TE Vwgh Erkenntnis 1997/2/28 95/02/0318

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Veröffentlicht am 28.02.1997
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §35 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der P-GesmbH in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Juni 1995, Zl. VerkR-180.061/5-1995/Vie, betreffend Beseitigungsauftrag nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 16. November 1994 wurde die Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 35 StVO verpflichtet, die "Ankündigungen und den Werbeträger selbst (Werbetafel)" an der Hausruck-Bundesstraße in Ungenach (es folgt eine nähere Ortsbeschreibung) sofort nach Erhalt dieses Bescheides zu entfernen. Weiters wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochen, daß einer Berufung gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zukomme.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 13. Juni 1995 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 1 StVO hat die Behörde, wenn es die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, die Besitzer von Gegenständen, die auf der Straße oder auf Liegenschaften in der Umgebung der Straße angebracht sind und durch ihre Beschaffenheit oder Lage oder durch die Art ihrer Anbringung oder ihrer Anordnung geeignet sind, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen, durch Bescheid zu verpflichten,

a) die Lage oder die Art der Anbringung oder die Anordnung des Gegenstandes so zu ändern, daß die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht weiter beeinträchtigt wird, oder

b) wenn eine in lit. a bezeichnete Änderung nicht ausreicht, die Gegenstände zu beseitigen.

Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch die in Abs. 1 bezeichneten Gegenstände ist nach § 35 Abs. 2 StVO insbesondere dann anzunehmen, wenn sie die Straßenbenützer blenden, die freie Sicht über den Verlauf der Straße oder auf Einrichtungen zur Regelung oder Sicherung des Verkehrs behindern oder mit solchen Einrichtungen, insbesondere mit Straßenverkehrszeichen oder mit Lichtzeichen (§ 38), verwechselt werden können oder die Wirkung solcher Einrichtungen herabmindern.

Zur Bejahung der Frage, daß durch die in Rede stehende "Werbetafel" eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs gegeben sei, stützte sich die belangte Behörde auf mehrere gutächtliche Äußerungen des technischen Amtssachverständigen Ing.L. Dieser hatte bereits im erstinstanzlichen Verfahren in seinem Gutachten vom 26. September 1994 im "Befund" u.a. ausgeführt, neben der Hausruck-Bundesstraße (B 143) sei im Bereich einer unübersichtlichen Rechtskurve, welche bei Straßenkilometer 47,874 beginne und bei Straßenkilometer 47,847 ende, links der Straße die Werbetafel aufgestellt. Sie stehe auf einer steilen Böschung kurvenaußenseitig und habe eine Länge von 6,8 m und eine Höhe von 2,4 m. Die Entfernung zum Fahrbahnrand betrage ca. 2 m. Bewege man sich auf der B 143 (entgegen der Kilometrierung) im Ortsgebiet von Ungenach, so werde die Straße im genannten Bereich rechts von einem Gehsteig begleitet. Die Straßenbreite betrage 6 m. Die Staße führe vor der betreffenden Rechtskurve bergab, das Gefälle betrage 10-11 %. Bei Straßenkilometer 47,950 sei der Beginn einer leichten Linkskurve, welche bei Straßenkilometer 47,895 ende. Links der Straße sei eine steile Böschung mit Baumbewuchs, welche in Verbindung mit der leichten Linkskurve sichtbehindernd auf die Plakatwand (gemeint: die Werbetafel) in der Annäherung wirke. Die Plakatwand werde aus einer Entfernung von ca. 80 m gesehen. Bei Straßenkilometer 47,913 sei das Gefahrenzeichen "Andere Gefahren" mit der Zusatztafel "110 m - Dachvorsprung 3,5 m hoch" verordnet. Kurveninnenseitig der betreffenden Rechtskurve befinde sich am rechten Gehsteigrand eine Steinmauer, welche gleichzeitig die Grundstücksgrenze des Anwesens Ungenach Nr. 6 darstelle. Am Beginn der Rechtskurve bei Straßenkilometer 47,874 sei auf dem rechten Fahrstreifen das Gefahrenzeichen "Andere Gefahren" auf der Fahrbahn aufgebracht. Eine Zufahrt zu mehreren Objekten beginne kurvenaußenseitig mit dem Einfahrtstrichter bei Straßenkilometer 47,853 und ende bei Straßenkilometer 47,842. In diesem Bereich befinde sich auch die Garagenzufahrt zum links neben der Straße befindlichen Anwesen Ungenach Nr. 4. Ebenfalls anschließend an diesen Bereich befinde sich eine ca. 1 m hohe abgewinkelte Betonmauer, welche im Eckbereich ca. 50 cm von der Bundesstraße entfernt sei und eine "Miststätte" des Anwesens abgrenze. Auf dieser Mauer sei im Eckbereich ein rot-weißer Baken aufgebracht, um diese zu verdeutlichen und es seien Mauerbeschädigungen ersichtlich, die von Fahrzeugen stammten, welche an diese angefahren seien, was von den Hauseigentümern bestätigt worden sei. Auch liege dem Akt die Unfallstatistik des Gendarmeriepostenkommandos Vöcklabruck bei, in welcher für den unmittelbaren Bereich im Jahr 1993 bis einschließlich März 1994 acht aktenkundige Unfälle (sieben mit Sachschaden, einer mit Personenschaden) angeführt seien. Nicht beinhaltet seien jene Unfälle mit Sachschaden, welche der Gendarmerie nicht gemeldet worden seien. Die Rechtskurve, außerhalb welcher die Plakatwand aufgestellt worden sei, habe einen Außenradius von 26 m, eine Querneigung von ca. 5 % und eine Richtungsänderung von ca. 80 Grad. In Annäherung an die Rechtskurve befinde sich im Gefällebereich auf einer Länge von ca. 150 m beidseitig keine Verbauung, sodaß die leichte Erkennbarkeit mehrerer zusammengehöriger Objekte (unter anderem Grundlage für die Verordnung eines Ortsgebietes) nicht gegeben sei. Links der B 143 sei sogar vor und nach der Ortstafel bis zum Anwesen Ungenach Nr. 4 kein Gebäude in Straßennähe.

