TE Lvwg Erkenntnis 2021/4/20 VGW-105/079/130/2020

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Veröffentlicht am 20.04.2021
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Entscheidungsdatum

20.04.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GewO 1994 §13 Abs1 Z1 litb
GewO 1994 §363 Abs1 Z3
GewO 1994 §363 Abs4
AVG §68 Abs4 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Ollram über die Beschwerde der A. GmbH, FN ..., mit Sitz in Wien, vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien, Magistratsabteilung 63, vom 21.11.2019, ...1-2019, betreffend die Löschung ihrer Eintragung im GISA als Inhaberin des Gewerbes „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (KFZ-Service)“, GISA-Zahl: ..., im Standort Wien, B.-gasse, wegen unrichtiger Beurteilung des Vorliegens der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewerbeausübung (§ 363 Abs. 4 und Abs. 1 Z 3 iVm § 13 Abs. 1 und 7 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994) gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG zu Recht:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die belangte Behörde verfügte in Ausübung ihres Aufsichtsrechts die Löschung der im Spruch bezeichneten Gewerbeberechtigung mit der Begründung, dass den Alleingesellschafter der Beschwerdeführerin (BF), C. A., zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung aufgrund einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen eines (inhaltlich näher dargelegten) Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten ein Gewerbeausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 lit. b GewO 1994 getroffen habe; gemäß Abs. 7 habe sich dieser Ausschlussgrund auch auf die BF erstreckt. Die Anmeldebehörde habe bei der Beurteilung und Eintragung der Gewerbeberechtigung im GISA irrtümlich nur auf das vorherige Ausscheiden des C. A. aus seiner Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers abgestellt, nicht jedoch seine aufrechte Funktion als Alleingesellschafter berücksichtigt, aufgrund welcher ihm ebenfalls maßgebender Einfluss auf den Geschäftsbetrieb der BF zugekommen sei. Der Mangel dauere zum Entscheidungszeitpunkt der Behörde noch an, da die Funktion des C. A. als Alleingesellschafter noch immer aufrecht und ihm bislang auch keine Nachsicht nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 erteilt worden sei. Im Rahmen des Parteiengehörs sei mit einer fehlenden Befürchtung weiterer strafbarer Handlungen des C. A. argumentiert, jedoch gleichzeitig dessen jahrelanges gewalttätiges Verhalten verharmlost worden. Im Rahmen der laut Rechtsprechung des VwGH vorgesehenen Ermessensentscheidung iSd § 68 Abs. 4 AVG überwiege eine mögliche Beeinträchtigung des Lebens und der Gesundheit von Personen die wirtschaftlichen Interessen der Gewerbeinhaberin, zumal das Gewerbe auch erst seit 11.1.2018 bestehe.

Dagegen richtet sich die fristgerecht und mängelfrei erhobene Beschwerde mit den (sinngemäßen) Begehren, das Verfahren bis zur Entscheidung im parallel anhängigen Rechtsmittelverfahren betreffend die Verweigerung der Nachsichtserteilung auszusetzen, in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den Löschungsbescheid ersatzlos aufzuheben bzw. die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Eine genauere Darlegung der Beschwerdegründe erübrigt sich im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung.

Maßgeblicher Sachverhalt:

Die BF ist eine im Jahr 2017 gegründete und im Firmenbuch unter der Zahl FN ... registrierte Kapitalgesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Als zur selbständigen Außenvertretung berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer fungierte zunächst seit 13.5.2017 der C. A., der in dieser Funktion mit 15.12.2017 (im Firmenbuch eingetragen am 11.1.2018) von der D. E. abgelöst wurde. Als Alleingesellschafter fungiert unverändert der C. A.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.3.2017, ...2, rechtskräftig seit 10.7.2017, wurde der C. A. wegen des (in Zeiträumen zwischen Juni 2012 und April 2016 begangenen) Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107 b Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.

Am 11.1.2018 wurde, lautend auf die BF als Gewerbeinhaberin und unter gleichzeitiger Anzeige einer gewerberechtlichen Geschäftsführerin, das verfahrensgegenständliche Gewerbe mit dem Wortlaut „Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (KFZ-Service)“ angemeldet und vom Magistrat der Stadt Wien als Gewerbebehörde unter der Zahl ... im GISA registriert. Diese Eintragung ist bis dato aufrecht.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 13.11.2019, ...3-2019 („...1-2019“), wurde ein Antrag des C. A. vom 2.8.2019 auf Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund der strafgerichtlichen Verurteilung für das gegenständliche Gewerbe negativ erledigt. Aufgrund der dagegen eingebrachten Beschwerde erteilte das Verwaltungsgericht Wien dem C. A. mit am 13.1.2021 mündlich verkündetem (und damit rechtskräftigem) Erkenntnis die beantragte Nachsicht.

