TE Lvwg Erkenntnis 2021/7/27 LVwG-2020/37/2524-7

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Veröffentlicht am 27.07.2021
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Entscheidungsdatum

27.07.2021

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG §139
VStG §45
VwGVG 2014 §44
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §52

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X (= belangte Behörde) vom 01.10.2020, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz in Verbindung mit (iVm) der COVID-19-Lockerungsverordnung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis vom 01.10.2020, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X AA, Adresse 1, **** Z, folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:

„Tatzeit:  26.07.2020 um 01:40 Uhr

Tatort:         **** W, Adresse 2 („CC“)

Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer (‚DD‘) des reglementierten Gewerbes ‚Gastgewerbe der Betriebsart Diskothek‘ im Standort **** W, Adresse 2, welche eine Betriebsstätte der Betriebsart des Gastgewerbes darstellt, nicht dafür Sorge getragen, dass die Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 05:00 Uhr und 01:00 Uhr des folgenden Tages betreten wird, obwohl das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe gemäß COVID-19-Lockerungsverordnung, idF
BGBl II Nr 299/2020 nur unter der Voraussetzung zulässig ist, wenn der Betreiber das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 05.00 und 01.00 Uhr des folgenden Tages zulässt. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

Es wurde festgestellt, dass am 26.07.2020 gegen 01:40 Uhr noch mehrere Gäste im Diskothek Bereich aufhältig waren.“

Der Beschwerdeführer habe daher die Rechtsvorschriften der §§ 1, 2 Z 1 und 3 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 23/2020, in Verbindung mit (iVm) § 6 Abs 1 und 2 COVID-19-Lockerungsverordnung (COVID-19-LV), BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr. 332/2020 iVm § 370 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) verletzt, weswegen über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 3.000,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden) verhängt wurde. Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens hat die belangte Behörde mit Euro 300,00 bestimmt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in **** Y, mit Schriftsatz vom 04.11.2020 Beschwerde erhoben und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen; hilfsweise wird beantragt, das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abzuändern, dass die verhängte Geldstrafe in Anwendung des § 20 VStG reduziert werde. Zudem hat der Beschwerdeführer ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich des COVID-19-MG und der COVID-19-LV in der anzuwendenden Fassung angeregt.

Mit Schriftsatz vom 18.01.2021, ***, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art 139 Abs 1 Z 1 B-VG (Verordnungsprüfung) eingebracht und beantragt festzustellen, dass § 6 Abs 2 COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, gesetzwidrig war.

Mit Erkenntnis vom 08.06.2021, ***, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass § 6 Abs 2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-LV), BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, gesetzwidrig war und die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

II.      Rechtslage:

1.       Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Vorbereitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz):

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG), BGBl I Nr 12/2020, in den Fassungen BGBl I Nr 12/2020 (§ 3) und BGBl I Nr 23/2020 (§ 1) lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Betreten von Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren und die Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung oder Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

[…]“

„Strafbestimmungen

§ 3. (1) Wer eine Betriebsstätte betreibt, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3.600,00 Euro zu bestrafen.

(2) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, deren Betreten gemäß § 1 untersagt ist, nicht betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 30.000,00 Euro zu bestrafen. Wer als Inhaber einer Betriebsstätte nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte höchstens von der in der Verordnung genannten Zahl an Personen betreten wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 3.600,00 Euro zu bestrafen.

[…]“

2.   COVID-19-Lockerungsverordnung:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden (COVID-19-Lockerungsverordnung – COVID-19-LV), BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Gastgewerbe

§ 6. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen zulässig.

(2) Der Betreiber darf das Betreten der Betriebsstätte für Kunden nur im Zeitraum zwischen 05:00 und 01:00 Uhr des folgenden Tages zulassen. Restriktivere Sperrstunden und Aufsperrstunden aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

[…]“

„Ausnahmen

§ 11. […]

(9) Sperrstundenregelungen nach dieser Verordnung gelten nicht für geschlossene Gesellschaften, wenn zumindest drei Tage vor Beginn der Veranstaltung dem Betreiber der Betriebsstätte des Gastgewerbes oder dem Betreiber der Veranstaltungsstätte die Teilnehmer der Veranstaltung bekanntgegeben werden. Dabei ist sicherzustellen, dass die Betriebsstätte des Gastgewerbes oder Veranstaltungsort ausschließlich durch Teilnehmer der geschlossenen Gesellschaft betreten werden.

[…]“

3.   Bundes-Verfassungsgesetz:

Der entscheidungswesentliche Art 139 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl Nr 1/1930 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 114/2013, lautet auszugsweise wie folgt:

„Artikel 139. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Gerichtes;

[…]

(4) Ist die Verordnung im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten und wurde das Verfahren von Amts wegen eingeleitet oder der Antrag von einem Gericht oder von einer Person gestellt, die durch die Gesetzwidrigkeit der Verordnung in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, ob die Verordnung gesetzwidrig war. Abs. 3 gilt sinngemäß.

