TE Bvwg Erkenntnis 2021/5/27 W234 2195388-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2021
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Entscheidungsdatum

27.05.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W234 2195388-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Georgien, vertreten durch Verein Queer Base, Welcome and Support for LGBTQ Refugees, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wr. Neustadt vom 13.04.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger Georgiens, reiste per Direktflug in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.03.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers unter Beiziehung eines Dolmetschers für die georgische Sprache statt.

Hier gab der Beschwerdeführer an, er habe Georgien am 22.03.2018 mit einem Direktflug von Tiflis nach Wien/Schwechat verlassen. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab er an, er sei homosexuell und könne deswegen in Georgien nicht in die Öffentlichkeit, weil es immer wieder Übergriffe auf ihn gebe. Dazu führte er aus, er habe seine Homosexualität zu verheimlichen versucht, obwohl er schon lange in einer homosexuellen Beziehung gelebt habe. Nach Bekanntwerden seiner Homosexualität sei er von seiner Familie nicht mehr akzeptiert worden und habe auch seinen Job verloren, weil sein Arbeitgeber, der zudem sein Lebenspartner gewesen sei, auch nach Österreich geflüchtet sei. Im Falle seiner Rückkehr befürchtet der Beschwerdeführer, dass er unmenschlich behandelt würde.

3.       Am 10.04.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Georgisch niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen.

Hier gab der Beschwerdeführer an, dass er in Tiflis geboren worden sei, wo er auch bis zu seiner Ausreise – mit einigen Unterbrechungen – gelebt habe. Er sei wegen periodischer Probleme mit seiner Familie manchmal Monate von zu Hause weggewesen und habe entweder bei Freunden oder bei Verwandten mütterlicherseits im Dorf XXXX gewohnt. Er sei jedoch immer wieder nach Hause (in Tiflis) zurückgekehrt. Seine Eltern und sein Bruder seien weiterhin in Georgien, Tiflis, wohnhaft.

Er habe seit 2015 als Finanzmanager im sogenannten XXXX gearbeitet; vor seiner Tätigkeit als Finanzmanager habe er manchmal auf Baustellen oder in Fabriken gearbeitet. Er sei ledig und habe auch keine Kinder. Sein Lebenspartner sei von Georgien nach Österreich gereist, weil dieser wegen seiner Homosexualität große Schwierigkeiten gehabt habe.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei homosexuell und sei deshalb sowohl verbal als auch physisch von Freunden, Nachbarn und auch fremden Personen angegriffen worden. Er habe sich wegen der Übergriffe an die Polizei gewandt, diese habe ihn jedoch in einen Keller gebracht und geschlagen. Zudem habe ihm die Polizei auch gedroht, dass er überall wegen seiner Homosexualität Probleme bekommen werde. An eine höhere Stelle habe er sich wegen der Übergriffe der Polizei nicht gewandt. Er habe sich immer verborgen und nicht darüber gesprochen.

4.       Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.04.2018 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz für die Zuerkennung des Status des Asyl- sowie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaats Georgien ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es handle sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Rechtsverletzung, welche die Erteilung subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Ferner sei der Beschwerdeführer in Österreich noch nicht ausreichend integriert, dass Art. 8 EMRK der Erlassung einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die Queer Base Welcome and Support for LGBTIQ Refugees, am 03.05.2018 Beschwerde. In der Beschwerde wird im Wesentlichen gerügt, dass die herangezogenen Länderberichte unvollständig seien und die schlechte Lage von Homosexuellen in Georgien nicht vollständig darstellen würden. Ferner liege der Entscheidung der Behörde eine mangelhafte Beweiswürdigung zugrunde; diesbezüglich führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die Behörde habe nicht auf die Aufklärung vermeintlicher Widersprüche hingewirkt und die Aussagen des Beschwerde-führers falsch gewürdigt. Es könne aufgrund der Erfahrung des Beschwerdeführers auch nicht mit notwendiger Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dieser vom georgischen Staat verfolgt werde.

6.       Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langte am 17.05.2018 ein.

