TE Bvwg Erkenntnis 2021/6/28 W238 2242341-1

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Veröffentlicht am 28.06.2021
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Entscheidungsdatum

28.06.2021

Norm

AlVG §17
AlVG §38
AlVG §46
AlVG §58
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W238 2242341-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin EGGER und Mag. Robert STEIER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hauffgasse vom 31.03.2021, XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 28.04.2021, XXXX , betreffend Feststellung des Gebührens von Notstandshilfe ab 04.02.2021 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerde-vorentscheidung bestätigt.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer beantragte nach einem Krankengeldbezug vom 03.02.2020 bis 29.10.2020 am 30.10.2020 die Weitergewährung von Arbeitslosengeld, welches ihm ab 30.10.2020 zuerkannt wurde. Das Höchstausmaß der Leistung wurde am 24.12.2020 erreicht. Der Beschwerdeführer stellte erst am 04.02.2021 einen Antrag auf Notstandshilfe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des AMS Wien Hauffgasse vom 31.03.2021 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 17 Abs. 1 und gemäß § 58 iVm §§ 44, 46 AlVG ab 04.02.2021 gebührt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Höchstausmaß der Leistung mit 24.12.2020 erreicht worden sei, worüber der Beschwerdeführer schriftlich in Kenntnis gesetzt worden sei. In der Mitteilung vom 10.12.2020 sei dezidiert darauf hingewiesen worden, dass die Weitergewährung der Leistung erst aufgrund einer neuerlichen Antragstellung erfolgen könne. Dennoch habe der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner Notstandshilfe erst mit Antrag vom 04.02.2021 geltend gemacht.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er keine Information über das Erfordernis einer neuerlichen Antragstellung erhalten habe, ansonsten hätte er jedenfalls reagiert und einen Antrag eingebracht. Er sei bislang stets seinen Pflichten nachgekommen. Da er seit 18 Jahren durchgehend beschäftigt sei und keine Mitteilung (vom 10.12.2020) erhalten habe, sei er davon ausgegangen, dass die Leistung automatisch weiterlaufe. Er sei im Jahr 2020 wegen Depressionen neun Monate im Krankenstand gewesen und nehme bis heute psychotherapeutische Therapien in Anspruch, die er privat bezahle. Unter Verweis auf seine finanzielle Situation begehrte er, ihm die Notstandshilfe rückwirkend mit 25.12.2020 zuzuerkennen.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung des AMS vom 28.04.2021 wurde die Beschwerde gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen. Nach Wiedergabe des maßgeblichen Sachverhalts und der angewendeten Gesetzesbestimmungen wurde seitens der belangten Behörde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach einem längeren Krankenstand am 30.10.2020 die Weitergewährung von Arbeitslosengeld beantragt habe, welche ihm ab 30.10.2020 zuerkannt worden sei. In zwei per Post zugesandten Schreiben vom 12.11.2020 und vom 10.12.2020 sei der Beschwerdeführer über das bevorstehende Ende seines Anspruches und die Notwendigkeit einer Antragstellung für die Weitergewährung der Leistung informiert worden. Als ihm im Rahmen eines telefonischen Beratungsgesprächs am 04.02.2021 mitgeteilt worden sei, dass der Arbeitslosengeldbezug bereits geendet habe, habe er angegeben, das Schreiben vom 10.12.2020 erhalten, jedoch nicht verstanden zu haben. Diese Angaben habe er bei einem weiteren Telefonat mit dem AMS am 26.02.2021 wiederholt. Dem Beschwerdeführer sei noch am 04.02.2021 ein Formular zur Beantragung der Notstandshilfe zugesandt worden, welches er fristgerecht retourniert habe. In der Folge sei ihm ab 04.02.2021 Notstandshilfe zuerkannt worden. Eine Rücksichtnahme auf im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers gelegene Faktoren, etwa einen Irrtum beim Lesen der Mitteilung über das bevorstehende Ende seines Arbeitslosengeldbezuges, lasse das Gesetz nicht zu. Die Beschwerde sei daher abzuweisen.

5. Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein, in dem er vorbrachte, dass ihm die standardisierten Abläufe im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung aufgrund seiner psychischen Erkrankung, seiner Medikamenteneinnahme und der daraus resultierenden Konzentrations- und Erinnerungsprobleme nicht bewusst gewesen seien. Er sei fälschlicherweise von einer automatischen Verlängerung der Notstandshilfe ausgegangen. Eine neuerliche Antragstellung sei erst am 04.02.2021 erfolgt, da er erst zu diesem Zeitpunkt bemerkt habe, dass er nicht mehr im Leistungsbezug stehe. Entgegen den Ausführungen des AMS habe er sich im Zeitraum vom 17.11.2020 bis 03.02.2021 bei mindestens vier Unternehmen beworben und diese Information auch an das AMS übermittelt. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme habe er nunmehr einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt. Dem Vorlageantrag wurde eine Behandlungsbestätigung des Vereins XXXX zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen vom 10.05.2021 beigefügt.

6. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 12.05.2021 vorgelegt.

7. Am 31.05.2021 langte eine psychiatrische Stellungnahme des Vereins XXXX zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen vom 18.05.2021 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer beantragte nach einem Krankengeldbezug vom 03.02.2020 bis 29.10.2020 am 30.10.2020 die Weitergewährung von Arbeitslosengeld, welches ihm ab 30.10.2020 zuerkannt wurde. Das Höchstausmaß der Leistung wurde am 24.12.2020 erreicht.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Leiden: Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol/Abhängigkeitssyndrom; Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode mit psychotischen Symptomen; Tinnitus aurium. Er befindet sich seit 27.07.2020 in ambulanter Behandlung.

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum war der Beschwerdeführer nicht krankgeschrieben. Ob der Beschwerdeführer dennoch krankheitsbedingt nicht in der Lage war, zeitgerecht einen Antrag auf Weitergewährung der Leistung zu stellen, musste nicht festgestellt werden. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer jedenfalls in der Lage gewesen wäre, seinen Anspruch etwa durch einen von ihm bevollmächtigten Vertreter geltend zu machen.

Nicht festgestellt werden musste, ob der Beschwerdeführer die Mitteilungen des AMS vom 12.11.2020 und vom 10.12.2020 über das bevorstehende Ende des Leistungsanspruches mit 24.12.2020 (Erreichen des Höchstausmaßes) und das Erfordernis einer neuerlichen Antragstellung tatsächlich erhalten und verstanden hat.

Vor dem 04.02.2021 erfolgte keine Antragstellung auf Weitergewährung der Leistung.

Im Zuge eines Telefonats am 04.02.2021 wurde der Beschwerdeführer vom AMS über das bereits eingetretene Ende seines Arbeitslosengeldbezuges informiert. Ihm wurde seitens der Behörde am selben Tag ein Formular zur Beantragung der Notstandshilfe übermittelt, welches er fristgerecht retournierte. Eine persönliche Vorsprache war nicht erforderlich. Seitens der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer sodann Notstandshilfe ab 04.02.2021 zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen, widerspruchsfreien und in den entscheidungswesentlichen Punkten unbestrittenen Akteninhalt.

Der Krankengeldbezug vom 03.02.2020 bis 29.10.2020, die Beantragung der Weitergewährung von Arbeitslosengeld am 30.10.2020 sowie die Zuerkennung der Leistung ab 30.10.2020 bis zum Erreichen des Höchstausmaßes am 24.12.2020 ergeben sich aus dem Versicherungs- und Bezugsverlauf.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers wurden auf Basis der von ihm vorgelegten Behandlungsbestätigung des Vereins XXXX zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen vom 10.05.2021 und der psychiatrischen Stellungnahme dieses Vereins vom 18.05.2021 getroffen.

