TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/2 LVwG-2020/30/1605-5

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Veröffentlicht am 02.07.2021
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Entscheidungsdatum

02.07.2021

Index

41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

StbG 1985 §27 Abs1
StbG 1985 §27 Abs2
StbG 1985 §42 Abs3
ABGB §167 Abs1
ABGB §167 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des AA, geb am **.**.****, vertreten durch RA BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 09.06.2020, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde seitens der belangten Behörde gemäß § 42 Abs 3 StbG von Amts wegen festgestellt, dass der Beschwerdeführer die durch Verleihung mit Wirkung vom **.**.**** erworbene österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund des über Antrag der Eltern erfolgten Erwerbes der türkischen Staatsangehörigkeit gemäß § 27 Abs 1 StbG mit dem Tag des Beschlusses Nr *** des türkischen Ministerrats am **.**.**** verloren hat. Der Feststellungsbescheid betreffend den Verlust der Staatsbürgerschaft wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Eltern des Beschwerdeführers nach Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Zurücklegung der türkischen Staatsbürgerschaft neuerlich für den Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederverleihung der türkischen Staatsangehörigkeit stellten und dem Beschwerdeführer diese aufgrund dieses Antrages verliehen worden sei. Damit habe der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft mit dem festgestellten Datum (**.**.****) gemäß § 27 Abs 1 StbG ex lege verloren, da die Eltern die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht beantragt hätten und auch keine solche Genehmigung erteilt worden sei.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt:

„In umseits näher bezeichneter Staatsbürgerschaftssache erhebt der Beschwerdeführer, CC, durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, BB, Rechtsanwalt, Adresse 1, **** Z, welchem er Vollmacht erteilt und mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt hat, gegen den Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 09.06.2020 zu GZ ***, zugestellt am 30.06.2020, sohin binnen offener Frist, nachstehende

Beschwerde

an das Landesverwaltungsgericht Tirol und führt aus wie folgt:

Der Bescheid wird seinem gesamten Umfange nach angefochten und wird der Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

1. ) Zulässigkeit der Beschwerde:

Der gegenständliche Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 30.06.2020 zugestellt; die nunmehr erhobene Beschwerde ist rechtszeitig, weil diese innerhalb der gesetzlich normierten Rechtsmittelfrist von 4 Wochen erhoben wird.

Der Beschwerdeführer ist in seinem Recht auf Fortbestand der österreichischen Staatsbürgerschaft verletzt.

2. ) Sachverhalt:

Im bekämpften Bescheid wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er die durch Verleihung nach § 11a StbG 1985 mit Wirkung vom **.**.**** erworbene österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund des über Antrag der Eltern erfolgten Erwerbes der türkischen Angehörigkeit gern. § 27 Abs. 1 StgB 1985 mit dem Tag des Beschlusses Nr. *** des türkischen Ministerrates am **.**.**** verloren hätte.

3. ) Ausführung der Beschwerde:

Insoweit AA, dem leiblichen Sohn von DD und EE, vorgeworfen wird, er hätte die österreichische Staatsbürgerschaft dadurch verloren, dass er am **.**.**** die türkische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen hätte, ist festzuhalten, dass dieser zum damaligen Zeitpunkt mj. war; AA war seinerzeit 7 Jahre alt.

Wenn nunmehr seitens der Behörde unterstellt wird, AA hätte seine österreichische Staatsbürgerschaft, welche er mit Bescheid vom **.**.**** erworben hat, mit Wirkung vom **.**.**** verloren, das er zu diesem Zeitpunkt sie türkische Staatsangehörigkeit angenommen hätte, ist hiezu festzuhalten, dass gern. § 167 Abs. 2 ABGB Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche betreffen, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils bedarf.

Lt. dem Informationsstand von CC nach lag diese Zustimmung des anderen obsorgeberechtigten Elternteils (seiner Mutter) zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls nicht vor, sondern wurde das Ansuchen auf Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft seinerzeit ausschließlich vom Vater, DD, gestellt; dies ohne die Einholung der Zustimmung der Kindesmutter.

Die Ausführungen im bekämpften Bescheid, die „Eltern" hätten den Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt, sind sohin eine reine Scheinbegründung.

Darüber hinaus hätte dieser gravierende Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von AA seinerzeit auch der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft; diese liegt jedenfalls nicht vor.

Festzuhalten ist, dass der Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft für AA damals minderjährig, im Jahr 1998, sohin nicht rechtmäßig erfolgte, womit er die österreichische Staatsbürgerschaft auch nie verlieren hätte können.