7.       Der Beschwerde wurde nach einer Grobprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht (dokumentiert durch einen Aktenvermerk vom 24.05.2018, OZ 2) die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

8. Der Beschwerdeführer wurde am 07.06.2018 mittels Charterabschiebung nach Georgien abgeschoben.

9. Auf Grund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.09.2018 wurde die Beschwerde der zuvor zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

10. Mit Schreiben vom 28.04.2021 gewährte das Bundesverwaltungsgericht dem Vertreter des Beschwerdeführers Parteiengehör zu dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Georgien in der Fassung vom 05.03.2021.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1.  Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Georgiens und weist die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichnete Identität auf. Er reiste am 22.03.2018 per Direktflug nach Österreich ein und stellte am 26.03.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde in Tiflis in Georgien geboren und lebte bis zu seiner Ausreise – mit Unterbrechungen – in Tiflis bei seinen Eltern. In Zeiten, in denen er nicht bei seinen Eltern in Tiflis wohnte, hielt er sich bei Freunden oder bei Verwandten mütterlicherseits auf, welche in einem Dorf im XXXX (Georgien) wohnhaft sind. Er ist ethnischer Georgier, spricht muttersprachlich Georgisch und gehört dem christlich-orthodoxen Glauben an.

1.1.2.  Der Beschwerdeführer verfügt über eine elfjährige Schulausbildung (4 Jahre Volksschule und 7 Jahre Hauptschule) und eine Berufsausbildung als Bauarbeiter. Während seines Aufenthaltes in Georgien war er erwerbstätig: Er arbeitete manchmal auf Baustellen oder Fabriken; von 2015 bis 2017 arbeitete er als Finanzmanager im sogenannten XXXX und verdiente einen monatlichen Lohn in Höhe von 1250 Lari. Nach der Schließung des XXXX bekam er Unterstützung von Freunden und nahm auch Aushilfsarbeiten an.

1.1.3.  Der Beschwerdeführer hat Eltern und einen älteren Bruder, welche in Tiflis, Georgien, leben. Sein Vater hat ein eigenes Fahrzeug und arbeitet als Kraftfahrer. Seine Mutter ist hauptsächlich Hausfrau und manchmal als Putzfrau erwerbstätig. In Georgien hat der Beschwerdeführer ferner Onkel und Tanten, welche im Dorf, in XXXX wohnhaft sind. Das Verhältnis zu seiner Familie (Eltern und Bruder) ist seit der 11. Schulstufe, konkret seit 2005, problematisch. Zu seinem Vater pflegt der Beschwerdeführer kein gutes Verhältnis. Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

1.1.4. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung.

1.1.5.  Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich. Er hat in Österreich Kontakt zu XXXX . Dieser kam auch wegen behaupteter Übergriffe und Verfolgungen aufgrund seiner Homosexualität von Georgien als Asylwerber nach Österreich; sein Asylverfahren befindet sich im Stadium der Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht XXXX besuchte der Beschwerdeführer gelegentlich in dessen Unterkunft in St. Pölten und hielt sich dort auch für einige Tage auf. Der Beschwerdeführer äußerte sein Vorhaben, mit XXXX in Österreich zusammenzuwohnen und diesen hier heiraten zu wollen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit XXXX in Georgien eine Partnerschaft führte.

1.1.6.  Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Gruppierung. Der Beschwerdeführer weist keine fortgeschrittenen Kenntnisse der deutschen Sprache auf.

1.1.7.   Der Beschwerdeführer ist erwerbsfähig und strafrechtlich unbescholten. Er verfügt über eine gesicherte Existenzgrundlage in Georgien.

1.1.8.  Der Beschwerdeführer war in Österreich nicht erwerbstätig und lebte von Leistungen der Grundversorgung.

1.1.9.  Der Beschwerdeführer wurde am 07.06.2018 mittels Charterabschiebung nach Georgien abgeschoben.

1.1.10. Dem Beschwerdeführer kam in Österreich ausschließlich das vorläufige Aufenthaltsrecht als Asylwerber zu; er verfügte über kein anderes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

1.1.11. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers war weder gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch wurde der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

1.2.     Zum Fluchtvorbringen und zur Rückkehrsituation:

1.2.1.  Der Beschwerdeführer ist homosexuell. Zwar hat er in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner sexuellen Orientierung mit Anfeindungen sowie mit einer ablehnenden Haltung durch die Gesellschaft zu rechnen, allerdings drohen ihm wegen seiner sexuellen Orientierung keine gezielten Übergriffe oder Diskriminierungen hier maßgeblicher Intensität durch staatliche Behörden oder private Akteure ernstlich.