Wie aus diesem Befund ersichtlich sei - so der Sachverständige weiter im "Gutachten" im engeren Sinn -, bewirkten zwei Mängel eine "Reduktion der Erkennbarkeit und Begreifbarkeit der Voraussetzungen", weshalb das Unfallrisiko erhöht werde. Eine leichte Erkennbarkeit des Ortsgebietes sei nicht gegeben, da links in Annäherung an die Kurve keine Verbauung und rechts eine Baulücke von annähernd 150 m bestehe, sodaß mit einer größeren Annäherungsgeschwindigkeit an die Rechtskurve gerechnet werden müsse, als die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Die gegenständliche Werbetafel stehe an einer Stelle, an welcher der Auffälligkeitsgrad derart hoch sei, daß Straßenbenützer fast zwangsläufig den Blick darauf richteten und in Anbetracht dessen auf die Gefährlichkeit der scharfen Rechtskurve "vergessen" würden.

In seinen im Berufungsverfahren abgegebenen ergänzenden gutächtlichen Äußerungen vom 16. Jänner 1995 und 15. Mai 1995 bekräftigte der erwähnte Sachverständige seine im ursprünglichen Gutachten gemachten Schlußfolgerungen, wobei er auch darauf verwies, daß viele Fahrzeuglenker durch die "in größerer Entfernung" stehende Ortstafel vergessen würden, daß sie sich im Ortsgebiet befänden. Durch fallweise höhere Annäherungsgeschwindigkeiten und den prägnanten Aufstellungsort sowie den hohen Auffälligkeitsgrad der Werbetafel sei in Anbetracht der Ablenkung durch diese mit einem erhöhten Unfallsrisiko zu rechnen. Es werde nicht durch die Einhaltung der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit das Unfallrisiko erhöht, sondern das Risiko bestehe darin, daß in Annäherung an die Kurve die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von einem erheblichen Teil der Fahrzeuglenker nicht eingehalten werde, weil eben das Erscheinungsbild eines Ortsgebietes noch nicht vorhanden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 35 StVO ausgesprochen, daß das Gesetz Werbetafeln - trotz ihrer Ablenkungswirkung - nicht grundsätzlich als Gegenstände ansehe, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigten; die Tatsache der Werbungsqualität einer Tafel im Ortsgebiet allein rechtfertige somit nicht die Erlassung einer Verfügung auf Änderung oder Entfernung der Tafel. Eine solche Verfügung müsse sich auf "bestimmte konkrete Umstände" stützen, die an dem betreffenden Ort die Tafel als Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit erscheinen ließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1962, Zl. 625/62, und in der Folge auch die hg. Erkenntnisse vom 16. September 1968, Zl. 1443/67, und vom 1. Juli 1968, Zl. 345/68).

Wohl zeigen die vom erwähnten technischen Amtssachverständigen erstatteten gutächtlichen Äußerungen derartige "bestimmte konkrete Umstände", die eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit hervorrufen, auf, doch geht die Schlußfolgerung dieses Sachverständigen von einer außer acht zu lassenden Prämisse aus: Daß nämlich die Beseitigung eines Gegenstandes im Sinne des § 35 StVO erforderlich ist, kann nicht davon abhängig sein, daß sich Verkehrsteilnehmer vorschriftswidrig - hier Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit im Ortsgebiet, wenn auch allenfalls aus Fahrlässigkeit - verhalten. Eine derartige ausdehnende Auslegung wäre bei dieser das Eigentumsrecht einschränkenden Bestimmung jedenfalls nicht zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1972, Slg. Nr. 8240/A).

Die belangte Behörde hat daher insoweit die Rechtslage verkannt, als sie diese von einer verfehlten Prämisse ausgehenden gutächtlichen Äußerungen ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Ersatz von "Barauslagen" (Stempelgebühren) war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995020318.X00

Im RIS seit

17.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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