[…]

(6) Ist eine Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch die Verordnung weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist die Verordnung auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

[…]“

4.   Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 33/2013, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

[…].“

5.   Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in den Fassungen BGBl I Nr 24/2017 (§ 44) und BGBl I Nr 57/2018 (§§ 50 und 52), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Verhandlung

§ 44. […]

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

[…].“

„Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…].“

„Kosten

§ 52. […]

(8) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

[…].“

III.     Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem ? zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vertretenen ? Beschwerdeführer am 07.10.2020 durch Hinterlegung zugestellt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde am 04.11.2020 und somit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Bezirkshauptmannschaft X eingebracht. Die Erhebung der Beschwerde erfolgte somit fristgerecht.

2.       In der Sache:

Die Bestrafung des Beschwerdeführers im angefochtenen Straferkenntnis durch die Bezirkshauptmannschaft X erfolgte auf der Grundlage der COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020. Diese Verordnung wurde zwischenzeitlich mehrfach abgeändert und endgültig mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 getroffen werden (COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – COVID-19-SchuMaV), BGBl II Nr 463/2020, aufgehoben. Die Aufhebung der Verordnung ist jedoch auf eine Änderung der für die Anordnung relevanten Sachlage zurückzuführen und nicht auf eine nachträglich andere Beurteilung der Gefährlichkeit des Virus.

Das in § 1 Abs 2 VStG normierte Günstigkeitsprinzip gilt nicht für „Zeitgesetze“. Dabei handelt es sich um Gesetze, die von vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Unwerturteil des Normgebers basiert (generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107). Das in § 1 Abs 2 VStG normierte „Günstigkeitsprinzip“ ist daher trotz Aufhebung der COVID-19-LV mit der COVID-19-SchuMaV nicht anzuwenden. Für das gegenständliche Verfahren ist § 6 Abs 2 der COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, präjudiziell, da die Handlung des Beschwerdeführers unter diese Rechtsvorschrift zu subsumieren ist. Die behördlichen Verfolgungshandlungen und insbesondere das angefochtene Straferkenntnis erfolgten auf der eben angeführten Rechtsgrundlage. Die zitierte Norm bildet somit eine Voraussetzung des gerichtlichen Erkenntnisses. Es liegen keine Umstände vor, dass es sich bei den im Tatzeitpunkt in der Betriebsstätte aufhältigen Personen um eine geschlossene Gesellschaft gemäß
§ 11 Abs 9 COVID-19-LV gehandelt hätte.

Mit Erkenntnis vom 08.06.2021, Zl ***, hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass § 6 Abs 2 der COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, gesetzwidrig war und die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 08.06.2021, ***, ist inhaltlich gleichlautend.

Gemäß Art 139 Abs 6 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten, nämlich am 26.07.2020 um 01:40 Uhr als gewerberechtlicher Geschäftsführer des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe der Betriebsart Diskothek“ (Gewerbeinhaberin: DD) im Standort **** W, Adresse 2, nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass die Betriebsstätte im Zeitraum zwischen 05:00 Uhr und 01:00 Uhr des folgenden Tages betreten werden, war somit nicht rechtswidrig.

3.       Ergebnis:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt, als gewerberechtlicher Geschäftsführer des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe der Betriebsart Diskothek“ (Gewerbeinhaberin: DD) im Standort **** W, Adresse 2, entgegen § 6 Abs 2 COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass die Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 05:00 Uhr und 01:00 Uhr des folgenden Tages betreten wird. Gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 08.06.2021, *** (ebenso VfGH vom 08.06.2021,
***), war § 6 Abs 2 COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, gesetzwidrig und ist diese als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung nicht mehr anzuwenden. An diesen Spruch des Verfassungsgerichtshofes ist das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß Art 139 Abs 6 B-VG gebunden. Die dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verhaltensweise, nämlich als gewerberechtlicher Geschäftsführer des reglementierten Gewerbes „Gastgewerbe der Betriebsart Diskothek“ (Gewerbeinhaberin: DD) im Standort **** W, Adresse 2, nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass am 26.07.2020 die Betriebsstätte nur im Zeitraum zwischen 05:00 Uhr und 01:00 Uhr des folgenden Tages betreten wird, war daher nicht rechtswidrig. Das angefochtene Straferkenntnis war daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, da ? ausgehend von der Aktenlage ? das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte im gegenständlichen Fall das angefochtene Straferkenntnis zu beheben, da der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 08.06.2021, ***, § 6 Abs 2 der COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, als gesetzwidrig festgestellt hat und diese als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Das dem Beschwerdeführer vorgeworfene, § 6 Abs 2 COVID-19-LV, BGBl II Nr 197/2020 idF BGBl II Nr 287/2020, widersprechende Verhalten war somit nicht rechtswidrig.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren als Folge der in Art 139 Abs 6 B-VG verankerten Bindungsverpflichtung der Gerichte an Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes nicht zu erörtern. Dementsprechend wird die ordentliche Revision in Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses für nicht zulässig erklärt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Betretungsverbot;
Sperrstundenregelung;
Verordnungsprüfung;
Bindungswirkung;
Günstigkeitsprinzip;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2020.37.2524.7

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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