1.2.2.  Jene konkreten Ereignisse, die der Beschwerdeführer als für ihn fluchtauslösend behauptet, können nicht als glaubhaft gemacht festgestellt werden: So kann nicht festgestellt werden, dass am 25.01.2018, an seinem Geburtstag, aufgrund eines zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX mit Lautsprecher geführten Telefongespräches die Homosexualität des Beschwerdeführers bekannt wurde, er deswegen von Freunden, Nachbarn und fremden Personen geschlagen wurde und weggelaufen ist und nunmehr deren Übergriffe sowie Übergriffe ihm nicht bekannter Personen fürchten muss. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer, als er sich wegen der Übergriffe von Privatpersonen an die Polizei gewandt hat, von der Polizei in einen Keller gebracht und geschlagen wurde. Überdies kann nicht festgestellt werden, dass die Polizei dem Beschwerdeführer gedroht hat, er werde überall Probleme bekommen.

1.3.    Zur maßgeblichen Situation in Georgien:

Als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat werden folgende Kapitel des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation „Georgien“ in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 05.03.2021, festgestellt:

„Covid-19“

Letzte Änderung am 01.12.2020

Georgien hat die Verbreitung von COVID-19 im Frühling 2020 durch strenge Maßnahmen weitgehend eingedämmt. Nachdem im Sommer 2020 die strengen Regeln aufgehoben, die Einreisebestimmungen an den Grenzen gelockert und Inlandstourismus beworben wurde, kam es ab Ende August 2020 zu einem exponentiellen Anstieg der positiven Tests. Bis Mitte September 2020 stieg die Zahl der täglichen positiven Testergebnisse von niedrigen zweistelligen Zahlen auf etwa 150 (Eurasianet 18.9.2020) und um Mitte Oktober auf ungefähr 1000 (Jam 16.10.2020). Gegen Ende November 2020 lag die tägliche Zahl positiver Tests um die 4.000 und die der Verstorbenen an oder mit SARS-CoV-2 bei 35-50 Personen (Agenda 26.11.2020; vgl. WOM 30.11.2020). COVID-19-Infektionen kommen in allen Regionen des Landes vor; und es kommt landesweit zu unkontrollierter Übertragung von COVID-19 (USEMB 30.11.2020a).

Tagesaktuelle Zahlen zu bestätigten Infektionen, Genesungen, Todesfällen und Hospitalisierungen werden von der Regierung auf der Webseite https://stopcov.ge/en/ veröffentlicht (StopCoV.ge o.D.).

Aufgrund der steigenden Zahlen wurden mit Wirkung vom 28.11.2020 unter anderem folgende Beschränkungen landesweit, vorerst bis 31.1.2021, in Kraft gesetzt: Während der nächtlichen Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr sind öffentliche und private Verkehrsbewegungen, einschließlich zu Fuß gehen, sowie der Aufenthalt im öffentlichen Raum nicht gestattet. Der öffentliche Überlandverkehr einschließlich Bahn, Bus und Kleinbus ist ganztägig eingestellt. Reisen in Kleinfahrzeugen (einschließlich Taxis) sind – außerhalb der nächtlichen Ausgangssperre - zulässig. Es herrscht eine Tragepflicht von Gesichtsmasken im Freien sowie in allen geschlossenen öffentlichen Räumen. Personen über 70 Jahren wird empfohlen, zu Hause zu bleiben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Für die Großstädte Tiflis, Batumi, Kutaissi, Rustawi, Poti, Sugdidi und Telawi sowie die Wintersportorte Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia gelten zusätzlich u.A. folgende Einschränkungen: Der innerstädtische öffentliche Verkehr ist vollständig eingestellt. Geschäfte sind geschlossen, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Hygieneprodukten und Kiosken für Printmedien. Agrarmärkte, Schönheitssalons, Friseurläden und Zentren für ästhetische Medizin sind weiterhin in Betrieb. Kindergärten sind geschlossen, Schulen und Universitäten bieten ausschließlich Fernlehre an (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Für die Periode Neujahr-Weihnachten (24.12.2020 bis 15.1.2021) werden einzelne Beschränkungen gelockert (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Die Einschränkungen von Linienflügen nach Georgien wurden mit 1.11.2020 gelockert, seither sind auch wieder Linienflüge nach Tiflis ex Wien erlaubt (GCAA 21.10.2020). Diese Flüge werden Stand Ende November 2020 ein Mal wöchentlich von Georgian Airways durchgeführt (F24 30.11.2020; vgl. VIE 30.11.2020)

Bei der Einreise aus dem Ausland müssen sich georgische Staatsangehörige sowie ihre Familienangehörigen für 8 Tage in Selbstisolation begeben, wenn sie an der Grenzübertrittsstelle einen negativen PCR-Test nicht älter als 72 Stunden vorweisen können. Sollte ein solcher Test nicht vorgewiesen werden, wird eine obligatorische Quarantäne verhängt (MoF o.D.; vgl. StopCoV.ge o.D.) und die Person wird in eine Quarantänezone verbracht (StopCoV.ge o.D.). In den Wintersportorten Bakuriani, Gudauri, Goderdzi und Mestia werden Hotels ausschließlich als Quarantäne- oder COVID-Unterkünfte betrieben (USEMB 30.11.2020b; vgl. Agenda 26.11.2020).