Dass der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht krankgeschrieben war, ergibt sich daraus, dass er mit Blick auf den Versicherungsverlauf kein Krankengeld bezog. Im Akt befindet sich auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Zudem brachte der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht vor, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum krankgeschrieben war. Unbeschadet dessen musste auch nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer dennoch krankheitsbedingt nicht im Stande war, zeitgerecht einen Antrag auf Weitergewährung der Leistung zu stellen, da – selbst unter Zugrundelegung dieser Annahme – nicht dargetan wurde, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Anspruch anderweitig (etwa durch einen von ihm bevollmächtigten Vertreter) geltend zu machen. Letzteres ist im Übrigen auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Beschwerdeführer – seinem Vorbringen im Vorlageantrag folgend – zum einen in der Lage war, zwischen 17.11.2020 und 03.02.2021 mehrere Bewerbungen zu tätigen, und zum anderen auch seinen Anspruch (nach Zusendung des Antragsformulars seitens der Behörde am 04.02.2021) letztlich erfolgreich geltend machen konnte. Es bestehen somit keine Hinweise darauf, dass es dem Beschwerdeführer – selbst im Falle eines vom Gericht nicht festgestellten krankheitsbedingten Hinderungsgrundes – nicht möglich war, seinen Anspruch im Wege eines Vertreters fristwahrend geltend zu machen.

Ob der Beschwerdeführer die Mitteilungen des AMS vom 12.11.2020 und vom 10.12.2020 über das bevorstehende Ende seines Leistungsanspruches mit 24.12.2020 (Erreichen des Höchstausmaßes) und das Erfordernis einer neuerlichen Antragstellung tatsächlich erhalten und verstanden hat, musste nicht festgestellt werden, da Arbeitslose unabhängig von einer Information bzw. Erinnerung der Behörde selbst dafür Sorge tragen müssen, rechtzeitig einen Antrag auf (Weitergewährung von) Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung geltend zu machen.

Die Feststellung, dass vor dem 04.02.2021 keine Antragstellung auf Weitergewährung der Leistung erfolgte, konnte auf Basis der Aktenlage und der Angaben des Beschwerdeführers getroffen werden, der nicht vorbrachte, zu einem früheren Zeitpunkt einen Antrag gestellt zu haben.

Der Inhalt des Telefonats vom 04.02.2021, die Übermittlung eines Antragsformulars an den Beschwerdeführer, die sodann erfolgte Geltendmachung der Leistung durch fristgerechte Retournierung des Antrags mit Wirksamkeit vom 04.02.2021 und die Zuerkennung der Leistung ab diesem Tag ergeben sich aus der Aktenlage. Die Geltendmachung der Notstandshilfe (erst) am 04.02.2021 wurde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) lauten auszugsweise:

„Beginn des Bezuges

§ 17. (1) Sind sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt und ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemäß § 16, gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Geltendmachung, frühestens ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit. Der Anspruch gilt rückwirkend ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit

1. wenn diese ab einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag besteht und die Geltendmachung am ersten darauf folgenden Werktag erfolgt oder

2. wenn die Arbeitslosmeldung bereits vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingelangt ist und die Geltendmachung sowie eine gemäß § 46 Abs. 1 erforderliche persönliche Vorsprache binnen 10 Tagen nach Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgt, soweit das Arbeitsmarktservice nicht hinsichtlich der persönlichen Vorsprache Abweichendes verfügt hat.

(2) Die Frist zur Geltendmachung verlängert sich um Zeiträume, während denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 1 ruht, ausgenommen bei Auslandsaufenthalt gemäß lit. g. Ruht der Anspruch oder ist der Bezug des Arbeitslosengeldes unterbrochen, so gebührt das Arbeitslosengeld ab dem Tag der Wiedermeldung oder neuerlichen Geltendmachung nach Maßgabe des § 46 Abs. 5.

