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8-9), erhobenen Revisionen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Die Revisionswerberinnen wenden sich gegen die im angefochtenen Erkenntnis bestätigte straßenrechtliche Bewilligung für das Vorhaben „B17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2“ nach dem UVP-G 2000.
2 Ihre gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof verbanden die Revisionswerberinnen mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Dies wird damit begründet, dass keine zwingenden öffentlichen Interessen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprächen. Das öffentliche Interesse an der Errichtung und am Betrieb des Straßenvorhabens iSd § 12a Abs. 2 NÖ Straßengesetz 1999 sei „nur in einem Potenzial“, dessen „Ausschöpfung noch ungewiss“ sei. Die Entlastung der Ortskerne von Wiener Neustadt und Lichtenwörth könne nicht bzw. nur geringfügig erreicht werden, das Projekt führe auch zu Verschlechterungen auf stärker belasteten Straßenzügen. Das Vorhaben habe nur wenig Einfluss auf die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs; die Vorhersehbarkeit des überörtlichen Bedarfes stütze sich auf ein unverbindliches Mobilitätskonzept Niederösterreich 2030+, das von der Projektwerberin selbst erstellt worden sei. Darüber hinaus bestünden gegenläufige öffentliche Interessen (Umwelt- und Klimaschutz, Schutz bedrohter Tierarten, Landschaftsschutz usw.). Ein unverhältnismäßiger Nachteil der Revisionswerberinnen liege darin, dass Bürgerinnen und Bürger enteignet würden, es zu einer irreversiblen Versiegelung fruchtbarer Böden und damit zu einer Gefährdung der Ernährungssicherheit sowie zu einer Zerstörung der wertvollen Flora und Fauna (etwa des Naturschutzgebietes Kalkschottersteppe Eggendorf und dessen Zieselpopulation) käme.
3 Die Behörde und die Projektwerberin sprachen sich gegen die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und beurteilten unter anderem das behauptete Fehlen eines öffentlichen Interesses an der Errichtung der „B17 Umfahrung Wiener Neustadt Ost, Teil 2“ als aktenwidrig.
4 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Erkenntnis eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen. Da es im Provisorialverfahren somit nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses geht, sondern einzig um die Auswirkung eines (möglichen) sofortigen Vollzugs dieses Erkenntnisses, ist davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Verfahren die - von den Revisionswerberinnen in Frage gestellten - Voraussetzungen für die Erteilung der straßenrechtlichen Bewilligung in der projektierten Form ausreichend prüfte; von ihren Feststellungen ist daher auszugehen, ohne dass damit die endgültige Entscheidung vorweggenommen wird (vgl. etwa VwGH 11.4.2012, AW 2012/06/0013).
6 Die Ausführungen in Pkt. 2.2.2. des angefochtenen Erkenntnisses betreffend eine Verminderung der Trennwirkung im Bereich der Ortsdurchfahrt Lichtenwörth und im Bereich der B17 Grazerstraße, eine Verminderung der Beeinträchtigung der Funktion der Ortszentren von Wiener Neustadt und Lichtenwörth, Entlastungswirkungen von Siedlungsbereichen mit Wohnnutzung, die Anbindung medizinischer Infrastruktur, Beschleunigungseffekte durch die Entlastung des Innenstadtbereiches von Wiener Neustadt, die Erschließung von Entwicklungsflächen mit gewerblicher und industrieller Nutzung sowie eine Aufwertung des Wirtschaftsstandortes Wiener Neustadt sind als zwingendes öffentliches Interesse anzusehen, welches der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegensteht.
7 Darüber hinaus kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden. Im Falle des Obsiegens der Revisionswerberinnen hätte allein der Projektwerber die Folgen einer dann allenfalls eintretenden Konsenslosigkeit eines inzwischen ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen. Inwiefern es zu einer irreversiblen Versiegelung fruchtbarer Böden und damit zu einer Gefährdung der Ernährungssicherheit kommen könnte, wird im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht konkretisiert. Aus den vorgelegten Verfahrensunterlagen ist auch nicht erkennbar, dass das Naturschutzgebiet Kalkschottersteppe Eggendorf vom gegenständlichen Vorhaben betroffen wäre. Eine mögliche Enteignung von Bürgerinnen und Bürger können die Revisionswerberinnen nicht als subjektiv-öffentliche Rechte geltend machen.
8 Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Wien, am 21. Juni 2021
Schlagworte
Zwingende öffentliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060081.L00Im RIS seit
23.08.2021Zuletzt aktualisiert am
23.08.2021