TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/30 W211 2240843-1

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Veröffentlicht am 30.03.2021
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Entscheidungsdatum

30.03.2021

Norm

AVG §57 Abs1
AVG §64 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FPG §114 Abs1
FPG §114 Abs3
FPG §114 Abs4 Fall1
FPG §93 Abs1 Z1
FPG §94 Abs5
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs4
VwGVG §13 Abs5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W211 2240843-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , betreffend Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Wesentliche
Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer, einem syrischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2014 Asyl zuerkannt.

Der Beschwerdeführer erhielt nach Antragstellung am XXXX 2018 einen Konventionspass mit der Nummer XXXX ausgestellt.

Mit Berichterstattung der LPD XXXX vom XXXX 2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachts der Schlepperei gegen Entgelt zur Anzeige gebracht. Bei seinem Aufgriff im Grenzgebiet zu Ungarn wies sich der Beschwerdeführer mit seinem Konventionspass aus. Mit XXXX 2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Aberkennungsverfahren betreffend seinen Asylstatus und ein Verfahren zur Entziehung des Konventionsreisepasses eingeleitet.

Mit Mandatsbescheid vom XXXX 2020 wurde dem Beschwerdeführer der Konventionsreisepass gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG entzogen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen das Rechtsmittel der Vorstellung.

Mit Beschluss des LG XXXX zur GZ XXXX (in der Strafsache wegen §§ 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 2, Abs. 4 1. Fall FPG) wurde gegen den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt.

Im Verfahren betreffend die Entziehung des Konventionsreisepasses wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX 2021 die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom XXXX 2021 nahm der Beschwerdeführer im Verfahren Stellung und gab insbesondere an, dass, solange jemand nicht verurteilt sei, dieser als unschuldig anzusehen sei. Der Beschwerdeführer benötige seinen Konventionsreisepass, um nach Enthaftung der ihm zustehenden Reise- und Bewegungsfreiheit nachkommen zu können.

Mit Bescheid vom XXXX 2021 wurde dem Beschwerdeführer der Konventionsreisepass entzogen und ihm aufgetragen, das Dokument unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.). Begründend führte die Behörde soweit wesentlich aus, dass der dringende Tatverdacht bestehe, dass der Beschwerdeführer im Rahmen einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit bislang unbekannten Mittätern, zumindest den Organisatoren „ XXXX “ und „ XXXX “ sowie Fußschleppern, die rechtswidrige Einreise bzw. Durchreise in Bezug auf mindestens drei Fremde, die nicht zum Aufenthalt auf österreichischem Staatsgebiet berechtigt seien, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, gefördert zu haben, und zwar am XXXX 2020 und am XXXX 2021. Es sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine weitere strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen würde. Für die Versagung eines Konventionsreisepasses sei nicht erst eine rechtskräftige Verurteilung notwendig; es reiche bereits der begründete Verdacht aus, dass der Beschwerdeführer Schlepperei begangen und an ihr mitgewirkt habe. Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung führte die Behörde aus, der auf Schlepperei abgestellte Versagungstatbestand hebe das besonders große Gefährdungspotential des Fehlverhaltens für die innere und äußere Sicherheit Österreichs hervor, was den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung rechtfertige. Österreich eröffne mit der Ausstellung eines Konventionsreisepasses dem/der Inhaber_in die Möglichkeit zu reisen und übernehme damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürger_innen einzunehmende Haltung erfordere einen restriktiven Maßstab.

Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Beschwerdeführer moniert in seiner Beschwerde insbesondere, dass die Behörde kein Ermittlungsverfahren geführt und den Beschwerdeführer zu den Vorwürfen nicht befragt habe. Die Unterstellung der Begehung einer schweren Straftat vor Ende des Strafverfahrens stehe im Widerspruch zur Unschuldsvermutung. Der Beschwerdeführer habe den Konventionsreisepass nie benutzt, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken. Es gebe damit keine Tatsachen für die Annahme der Behörde, dass der Beschwerdeführer mithilfe des Dokuments Schlepperei begehen werde, da er hierfür das Dokument gar nicht benötige. Durch den Besitz des Passes könnten daher auch nicht die öffentlichen Interessen der Republik Österreich beeinträchtigt werden, sodass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

1.       § 13 VwGVG lautet:

Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) […]

(4) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

2.       Die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG, entsprechen großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5ff.). Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zeigen, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR XXIV. GP). Da der Judikatur zu § 64 Abs. 2 AVG die Notwendigkeit einer Abwägung bei Gegenüberstellung öffentlicher Interessen und jener des Berufungswerbers/der Berufungswerberin ebenfalls zu entnehmen ist (VwGH vom 03.07.2002, Zl. 2002/20/0078), kann damit ohne Weiteres auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen (vgl. VwGH vom 01.09.2014, Ra 2014/03/0028).

Die zuständige Behörde hat eine Interessenabwägung durchzuführen und darzulegen, worin die Gefahr im Verzug besteht, die einen vorzeitigen Vollzug des Bescheides dringend gebietet (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). In der Interessenabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers/der Beschwerdeführerin gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfälliger weitere Parteien abzuwägen, wobei in einem ersten Schritt festzustellen ist, welche Interessen überwiegen.

„Gefahr in Verzug“ bedeutet, dass der Aufschub der Vollstreckung einen gravierenden Nachteil für die Partei oder das öffentliche Wohl bewirken würde (VwGH 4.5.1992, 89/07/0117; vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG).

Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung; wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung vom Verwaltungsgericht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorgenommen, so ist eine einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

3.       Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Beschwerdeführer seinen Konventionsreisepass dafür verwendete, Personen die illegale Einreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen.

Der Behörde ist nicht zu widersprechen, wenn sie in einer Abwägung der öffentlichen Interessen, nämlich die Verhinderung der Begehung von Straftaten und der illegalen Einreise von Personen in das Bundesgebiet, mit den Interessen des Beschwerdeführers, nach der Haftentlassung ins Ausland zu verreisen, ersteren den Vorzug gibt. Der vorzeitige Vollzug ist geboten, um durch Entziehung des Konventionsreisepasses (weitere) strafbare Handlungen zu verhindern. Die Verhinderung strafbarer Handlungen soll gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern.

Der Beschwerdeführer ist in seiner Beschwerde den Ausführungen der Behörde zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht substantiiert entgegengetreten und hat auch kein Vorbringen dazu erstattet, dass für ihn damit ein unverhältnismäßiger (angesichts der sonstigen Interessen unverhältnismäßig schwerwiegender) Nachteil verbunden wäre.

Da das Bundesverwaltungsgericht auch keine Anhaltspunkte für einen unverhältnismäßigen Nachteil für den Beschwerdeführer erkennen kann, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids abzuweisen.

Mit der gegenständlichen Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird die Entscheidung über den Entzug des Konventionsreisepasses nicht vorweggenommen. Auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Hauptsache kommt es im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dem Wortlaut zufolge nicht an (vgl. VwGH vom 11.04.2011, AW 2011/17/0005).

Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH vom 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund Gefahr im Verzug Interessenabwägung Konventionsreisepass kriminelle Delikte öffentliche Interessen Schlepperei Untersuchungshaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W211.2240843.1.01

Im RIS seit

16.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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