(4) Ist die Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung auf einen Fehler der Behörde, der Amtshaftungsfolgen auslösen kann, wie zum Beispiel eine mangelnde oder unrichtige Auskunft, zurück zu führen, so kann die zuständige Landesgeschäftsstelle die regionale Geschäftsstelle amtswegig unter Berücksichtigung der Zweckmäßigkeit und der Erfolgsaussichten in einem Amtshaftungsverfahren zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt, ab dem die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorliegen, ermächtigen.“

„Allgemeine Bestimmungen

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.“

„Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld

§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Personen, die über ein sicheres elektronisches Konto beim Arbeitsmarktservice (eAMS-Konto) verfügen, können den Anspruch auf elektronischem Weg über dieses geltend machen, wenn die für die Arbeitsvermittlung erforderlichen Daten dem Arbeitsmarktservice bereits auf Grund einer Arbeitslosmeldung oder Vormerkung zur Arbeitsuche bekannt sind; sie müssen jedoch, soweit vom Arbeitsmarktservice keine längere Frist gesetzt wird, innerhalb von 10 Tagen nach elektronischer Übermittlung des Antrages persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle vorsprechen. Das Arbeitsmarktservice kann die eigenhändige Unterzeichnung eines elektronisch eingebrachten Antrages binnen einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist verlangen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geltendmachung bestehen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle zumindest einmal persönlich vorgesprochen hat und das vollständig ausgefüllte Antragsformular übermittelt hat. Das Arbeitsmarktservice kann vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache absehen. Eine persönliche Vorsprache ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages nicht ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so ist die betroffene Person verpflichtet, auf Verlangen bei der regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen, etwa zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen, eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.

…“

„Verfahren in Angelegenheiten der Notstandshilfe

§ 58. Auf das Verfahren in Angelegenheiten der Notstandshilfe ist dieser Artikel mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des Arbeitslosengeldes die Notstandshilfe tritt.“

3.3. Vorauszuschicken ist, dass für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung das Antragsprinzip gilt. Zum materiellrechtlichen Anspruch muss der Formalakt der Geltendmachung hinzutreten (vgl. VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0052, unter Bezugnahme auf Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz § 46 Rz 791).

Die Geltendmachung weist somit zwei rechtliche Komponenten auf, zum einen die (idR) einmalige persönliche Vorsprache der arbeitslosen Person und zum anderen die Übermittlung des ausgefüllten Antragsformulars bzw. die Geltendmachung über ein eAMS-Konto.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die (oben auszugsweise wiedergegebene) Bestimmung des § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder nicht fristgerechter (verspäteter) Antragstellungen dar. Die abschließende Normierung lässt es – selbst im Fall des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen – nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren. Ein Arbeitsloser ist nämlich selbst in jenen Fällen, in denen er aufgrund einer von einem Organ des AMS schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen – durch die Anwendung des § 46 AlVG nicht abwendbaren – Schaden erleidet, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen. Folglich findet die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung im Hinblick auf die formalisierte Antragstellung im Sinn des § 46 AlVG, der eine abschließende Regelung enthält, keine gesetzliche Grundlage (vgl. erneut VwGH 09.09.2015, Ra 2015/08/0052 mwN).

3.4. Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 erster und zweiter Satz AlVG erfordert die Qualifizierung eines Sachgeschehens als „Geltendmachung des Anspruches“, an die § 17 Abs. 1 AlVG den Beginn des Bezugs von Leistungen nach dem AlVG knüpft, somit grundsätzlich – von den vorgesehenen Ausnahmen abgesehen – die persönliche Abgabe des Antrags bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars (vgl. VwGH 29.06.2005, 2004/08/0044). Auch im Fall der mit BGBl. I Nr. 5/2010 eingeführten Möglichkeit der Verwendung eines eAMS-Kontos durch den Anspruchsberechtigten ist für die „Geltendmachung des Anspruches“ in der Regel zumindest eine einmalige persönliche Vorsprache beim AMS erforderlich (vgl. Leitner/Urschler in Pfeil (Hrsg.), Der AlV-Komm § 46 AlVG Rz 5).