Trotz der Zugangsbeschränkungen unterstützt die Georgische Regierung die separatistische Region Abchasien bei der Bekämpfung von COVID-19 materiell und fachlich. Auch die Behandlung von abchasischen COVID-19-Patienten in Kern-Georgien wurde ermöglicht (CW 27.11.2020; vgl. Jam 16.10.2020). Internationale Hilfe in Südossetien ist auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschränkt. Die georgische Zentralregierung hat Zchinwali ebenfalls humanitäre Hilfe angeboten, aber der Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt (CW 27.11.2020). Dennoch werden auch COVID-Patienten aus Südossetien in Georgien behandelt, wenn auch in geringerem Ausmaße als aus Abchasien (Jam 16.10.2020).

Quellen:

?        Agenda.ge (26.11.2020): Georgian gov’t introduces further coronavirus restrictions until Jan. 31, https://agenda.ge/en/news/2020/3722, Zugriff 30.11.2020

?        CW - Caucasus Watch (27.11.2020): Council of Europe reports on Abkhazia and Tskhinvali, https://caucasuswatch.de/news/3289.html, Zugriff 30.11.2020

?        Eurasianet (18.9.2020): Georgia experiences its first wave of COVID-19, https://eurasianet.org/georgia-experiences-its-first-wave-of-covid-19, Zugriff 30.11.2020

?        F24 – Flightradar24 (30.11.2020): TBS/UGTB Tbilisi International Airport, Georgia - Routes Tbilisi, https://www.flightradar24.com/data/airports/tbs/routes, Zugriff 30.11.2020

?        GCAA – Georgian Civil Aviation Agency (21.10.2020): News and Statements - 21 Oct.'20 | Information for Passengers, http://www.gcaa.ge/eng/news.php?id=6285, Zugriff 30.11.2020

?        Jam News (16.10.2020): Georgia: coronavirus patients from the other side of territorial conflict, https://jam-news.net/coronavirus-georgia-treatment-abkhazia-south-ossetia/, Zugriff 30.11.2020

?        MoF – Ministry of Foreign Affairs of Georgia (o.D.): Regulations for Crossing the Georgian Border in connection with the COVID-19 pandemic, https://mfa.gov.ge/MainNav/CoVID-19-sakitkhebi/sazgvris-kvetis-regulaciebi.aspx?fbclid=IwAR0PQsqZ2jc22Etm9gyMDFzetGwWktKodcpXUVW4Op1HEZImKTEXi4SyUbU&lang=en-US%20%20, Zugriff 30.11.2020

?        StopCoV.ge (o.D.): Prevention of Coronavirus Spread in Georgia, https://stopcov.ge/en/, Zugriff 30.11.2020

?        USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020a): COVID-19 Information for Georgia (November 30), https://ge.usembassy.gov/covid-19-information-on-georgia/, Zugriff 30.11.2020

?        USEMB – U.S. Embassy in Georgia (30.11.2020b): Measures to control the spread of COVID-19 in Georgia, https://ge.usembassy.gov/u-s-citizen-services/measures-to-control-the-spread-of-covid-19-in-georgia/, Zugriff 30.11.2020

?        VIE – Flughafen Wien-Schwechat / Vienna International Airport (30.11.2020): Routes - Vienna International Airport (VIE), http://tracker.flightview.com/customersetup/viennaairport/routemapper/, Zugriff 30.11.2020

?        WOM – Worldometer (30.11.2020): Coronavirus – Georgia, https://www.worldometers.info/coronavirus/country/georgia/, Zugriff 30.11.2020

„Politische Lage“

Letzte Änderung am 01.12.2020

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewonnen hatte, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 10.3.2020).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 10.3.2020).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Das Parlament Georgiens hat 150 Sitze, wovon 120 über Parteienlisten und 30 über Direktmandate in Wahlkreisen vergeben werden. Bei den Wahlen 2016 wurden noch 72 Direktmandate vergeben (KP 26.11.2020). Die Änderungen zu einem reinen Verhältniswahlrecht wurden vom Parlament für die nächsten, planmäßig 2024 stattfindenden Wahlen, beschlossen (KP 23.11.2019; vgl. RFE/RL 28.11.2019).