Weiters hat es die belangte Behörde unterlassen, über den gestellten Eventualantrag vom 18.01.2018 zu entscheiden:

Mit selbigem wurde unter Verweis auf die Anzeige gern. § 57 Abs. 2 StbG beantragt, dass die erkennende Behörde den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für AA bescheidmäßig feststellen wolle.

Der gegenständliche Antrag wurde für den Fall gestellt, dass die erkennende Behörde widererwarten zum Ergebnis kommen sollte, dass AA nicht mehr über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen würde.

Nachdem sie dies mit dem bekämpften Bescheid festgestellt hat, wäre sie zur Entscheidung über den Eventualantrag verpflichtet gewesen.

Festzuhalten ist, dass AA den Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer in der Zeit vom **.**.**** bis **.**.**** geleistet hat.

Gemäß § 57 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz erwirbt ein Fremder unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Ziff. 2-6 und 8 und Abs. 2 Ziff. 1 und 3-7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, dass er zumindest in den letzten 15 Jahren von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde und dies nicht zu vertreten hat. Als Staatsbürger wird insbesondere behandelt, wer einen Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt erhält. Die Behörde hat die fälschliche Behandlung als Staatsbürger den Fremden schriftlich zur Kenntnis zu bringen und ihn über die Frist zur Anzeige gemäß Abs. 2 zu belehren.

Den Erwerb durch Anzeige hat die Behörde rückwirkend mit dem Tag, an dem der Fremde das erste Mal von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde, mit Bescheid festzustellen.

Gemäß § 57 Abs. 3 entfällt diese Frist, wenn der Fremde den Grundwehr- oder Ausbildungsdienst oder den ordentlichen Zivildienst geleistet hat.

Unter Verweis auf vorgelegte Bestätigung über die geleistete Dienstzeiten wurde für AA eine Anzeige gemäß § 57 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz gestellt und beantragt, die erkennende Behörde wolle den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für AA durch gegenständliche Anzeige feststellen.

Die belangte Behörde hätte mit Bescheid den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für AA feststellen müssen.

Darüber hinaus verfügt AA über einen Staatsbürgerschaftsnachweis bzw. österreichischen Reisepass; dies ungefähr seit dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1994 und wurden die Reisepässe alle 10 Jahre erneuert bzw. von der bezughabenden Behörde neu ausgestellt.

AA wäre sohin zumindest in den letzten ca. 20 Jahren fälschlich als österreichischer Staatsbürger behandelt worden und hat er dies - nachdem er (wie bereits ausgeführt) keine Kenntnis davon hatte, dass sein Vater die Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft beantragt hatte - auch nicht zu vertreten.

Es wird daher

beantragt,

1.  eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und in weiterer Folge

2.  den Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 09.06.2020 zu GZ la-

    *** ersatzlos aufzuheben;

3.  in eventu: über den gestellten Eventuellantrag (Anezige gem. § 57 Abs. 2 StbG)

    entscheiden und die österreichische Staatsbürgerschaft für den Beschwerdeführer

    feststellen.

Z, am 22.07.2020                                               AA“

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Staatsbürgerschaftsakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Weiters wurde am 06.05.2021 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden der Beschwerdeführer, dessen Mutter EE und dessen Bruder CC jeweils als Beschwerdeführer und der Vater des Beschwerdeführers, DD, als Zeuge einvernommen.

Der Beschwerdeführer gab auf Befragung in der Beschwerdeverhandlung Folgendes an:

„Ich bin im Jahr 1991 in Österreich geboren und seither in Österreich aufhältig. Ich bin ledig und habe keine Kinder. Ich bin seit 2016 Vertragsbediensteter bei der Stadt Z. Ich bin dort als Organ der öffentlichen Aufsicht und als Straßenaufsichtsorgan tätig und auch für diesbezügliche Handlungen ermächtigt. Ich bin Mitarbeiter bei der MÜG, also der mobilen Überwachungsgruppe der Stadt Z. Bei einem Verlust der Staatsbürgerschaft hätte dies für mich berufliche Auswirkungen. Es hätte auch Auswirkungen auf meinen Verdienst, weil bestimmte Zulagen wegfallen würde. Dass ich den Job bei der Stadt Z verlieren würde, kann man jetzt noch nicht in dieser Form sagen. Ich würde aber die Tätigkeit als Aufsichtsorgan nicht mehr ausüben können. Ich beantrage daher, dass der Beschwerde stattgegeben wird, weil ich eben wie bereits in den Stellungnahmen ausgeführt selbst gar nicht die Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1998 beantragt habe, das hat damals vermutlich mein Vater im Alleingang gemacht. Ich möchte noch festhalten, dass ich bis zur Feststellung meiner Untauglichkeit auch den Präsenzdienst beim österreichischen Bundesheer von 2012 bis 2013 voll abgeschlossen habe. Ich habe die 6 Monate Grundwehrdienst im vollen Umfang geleistet. Eine Einberufung zum türkischen Militär habe ich nie erhalten.“