Beweisverfahren, Beweiswürdigung:

Die maßgeblichen Feststellungen ergeben sich aus unbedenklichen öffentlichen Urkunden bzw. Registern (Firmenbuch, GISA) sowie aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 dritter Fall VwGVG entfallen, da - wie nachfolgend in der rechtlichen Beurteilung dargelegt - bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt ersatzlos aufzuheben ist. Gegenüber der belangten Behörde erübrigte sich auch ein separates Parteiengehör zur zwischenzeitlichen Nachsichtserteilung, zumal deren zuständige Dienststelle gleichzeitig die Dienststelle des Magistrats der Stadt Wien als Gewerbebehörde für Nachsichtserteilungen ist und dort ein gemeinsames elektronisches Aktensystem mit wechselseitigem Zugriff besteht. Das (auf Magistratsebene negativ verlaufene) Nachsichtsverfahren wurde auch dem gegenständlich vorgelegten Behördenakt beigeschlossen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu I:

Gemäß § 68 Abs. 4 Z 4 AVG können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechts von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

Gemäß § 363 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 sind Bescheide, die auf Grund der GewO 1994 erlassen worden sind, iSd § 68 Abs. 4 Z 4 AVG dann mit Nichtigkeit bedroht, wenn die Frage des Vorliegens der allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen gemäß §§ 8 bis 14 für die Ausübung von Gewerben durch den Gewerbeinhaber oder für die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer unrichtig oder der Befähigungsnachweis (§§ 18 und 19) zu Unrecht als erbracht beurteilt worden ist und in allen diesen Fällen der Mangel noch andauert.

Gemäß § 363 Abs. 4 GewO 1994 kann die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in Ausübung des Aufsichtsrechts mit Bescheid die Löschung einer Eintragung im GISA verfügen, wenn

1. a) eine natürliche Person oder ein sonstiger Rechtsträger auf Grund einer Anmeldung eines Gewerbes gemäß § 340 Abs. 1 in das GISA eingetragen wurde oder b) eine Maßnahme oder Tätigkeit, die Gegenstand einer Anzeige gemäß § 345 ist, in das GISA eingetragen wurde und

2. die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung gemäß Abs. 1 vorliegen.

Gemäß dem vorletzten Satz des Abs. 4 darf das Gewerbe bis zum Eintritt der Rechtskraft des Löschungsbescheides ausgeübt werden.

Gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 sind natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt worden sind und die Verurteilung nicht getilgt ist.

Gemäß § 13 Abs. 7 erster Satz GewO 1994 sind andere Rechtsträger als natürliche Personen von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist.

Da die strafgerichtliche Verurteilung des C. A. vor der Anmeldung und Registrierung des Gewerberechts der BF rechtskräftig wurde, die über ihn verhängte Freiheitsstrafe weit über drei Monate betrug und seine Funktion als Alleingesellschafter, welche jedenfalls (schon aufgrund alleiniger organisatorischer Verfügungsmacht über wesentliche Gesellschaftsfunktionen) einen maßgebenden Einfluss auf den Geschäftsbetrieb der BF beinhaltete, zum Anmeldezeitpunkt 11.1.2018 aufrecht war, wurde das Nichtvorliegen von Gewerbeausschlussgründen gemäß § 13 Abs. 7 GewO 1994 vom Magistrat der Stadt Wien als Anmeldebehörde unrichtig beurteilt.

Die Löschung einer Gewerbeberechtigung nach § 363 Abs. 4 GewO 1994 ist (vor allem in Hinblick auf dessen vorletzten Satz) grundsätzlich ein konstitutiver Verwaltungsakt, dem die Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt zu Grunde zu legen ist. Da dem C. A. inzwischen feststellungsgemäß rechtskräftig die Nachsicht vom gegenständlichen Gewerbeausschlussgrund erteilt wurde, dauert der ursprüngliche Mangel zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt nicht mehr iSd § 363 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 an und war der angefochtene Bescheid ohne weitere Ermessensübung (iSd § 68 Abs. 4 AVG) ersatzlos aufzuheben.

Zu II (§ 25a Abs. 1 VwGG):

Die Unzulässigkeit der Revision war auszusprechen, da sich bei der Entscheidung, welche einer klaren und eindeutigen Rechtslage entspricht und in keinem Widerspruch zu einer einschlägigen Rechtsprechung des VwGH steht, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG stellten.

Schlagworte

Nichtigkeit; Nichtigerklärung; Ausschlussgrund; gewerberechtliche Voraussetzungen; Geschäftsführer; strafgerichtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.105.079.130.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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