Die Wahlhürde für die Verhältniswahl ist auf 1% der Stimmen festgelegt. Es besteht ein Begrenzungsmechanismus, der vorsieht, dass keine einzelne Partei, die weniger als 40% der abgegebenen Stimmen erhält, die Mehrheit der Sitze im Parlament erhalten darf. Im Falle einer vorgezogenen Neuwahl zwischen 2020 und 2024 wird diese nach demselben Wahlsystem wie im Jahr 2020 durchgeführt. Alle nachfolgenden Wahlen werden jedoch auf der Grundlage des vollständig proportionalen Wahlsystems durchgeführt, wie es für die Parlamentswahlen 2024 vorgesehen ist (civil 8.3.2020; vgl. KP 11.4.2020).

Bei den trotz COVID-Panedmie am 31.10.2020 durchgeführten Parlamentswahlen erzielte die bisherige Regierungspartei Georgischer Traum 48% der Stimmen und mit 91 Sitzen erneut eine satte Mehrheit von 60% der Mandate (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Das größte Oppositionsbündnis, die Vereinigte Nationale Bewegung, erhielt 26,9% der Stimmen zugeschrieben (EN 2.11.2020). Insgesamt haben neun Parteien den Sprung ins Parlament geschafft (KP 26.11.2020); vgl. Jam 26.11.2020.

Die unterlegene Opposition prangerte erhebliche Wahlmanipulationen an und mobilisierte ihre Anhänger auf der Straße. Die Sicherheitskräfte setzten Schlagstöcke und Wasserwerfer ein (KP 26.11.2020; vgl. EN 2.11.2020). Gemäß OSZE waren die Parlamentswahlen kompetitiv und insgesamt wurden die Grundfreiheiten respektiert. Dennoch haben weit verbreitete Vorwürfe von der Ausübung von Druck auf die Wähler und der unklaren Abgrenzung zwischen der Regierungspartei und dem Staat das Vertrauen der Öffentlichkeit in einige Aspekte des Wahlvorganges unterminiert. Der grundlegend überarbeitete Rechtsrahmen bot eine solide Grundlage für die Abhaltung demokratischer Wahlen und die technischen Aspekte der Wahlen wurden trotz der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie effizient gehandhabt. Jedoch hat sich die Dominanz der Regierungspartei in den Wahlkommissionen negativ auf die Wahrnehmung ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit ausgewirkt, insbesondere auf den unteren Ebenen (OSCE/ODIHR 1.11.2020).

In Folge rief die Opposition zum Boykott der Stichwahl am 21.11.2020 in 17 Direktwahlkreisen auf, wodurch sich alle Kandidaten des Georgischen Traums sich bei einer Wahlbeteiligung von 26% durchsetzen konnten (KP 26.11.2020); vgl. Eurasianet 27.11.2020). Die Oppositionsparteien planen aus Protest, ihre Parlamentssitze nicht zu besetzen (KP 26.11.2020; vgl. Eurasianet 27.11.2020, Jam 26.11.2020).

Laut Gesetz muss die Zentrale Wahlkommission bis spätestens 19. Dezember 2020 das endgültige Wahlergebnisse bekannt geben und das neue Parlament muss spätestens zehn Tage nach der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse zusammentreten. Die 90 Abgeordneten der Regierungspartei sind ausreichend, damit das Parlament seine Arbeit aufnehmen kann - um Gesetze zu verabschieden, die Abgeordneten auf die Parlamentsausschüsse zu verteilen und eine Regierung zu ernennen. Das Parlament wird jedoch nicht in der Lage sein, die Verfassung zu ändern oder die Präsidentin abzusetzen (Jam 26.11.2020).

Stand Ende November 2020 ist es weder durch die Intervention von US-Botschafter Kelly Degnan noch durch andere internationale Moderatoren gelungen, die politische Krise in Georgien zu lösen und die Opposition davon zu überzeugen, den Parlamentsboykott aufzugeben. Im Extremfall könnte die politische Krise nur durch vorgezogene Neuwahlen im Frühling 2021 gelöst werden (Jam 26.11.2020).