Die in der Beschwerdeverhandlung ebenfalls als Beschwerdeführerin einvernommene Mutter des Beschwerdeführers, EE, gab auf Befragung Folgendes an:

„Ich möchte festhalten, dass ich, als ich noch türkische Staatsbürgerin war, sehr wohl beim türkischen Generalkonsulat in Salzburg vorgesprochen habe. Ich habe dann im Jahre 1992 für mich und meine damals drei Kinder die Staatsbürgerschaft beantragt. Mir wurde die Staatsbürgerschaft mit Bescheid am **.**.**** verliehen. Der Austritt aus dem türkischen Staatsbund danach wurde von mir selbst beim Generalkonsulat in Salzburg durchgeführt. Ich habe danach nichts mehr mit dem Konsulat zu tun gehabt. Ich bin danach nicht mehr beim Generalkonsulat gewesen. Die neuerliche türkische Staatsbürgerschaftsverleihung muss, wenn dann mein Mann beantragt haben. Mein Mann hat auch immer danach noch ein Einreisevisum für die Türkei gemacht für unsere Türkeireisen. Die türkische Staatsbürgerschaftsverleihung wurde somit jedenfalls von mir nicht beantragt. Nach dem Aufforderungsschreiben der Abteilung Staatsbürgerschaft im Jahre glaublich 2017 habe ich meinen Mann darauf angesprochen und er hat mir gegenüber gesagt, dass er den Antrag gestellt hat für mich bzw für die ganze Familie gestellt hat. Ich möchte noch festhalten, dass ich damals im Jahre 1994 alleine mit dem Zug nach Salzburg gefahren bin zur Zurücklegung der türkischen Staatsbürgerschaft. Es war damals Ende 2017 dann so, dass wir mit einem Notpass nach Österreich zurückkehren konnten. Wir sind dann aufgrund der Situation sofort alle zusammen also ich, mein Mann und meine drei Kinder zum Generalkonsulat nach Salzburg gefahren. Wir wollten die Situation dort klären und haben dort dann nochmals den Verzicht auf die türkische Staatsbürgerschaft abgegeben, die wir eigentlich nicht haben sollten. Der Antrag zum Austritt aus dem türkischen Staatsbund wurde zwar gestellt, bis heute haben wir aber noch keine Verständigung oder eine schriftliche Erledigung über den Austritt erhalten. Das Nachfragen beim Generalkonsulat erweisen sich als schwierig. Ich bin der Meinung, dass mir die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht persönlich zugerechnet werden kann, weil sie von meinem Mann für mich aber ohne meine Zustimmung und ohne mein Wissen beantragt wurde. Ich beantrage, dass meiner Beschwerde diesbezüglich statt gegeben wird bzw in der Folge auch mir nach § 57 StbG die Staatsbürgerschaft neuerlich verliehen wird. Eine diesbezügliche Anzeige wurde bereits 2018 eingebracht und liegt bei der belangten Behörde zur Entscheidung.“

Der als Zeuge einvernommene Vater des Beschwerdeführers, DD, gab zum Sachverhalt befragt Folgendes an:

„Mir wird mein Entschlagungsrecht nach § 49 AVG vorgelesen und übersetzt. Ich will aussagen. Ich werde vollständig und wahrheitsgetreu aussagen.

