TE Vwgh Beschluss 2021/7/29 Ra 2021/05/0021

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Veröffentlicht am 29.07.2021
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Index

L82406 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Steiermark
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG Stmk 2004
AWG Stmk 2004 §17
AWG 2002
AWG 2002 §87c Abs3
B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art11
B-VG Art12
B-VG Art132 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs6
B-VG Art133 Abs6 Z3
B-VG Art133 Abs8
B-VG Art14 Abs2
B-VG Art14 Abs3
B-VG Art14a Abs3
B-VG Art14a Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §28

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Revisionssache der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. November 2020, LVwG 46.34-1169/2020-6, betreffend Zurückweisung eines Antrags nach dem Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetz 2004 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt G; mitbeteiligte Partei: E GmbH in W, vertreten durch die DORDA Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt G vom 26. März 2020 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 17 Steiermärkisches Abfallwirtschaftsgesetz 2004 (im Folgenden: StAWG) die Sammlung von Altspeisefetten und -ölen aus privaten Haushalten im Stadtgebiet der Stadt G untersagt sowie die Entfernung der speziellen Sammelautomaten aufgetragen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe Folge, dass der bekämpfte Bescheid dahingehend abgeändert wurde, dass der Antrag des Umweltamtes der Stadt G auf Untersagung der Sammlung von Altspeisefetten und -ölen aus privaten Haushalten im Stadtgebiet von G durch die mitbeteiligte Partei gemäß § 17 StAWG als unzulässig zurückgewiesen werde. Weiters erklärte das Verwaltungsgericht eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, Verfahrensgegenstand sei die Frage, ob es sich bei Altspeisefetten und -ölen um nicht gefährliche Abfälle bzw. Siedlungsabfälle handle, die in den Anwendungsbereich des Abfallwirtschaftsgesetzes des Landes fielen, sich daraus eine Andienungspflicht an die Gemeinde (hier: Stadt G) gemäß § 6 Abs. 1 StAWG ergebe und folglich die Untersagung gemäß § 17 StAWG zu Recht erfolgt sei. § 16 Abs. 6 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (im Folgenden: AWG) normiere, dass Altspeisefette und -öle getrennt zu sammeln und einem berechtigten Abfallsammler oder -behandler zu übergeben seien. Altspeisefette und -öle seien einer Verwertung zuzuführen, sofern dies ökologisch zweckmäßig und technisch möglich und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Mit dieser Bestimmung habe der Bundesgesetzgeber seine in Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle eingeräumte Bedarfskompetenz rechtmäßig in Anspruch genommen. Wenn nun in § 16 Abs. 6 AWG ausdrücklich eine Übergabe von Altspeisefetten und -ölen an alle berechtigten Abfallsammler und -behandler eröffnet sei, stünde eine Andienungsverpflichtung an die Gemeinden im Sinn des § 6 Abs. 1 StAWG der bundesgesetzlichen Bestimmung unzweifelhaft entgegen, weshalb eine solche Bestimmung gemäß § 3 StAWG, welcher ausdrücklich normiere, dass dieses Gesetz nicht anzuwenden sei, soweit bundesgesetzliche Bestimmungen entgegenstünden, nicht greife. Auch aus der Abfuhrordnung der Stadt G 2006 ergebe sich keine regelmäßige Sammlung und Abfuhr von Altspeisefetten und -ölen in der Stadt G. Auch danach sei eine Andienungspflicht hinsichtlich Altspeisefetten und -ölen gemäß StAWG nicht gegeben. Gemäß § 17 StAWG seien Handlungen gegen Gebote und Verbote dieses Gesetzes und der darauf basierenden Verordnungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Bescheid zu untersagen. Altspeisefette und -öle fielen nicht in den Anwendungsbereich des StAWG, weshalb eine Untersagung auf dieser rechtlichen Grundlage nicht zulässig sei. Es sei daher der bekämpfte Bescheid dahingehend abzuändern gewesen, dass der Antrag des Umweltamtes der Stadt G auf Untersagung gemäß § 17 StAWG als unzulässig zurückzuweisen sei.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

5        Zur näheren Ausführung ihrer Revisionslegitimation aufgefordert gab die Revisionswerberin mit Stellungnahme vom 11. Mai 2021 an, diese stütze sich auf § 87c Abs. 3 AWG. Demnach könne der Bundesminister in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes und der darauf beruhenden Verordnungen gegen Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Bund könne gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG in Bezug auf bestimmte nicht gefährliche Abfälle seine Bedarfskompetenz auch nur in Teilaspekten ausüben und nur einige bundeseinheitliche Vorgaben treffen, während andere Aspekte in der Landeskompetenz verblieben. Zum Beispiel habe der Bund in § 16 Abs. 6 AWG eine getrennte Sammlung für Altspeisefette vorgeschrieben, die Details der Sammlung aber offengelassen, welche damit in der Landeskompetenz verblieben seien. Die Revisionslegitimation ergebe sich nun daraus, dass dem Bundesgesetzgeber im konkreten Fall die umfassende Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz für Altspeisefette und -öle im AWG unterstellt werde und dies für die Entscheidung maßgeblich gewesen sei. Stellte der Verwaltungsgerichtshof darauf ab, dass Zurückweisungen nach Landesgesetzen (hier: gemäß § 17 StAWG) per se eine Revisionslegitimation der Bundesministerin ausschlössen, hätte der Bund keine Möglichkeit, eine ihm unterstellte Inanspruchnahme der Bedarfskompetenz in einer AWG-Bestimmung zu bekämpfen. Dies hätte Auswirkungen auf die einheitliche Auslegung des AWG und seiner Verordnungen, da die Inanspruchnahme oder Nichtinanspruchnahme der Bedarfskompetenz in allen Bundesländern ausgelegt werden könnte. Auch wenn das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes formal zum StAWG ergangen sei, seien damit Bestimmungen des AWG ausgelegt worden, wobei die Erkenntnisbegründung tragend von einer Kompetenzverschiebung einer Landeskompetenz zum Bund ausgehe. Dadurch habe das Erkenntnis Auswirkungen auf das AWG bzw. dessen Auslegung und sei damit im Sinn des § 87c Abs. 3 AWG „in Angelegenheiten des AWG“ ergangen.