Quellen:

?        civil.ge (8.3.2020): Georgian Dream, Opposition Reach Consensus over Electoral Reform, https://civil.ge/archives/341385, Zugriff 9.3.2020

?        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

?        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

?        EN – Euronews (2.11.2020): Georgia's ruling party wins parliamentary vote, opposition calls for protests, https://www.euronews.com/2020/10/31/georgia-s-ruling-party-claims-victory-in-parliamentary-vote, Zugriff 30.11.2020

?        Eurasianet (27.11.2020): Georgian politics still deadlocked after runoff polls, https://eurasianet.org/georgian-politics-still-deadlocked-after-runoff-polls, Zugriff 30.11.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

?        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

?        Jam News (26.11.2020): Georgia: can a single-party parliament function?, https://jam-news.net/georgia-can-a-single-party-parliament-work-function/, Zugriff 30.11.2020

?        KP – Kaukasische Post (11.4.2020): Neues Wahlrecht mit Virus infiziert?, in: Kaukasische Post Ausgabe März 2020, Seiten 1,2.

?        KP – Kaukasische Post (23.11.2019): Vorhängeschlösser und Wasserwerfer ersetzen den politischen Diskurs, http://www.kaukasische-post.com/?p=3078, Zugriff 17.1.2020

?        KP – Kaukasische Post (26.11.2020): Alle Wahlen wieder, in: Kaukasische Post Ausgabe Oktober/November 2020. Seiten 1,2.

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (1.11.2020): International Election Observation Mission Georgia – Parliamentary Elections, 31 October 2020 – Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/files/f/documents/a/d/469005.pdf, Zugriff 30.11.2020

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (29.11.2018): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radion Free Europe/Radion Liberty (28.11.2019): Georgian Police Cordon Off Parliament Building To Prevent Opposition Rally, https://www.rferl.org/a/georgian-police-cordon-off-parliament-building-to-prevent-opposition-rally/30297334.html, Zugriff 2.12.2019

?        Standard, der (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

„Sicherheitslage“

Letzte Änderung am 02.09.2020

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. (EDA 23.3.202013.8.2019; vgl. BMEIA 13.5.2020). Die Kriminalität ist gering (MSZ 25.5.2020; vgl. EDA 23.3.2020).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

?        BMEIA – Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten der Republik Österreich (13.5.2020): Reiseinformation Georgien, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/georgien/, Zugriff 10.6.2020

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 23.3.2020

?        MSZ – Ministerstwo Spraw Zagranicznych Rzeczypospolitej Polskiej (25.5.2020): Informacje dla podró?uj?cych – Gruzja, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/gruzja, Zugriff 10.6.2020

„Abchasien“

Letzte Änderung: 02.09.2020

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich [im Jahr 1992; Time 23.7.2012] – unterstützt von Russland – als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 keine mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/minegrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/minegrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 19.10.2019).

In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992 bis 93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 11.3.2020, vgl. FH 4.3.2020a). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 11.3.2020).

Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 11.3.2020).

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 11.3.2020).

Im März 2019 nahm der UN-Menschenrechtsrat erneut eine Resolution an, die große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Abchasien ausdrückte, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen (AA 19.10.2019; vgl. FH 4.3.2020a).

Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen „Behörden“, dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.3.2020a).

Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratiepolitische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste (FH 4.3.2020a).

Im Jänner 2020 kam es in Abchasiens Hauptstadt Sokhumi zu heftigen Protesten gegen den De-Facto-Präsidenten Raul Khajimba. Ihm wurde von den Demonstranten vorgeworfen, bei seiner Wiederwahl im September 2019 nicht die erforderliche Stimmenmehrheit erzielt zu haben. Die Demonstranten stürmten das Präsidentengebäude und forderten seinen Rücktritt. Nach Vermittlung durch die Russische Föderation trat Khajimba zurück. Die Wahlbehörde annullierte das Wahlergebnis vom September 2019 und Die Wahlwiederholung am 22.3.2020 gewann Oppositionsführer und Ex-Geheimdienstchef Aslan Bzhaniya mit rund 57 Prozent der Stimmen (NZZ 22.3.2020). Die Wahlen hatten trotz Bedenken wegen der weltweiten COVID-19-Pandemie stattgefunden (JW 26.3.2020). Nach den Wahlen ernannte Bzhaniya den Ex-Präsidenten [2011-2014] Aleksander Ankvab zum Premierminister (Apsnypress 24.3.2020; vgl. JW 26.3.2020).

Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (FH 4.3.2020a; vgl. USDOS 10.6.2020). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.3.2020a).

Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.3.2020a).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        AJ – Al Jazeera (9.1.2020): Crowds storm president's office in Georgia's breakaway Abkhazia, https://www.aljazeera.com/news/2020/01/crowds-storm-president-office-georgia-breakaway-abkhazia-200109154012926.html, Zugriff 17.1.2020

?        Apsnypress – State Information Agency of the Republic of Abkhazia (24.3.2020): Aslan Bzhaniya: ex-president of Abkhazia Alexander Ankvab will take post of prime minister, http://www.apsnypress.info/en/news/aslan-bzhaniya-ex-president-of-abkhazia-alexander-ankvab-will-take-post-of-prime-minister/, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020a): Freedom in the World 2020 – Abkhazia, https://freedomhouse.org/country/abkhazia/freedom-world/2020, Zugriff 28.5.2020

?        JW – Junge Welt (26.3.2020): Abchasien will Veränderung, https://www.jungewelt.de/artikel/375260.abchasien-abchasien-will-ver%C3%A4nderung.html, Zugriff 20.4.2020

?        NZZ – Neue Zürcher Zeitung (22.3.2020): Abchasier küren Ex-Geheimdienstchef zum neuen Präsidenten, https://www.nzz.ch/international/abchasier-kueren-ex-geheimdienstchef-zum-neuen-praesidenten-ld.1547947, Zugriff 20.4.2020

?        RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (14.1.2020): Picking Up The Pieces Of Abkhazia's Latest Political Crisis, https://www.rferl.org/a/abkhazia-political-crisis-explainer/30376986.html, Zugriff 17.1.2020

?        Time (23.7.2012): Paradise Lost: 20 Years of Independence in Abkhazia, https://time.com/3790443/paradise-lost-20-years-of-independence-in-abkhazia/, Zugriff 5.2.2020

?        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020

?        USDOS – US Department of State (10.6.2020): 2019 Report on International Religious Freedom, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/GEORGIA-2019-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 16.6.2020

„Südossetien“

Letzte Änderung: 02.09.2020

Südossetien - amtliche Bezeichnung in Georgien auch: Region Tskhinvali - hat eine Fläche von ca. 3.900 km² (gov.ge o.D.) und eine Bevölkerung von ca. 53.000 (Jam 20.2.2016). Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH FH 4.3.2020s).

Im März 2019 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates erneut große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori [Leningor] lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 19.10.2019, vgl. FH 4.3.2020s). Die südossetischen de facto-Behörden verweigern den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien und erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 11.3.2020).

Die russische 'Grenzverfestigung' (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 11.3.2020, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes - verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019).

Die Parlamentswahlen fanden im Juni 2019 statt. Trotz besserer Gesetze konnten sich viele Regierungskritiker und Anhänger der Opposition nicht zur Kandidatur anmelden, was der Regierungspartei half, ihre Dominanz im Parlament aufrechtzuerhalten. Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf Politik und Regierungsführung aus und schränkt die Möglichkeiten politischer Parteien erheblich ein, sich außerhalb eines engen politischen Spektrums frei zu betätigen (FH 4.3.2020s).

Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2019 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im Gegensatz zu vorangegangenen Jahren wurden die Grenzübergänge zu Kerngeorgien 2019 ohne Vorankündigung für längere Zeit geschlossen (FH 4.3.2019s).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Die Redefreiheit wird unterdrückt und ein Klima von Angst und Einschüchterung ist weit verbreitet (AI 8.4.2020). Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, Selbstzensur ist weit verbreitet und gegen kritische Medien werden häufig Verläumdungsklagen eingebracht. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung vermeintlicher politischer Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.3.2019s).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.3.2019s).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.3.2019s).

Im Zuge der Eindämmung der COVID-19-Pandemie wurde Anfang April 2020 die Grenze zu Russland auch für den Güterverkehr geschlossen und somit Südossetien effektiv vom Rest der Welt isoliert (Eurasianet 19.4.2020; vgl. Sputnik 10.4.2020, 4.4.2020). Die Sperre bleibt bis zum 31. Juli aufrecht. Südossetische Staatsbürger, die von Russland nach Hause zurückkehren wollen, müssen zuerst einen Antrag beim südossetischen Konsulat in Nordossetien [Wladikawkas] stellen. Darüber hinaus haben die südossetischen Behörden die Grenze zu Georgien vollständig geschlossen (RES 6.7.2020; vgl. IWPR 30.5.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        AI – Amnesty International (8.4.2020): South Ossetia/Tskhinvali Region: Persecution of Journalists who speak out [EUR 56/2112/2020], https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR5621122020ENGLISH.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        AI – Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of 'borderization' in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019ENGLISH.PDF, Zugriff am 20.8.2019