Ich bin seit 1981 in Österreich. Die Staatsbürgerschaft wurde mir dann im Jahre 1997 oder 1998 verliehen. Ich habe knapp 30 Jahre lang in Österreich gearbeitet und bin dann im Jahre 2008 oder 2009 in die Invaliditätspension gegangen. Seither bin ich Pensionist. In Österreich leben noch meine Ehefrau und meine drei Kinder samt zwei Enkelkinder. Ich habe eine monatliche Pension von knapp Euro 1.200,00 netto. Ich habe eine Mietwohnung in Z. Nach dem Verlust der Staatsbürgerschaft habe ich beim BFA in Z um die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung angesucht. Dieses Verfahren ist seit Dezember 2020 anhängig. Ich bin damals glaublich im Jahr 1998, so genau kann ich es heute nicht mehr sagen, nach Salzburg zum Generalkonsulat gefahren mit meinem Auto. Ich bin damals nur mit der Absicht nach Salzburg gefahren, um für mich, meine Frau und meine drei Kinder auch die türkische Staatsbürgerschaft wieder zu beantragen. Ich habe diese Entscheidung mit mir selbst getroffen. Meine Kinder waren damals noch nicht volljährig. Diese Angelegenheit habe ich mit meiner Frau nicht besprochen.

Auf Nachfrage durch den Rechtsvertreter gebe ich an, dass ich damals nach der Vorsprache beim Generalkonsulat in Salzburg niemanden etwas davon erzählt habe. Ich hatte immer nur österreichische Reisepässe. Ich habe damals anschließend auch keine schriftliche Bestätigung oder so etwas wie eine Staatsbürgerschaftsverleihungsurkunde erhalten. Die sogernannte „Blaue Karte“ habe ich nie beantragt. Ich hatte eine solche Karte nie, auch meine Familie hatte nie solche Karten. Ich habe deshalb auch immer bei Reisen mit meinem österreichischen Reisepass ein Visum benötigt.

Auf Fragen durch die Vertreterin der belangten Behörde, warum ich damals die türkische Staatsbürgerschaft wieder beantragt habe, gebe ich an, dass mir damals von den türkischen Behörden erklärt worden ist, dass ich Probleme beim Erben vom Vermögen meiner damals noch lebenden Eltern haben könnte bzw hätte, wenn ich nur die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würde. Mir drohte der Verlust der Erbschaft, wenn ich nicht die türkische Staatsbürgerschaft machen würde. Auf Frage, warum ich dann damals zusätzlich noch für meine Frau und meine Kinder um die türkische Staatsbürgerschaft angesucht habe, gebe ich an, dass es mehr oder weniger „in einem „Aufwaschen“ gegangen ist und es keine zusätzlichen Unterschriften benötigte und weil ich auch damals nicht daran dachte, welche negativen Folgen und Auswirkungen dies haben könnte. Es war mir die Tragweite diesbezüglich nicht bewusst. Soweit ich mich erinnern kann, war ich auch davor immer alleine am Konsulat.“

Die Vertreterin der belangten Behörde gab bei der Beschwerdeverhandlung an, dass von der Aberkennung bzw der Feststellung des Verlustes der Staatsbürgerschaft bei FF, geb **.**.****, der Schwester des Beschwerdeführers, seitens der belangten Behörde Abstand genommen worden sei, weil diese bei der vermeintlichen Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit bereits älter als 14 Jahre war und eine Zustimmung zu dieser Antragstellung von der damals noch Minderjährigen nicht nachgewiesen werden konnte (siehe § 27 Abs 3 StbG). Die Vertreterin der belangten Behörde teilte in der Beschwerdeverhandlung auch mit, dass beim Beschwerdeführer und seinem Bruder CC die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 57 StbG vorliegen würde. Die diesbezügliche Anzeige wurde bereits im Jahre 2018 gemacht. Dies hieße für den Fall, dass der Beschwerde nicht Folge gegeben oder die Beschwerde zurückgezogen werde, könnte der Beschwerdeführer und dessen Bruder mit einem Verfahren nach § 57 StbG rechnen und es würde in diesem Verfahren die Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Weitere Voraussetzungen seien nicht mehr notwendig.