Mit BGBl. I Nr. 77/2004 wurde es in das Ermessen der regionalen Geschäftsstelle gestellt, Ausnahmen vom Erfordernis der persönlichen Vorsprache vorzusehen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser AlVG-Novelle (464 BlgNR 22. GP 7) sollte damit der bürokratische Aufwand verringert, aber am grundsätzlichen Erfordernis der persönlichen Geltendmachung festgehalten werden, da nach den Erfahrungen des AMS zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen in der Regel zumindest eine persönliche Vorsprache unverzichtbar sei.

§ 46 Abs. 1 AlVG ordnet weiters an, dass eine persönliche Vorsprache dann nicht erforderlich ist, wenn der Arbeitslose aus zwingenden Gründen – wie etwa durch Arbeitsaufnahme oder Krankheit – verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Damit werden somit Fälle erfasst, in denen der Arbeitslose vorübergehend aus in seiner Person gelegenen Gründen daran gehindert ist, die „Geltendmachung“ selbst vorzunehmen. In einem derartigen Fall kann der Anspruch auch anderweitig (etwa durch einen vom Antragsteller bevollmächtigten Vertreter) geltend gemacht werden (vgl. VwGH 26.01.2005, 2004/08/0090; 09.09.2015, Ra 2015/08/0052; 03.04.2019, Ra 2017/08/0053). Fehlt dem Anspruchsberechtigten die Geschäftsfähigkeit, sodass eine Antragstellung durch ihn selbst ausscheidet, hat die Geltendmachung durch seinen gesetzlichen Vertreter zu erfolgen (VwGH 30.03.1993, 92/08/0183).

3.5. Wie festgestellt, beantragte der Beschwerdeführer (nach einem Krankengeldbezug) am 30.10.2020 die Weitergewährung von Arbeitslosengeld, bezog die Leistung sodann bis zum Erreichen des Höchstausmaßes am 24.12.2020 und machte seinen Anspruch auf Notstandshilfe erst am 04.02.2021 erfolgreich geltend.

Eine persönliche Geltendmachung des Anspruches war gegenständlich – wie die im Akt einliegende Mitteilung des AMS vom 10.12.2020 und die letztlich erfolgreiche Antragstellung durch Übersendung des Antragsformulars an das AMS zeigen – zwar nicht erforderlich. Unbeschadet dessen ist der Beschwerdeführer, soweit er das (den Feststellungen nicht zugrunde gelegte) Vorbringen erstattet, er sei aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen, zeitgerecht einen Antrag auf Weitergewährung der Leistung einzubringen, auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Anspruch in Fällen, in denen der Arbeitslose vorübergehend aus in seiner Person gelegenen Gründen daran gehindert ist, die „Geltendmachung“ selbst vorzunehmen, auch anderweitig (etwa durch einen vom Antragsteller bevollmächtigten Vertreter) fristwahrend geltend gemacht werden kann. Dies muss umso mehr dann gelten, wenn – wie hier – eine Geltendmachung des Anspruches durch postalische Übermittlung eines vollständig ausgefüllten Antragsformulars genügt. Dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, seinen Anspruch etwa durch einen von ihm bevollmächtigten Vertreter geltend zu machen, wurde jedenfalls nicht behauptet und auch nicht festgestellt.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die Mitteilungen des AMS vom 12.11.2020 und vom 10.12.2020 über das bevorstehende Ende des Leistungsanspruches und das Erfordernis einer neuerlichen Antragstellung nicht erhalten bzw. nicht verstanden zu haben, ist festzuhalten, dass Mitteilungen des AMS über das Ende des Leistungsanspruches lediglich eine Serviceleistung darstellen, zumal Arbeitslose eigenverantwortlich dafür Sorge tragen müssen, rechtzeitig einen Antrag auf (Weitergewährung von) Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung geltend zu machen.