?        Eurasianet (19.4.2020): Dashboard: Coronavirus in Eurasia, https://eurasianet.org/dashboard-coronavirus-in-eurasia, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020s): Freedom in the World 2020 - South Ossetia, https://freedomhouse.org/country/south-ossetia/freedom-world/2020, Zugriff 16.6.2020

?        gov.ge – ??????????? ???????? / Government of Georgia (o.D.): ??????????? ??????????? ??????????? - ????????? ??????? / ??????? ?????, http://www.gov.ge/index.php?lang_id=GEO&sec_id=214, Zugriff 17.1.2020

?        IWPR – Institute for War & Peace Reporting (30.5.2020): South Ossetia Grapples with Covid-19, https://iwpr.net/global-voices/south-ossetia-grapples-covid-19, Zugriff 5.6.2020

?        Jam News (20.2.2016): How many people live today in South Ossetia?, https://jam-news.net/how-many-people-live-today-in-south-ossetia/, Zugriff 17.1.2020

?         RES - Staatliche Nachrichtenagentur 'Res' der Republik Südossetien (6.7.2020): ??????????? ??? 85: ? ????? ?????? ?? ???????? ????? ??????? ??????????? ?????????????, http://cominf.org/node/1166530895, Zugriff 10.7.2020

?        Sputnik News Južnaja Osetija (10.4.2020): ??????? ????? ?????? ? ??????? ????? ??????? ?? 1 ???, https://sputnik-ossetia.ru/South_Ossetia/20200410/10401609/Granitsa-Yuzhnoy-Osetii-s-Rossiey-budet-zakryta-do-1-maya-.html, Zugriff 20.4.2020

?        Sputnik News Južnaja Osetija (4.4.2020): ????? ?????? ????????? ?????????? ???????? ????????? ? ???????, https://sputnik-ossetia.ru/South_Ossetia/20200404/10371566/Yuzhnaya-Osetiya-polnostyu-prekratila-dorozhnoe-soobschenie-s-Rossiey.html, Zugriff 20.4.2020

?        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020

„Rechtsschutz/Justizwesen“

Letzte Änderung am 02.09.2020

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Die Stärkung eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der Regierung und wird fortgesetzt. NGOs begleiten den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch mit. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz wenig ausgeprägt. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis [zum Regierungswechsel] 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 19.10.2019).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 10.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

„Sicherheitsbehörden“

Letzte Änderung am 02.09.2020

Das Innenministerium und der Staatssicherheitsdienst (SSSG) tragen die Hauptverantwortung für die Durchsetzung der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Das Ministerium ist die primäre Organisation der Strafverfolgung und umfasst die nationale Polizei, die Grenzsicherheitsdienste und die georgische Küstenwache. Der SSSG ist der Inlandsnachrichtendienst, der für Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung und Korruptionsbekämpfung zuständig ist. Es gibt Anzeichen dafür, dass die zivilen Behörden zeitweise keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben (USDOS 11.3.2020).

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. NGOs fordern jedoch eine organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium (AA 19.10.2019).

Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt (USDOS 11.3.2020) und Straffreiheit bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem (HRW 14.1.2020; vgl. USDOS 11.3.202013.3.2019).

Das 2018 geschaffene Büro der staatlichen Inspektoren (State Inspector‘s Office) nahm seine Arbeit am 1.11.2019 auf (HRW 14.1.2020). Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        Eurasianet (19.4.2020): Dashboard: Coronavirus in Eurasia, https://eurasianet.org/dashboard-coronavirus-in-eurasia, Zugriff 20.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Georgia, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/georgia, Zugriff 17.1.2020

?        SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

?        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Georgia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/03/GEORGIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 12.3.2020

„NGOs und Menschenrechtsaktivisten“

Letzte Änderung am 02.09.2020

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit durchführen. Sie werden in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 19.10.2019).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten 'Watchdog'-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte (FH 10.3.2020).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen aus dem Ausland spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützten Nationalen Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BS 29.4.2020).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 10.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (19.10.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2019042/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Georgien_%28Stand_Juli_2019%29%2C_19.10..pdf, Zugriff 30.1.2020

?        BS – Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Georgia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029512/country_report_2020_GEO.pdf, Zugriff 10.6.2020

?        FH - Freedom House (10.3.2020): Freedom in the World 2020 - Georgia, https://freedomhouse.org/country/georgia/freedom-world/2020, Zugriff 11.3.2020

„Ombudsperson“

Letzte Änderung am 02.09.2020

Die Ombudsperson (Public Defe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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