TE OGH 2020/12/16 6Bs280/20g

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Veröffentlicht am 16.12.2020
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Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Dr. Werus als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Knapp, LL.M., und Mag. Friedrich als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen G***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 19.10.2020, GZ 38 Hv 103/20v-5, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Aus Anlass der Beschwerde wird das Strafverfahren in Österreich mangels inländischer Gerichtsbarkeit e i n g e s t e l l t .

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Begründung:

Text

Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft ***** legt dem *****Staatsangehörigen G***** das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zur Last. Laut Anklagetenor habe er nämlich am 15.7.2020 in ***** S***** durch eine näher wiedergegebene Äußerung zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies der Einzelrichter des Landesgerichtes ***** gestützt auf § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 1 StPO den Strafantrag zurück. In der Begründung gelangte der Einzelrichter zum Ergebnis, die Verurteilung des Angeklagten sei mangels inländischer Gerichtsbarkeit ausgeschlossen.

Die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft mündet im Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Landesgericht Innsbruck die Verfahrensfortsetzung aufzutragen.

Die Oberstaatsanwaltschaft enthielt sich einer Stellungnahme. Auch der Angeklagte brachte innerhalb der gesetzten Frist keine Gegenäußerung ein.

Die Beschwerde dringt nicht durch.

Wie die Beschwerde selbst einräumt, bezieht sich der Strafantrag auf eine in ***** von einem ***** Staatsangehörigen fernmündlich geäußerte Drohung gegenüber einem in ***** befindlichen Opfer.

Aus den §§ 63 bis 65 StGB ergibt sich für diesen Fall unbestritten keine Grundlage der inländischen Gerichtsbarkeit. Die Geltung der österreichischen Strafgesetze für die unter Anklage gestellte Tat hängt also davon ab, ob sie im Sinne des § 62 StGB „im Inland begangen“ wurde. Dazu bestimmt § 67 Abs 2 StGB, dass eine mit Strafe bedrohte Handlung an jedem Ort begangen wird, an dem der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen „oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen“.

Die Anknüpfung an den Erfolg hängt davon ab, ob die in Rede stehende strafbare Handlung ein Erfolgsdelikt ist, also den Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt voraussetzt; dies ist beim Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht der Fall (RIS-Justiz RS0127317, insbesondere 14 Ns 11/16b und 11 Ns 54/18g mwN).

Rechtliche Beurteilung

Die in der Beschwerde zitierte höchstgerichtliche Entscheidung (11 Os 156/13w) betraf drohende und beleidigende E-Mails von ***** nach ***** und stellte anders als die vorstehend zitierte jüngere Entscheidung des selben höchstgerichtlichen Senates noch nicht klar, dass § 107 Abs 1 StGB kein Erfolgsdelikt normiert.

Die Beschwerde stützt sich auf Kommentarstellen (Salimi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 67 Rz 15 bis 18; Tipold in Leukauf/Steininger StGB4 § 67 Rz 4 bis 6). Diese befassen sich aber nicht speziell mit der Frage, ob § 107 StGB ein Erfolgsdelikt normiert und ob daher bei diesem Tatbestand der eingetretene oder angestrebte Erfolg einen Ort der Tat im Sinne des § 67 Abs 2 StGB und die inländische Gerichtsbarkeit nach § 62 StGB begründet. Entsprechend der vorstehend zitierten aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist dies zu verneinen.

Somit kam der Beschwerde kein Erfolg zu.

Nach § 89 Abs 2b letzter Satz StPO ist das Rechtsmittelgericht an die geltend gemachten Beschwerdepunkte nicht gebunden und darf nur zum Nachteil des Beschuldigten niemals Beschlüsse ändern, gegen die nicht Beschwerde erhoben wurde. Das Beschwerdegericht hat den angefochtenen Beschluss nicht bloß zu beurteilen, sondern zu ersetzen. Der Gegenstand, der dem angefochtenen Beschluss zugrunde lag, wird damit neu entschieden (Tipold WK-StPO § 89 Rz 8).

Der hier angefochtene Beschluss hätte auf § 485 Abs 1 Z 3 iVm § 212 Z 1 StPO gestützt werden sollen. Die im erstgerichtlichen Beschluss zitierte Z 2 des § 485 Abs 1 StPO verweist nämlich bloß auf die hier nicht in Betracht kommenden Fälle des § 212 Z 3, 4 und 8 StPO. Hingegen bezieht sich § 485 Abs 1 Z 3 StPO unter anderem auf den hier vorliegenden Fall des § 212 Z 1 StPO (Verurteilung aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen) und verlangt im Falle der Bejahung, „den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen“.

Daher hatte das Beschwerdegericht nicht bloß die Zurückweisung des Strafantrages zu bestätigen, sondern gleichzeitig das inländische Verfahren einzustellen.

Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 6

Innsbruck, am 16. Dezember 2020

Dr. Ernst Werus, Senatspräsident

Textnummer

EI0100089

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2020:0060BS00280.20G.1216.000

Im RIS seit

23.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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