Aufgrund des durchgeführten Verfahrens vor der belangten Behörde und beim Landesverwaltungsgericht Tirol ergibt sich folgender verfahrenswesentlicher Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wurde wie im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt die österreichische Staatsbürgerschaft nach Antragstellung durch die Mutter mit Wirkung vom **.**.**** verliehen. Der Beschwerdeführer wurde laut vorgelegtem Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vom 12.10.2017 am **.**.**** aus dem türkischen Staatsverband entlassen. Nach der Entlassung aus dem türkischen Staatsverband wurde aufgrund des Ergebnisses des durchgeführten Verfahrens nicht vom damals noch minderjährigen Beschwerdeführer, sondern von seinem Vater die (neuerliche) Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft beim türkischen Generalkonsulat in Salzburg beantragt und dem Beschwerdeführer mit Beschluss Nr *** des türkischen Ministerrates vom **.**.**** verliehen. Die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft wurde von den Eltern des Beschwerdeführers vor der Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1998 weder beantragt noch eine solche Bewilligung erteilt. Dies wurde im Verfahren auch nicht behauptet. Zum Zeitpunkt der Beantragung der türkischen Staatsbürgerschaft, die mit Datum **.**.**** verliehen wurde, war der Beschwerdeführer noch nicht eigenberechtigt, sondern erst 7 Jahre alt. Die Antragstellung für die Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1998 wurde aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren Aussagen, insbesondere der Mutter des Beschwerdeführers und des als Zeugen einvernommenen Vaters des Beschwerdeführers vom Vater beim türkischen Generalkonsulat in Salzburg beantragt. Eine ausdrückliche Zustimmung des zum Zeitpunkt der Staatsbürgerschaftsbeantragung und Verleihung im Jahre 1998 noch unmündigen Minderjährigen konnte im Verfahren nicht nachgewiesen werden und liegt nicht vor. Diesbezüglich wird darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde auch bei der zum Zeitpunkt der Staatsbürgerschaftsverleihung am **.**.**** bereits 16-jährigen Schwester des Beschwerdeführers davon ausgegangen ist, dass diese dem Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ausdrücklich nicht zugestimmt hat und dadurch der Verlust der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 27 Abs 3 StbG nicht eingetreten ist.

Im gegenständlichen Feststellungsbescheid wurde der § 27 Abs 1 StbG als Verlusttatbestand von der belangten Behörde herangezogen. Es wurde im angefochtenen Bescheid nicht auch auf § 27 Abs 2 StbG Bedacht genommen. Zum Zeitpunkt der Beantragung und Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft am **.**.**** war der Beschwerdeführer ein sogenannter mündiger Minderjähriger, der das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Er war zum Zeitpunkt der Beantragung der türkischen Staatsbürgerschaft und der Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft im Jahre 1998 noch nicht eigenberechtigt und bedurfte für eine Staatsbürgerschaftsbeantragung einer gesetzlichen Vertretung. Im gegenständlichen Falle waren die ehelichen Eltern des Beschwerdeführers im Jahre 1998 mit der Obsorge des Beschwerdeführers betraut.

Sind gemäß § 167 Abs 1 ABGB – wie im gegenständlichen Falle – beide Eltern mit der Obsorge betraut, so ist jeder Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten; seine Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil mit ihr nicht einverstanden ist.

Gemäß § 167 Abs 2 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteiles, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, den Eintritt in eine Kirche oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen, die Übergabe in fremde Pflege, den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche, die vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrages und die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind betreffen, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass für die Beantragung der Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer im Zeitraum vor dem **.**.**** nicht nur die Beantragung und Einwilligung durch den Vater, sondern auch die Einwilligung zur Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit durch die Mutter erforderlich war. Der Zustimmung des Pflegschaftsgerichts bedurfte es im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht (Plunger/Esztegar/Eberwein, StbG § 27 Rz 6).

Im gegenständlichen Verfahren ist die Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit vor der Verleihung im Jahre 1998 durch den Vater des Beschwerdeführers unstrittig. Es konnte jedoch nicht auch die für die Staatsbürgerschaftsbeantragung erforderliche Zustimmung der Mutter des seinerzeitigen minderjährigen Beschwerdeführers nachgewiesen werden (so wie auch die Zustimmung der seinerzeit mündigen minderjährigen Schwester des Beschwerdeführers nicht nachgewiesen werden konnte).

Es war daher der Beschwerde stattzugeben, da die Voraussetzungen nach § 27 Abs 2 StbG für den Verlust der Staatsbürgerschaft im Jahre 1998 beim seinerzeit nicht eigenberechtigten mündigen minderjährigen Beschwerdeführer nicht vorlagen, da die für die Beantragung der Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer im Jahre 1998 erforderlichen Willenserklärungen beider Elternteile nicht nachgewiesen werden konnte. Die Ausführungen der als Verfahrenspartei einvernommenen Mutter und des als Zeugen einvernommenen Vaters des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerdeverhandlung waren glaubhaft, nachvollziehbar und lebensnah.

Aufgrund des aufgezeigten vorliegenden Sachverhalts und der aufgezeigten rechtlichen Erwägungen war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde, mit dem der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers von Amts wegen festgestellt wurde, aufzuheben.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Beantragung Staatsbürgerschaft Minderjähriger; Zustimmung Elternteile;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.30.1605.5

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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