Die Revision ist nicht zulässig:

6        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes kann wegen Rechtswidrigkeit gemäß Art. 133 Abs. 6 B-VG Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet (Z 1), die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht (Z 2) sowie der zuständige Bundesminister in den im Art. 132 Abs. 1 Z 2 genannten Rechtssachen (Z 3). Wer in anderen als den im Abs. 6 genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben kann, bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze (Abs. 8 leg. cit.).

7        Gemäß § 87c Abs. 3 AWG kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in den Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes und der darauf beruhenden Verordnungen gegen Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

8        Mit dem verwaltungsbehördlichen Bescheid des Bürgermeisters der Stadt G wurde der mitbeteiligten Partei die Sammlung von Altspeisefetten und -ölen aus privaten Haushalten im Stadtgebiet der Stadt G gemäß § 17 StAWG untersagt und die Entfernung der entsprechenden Sammelautomaten angeordnet. Da „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs der belangten Behörde gebildet hat (vgl. Köhler in Köhler/Brandtner/Schmelz (Hrsg), VwGVG Kommentar § 28 VwGVG Rz 35; Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 28 VwGVG Rz 36), hatte das Verwaltungsgericht über die von der Verwaltungsbehörde ausgesprochene Untersagung (samt Entfernungsauftrag) nach § 17 StAWG zu entscheiden. Bei dem nach dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde bestimmten Verfahrensgegenstand handelt es sich somit um eine Angelegenheit des StAWG und nicht um eine solche des AWG, und zwar unabhängig davon, ob das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung auch Bestimmungen des AWG ausgelegt hat. Da somit fallbezogen keine Angelegenheit nach dem AWG zu beurteilen ist, kann sich die Bundesministerin zur Legitimation ihrer Revision nicht auf die von ihr herangezogene Bestimmung des § 87c Abs. 3 AWG stützen.

9        Auch das StAWG sieht keinerlei auf der Grundlage des Art. 133 Abs. 8 B-VG geschaffene Revisionsbefugnis der Bundesministerin vor.

10       Bei den Angelegenheiten der Abfallwirtschaftsgesetze handelt es sich auch um keine solchen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG (nämlich Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 B-VG), weshalb auch eine von Verfassungs wegen zukommende Revisionslegitimation (s. Art. 133 Abs. 6 Z 3 B-VG) nicht in Betracht kommt.

11       Soweit für die Revisionslegitimation der Revisionswerberin auch ins Treffen geführt wird, dass bei Verneinung der Legitimation dem Bund keine Möglichkeit gegeben sei, eine ihm unterstellte Inanspruchanhme einer Bedarfskompetenz zu bekämpfen, ist darauf hinzuweisen, dass eine allenfalls verfehlte kompetenzrechtliche Argumentation einer (Landes-)Behörde bei Vollziehung eines Landesgesetzes grundsätzlich keine Legitimation des sachlich betroffenen Bundesministers zur Bekämpfung der in Vollziehung eines Landesgesetzes ergangenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes auslöst. Dies gilt insbesondere auch für die Auslegung von sogenannten salvatorischen Klauseln in Landesgesetzen, die die Nichtanwendung eines Landesgesetzes entweder vom Eingreifen einer Bundeskompetenz (die die Landesgesetzgebungskompetenz verdrängt, wie etwa im Fall des Wasserrechts für Wasserkraftanlagen im engeren Sinn gegenüber dem Baurecht des Landes; vgl. Mayer, Wasserkraftwerke im Verwaltungsrecht, 1991, 74 ff) oder von der tatsächlichen Ausübung einer Bundeskompetenz abhängig machen (vgl. § 1 Abs. 4 TBO 2018, LGBl. Nr. 28/2018, und dazu Weber/Rath-Kathrein in Weber/Rath-Kathrein [Hrsg.], TBO – Tiroler Bauordnung 2018, § 1 TBO Anm 35). Auch in derartigen Fällen vermag eine allfällige Fehlvorstellung der Organe der Landesvollziehung und des Verwaltungsgerichtes von der Reichweite des Bundeskompetenztatbestandes oder der konkreten Auslegung der bundesgesetzlichen Bestimmung, von der die Anwendbarkeit der Landesnorm abhängt, nicht eine Revisionslegitimation des sachlich betroffenen Bundesministers zu begründen. Die Einräumung einer Revisionslegitimation gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG durch einfaches Gesetz ist in diesen Fällen dem Landesgesetzgeber als Materiengesetzgeber vorbehalten (vgl. Forster, in Köhler/Brandtner/Schmelz [Hrsg.], VwGVG Kommentar, Art. 133 B-VG Rn 141 Fn 456, mwH). Auch aus diesem kompetenzrechtlichen Grund scheidet die von der Revisionswerberin intendierte Auslegung des § 87c Abs. 3 AWG aus.

12       Da der Revisionswerberin somit keine Revisionslegitimation zukommt, war die vorliegende Revision gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juli 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050021.L00

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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