3.6. Mit der Novelle BGBl. I 2007/104 wurde dem besonderen Rechtschutzinteresse jener Arbeitsuchender Rechnung getragen, denen seitens der Behörde eine fehlerhafte Auskunft erteilt wurde, was zur Unterlassung einer rechtzeitigen Antragstellung oder Wiedermeldung führte. § 17 AlVG wurde ein Abs. 3 (seit 01.07.2010: Abs. 4) angefügt, der seitens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in bestimmten Fällen eine rückwirkende Zuerkennung der Leistung vorsieht (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz § 46 AlVG, Rz 802).

§ 17 Abs. 4 AlVG trägt im Besonderen dem Gedanken der Existenzsicherung durch Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe Rechnung. Unterbleibt eine Antragstellung bzw. eine Wiedermeldung eines Arbeitsuchenden durch einen Fehler der Behörde, soll verhindert werden, dass der Arbeitsuchende alleine daraus die Konsequenzen tragen muss (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz § 17 AlVG, Rz 412).

Es ist unter Hinweis auf die dargestellte Rechtslage (§ 46 AlVG) jedoch auszuführen, dass keine gesetzliche Verpflichtung des AMS zur Erinnerung an die fristgerechte Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe besteht. Zudem würde auch eine allfällige Verletzung der Anleitungspflicht durch die Behörde nichts daran ändern, dass der Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe an die Geltendmachung geknüpft ist (vgl. VwGH 26.11.2008, 2006/08/0179; 22.12.2009, 2009/08/0088).

§ 17 Abs. 4 AlVG ermöglicht es der zuständigen Landesgeschäftsstelle zwar – unter den dort näher genannten Voraussetzungen – die regionale Geschäftsstelle zwecks Abwendung eines Amtshaftungsanspruches amtswegig zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt zu ermächtigen, auf die Ausübung dieser Ermächtigung besteht jedoch kein Rechtsanspruch (vgl. VwGH 23.05.2012, 2010/08/0156). Im Hinblick auf dem AMS allfällig unterlaufene – vom Bundesverwaltungsgericht jedoch nicht erkannte – Fehler wäre der Beschwerdeführer demnach auf den Zivilrechtsweg (Amtshaftung) zu verweisen.

Die belangte Behörde ging im Ergebnis zu Recht davon aus, dass dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe (erst) ab 04.02.2021 gebührt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Wurde – wie im vorliegenden Fall – kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensausübung anzusehen sind (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0019).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich der Sachverhalt zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach Erreichen des Höchstausmaßes der Leistung erst am 04.02.2021 einen Antrag auf Notstandshilfe eingebracht hat, wurde von ihm nicht bestritten. Auch beinhaltet sein Vorbringen kein Tatsachenvorbringen, welches zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte, da insbesondere weder das Bestehen einer Erkrankung (angesichts der Möglichkeit der Einbringung des Antrags durch einen Bevollmächtigten) noch das allfällige Unterbleiben einer Erinnerung des AMS an die zeitgerechte Antragstellung entscheidungserheblich sind. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Notwendigkeit ergeben, den Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer oder der belangten Behörde näher zu erörtern. Dem angefochtenen Bescheid idF der Beschwerdevorentscheidung ist ein hinreichendes Ermittlungsverfahren durch das AMS vorangegangen. Weder wurden in der Beschwerde zu klärende entscheidungserhebliche Tatsachenfragen aufgeworfen noch war gegenständlich eine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, 2005/05/0080). Bei Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung handelt es sich zwar um „civil rights” iSd Art. 6 EMRK (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2016/08/0142, mwN). Im vorliegenden Fall liegen jedoch keine (entscheidungserheblichen) widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien verschafft (vgl. zu den Fällen, in denen von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, etwa VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0171). Im Ergebnis stehen dem Entfall der Verhandlung daher weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsprinzip Fristversäumung Geltendmachung Notstandshilfe psychische Erkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W238.2242341.1.00

Im RIS seit

11.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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